Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Positionierung der Hausaufgabenkontrolle und wie dies mit der Individualisierung in Verbindung steht.
Kernbestandteil der vorliegenden Arbeit ist die Individualisierung und die Aufgabenkontrolle. Beide Thematiken werden in ihrer historischen Entwicklung aufgezeigt, auf welche im Fortlauf dieser Arbeit Bezug genommen wird.
Öffnung des Unterrichts, Differenzierung, Adaptivität, Dezentrierter Unterricht, Individualisierung. Alles Aspekte, die auf die Heterogenität der Schülerschaft eingehen sollen. Aktuelle bildungspolitische Diskussionen fordern die Berücksichtigung der Heterogenität in der Schule, die in Zukunft einen Zuwachs an Bedeutung erhalten dürfte. Zentrale Forderung ist die Verbesserung der Chancengleichheit und der Bildungsgerechtigkeit, indem auf Lernvoraussetzungen eingegangen und Potenzial gefördert wird.
Schlicht dargestellt, reagiert die Individualisierung auf die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft, die mithilfe des Unterrichts auf individuelle Voraussetzungen jedes Individuums einzugehen versucht.
Um die Bedeutung, Dimension und Vielfältigkeit von Individualisierung deutlich zu machen, ist zunächst eine Auseinandersetzung mit der Thematik erforderlich, hierbei soll deutlich gemacht werden, was sie bedeuten und in welchen Erscheinungen sie auftreten kann. Auf dieser Grundlage soll versucht werden, aufzuzeigen, inwiefern die Institution Schule hiermit in Verbindung steht.
Die Aufgabenkultur in der Schule soll hierbei ein mögliches Werkzeug zur Verwirklichung darstellen, weshalb zunächst auf individualisierte Arbeitsaufträge eingegangen wird. An dieser Stelle knüpft die Kernthematik “Aufgabenkontrolle“ an, die auf dieser Grundlage einen Zugang zur Individualisierung versucht. Daher ist eine allumfängliche Auseinandersetzung mit der individualisierten Aufgabenkontrolle nötig, weshalb zunächst wichtige Bestandteile der Aufgabenkontrolle aufgegriffen werden.
Anhand verschiedener Praxisbeispiele findet eine Darstellung von Kontrollsituationen statt, welche die Positionierung der Aufgabenkontrolle deutlich machen soll. Die daraus entstehenden Chancen und Grenzen der Systematik sollen die Thematik der Positionierung ergänzen.
Insbesondere kursierende Praxisberichte ermöglichen einen Einblick in den individualisierten Unterricht. Jedoch fehlt es noch an hinreichender empirischer Forschung sowie Beobachtungsstudien, speziell mit dem Schwerpunkt einhergehender Probleme in Struktur und Handlung.
I. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffliche Bestimmungen
2.1 Soziologische Betrachtung von Individualisierung
2.1.1 Dimensionen
2.1.2 Individualisierungstheorien
2.2 Traditionelle Hausaufgaben
2.2.1 Hausaufgabenkontrolle
2.2.2 Grenzen traditioneller Hausaufgaben
3. Individualisierung in der Schule
3.1 Individualisierung von Unterricht
3.2 Individualisierung von Aufgaben
4. Individualisierung und Aufgabenkontrolle
4.1 Etymologie Kontrolle
4.2 Legitimation
4.3 Kontrollarten und Kontrollakteure
4.4 Rückmeldung
5. Kontrollpraxis
5.1 Kontrollpraxis in Grundschulen
5.1.1 Montessori-Schule
5.1.2 Erich-Kästner-Schule
5.1.3 Altemati vschule
5.1.4 Astrid-Lindgren-Schule
5.2 Kontrollpraxis in Ganztagsschulen
5.2.1 Die Aufgabenstunde
5.2.2 Die fachbezogene Übungsstunde
6. Individualisierung und Aufgabenkontrolle - Problembereiche
6.1 Bewertbarkeit
6.2 Individualisierte Arbeitsaufträge
6.3 Zeitlicher Aspekt
6.4 Kontrollart und Kontrollakteur
6.5 Lehrertypus
7. Resümee
II. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Öffnung des Unterrichts, Differenzierung, Adaptivität, Dezentrierter Unterricht, Individualisierung. Alles Aspekte, die auf die Heterogenität der Schülerschaft eingehen sollen. Aktuelle Bildungspolitische Diskussionen fordern die Berücksichtigung der Heterogenität in der Schule, die in Zukunft einen Zuwachs an Bedeutung erhalten dürfte. Zentrale Forderung ist die Verbesserung der Chancengleichheit und der Bildungsgerechtigkeit, indem auf Lemvoraussetzungen eingegangen und Potenzial gefördert wird (vgl. Hertel, 2014, S.19 ff).
