Deutschland stand im Laufe der näheren Vergangenheit vor ständigen Veränderungen. Jene war durch Monarchie, Demokratie und Diktatur geprägt und mehrere Systemwechsel führten letztendlich zu dem Deutschland, welches wir heute kennen – der Bundesrepublik Deutschland. Besonderes Augenmerk möchte ich auf den Systemwechsel nach 1945 legen. Es gilt zu betrachten, welche Aspekte besonderen Einfluss auf das Grundgesetz der Bundesrepublik hatten und in welcher Art und Weise man das demokratische Regierungssystem absichert, besonders nach dem Scheitern der Weimarer Republik. Welche Sicherheitsmechanismen innerhalb des Bonner Grundgesetzes, die einen Machtmissbrauch durch das Oberhaupt des Staates verhindern, gibt es und welche Einflüsse hatte die nationalsozialistische Vergangenheit auf die neue Verfassung? Dabei soll vor allem folgende These aufgestellt werden: Die Möglichkeiten des Machtmissbrauchs der Weimarer Reichsverfassung (WRV) führten zu einer dementsprechenden Verhinderung derer im Bonner Grundgesetz (GG). Da der Fokus jedoch nicht ausschließlich auf negative Einflüsse gesetzt werden muss, gilt es ebenso zu betrachten, welche positiven Schlüsse man aus der Vergangenheit zog und welchen Einfluss diese auf das heutige System hatten. Wie lässt sich der Systemwechsel und das Entstehen des Bonner Grundgesetzes an die Theorie zurückbinden und welche Erklärungen bietet diese, beispielsweise bezogen auf den Institutionalismus oder die Systemwechselphasen?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Systemwechsel
2.1 Politische Systeme und Systemwechsel
2.2 Demokratie und Autokratie – Regimetypen
3 Systemwechselphasen
3.1 Erste Phase – Liberalisierung
3.2 Zweite Phase – Demokratisierung
3.3 Dritte Phase – Konsolidierung
4 Entstehungsprozess des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
4.1 Verfassungen
4.2 Der Parlamentarische Rat
4.3 Machtmissbrauch – Lernen aus früheren Zeiten
4.4 Alte Vorbilder
4.5 Rückbindung an politikwissenschaftliche Konzepte
5 Schluss/Fazit
1 Einleitung
Deutschland stand im Laufe der näheren Vergangenheit vor ständigen Veränderungen. Jene war durch Monarchie, Demokratie und Diktatur geprägt und mehrere Systemwechsel führten letztendlich zu dem Deutschland, welches wir heute kennen – der Bundesrepublik Deutschland. Besonderes Augenmerk möchte ich auf den Systemwechsel nach 1945 legen. Es gilt zu betrachten, welche Aspekte besonderen Einfluss auf das Grundgesetz der Bundesrepublik hatten und in welcher Art und Weise man das demokratische Regierungssystem absichert, besonders nach dem Scheitern der Weimarer Republik. Welche Sicherheitsmechanismen innerhalb des Bonner Grundgesetzes, die einen Machtmissbrauch durch das Oberhaupt des Staates verhindern, gibt es und welche Einflüsse hatte die nationalsozialistische Vergangenheit auf die neue Verfassung? Dabei soll vor allem folgende These aufgestellt werden: Die Möglichkeiten des Machtmissbrauchs der Weimarer Reichsverfassung (WRV) führten zu einer dementsprechenden Verhinderung derer im Bonner Grundgesetz (GG). Da der Fokus jedoch nicht ausschließlich auf negative Einflüsse gesetzt werden muss, gilt es ebenso zu betrachten, welche positiven Schlüsse man aus der Vergangenheit zog und welchen Einfluss diese auf das heutige System hatten. Wie lässt sich der Systemwechsel und das Entstehen des Bonner Grundgesetzes an die Theorie zurückbinden und welche Erklärungen bietet diese, beispielsweise bezogen auf den Institutionalismus oder die Systemwechselphasen?
2 Systemwechsel
2.1 Politische Systeme und Systemwechsel
Zur näheren Beschreibung eines Systemwechsels ist es zunächst maßgebend, das politische System zu definieren, da sich jenes bei einem Systemwechsel grundlegend verändert. Nach Merkel, Brückner und Wagener beschreibe das politische System das Gesamtgefüge der Strukturen und Regeln, welche politische und gesellschaftliche Akteure, wie Parteien oder Organisationen, zur Erfüllung und Reproduktion von systemerhaltenden Funktionen in regelgeleitete Interaktionen zueinander setzt. (Merkel, Brückner & Wagener 2015, S. 33) Wolfang Merkel stellte sechs Klassifikationskriterien zusammen, nach jenen man politische Systeme klassifizieren kann. So betrachtet er Herrschaftslegitimation, Herrschaftszugang, Herrschaftsmonopol, Herrschaftsstruktur, Herrschaftsanspruch sowie Herrschaftsweise. (Merkel 2010, S. 22) Demzufolge liegt ein Systemwechsel vor, wenn sich mehrere Klassifikationskriterien grundlegend verändern und somit politische Systeme ihr maßgebendes Fundament verlieren. (Merkel 2010, S. 94) Dies wäre bei einem Übergang von einer Demokratie zu einer Diktatur der Fall, oder umgekehrt. Naheliegende Beispiele hierfür wären einerseits der Wechsel von der demokratischen Weimarer Republik zum totalitären NS-Staat, andererseits der Übergang Letzterem zur Bundesrepublik Deutschland. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für das Auftreten eines Systemwechsels. So beschreibt beispielsweise David Easton bei seinem Kreislaufmodell des politischen Systems, dass ein Ungleichgewicht zwischen Input und Output zur Instabilität führt und eine Wiederherstellung des Gleichgewichts einerseits durch die Anpassung des Systems, andererseits durch Neutralisierung der Quelle des Wandels geschehen kann. Inputs stehen zum einen für materielle Interessen, sowie normative Ziele der Gesellschaft, zum anderen für die Unterstützung, die dem politischen System in Form von Steuern, oder der Beachtung der Gesetze entgegen gebracht wird, sowie der allgemeinen Haltung gegenüber dem System. Politische Entscheidungen innerhalb der Politikfelder haben eine Rückwirkung auf die Gesellschaft und stellen die Outputs dar. Der Feedback-loop beschreibt die Anpassung der Inputs, je nach Zufriedenheit mit den Outputs und eine Instabilität tritt auf, wenn diese den Forderungen nicht mehr gerecht werden. (Merkel 2010, S. 56-57) Einen weiteren Erklärungsansatz stellen die Akteurstheorien dar, bei denen sich ein Wandel durch einen Putsch, oder Kooperation von Revolutionären erklären lässt. (Träger, V3 F16) In Anbetracht der Situation Deutschlands im Jahre 1945 greift dieser Erklärungsansatz, aufgrund des Regime-Kollaps nach dem zweiten Weltkrieg. Nähere Ausführungen sind im dritten Gliederungspunkt anzufinden.
