Der islamistische Terrorismus ist zu einem weltweiten Phänomen geworden. Des Weiteren fällt auf, dass immer häufiger junge Menschen aus westlichen Ländern für diese Anschläge rekrutiert werden. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, worauf diese Radikalisierung gründet.
Es soll geklärt werden, welche Sozialisationsbedingungen und Denkformen zur islamischen Radikalisierung beitragen respektive diese fördern. Diese Arbeit soll vor allem einen Einblick in die Denkweisen und Motive des Islamismus liefern. Angewendet auf den sogenannten Islamischen Staat soll veranschaulicht werden, was vor allem junge Menschen aus westlichen Gesellschaften dazu verleitet, sich vom Islam radikalisieren zu lassen. Daraus abgeleitet sollen am Ende dieser Arbeit Lösungsvorschläge vorgestellt werden, wie verhindert werden kann, dass der islamistische Terrorismus Anhänger findet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entstehung des Islamismus
3. Der islamische Faschismus
4. Formen der Radikalisierung
4.1 Archaischer Konservatismus
4.2 Eskapismus
4.3 Religiöser Avantgardismus
5. Referenz zum sogenannten Islamischen Staat
5.1 Strategien der Rekrutierung
5.1.1 „Einsame Wölfe“
5.1.2 Zielgruppe der Rekrutierung
5.2 Motive der Auslandskämpfer
5.2.1 Verteidiger
5.2.2 Sinnsucher
5.2.3 Mitläufer
6. Lösungsansätze
6.1 Religion
6.2 Integration
7. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Gefahrenpotenzial des islamistischen Terrorismus lässt sich seit langem schon nicht mehr nur auf eine bestimmte Region im Nahen Osten beschränken. Der islamistische Terrorismus ist zu einem weltweiten Phänomen geworden. Organisierter islamistischer Terrorismus ist mittlerweile auf allen Kontinenten zu finden. Islamistisch motivierte Anschläge, wie die auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001, den Brüsseler Flughafen am 22. März 2016 oder die Geiselnahme in Sydney am 15. Dezember 2014 machen deutlich, dass der islamistische Terror auch hiesige Gesellschaften bedroht. Der erst kürzlich verübte Anschlag auf den Flughafen Atatürk in Istanbul, bei dem am 28. Juni 2016 44 Menschen getötet und 239 verletzt wurden, unterstreicht die Aktualität, denn auch hinter dieser Tat wird der sogenannte Islamische Staat vermutet (vgl. Abdi-Herrle 2016).
Des Weiteren fällt auf, dass immer häufiger junge Menschen aus westlichen Ländern für diese Anschläge rekrutiert werden, so stammen beispielsweise einige Täter der Paris-Attentate vom 13. November 2015 aus Belgien (vgl. Biermann et al. 2015). Im Allgemeinen ist die Anzahl junger Menschen, die sich aus Europa aufmachen, um sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen bedenklich hoch. Alleine aus Deutschland verließen, laut Zeit Online, seit 2011 über 800 Menschen das Land Richtung Syrien oder Irak, viele mit der Absicht sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen (vgl. Musharbash 2016). Insgesamt seien es, laut Zeit Online, sogar 30.000 ausländische Freiwillige, die den Weg zum sogenannten Islamischen Staat aufgenommen haben (vgl. ebd.).
Nun stellt sich die Frage, mit der sich diese Hausarbeit beschäftigt, worauf diese Radikalisierung gründet. Es soll geklärt werden, welche Sozialisationsbedingungen und Denkformen zur islamischen Radikalisierung beitragen respektive diese fördern. Diese Hausarbeit soll vor allem einen Einblick in die Denkweisen und Motive des Islamismus liefern. Angewendet auf den sogenannten Islamischen Staat soll veranschaulicht werden, was vor allem junge Menschen aus westlichen Gesellschaften dazu verleitet sich vom Islam radikalisieren zu lassen. Daraus abgeleitet sollen am Ende dieser Arbeit Lösungsvorschläge vorgestellt werden, wie verhindert werden kann, dass der islamistische Terrorismus Anhänger findet.