Schlicht dargestellt, reagiert die Individualisierung auf die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft, die mithilfe des Unterrichts auf individuelle Voraussetzungen jedes Individuums einzugehen versucht (vgl. Hertel, 2014, S.19 ff).
Um die Bedeutung, Dimension und Vielfältigkeit von Individualisierung deutlich zu machen, ist zunächst eine Auseinandersetzung mit der Thematik erforderlich, hierbei soll deutlich gemacht werden, was sie bedeuten und in welchen Erscheinungen sie auftreten kann. Auf dieser Grundlage soll versucht werden, aufzuzeigen inwiefern die Institution Schule hiermit in Verbindung steht.
Die Aufgabenkultur in der Schule soll hierbei ein mögliches Werkzeug zur Verwirklichung darstellen, weshalb zunächst auf individualisierte Arbeitsaufträge eingegangen wird. An dieser Stelle knüpft die Kemthematik “Aufgabenkontrolle“ an, die auf dieser Grundlage einen Zugang zur Individualisierung versucht. Daher ist eine allum- fangliche Auseinandersetzung mit der individualisierten Aufgabenkontrolle nötig, weshalb zunächst wichtige Bestandteile der Aufgabenkontrolle aufgegriffen werden. Anhand verschiedener Praxisbeispiele findet eine Darstellung von Kontrollsituationen statt, welche die Positionierung der Aufgabenkontrolle deutlich machen soll. Die daraus entstehenden Chancen und Grenzen der Systematik sollen die Thematik der Positionierung ergänzen.
Insbesondere kursierende Praxisberichte ermöglichen einen Einblick in den individualisierten Unterricht. Jedoch fehlt es noch an hinreichender empirischer Forschung sowie Beobachtungsstudien, speziell mit dem Schwerpunkt einhergehender Probleme in Struktur und Handlung (vgl. Breidenstein, 2014, S. 36).
2. Begriffliche Bestimmung
Kembestandteil der vorliegenden Arbeit ist die Individualisierung und die Aufgabenkontrolle. Beide Thematiken werden in ihrer historischen Entwicklung aufgezeigt und im Fortlauf dieser Arbeit auf diese Bezug genommen.
2.1 Soziologische Betrachtung von Individualisierung
Durch die Modernisierung der Arbeitswelt ist die Individualisierung von Nöten, da die Arbeitswelt im ständigen Wandel ist. Es entstehen neue und veränderte Arbeitsplätze und daher ist eine hohe Flexibilität des Individuums erforderlich, damit die Einarbeitung in neue Themengebiete und das Aneignen von Wissen in ständig wechselnde Themengebiete erfolgreich gelingen kann. Auch die eigene Kooperation spielt eine große Rolle, denn in der modernen und projektorientierten Arbeitswelt ist das Individuum damit konfrontiert mit ständig wechselnden Konstellationen von Gruppen zu arbeiten, da die Projektarbeiten nur für kurze Zeit bestimmt sind. Moderne Unternehmen fordern Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Leistungsorientierung (vgl. Richter, 2008, S. 728 f.).
