Diese Arbeit beschäftigt sich mit einer ethischen Fallanalyse zum Thema: Einwilligung in eine medizinische Maßnahme aufgrund unzureichender Aufklärung.
Von der unfallchirurgischen Allgemeinstation wurde eine 84-jährige Patientin auf eine operative Intensivstation verlegt. Die Frau befand sich in deutlich reduziertem Allgemeinzustand, war aber zeitlich, örtlich, situativ und zur Person voll orientiert. Zuvor war sie in der Wohnung des Sohnes, bei dem sie schon seit Längerem wegen Pflegebedürftigkeit wohnte, gestürzt und hatte sich dabei eine Rippenserienfraktur auf der rechten Seite zugezogen.
Nachdem die Patientin stationär aufgenommen war, verschlechterte sich ihr Zustand rapide, was sich hauptsächlich durch eine starke Dyspnoe mit Zyanose zeigte. Die daraufhin veranlasste Röntgenuntersuchung des Thorax ergab rechtsseitig eine ausgeprägte Pneumonie.
Die zuständige Stationsärztin der Intensivstation erläuterte der Patientin ihre Diagnose und erklärte ihr, dass es jetzt notwendig sei, eine endoskopische Untersuchung der Lunge vorzunehmen, um angesammeltes Sekret, welches die Entzündung verursacht hatte, abzusaugen und zu untersuchen. Dazu sei es notwendig, so die Ärztin, dass die Patientin vorübergehend narkotisiert und künstlich beatmet werden müsse.
Dieses jedoch lehnte die Patientin strikt ab. Sie argumentierte, dass sie schon genug durchgemacht hätte und nicht bereit sei, noch weitere Qualen zu ertragen. Außerdem sei sie mit 84 Jahren alt genug, um zu sterben.
Die Stationsärztin, von dieser Reaktion überrascht, wandte sich an ihren Oberarzt. Dieser besprach die Situation zunächst mit den Angehörigen der Patientin, die von der Notwendigkeit der geplanten medizinischen Maßnahme sofort überzeugt waren. Im anschließenden Gespräch versuchten Sohn und Schwiegertochter die alte Frau zu einer Einwilligung zu überreden, zunächst ohne Erfolg.
Die Patientin hatte inzwischen hohe Temperaturen entwickelt, und wurde zunehmend tachykard und hypoton. Es war, medizinisch gesehen, höchste Eile geboten. Nun wandte sich der Oberarzt persönlich an die Patientin. Er erklärte ihr nochmals den geplanten Eingriff und betonte ausdrücklich, dass dieser keine Qualen, sondern Erleichterung herbeiführen und zudem nur wenige Minuten dauern würde. Nach nochmaligem Zuspruch seitens der Angehörigen willigte die Patientin schließlich ein.
Inhalt
1. Darstellung der Handlungssituation
2. Darstellung des moralischen Problems
3. Darstellung und Diskussion von Lösungsmöglichkeiten
4. Ethische Reflexion und Begründung der in den Lösungsvorschlägen als normativ anerkannten Grundsätze und Argumentationsweisen
Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Darstellung der Handlungssituation
Von der unfallchirurgischen Allgemeinstation wurde eine 84-jährige Patientin auf eine operative Intensivstation verlegt. Die Frau befand sich in deutlich reduziertem Allgemeinzustand, war aber zeitlich, örtlich, situativ und zur Person voll orientiert. Zuvor war sie in der Wohnung des Sohnes, bei dem sie schon seit Längerem wegen Pflegebedürftigkeit wohnte, gestürzt und hatte sich dabei eine Rippenserienfraktur auf der rechten Seite zugezogen.
Nachdem die Patientin stationär aufgenommen war, verschlechterte sich ihr Zustand rapide, was sich hauptsächlich durch eine starke Dyspnoe mit Zyanose zeigte. Die daraufhin veranlasste Röntgenuntersuchung des Thorax ergab rechtsseitig eine ausgeprägte Pneumonie.
Die zuständige Stationsärztin der Intensivstation erläuterte der Patientin ihre Diagnose und erklärte ihr, dass es jetzt notwendig sei, eine endoskopische Untersuchung der Lunge vorzunehmen, um angesammeltes Sekret, welches die Entzündung verursacht hatte, abzusaugen und zu untersuchen. Dazu sei es notwendig, so die Ärztin, dass die Patientin vorübergehend narkotisiert und künstlich
beatmet werden müsse. Dieses jedoch lehnte die Patientin strikt ab. Sie argumentierte, dass sie schon genug durchgemacht hätte und nicht bereit sei, noch weitere Qualen zu ertragen. Außerdem sei sie mit 84 Jahren alt genug, um zu sterben.
Die Stationsärztin, von dieser Reaktion überrascht, wandte sich an ihren Oberarzt. Dieser besprach die Situation zunächst mit den Angehörigen der Patientin, die von der Notwendigkeit der geplanten medizinischen Maßnahme sofort überzeugt waren. Im anschließenden Gespräch versuchten Sohn und Schwiegertochter die alte Frau zu einer Einwilligung zu überreden, zunächst ohne Erfolg.
Die Patientin hatte inzwischen hohe Temperaturen entwickelt, und wurde zunehmend tachykard und hypoton. Es war, medizinisch gesehen, höchste Eile geboten. Nun wandte sich der Oberarzt persönlich an die Patientin. Er erklärte ihr nochmals den geplanten Eingriff und betonte ausdrücklich, dass dieser keine Qualen, sondern Erleichterung herbeiführen und außerdem nur wenige Minuten dauern würde. Nach nochmaligem Zuspruch seitens der Angehörigen willigte die Patientin schließlich ein.