Um eben diesen Fragen auf den Grund zu gehen beginnt die Hausarbeit zunächst mit einer kurzen Einführung darüber, wie der islamistische Terrorismus in der arabischen Welt entstanden ist. Im darauffolgenden Kapitel sollen Überschneidungen des europäischen Faschismus mit dem Islamismus hinsichtlich Entstehung und Denkformen dargelegt werden. Danach wird in Anlehnung an die von dem ägyptisch-deutschen Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad getroffene Einteilung der Radikalisierungsformen eben diese vorgestellt. Daran schließt sich das Kapitel an, welches eine Referenz zum sogenannten Islamischen Staat herstellt, um anhand eines praktischen Beispiels zu visualisieren, was genau dazu führt, dass sich Muslime radikalisieren lassen. Dazu werden zunächst die Strategien der islamistischen Rekrutierer vorgestellt, dabei soll unter anderem noch einmal die Zielgruppe dieser Radikalisierung herauskristallisiert werden. Danach sollen die Motive der IS-Kämpfer anhand von verschiedenen Motivationsprofilen erörtert werden. Im Anschluss daran werden verschiedene Lösungsvorschläge zur Bekämpfung eben dieses islamistischen Terrorismus vorgestellt und teilweise mit konkreten Anwendungen belegt. Zum Schluss wird ein Resümee gezogen, in welchem eine letzte kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen für islamische Radikalisierung und den genannten Lösungsvorschlägen stattfinden soll.
2. Entstehung des Islamismus
Der Islamismus beschreibt eine politisch fundamentalistische, sich auf den Islam berufende Ideologie (vgl. Neumann 2015, S. 49-51). Dieses Kapitel dient dem Zweck aufzuklären, wie eine solche extremistische Ideologie entstehen konnte.
Zu Beginn sei vorweggenommen, dass „[d]ie Geschichte des Islamismus [...] nicht identisch mit der Geschichte des Islams [ist]“ (ebd., S. 49). Der Islam ist eine über 1400 Jahre alte Religion, der Islamismus existiert jedoch erst seit einem Jahrhundert (vgl. ebd., S. 49).
Nach Meinung vieler Historiker ist der politisch fundamentalistische und extremistische Islam ein Produkt, das „aus der Begegnung des Islam mit der Moderne – speziell der Moderne westlicher Prägung – entstanden [sei]“ (ebd., S. 49). Der Ursprung des Islamismus sei demnach in der Kolonialzeit zu suchen. Mit dem Kolonialismus begann eine Zeit der Beherrschung der islamischen Welt durch den Westen (vgl. ebd., S. 49f.). Dieser setzte seine imperialen Interessen durch und warf „vielerorts jahrhundertealte soziale und kulturelle Normen über den Haufen“ (ebd., S. 50).
Die Reaktionen auf diese Kolonialherrschaft waren in der islamischen Welt vielseitig, sie reichten „vom Widerstand bis hin zur totalen Anpassung“ (ebd.). Zu Beginn der Kolonialzeit waren jedoch gewaltmäßige Aufstände gegen eben diese eher die Seltenheit. Eine der ersten Reaktionen waren zunächst:
[R]eligiös-fundamentalistische Bewegungen, die einen scheinbar reinen, nicht korrumpierenden und vor allem an den religiösen Texten orientierten Islam predigten. (ebd.)
So war es eben die Begegnung mit dem Westen, die solche religiösen Bewegungen entstehen ließ, welche zum Ziel hatten sich „vor westlichen Einflüssen [zu] schützen und zu einem strengen, puristischen Islam [zu] bekehren“ (ebd.).
Die angesprochene teilweise sich vollziehende Anpassung einiger Muslime an die westlichen Kolonialherren führte bei vielen Muslimen des Weiteren zu einem Verlangen der
Rückbesinnung auf einen Islam, wie er angeblich zur Zeit des Propheten Mohammed und seiner unmittelbaren Nachfolger – der sogenannten »frommen Vorfahren« (salaf) [Hervorhebung im Original] – existiert hatte. (ebd.)
Diese Abneigung gegenüber angeblich unislamischem Verhalten, erinnert stark an die heutigen Beweggründe islamistischer Terrorgruppen, wie al-Qaida oder des sogenannten Islamischen Staats und seinem Wunsch ein Kalifat nach altem Vorbild aufzubauen (vgl. Said 2014, S. 65-71).