2.1.1 Dimensionen
Den Begriff der Individualisierung prägte der deutsche Soziologe Ulrich Beck im Jahre 1986 in seinem Buch „Risikogesellschaft“. In diesem spricht er von einer dreifachen Individualisierung. In diesem Modell nennt er drei Dimensionen, die durchlaufen werden: die Freisetzungsdimension, die Entzauberungsdimension und die Kontrolldimension. In der Dimension der Freisetzung geht es um die Herauslösung aus gesellschaftlichen Normen und Traditionen. Jeder Einzelne soll zum Gestalter seines eigenen Lebens werden. Die Entzauberungsdimension meint, sich aus traditionellen Sicherheiten und Praktiken zu lösen. Die dritte Dimension, die Reintegration, beinhaltet den Aufbau neuer sozialer Beziehungen. In dem Prozess sieht er einen Widerspruch in sich, denn die Dimensionen durchlaufen den Prozess der Herauslösung, die damit einhergehende Verlust der Stabilität und letztendlich widersprüchlich, die erneute Eingliederung in das System (vgl. Beck, 2016, S. 206 f.).
Die Gesellschaft verbindet mit dem Begriff der Individualisierung eine Humanisierung jedes Einzelnen, indem Individuen mehr Raum zur Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung erhalten. Dieser Zustand wird durch die Emanzipation erreicht, indem sich das Individuum aus dem Zustand der Abhängigkeit befreit und somit die Selbstständigkeit erlangt. Beck kritisiert diese einseitige Interpretation jedoch und warnt, dass auch gegenteiliges erreicht werden kann und somit sollte die einseitige Interpretation durch die Kehrseite der Individualisierung erweitern werden. Hierbei sieht Beck die Wichtigkeit zu reflektieren, welchem Einfluss das Individuum ausgesetzt ist und wie es mit den Gegebenheiten umgeht (vgl. Beck, 2016, S. 207).
Schließlich geht es bei der Individualisierung um die Herauslösung sozialer Klassen. Damit geht die Steigerung der Bildungsniveaus und des Einkommens, die Veränderung der sozialen Zusammensetzung, die Flexibilisierung von Arbeitszeit sowie Arbeitsort einher (vgl. Beck, 2016, S. 208 f.).
2.1.2 Individualisierungstheorien
Die Individualisierung hat einen großen und wichtigen Anteil im Bereich der Soziologie. Mit der These von Beck begann die Thematisierung. Daraufhin folgten bis heute zahlreich neue, weiterentwickelte und entkräftete Thesen. Die zahlreichen Theorien, die über Jahre hinweg entstanden sind, lassen drei Unterscheidungen hinsichtlich der Einordnung der Individualisierungstheorien zu. Diese sind die negative, die positive und die ambivalente Individualisierung (vgl. Schroer, 2008, S. 139).
Die bedeutsamsten klassischen Vertreter der negativen Individualisierung sind Karl Marx und Max Weber. Aktuelle Ideologen sind Zygmunt Baumann und Michael Foucault. Im Kem geht es um die Formung eines ungefestigten und unselbstständigen Individuums zu einem Individuum, das von Disziplinierung und Überwachung geprägt ist, da es nur so in unserer Gesellschaft zurechtkommt. Durch die miteinhergehende Bürokratisierung, Ökonomisierung und Disziplinierung ist die Autonomie des Individuums jedoch bedroht. Die Quintessenz der negativen Individualisierung ist die Gefährdung des Individuums (vgl. Schroer, 2008, S. 141 ff).