Daraufhin erhielt die Patientin eine Narkose, wurde intubiert und die planmäßig vorgesehene Bronchoskopie wurde durchgeführt. Im Anschluss daran wurde die Patientin jedoch nicht, wie ursprünglich vorgesehen, extubiert, sondern dauerhaft sediert und weiter maschinell beatmet. Den Angehörigen erklärte der Oberarzt, dass die Lungenentzündung ausgeprägter sei, als ursprünglich angenommen und es deshalb notwendig sei, die Patientin für einige Zeit weiter zu beatmen. Der Sohn und die Schwiegertochter waren damit einverstanden.
Nach einigen Tagen stellte sich eine allgemeine Besserung des Gesundheitszustandes ein, so dass die Ärzte sich zu einer Extubation entschlossen. Jedoch musste nach wenigen Stunden, aufgrund respiratorischer Insuffizienz, die Reintubation erfolgen. Dieser Vorgang wiederholte sich an den folgenden Tagen mehrfach. In den Phasen, in denen die Patientin ohne maschinelle Beatmungshilfe auskommen musste, hielt man sich mit starken Analgetika weitestgehend zurück, um eine atemdepressive Wirkung zu vermeiden. Zudem entwickelte die Patientin ein Durchgangssyndrom, was ihre Kooperationsbereitschaft völlig beendete. In dieser Zeit lehnte die alte Frau jede pflegerische Maßnahme ab und versuchte sich venöse Zugänge, Magensonde etc. zu entfernen. Wenn man sie daran hinderte, wurde sie aggressiv und versuchte die betreuenden Personen zu schlagen und zu treten. Daraufhin wurde sie zu ihrem eigenem und zum Schutz des medizinischen Personals fixiert. Einmal stieß sie den betreuenden Pfleger, der sie von Beginn an pflegte, mit den Worten zurück: „Hauen sie ab! Sie gehören auch zu dieser Bande!“
Aufgrund der immer wieder erfolglosen Extubationsversuche entschlossen sich die Ärzte eine Tracheotomie vorzunehmen. Man versprach sich davon eine schleichende Entwöhnung von der Beatmung vornehmen zu können. Bei einer der zahlreichen Röntgenuntersuchungen des Thorax zeigten sich beidseits Pleuraergüsse, die mit Thoraxdrainagen versorgt wurden. Die Ernährung erfolgte nun über Magensonde.
Nach vier Wochen Aufenthalt auf der operativen Intensivstation wurde die Patientin mit Trachealkanüle ohne maschinelle Beatmung wieder auf die periphere unfallchirurgische Station verlegt. Während der gesamten Zeit machte die Patientin einen gequälten Eindruck. Resignation und Enttäuschung waren ihr deutlich anzumerken.
2. Darstellung des moralischen Problems
Die Darstellung des moralischen Problems muss aus zwei verschiedenen Sichtweisen erfolgen. Zunächst steht die Kontrasterfahrung aus pflegerischer Sicht im Vordergrund. Um der Komplexität der moralischen Problematik in diesem speziellen Fall gerecht zu werden, ist es erforderlich, die Situation auch aus ärztlicher Sicht zu betrachten.
Bei der Pflege von Patienten lassen sich Pflegende in der Regel von zwei wesentlichen Grundsätzen leiten:
- Erstens soll die Pflege dem Wohl des Patienten dienen, beziehungsweise für ihn nutzbringend sein.
- Zweitens gilt für alle pflegerischen und medizinischen Maßnahmen, dass der Patient sein Einverständnis geben muss und frei über alle Belange die ihn betreffen entscheiden kann, sofern er dazu in der Lage ist. Dies setzt eine umfassende, ehrliche und uneigennützige Aufklärung und Informationsvermittlung voraus. Nur dadurch hat der Patient als medizinischer Laie die Möglichkeit, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
„Ethische Reflexionen beginnen meist mit Irritationen. Es wird eine Spannung erfahren zwischen dem, was man gelernt und bisher als sinnvolle Lebensgestaltung betrachtet hat, und den elementaren Forderungen, mit denen man plötzlich konfrontiert wird.“ (E. Amelung 1992: 10)
Eben diese Spannungserfahrung hat in dieser Situation stattgefunden, als die Patientin von den Ärzten völlig unzureichend aufgeklärt und letztendlich zu einer Einwilligung überredet wurde. Auf der einen Seite das Recht der Patientin auf Autonomie und auf der anderen Seite die ärztliche und pflegerische Verpflichtung dem Wohl der Patientin zu dienen, was auch einschließt, jede Möglichkeit auf Heilung und Rehabilitation zu nutzen. Wie hätte eine Pflegekraft reagieren sollen, wenn die Patientin sie zu der Richtigkeit ihrer Entscheidung befragt hätte? Dadurch ist noch eine weitere Spannungserfahrung aufgetreten. Bei einer Antwort hätte die Pflegekraft sich entscheiden müssen zwischen ihrer Verpflichtung auf ehrliche Aufklärung und ihrer Loyalität gegenüber den Ärzten. Die Problematik verschärfte sich für die Pflegekraft auch dadurch, dass sie in der Folgezeit der Behandlung gezwungen war, die ethische Entscheidung der Ärzte mit zu tragen.
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