Am Beispiel des Artusromans "Iwein" Hartmanns von Aue, einem bedeutenden Autor der damaligen Zeit und Begründer des deutschen Artusromans, soll untersucht werden, ob es Parallelen zwischen dem realen Frauenbild des Mittelalters und der Darstellung weiblichen Agierens in der höfischen Literatur gibt. Ist auch für Hartmann ein idealisiertes Frauenbild kennzeichnend?
Zu Beginn dient ein erster orientierender Teil dazu, das Frauenbild zu Zeiten Hartmanns, wie es sowohl in Gesellschaft als auch in Literatur herrschte, darzustellen, sowie auf die Liebes- und Eheverhältnisse im Mittelalter einzugehen. Im Anschluss wird das Frauenbild Hartmanns anhand der zentralen weiblichen Figuren im "Iwein", Laudine und Lunete, aber auch durch das Heranziehen weiterer handelnder Frauen, beleuchtet. Um ein möglichst vollständiges Bild über Hartmanns Ansichten zum Weiblichen zu bekommen, wird auch hier auf das im Text auszumachende Minne- und Eheverständnis eingegangen. Anschließend wird Hartmanns Frauenbild zu den zuvor gewonnenen Erkenntnissen über die Wirklichkeit des Frauenbildes im Mittelalter, sowie die tatsächlichen Ehe- und Liebesverhältnisse, in Beziehung gesetzt, um die Frage nach einem idealisierten Frauenbild im "Iwein" zu beantworten.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Frauenbilder im Mittelalter
2.1 Das Frauenbild im Mittelalter
2.2 Liebe im Mittelalter
2.3 Ehe im Mittel alter
3. Frauenbilder im »Iwein«
3.1 Frauenbilder im»Iwein«
3.2 Liebe im »Iwein«
3.3 Ehe im »Iwein«
4. Vergleich und Abschlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
1. EINLEITUNG
Liest man mittelalterliche Texte, so hat es oft den Anschein, als habe in den früheren Jahrhunderten weit verbreitet eine ausgiebige Huldigung der höfischen Dame stattgefunden. Nicht nur von ihrer Schönheit, ihrem Liebreiz, auch von ihrer außerordentlichen Tugendhaftigkeit ist die Rede, erscheinen sie doch geradezu als zauberhafte Wesen, ähnlich überirdischer Feen.
Doch waren Frauen im Mittelalter tatsächlich so hoch angesehen? Wie ging man(n) mit ihnen um und vor allem: Deckt sich das Frauenbild höfischer Dichtung mit der historischen Wirklichkeit des 12. und 13. Jahrhunderts?
Am Beispiel des Artusromans »Iwein« Hartmanns von Aue, einem bedeutenden Autor der damaligen Zeit und Begründer des deutschen Artusromans, soll untersucht werden, ob es Parallelen zwischen dem realen Frauenbild des Mittelalters und der Darstellung weiblichen Agierens in der höfischen Literatur gibt. Ist auch für Hartmann ein idealisiertes Frauenbild kennzeichnend?
Zu Beginn dient ein erster orientierender Teil dazu, das Frauenbild zu Zeiten Hartmanns, wie es sowohl in Gesellschaft als auch in Literatur herrschte, darzustellen, sowie auf die Liebesund Eheverhältnisse im Mittelalter einzugehen.
Im Anschluss wird das Frauenbild Hartmanns anhand der zentralen weiblichen Figuren im »Iwein«, Laudine und Lunete, aber auch durch das Heranziehen weiterer handelnder Frauen, beleuchtet. Um ein möglichst vollständiges Bild über Hartmanns Ansichten zum Weiblichen zu bekommen, wird auch hier auf das im Text auszumachende Minne- und Eheverständnis eingegangen.
Anschließend wird Hartmanns Frauenbild zu den zuvor gewonnenen Erkenntnissen über die Wirklichkeit des Frauenbildes im Mittelalter, sowie die tatsächlichen Ehe- und Liebesverhältnisse, in Beziehung gesetzt, um die Frage nach einem idealisierten Frauenbild im »Iwein« zu beantworten.
2. FRAUENBILDER IM MITTELALTER
2.1 Das Frauenbild im Mittelalter
Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter eröffnen sich dem Forschenden je nach Blickwinkel verschiedenartige Frauenbilder.
In der höfischen Dichtung begegnet einem zunächst ein Schönheitsideal, das ein Bild der Vollkommenheit der Frau liefert. Die körperliche Schönheit stand dabei in Harmonie mit der inneren Tugendhaftigkeit, wobei die innere Schönheit der äußeren als übergeordnet galt. In der Konsequenz übernahm die Frau eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Sie vermittelte die von ihr repräsentierten Werte an den Mann, indem sie beim ihm die „hohe Minne“1 weckte.