Nach Foucault prägen zwei unterschiedliche Einflüsse die negative Individualisierung, die eine wechselseitige Wirkung aufeinander haben. Erstere meint die einflussnehmenden Diskurse, die das Individuum prägen. Letztere bezieht sich auf die Disziplinierungen, dem das Individuum ausgesetzt ist. Daraus entstehen vier verschiedene Disziplinen, in der eine Individualisierung stattfindet. Diese werden als die zellenförmige, organische, evolutive und kombinatorische Individualität bezeichnet. Die zellenförmige Individualität nimmt eine Klassifizierung nach bestimmten Ordnungsmus- tem vor. Hierdurch entsteht ein Raum, in dem Kontrolle und Disziplinierung stattfindet und eine hierarchische Zuordnung zulässt. Die organische Individualität bezieht 3 sich auf eine effektive Zeitnutzung und dessen Überwachung. Die evolutive Individualität umfasst die zeitliche Abfolge innerhalb eines Prozesses anhand der eine Kontrolle durchgeführt und die Leistung, bezogen auf ein erwartetes Ergebnis, beurteilt wird. Begründet durch die Zusammensetzung der Disziplinen entsteht die kombinatorische Individualität. Sie verbindet alle Kräfte und hat das Ziel der Effizienz. Das Individuum ist hierbei Teil eines Ganzen, welchem er untergeordnet ist und dessen Befehlssystem er zu folgen hat. Foucault kommt zu der Erkenntnis, je mehr Individuen einer Unterwerfung ausgeliefert sind, beispielsweise sozialschwache Individuen, desto stärker werden sie individualisiert. Schließlich besteht die Gefahr der Unterwerfung sowie einer Subjektivierung, der sich freiwillig ausgeliefert wird. Die Begründung der freiwilligen Hingabe wird in dem Versprechen der Individualisierung, sich selbst besser kennenzulemen, gesehen. Definiert wird die Subjektivierung durch den Prozess der Konditionierung, zusammengesetzt aus äußerlicher Einwirkung und inneren Einfluss (vgl. Rottlaender, 2018, S. 190 ff.).
Die positive Individualisierung baut auf der Theorie des gefährlichen Individuums auf. Das Individuum ist in Zeiten von Modernisierungen der Gesellschaft für sich selbst verantwortlich und löst sich aus den gesellschaftlichen Normen. Sich dem sozialen System anzupassen, ist keine Notwendigkeit mehr. Vielmehr muss die Gesellschaft auf das Individuum eingehen, um von ihm profitieren zu dürfen. In dieser Theorie besteht jedoch die Gefahr, dass das Individuum eine Bedrohung für die soziale Ordnung darstellt und sich nicht in die Gesellschaft einfügen kann. Klassische Vertreter dieser Theorie sind Emile Dürkheim und Ferdinand Tönnies aber auch Niklas Luh- mann ist ein moderner Vertreter dieser Theorie (vgl. Schroer, 2008, S. 146 ff.).
Georg Simmel, als klassischer Ideologe und Ulrich Beck, als moderner Vertreter sprechen von einer komplexen Individualisierung, bestehend aus negativer- und positiver Theorie, die zugleich ambivalent und widersprüchlich ist. Ihrer Ansicht nach geht die Individualisierung nicht zwangsweise mit einer Gefährdung des Individuums oder der Gesellschaft einher. Sie halten lediglich fest, dass Individualisierung ein gewisses Risiko für das Individuum bedeuten kann, da es sich auf einem schmalen Grat zwischen der Chance der Selbstbestimmung und Gefahr der Fremdbestimmung, befindet (vgl. Schroer, 2008, S. 151 ff.).
Festzuhalten ist, die Individualisierung ist durch die moderne Arbeitswelt geprägt, die Flexibilität, Kooperation, Selbstständigkeit und Leistungsorientierung verlangt. Das Individuum soll sich aus Traditionen und Normen herauslösen und zum Gestalter seines Lebens werden, um sich anschließend wieder zu integrieren. Im Vordergrund steht das Individuum, das die Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung und Selbstständigkeit zum Ziel hat. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Gegenteiliges geschieht. Unterschieden werden drei verschiedene Theorien: der negative, der positive und der komplexe Effekt der Individualisierung.