Die gesamten Bewegungen waren in ihrem Ursprung jedoch in den allermeisten Fällen weder „explizit politisch oder gar revolutionär“ (Neumann 2015, S. 50). Dies änderte sich jedoch schlagartig „mit dem Entstehen der wohl bedeutendsten islamistischen Organisation, der Muslimbruderschaft, im Jahr 1928“ (ebd., S. 51). Der Hass auf die westliche Kultur und auf deren Einfluss auf die islamische Welt, der dieser Organisation innewohnt, lässt sich mit folgendem Zitat von Hassan al-Banna, dem Gründer der Muslimbruderschaft, gut veranschaulichen:
Nach dem Ersten Weltkrieg und während meiner Studentenzeit in Kairo überflutete eine Welle des Atheismus und der Wollust Ägypten. Im Namen der individuellen und intellektuellen Freiheit wurde Moralität und Religion zerstört. Nichts schien in der Lage, diesen Sturm aufzuhalten. (ebd.)
Mit der Muslimbruderschaft begann der politische Islam, sie hatte zum Ziel, durch Gründung von „islamische[n] Schulen, Wohlfahrtsvereine[n], Krankenhäuser[n] und Berufsverbände[n]“ (ebd.), „jede[n] Aspekt des gesellschaftlichen Lebens [...] vom Islam [zu durchdringen und leiten zu lassen]“ (ebd.). Um dies zu erreichen wollte man mehr als nur die bloße Abschaffung der Kolonialherrschaft, man forderte „die Einführung der Scharia, des religiösen islamischen Rechts“ (ebd.). Die Muslimbruderschaft fand schnell viele Anhänger und war innerhalb von zwei Jahrzehnten ein Phänomen der gesamten arabischen Welt (vgl. ebd.).
Den fundamentalistischen Islam gab es also nicht von Beginn an, er gründete im Wesentlichen auf einer Abneigung der westlichen Welt, ausgelöst durch die Kolonialzeit. Er entwickelte sich über die Jahrzehnte zu einem politischen Islam mit gewaltbereitem Potenzial.
3. Der islamische Faschismus
Wie aus dem vorhergegangenen Kapitel hervorgeht entstanden Islamismus und Faschismus zur gleichen Zeit. Dass dies nicht die einzigen Gemeinsamkeiten dieser beiden Phänomene darstellt soll in diesem Kapitel deutlich gemacht werden. Hierbei sollen nicht nur die Überschneidungen von Faschismus und Islamismus vorgestellt werden, sondern vor allem die Denkformen deutlich werden, die hinter einer islamischen Radikalisierung stecken.
Der Islamismus sowie der Faschismus entstanden beide „aus einem Gefühl der Niederlage und der Erniedrigung“ (Abdel-Samad 2015, S. 19). Bei den Islamisten wird dieses Gefühl von der schon beschriebenen Unterdrückung durch den Westen ausgelöst, während es bei den europäischen Faschisten ein verlorener Krieg oder die Erniedrigung ausgelöst durch den Versailler-Vertrag war (vgl. ebd., S. 24f.).
Ein weiteres Bindeglied zwischen Faschismus und Islamismus stellen gemeinsame Ziele dar, wie „ein Imperium zu errichten [...][,] die Weltherrschaft [...][, sowie] die totale Vernichtung seiner Feinde“ (ebd., S. 19). Die Nazis wollten ein deutsches Reich, welches über ganz Europa herrscht, diesem Wunsch kommt das Streben des sogenannten Islamischen Staates ein Kalifat mit alten historischen Grenzen auszurufen sehr nahe. Einige sehen in dieser nostalgischen Sehnsucht an glorreiche, aber längst vergangene, Zeiten der islamischen Welt einen der Hauptauslöser für islamische Radikalisierung. Diese nostalgischen Züge lassen sich vor allem im italienischen Faschismus wiedererkennen, welcher auf die glorreiche Vergangenheit des Römischen Reichs zurückblickte (vgl. S. 19f.).
Beide eint außerdem der Glaube an die eigene Überlegenheit, während Hitler-Deutschland an die „Überlegenheit der arischen Rasse“ (ebd., S. 19) glaubte, sind Islamisten „überzeugt von der moralischen Überlegenheit der Muslime gegenüber dem ungläubigen Rest der Menschheit“ (ebd.).
Den Salafisten und Dschihadisten geht es schlichtweg alleine um das strikte Befolgen der im Koran festgehaltenen Regeln. Eigenes Denken, ganz zu schweigen von einer eigenständigen Interpretation, werden von Islamisten konsequent abgelehnt.
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