Die Dichter schufen so Frauen ganz im Interesse des höfischen Adels, die allerdings den maßgeblichen und für die Lebensführung bedeutsamen theologischen Doktrin widersprachen. Von einer Umkehrung des tatsächlichen Geschlechterverhältnisses in sein Gegenteil kann hier die Rede sein, denn schon seit den Kirchenvätern herrschte eine traditionell christliche Frauenfeindlichkeit.2 Nur in Gestalt unberührter Jungfräulichkeit, keusch und rein, waren Frauen anbetungswürdig, als Geschlechtswesen dagegen minderwertig. Das misogyne Frauenbild erklärte sich aus dem Sündenfall Evas und der Schöpfungsgeschichte, die das weibliche Geschlecht als nachrangig gegenüber dem männlichen abtaten.3 Ganz im Sinne der Priester und Mönche führte das zu einer Verdrängung der Frau aus kirchlichen Ämtern.
Auch die Naturwissenschaft kam im 13. Jahrhundert der Abwertung der Frau entgegen: Gemäß der aristotelischen Naturlehre galt sie als unvollkommener Mann, sei damit körperlichen Begierden eher ausgesetzt und bedürfe folglich der Leitung des Mannes.4 Darüber hinaus findet man ebenso in der Literatur frauenfeindliche Werke, oft an römischen Klassikern orientiert. Da schon in der Realität Benachteiligung und Privilegierung von Frauen eng beieinanderlagen - sie als Adlige minderen Rechts galten, die gegenüber Nichtadeligen allerdings einen privilegierten Zugang zur Herrschaft besaßen - fanden auch in der Literatur diese Gegenpole problemlos nebeneinander Platz. Das neue Frauenbild der höfischen Dichter ließ sich also mit der traditionellen weiblichen Minderwertigkeit vereinen. Die deutsche höfische Dichtung ging dabei gemäßigter vor und entwarf ein positiveres Frauenbild als das ihrer französischen Vorlage.5
In der höfischen Festgesellschaft kam der Frau eine schmückende und dienende Rolle zu. Sie sollte durch künstlerische Darbietungen für festliche Hochstimmung sorgen und übernahm vor allem eine repräsentative Funktion, indem sie die Gäste begrüßte und betreute. Daneben galt es auch, den Ritter zum Minnedienst zu animieren, gleichzeitigjedoch in ihrer höfischen Rolle passiv und selbstverleugnend zu sein. Die weibliche Schönheit und Tugendhaftigkeit sollte also den Mann erfreuen und anspomen.6
Um dem Anspruch der in der Dichtung, Theologie und am Hofe propagierten Frauenbilder gerecht zu werden, folgte die Hofdidaktik gewissen Lehren. Aufgrund ihrer schwachen Natur bedurften Frauen einer eigenen Erziehung und Bildung, welche sich an verschiedensten Werken der Hofdidaxe orientierte. Im deutschsprachigen Raum war Thomasins von Zirklaere »Wälischer Gast« ein leitendes Bildungswerk. Spinnen, Weben und Nähen aber auch Lesen lemen gehörten zu den Aufgaben der adligen Mädchen. Nicht zu vergessen ist zudem die Unterweisung in Sitten und Bräuche, was Schamhaftigkeit, Keuschheit, Demut, Schweigsamkeit und Sittenrecht umfasste. Die praktische Unterrichtung nahmen vermutlich andere Frauen, die literarische ein Hofkaplan, Hauslehrer oder ein geistliches Stift vor.7
Auch über künstlerische Fähigkeiten mussten die Mädchen verfügen. Sie sollten Saiteninstrumente spielen, singen und tanzen können oder auch im Schach bewandert sein.8
In der Erziehung existierten wichtige Anstandsregeln, die zu großen Teilen Thomasins Werk entnommen waren. Dazu gehörten Maxime wie „Eine junge Dame soll einen fremden Mann nicht direkt ansehen“9 Diese Lehren waren zum Teil jedoch so streng gehalten, dass selbst Didaktiker ihre Einhaltung als äußerst schwierig anerkannten.10
Neben den Anstandsregeln wurde der Tugendlehre große Beachtung geschenkt, wobei die Normen des sittlichen Handelns denen der Ritter entsprachen, allerdings eine andere Akzentsetzung erfuhren. So stellte die Reinhaltung des guten Rufs zusammen mit Werten des passiven Verhaltens einen wichtigen Leitwert dar. Ferner war Gehorsam eine bedeutende Tugend. Thomasin ordnet in diesem Zusammenhang den moralischen Qualitäten eine größere