2.1.3 Traditionelle Hausaufgaben
Der Begriff „Hausaufgaben“ impliziert, die Aufgaben im häuslichen Umfeld zu bearbeiten. Im aktuellen Diskurs der Unterrichtsentwicklung kann dies jedoch zu Unstimmigkeiten fuhren, da durch zusätzliche Angebote eine Bearbeitung in der Schule stattfinden könnte. Daher werden im Nachfolgenden die Bezeichnungen „Aufgaben“ oder „Arbeitsaufiträge“ verwendet.
Aufgaben werden seit Jahrhunderten als eine wichtige Stütze des schulischen Lernens gesehen und sind zentrales Element des Unterrichts. Lehrerinnen und Lehrer erteilen Schülerinnen und Schülern Arbeitsaufträge, die zu erledigen sind. Die Aufgaben sind in der Regel außerhalb des Unterrichts, bis zu einer festgesetzten Frist, zu erarbeiten. Nach Fristende werden die Arbeitsaufträge von den Lehrenden kontrolliert und besprochen. Die Lehrerinnen und Lehrer bewegen sich bei der Vergabe von Aufgaben innerhalb inhaltlicher Vorgaben des Lehrplans und daher sind Aufgaben fremdbestimmt. Die Erledigung der Aufgaben ist jedoch als selbstregulierter Prozess zu betrachten, da es in der Entscheidungsmacht der einzelnen Individuen liegt, ob sie die Aufgaben erledigen, welche Aufgaben sie lösen, zu welchem Zeitpunkt sie dies machen, an welchem Ort die Aufgaben bearbeitet werden und wieviel Zeit sie sich bei der Erledigung lassen. Aufgaben dienen nicht nur der fachlichen Ergänzung und der positiven Leistungsentwicklung, sondern auch der überfachlichen Kompetenz, Lernen selbstregulativ zu steuern (vgl. Trautwein & Lüdtke, 2014, S. 275).
Der Zeitpunkt ab dem die Vergabe von Aufgaben als systematischer Bestandteil der Schule zu sehen ist, kann nicht genau festgestellt werden. Recherchen ergaben jedoch, dass bereits um das Jahr 1500 Aufgaben in Schulordnungen verankert wurden. Die erste Erwähnung ist auf das Jahr 1464 zurückzufiihren, indem Aufgaben in der Schulordnung einer Lateinschule in Bayreuth schriftlich fixiert wurden. In dieser Zeit existierten in der Lateinschule keine altersdifferenzierten Klassenstufen und somit stand die Lehrkraft vor der Herausforderung, verschiedene Niveaustufen gleichzeitig zu unterrichten. Jedoch war es der Lehrkraft nicht möglich, alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen zu lehren und zu fördern, weshalb Aufgaben eingeführt wurden, die der Unterrichtsergänzung und der Differenzierung dienten. Eine Veränderung der Funktion von Aufgaben fand im 17. Jahrhundert statt. Zur Abgrenzung der Altersgruppen entstand der Klassenunterricht. Trotz der Einführung des Klassenunterrichts wurden die Aufgaben beibehalten. Sie dienten jedoch nicht mehr speziell der Unterrichtsergänzung und Differenzierung. Fortan zielten Aufgaben auf einen gleichmäßigen Lemfortschritt und der Einübung, Festigung und Vertiefung des Unterrichtsinhalts ab (vgl. Standop, 2013, S. 27).
Im Hinblick auf die heutigen Funktionen von Aufgaben lassen sich die Schulgesetze, Verordnungen und Erlasse der einzelnen Bundesländer heranziehen, um einen Überblick darüber zu erhalten. Jedes Bundesland formuliert seine eigenen Bestimmungen zur Aufgabenregelung, die sehr unterschiedlich in ihren Formulierungen und ihrem Umfang ausfallen. Zunächst lässt sich festhalten, dass sich beim Vergleich der Bundesländer herauskristallisiert, dass sich die Funktionen von Aufgaben in zwei Kategorien unterscheiden lassen. Zum einem gibt es die didaktische und zum anderen die erzieherische Funktion. Die Ausformulierung der einzelnen Funktionen ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. So haben die Länder Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein beispielsweise überhaupt keine Regelungen festgehalten, die jedoch in denjeweiligen Schulordnungen eine Verankerung finden. Die häufigsten Nennungen didaktischer Funktionen sind die Festigung, Verarbeitung und Vertiefung des Unterrichtsinhaltes und die Ergänzung zum Unterricht. Bei der erzieherischen Funktion geht es vor allem darum, die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern und zum eigenverantwortlichen Arbeiten zu motivieren (vgl. Standop, 2013, S. 37 ff.).