Bedeutung als den intellektuellen zu. Auch in der Tugendlehre waren vermutlich Geistliche oder geistlich Gebildete für die praktische Unterweisung zuständig.11
Die Einflussmöglichkeit der Frau war im Mittelalter somit stark eingeschränkt, nur vereinzelt konnten sich Handlungsspielräume auftun. Galt sie vor der Zeit der Staufer noch als „Mitherrscherin“12, verschwand diese Auffassung der Frau mit der Zeit. Auch bestand, abgesehen von wenigen Ausnahmen, kein Erbfolgerecht an Lehen für Frauen in Deutschland. So fand sich weitläufig die Meinung, dass Frauen zum Regieren ungeeignet seien. Dennoch verfügten sie teilweise über eigene finanzielle Mittel, Hofbeamte und auch Paläste.13 Ihr Gut setzten sie vor allem für karitative Tätigkeiten ein, was überdies ihr Ansehen erhöhte. Den größten politischen Einfluss konnten Frauen aber über die persönliche Einwirkung auf den Ehemann ausüben. Dies erkannte und nutze vor allem die Kirche.14
Eine andere Art von Freiraum gab es sonst nur über die Flucht in Klöster bzw. religiös lebende Frauengemeinschaften, den Beginen. Dort lebten die Frauen relativ selbstbestimmt und konnten sich durch ein Leben in Armut, Einfachheit und asketischer Frömmigkeit religiös selbst verwirklichen. In wenigen Fällen fand diese Art von Selbstverwirklichung auch innerhalb der adligen Gesellschaft statt, vom Mann negativ beäugt. Auch in der höfischen Dichtung wurde die Frau selten als religiöse Asketin thematisiert, da im poetischen Idealbild nicht die weibliche Selbstverwirklichung, sondern ihre Vorbildlichkeit zählte, welche den adligen Ritter zur Vervollkommnung führen sollte.15
2.2 Liebe im Mittelalter
Die „höfische Liebe“, ein Begriff, der erst im 19. Jahrhundert durch Gaston Paris aufkam, ist in der Überzeugung höfischer Dichter ein Phänomen, welches rein mit dem menschlichen Verstand nicht erklärt werden kann und darüber hinaus unabdingbar mit höfischer Vollkommenheit zusammenhängt.16
In mittelalterlicher Literatur wird die „amour courtois“ je nach gattungsspezifischen Eigenarten ganz unterschiedlich dargestellt. Die Akzentuierung reicht von der unerfüllten Liebe über die hohe Minne an eine Dame höheren Standes bis hin zum Ehebruch. Eine Gemeinsamkeit aller Darstellungen von höfischer Liebe ist dabei ihre Einbettung in einen höfischen Gesellschaftsentwurf: sie besaß einen gewissen höfischen Charakter und machte den Menschen zu einem besseren.
[...]
1 Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Orig.-Ausg., 12. Auf!., München 2008, folgend zitiert als: Bumke, Joachim: Höfische Kultur (2008), S. 453
2 Bumke, Joachim: Höfische Kultur (2008), S. 453f.
3 Vgl. Liebertz-Grün, Ursula: Frau undHerrscherin. Zur Sozialisation deutscher Adliger (1150-1450), in: Lundt, Bea (Hrsg.): Auf der Suche nach der Frau imMittelalter. Fragen, Quellen, Antworten. 1. Auf!., München 1991, folgend zitiert als: Liebertz-Grün, Ursula: Frau undHerrscherin (1991), S.166,168
4 Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur (2008), S. 456-457
5 Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur (2008), S. 457ff.
6 Ebd., S. 467-470
7 Ebd., S. 470ff.
8 Ebd., S. 476
9 Thomasin von Zerklsre: Der Welsche Gast. Secondo il Cod. Pal. Germ. 389, Heidelberg con le integrazioni di Heinrich Rückert e le varianti del Membr. I 120, Gotha ; (mit deutscher Einleitung), In: Disanto, Raffaele (Hrsg.): Quademi diHesperides. Serie 1. Teste 3, Trieste 2002, S. 41,V. 400f.
10 Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur (2008), S. 480
11 Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur (2008), S. 481ff.
12 Ebd., S. 484
13 Vgl. ebd., S. 486-490
14 Vgl. ebd., S. 490-494 sowie Liebertz-Grün, Ursula: Frau undHerrscherin (1991), S.166
15 Vgl. ebd., S.494-503
16 Vgl. ebd., S.503f.