2.1.4 Hausaufgabenkontrolle
Auch die Aufgabenkontrolle findet gelegentliche gesetzliche Erwähnung in Schulgesetzen, Verordnungen und Erlassen. Explizite Formulierungen zu Kontrolle sind nicht genannt. Die Länder Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen- Anhalt nennen die explizite Aufgabenkontrolle, indem sie aufführen, dass die Aufgabenkontrolle durchzuführen ist. Hessen und Rheinland-Pfalz geben an, dass eine stichprobenartige Kontrolle der Aufgaben durchgeführt werden sollte. Baden-Württemberg, Bayern und Berlin verweisen auf eine Regelung der Einzelheiten in Schul-, Klassen- und Lehrerkonferenzen. Bayern, Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz geben an, dass die Überprüfung der Aufgaben der Leistungsbeurteilung dient. Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt verweisen zudem auf den Aspekt, dass die Aufgaben so konzipiert sein müssen, dass sie ohne Hilfe gelöst werden können. Das Land Hessen gibt wiederrum an, dass sie ohne außerschulische Hilfe zu bearbeiten sein müssen (vgl. KMK, 2019).
2.1.5 Grenzen traditioneller Hausaufgaben
Aufgaben werden überwiegend von allen Akteuren als positiv erachtet, sind jedoch auch negativen Einflüssen ausgesetzt. Kritische Stimmen bemängeln die zur Verfügung stehende Zeit, sowohl bei der Aufgabenbearbeitung seitens der Schülerschaft als auch die mangelnde Zeit für die Aufgabenkontrolle und -besprechung innerhalb des Unterrichts seitens der Lehrerschaft. Durch die Beschränkung auf den Unterricht am Vormittag und der 45minütigen Taktung einer Unterrichtsstunde fehlt die Ressource „Zeit“, die jedoch zu einer schülergerechten Aufgabenbesprechung von Nöten wäre. In dieser kurzen Zeit erweist es sich für Lehrerinnen und Lehrer als Herausforderung allen Schülerinnen und Schülern die benötigte Zuwendung zu geben. Aufgaben fangen das zeitliche Problem wieder auf, indem sie außerhalb des eigentlichen Unterrichts bearbeitet werden. Es lässt sich zunächst annehmen, dass die außerunterrichtliche Bearbeitung der Aufgaben vor allem für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler eine Bereicherung darstellt. Hierdurch ist es den einzelnen Individuen möglich, in der eigenen Geschwindigkeit ihre Wissenslücken zu schließen und die Aufgaben zu bearbeiten. Diese Annahme gilt es jedoch zu hinterfragen, denn die Erledigung von Aufgaben ist für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler mit einem höheren Arbeits- bzw. Zeitaufwand verbunden. Sind Aufgaben nicht differenziert, bedeutet dies einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand. Damit geht das Problem der mangelhaften Unterstützung der Eltern einer. Durch die soziale Reproduktion lässt sich darauf schließen, dass leistungsschwache Individuen aus bildungsfemen Familien stammen und keine Unterstützung bei schulischen Aufgaben im familiären Umfeld erhalten. Sind Aufgaben nicht individuell auf die Schülerschaft abgestimmt, haben es diejenigen schwer, die die größte Unterstützung benötigen würden. Es wird daher angenommen, dass Aufgaben für die soziale Ungleichheit tragend sind. Dies wurde zwar noch nicht bewiesen, es wird jedoch nahegelegt, dass die familiäre Situation, das Sozialverhalten innerhalb
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