2.2 Demokratie und Autokratie – Regimetypen
Betrachtet man den Systemwechsel, so liegt der Fokus auf der Veränderung eines Regimetyps. In Anbetracht der von Merkel aufgestellten Klassifikationsmerkmale politischer Systeme, lassen sich diverse Unterschiede zwischen Autokratien und Demokratien herauskristallisieren. So erfolgt die Herrschaftslegitimation bei der Demokratie durch die Volkssouveränität und diese bildet das Fundament jeder Demokratie. Merkel zieht auch innerhalb der Grenzen der Demokratie Differenzen. Er unterscheidet zwischen der defekten Demokratie und der rechtsstaatlichen Demokratie. Bei beiden Demokratietypen erfolgt der Herrschaftszugang offen, realisiert durch universelles Wahlrecht. Ein Unterschied wird jedoch bei der Betrachtung des Herrschaftsanspruchs deutlich. Dieser ist grundsätzlich begrenzt und weist rechtsstaatlich definierte Grenzen auf, jedoch werden nur bei der rechtstaatlichen Demokratie diese Grenzen garantiert, wohingegen jene bei der defekten Demokratie verletzt werden. Daraus ergibt sich ebenso ein Unterschied bei der Herrschaftsweise, da die defekte Demokratie eine beschädigte Rechtsstaatlichkeit aufweist, wohingegen die rechtsstaatliche Demokratie diese garantiert. In der Herrschaftsstruktur erscheinen sie einheitlich pluralistisch. Differenzen werden jedoch auch beim Gegentypus der Demokratie, der Autokratie, gezogen. So gibt es einerseits totalitäre Regime mit Weltanschauungen zur Legitimation, andererseits autoritäre Regime, welche sich durch Mentalitäten legitimieren. Bei beiden ist ein eingeschränkter Herrschaftszugang zu beobachten. So ist dieser bei einem Totalitären geschlossen und somit ohne Wahlrecht, wobei das Autoritäre zwar ein Wahlrecht suggeriert, jedoch kann hierbei eher nicht von freien, fairen und pluralistischen Wahlen gesprochen werden. Rechtsstaatliche Grenzen sind bei Autokratien nicht definiert, demzufolge ist der Herrschaftsanspruch umfangreich (autoritär), bis hin zu unbegrenzt (totalitär). Das Herrschaftsmonopol vereint sich bei Autokratien in einen Führer, oder einer kleinen Gruppe, wobei in der Regel weder eine Legitimierung durch Wahlen erfolgt, noch durch eine demokratische Verfassung. Das Totalitäre ist in der Herrschaftsstruktur monistisch, wobei das Autoritäre semipluralistisch ist. Durch nicht definierte Grenzen ergibt sich eine willkürliche, systematisch repressive oder gar terroristische Herrschaftsweise beim Totalitären, wohingegen das Autoritäre begrenzt und repressiv ist. (Merkel 2010, S. 24)
Betrachtet man Deutschland nach 1945 in Hinblick dieser Klassifikationsmerkmale, so wird der Systemwechsel klar deutlich. Die Herrschaftslegitimation erfolgte während des NS-Regimes durch die nationalsozialistische Weltanschauung mit totalitärem Anspruch, wohingegen die BRD, wie für Demokratien üblich ihre Legitimation auf der Volkssouveränität fußt. Das NS-Regime kam zwar während der Zeit der Weimarer Republik durch demokratische Wahlen an die Macht, doch während der Regierungszeit von 1933 bis 1945 gab es nur Scheinwahlen, da das Ergebnis, durch nichtvorhandene Konkurrenz (Parteienverbot), vorherbestimmt war und somit ist ein geschlossener Herrschaftszugang zu beobachten, wohingegen in der BRD mit freien Wahlen ein Offener herrschte. Da es nach dem Tod des Reichspräsidenten von Hindenburg verfassungsrechtlich keine Institution mehr gab, welche die Macht Hitlers hätte eingrenzen können, war der Herrschaftsanspruch zur NS-Zeit unbegrenzt/total. (Thamer 2005, S. 1) Die BRD im Gegenzug weist einen begrenzen Anspruch auf und besitzt mit dem Grundgesetz rechtsstaatlich definierte und garantierte Grenzen.
3 Systemwechselphasen
3.1 Erste Phase – Liberalisierung
Der akteurstheoretische Ansatz legt sein Augenmerk auf die Demokratisierung politischer Systeme. (Merkel 2010, S. 84-85) Bei dem Übergang von einer Autokratie, wie beispielsweise einer Diktatur, zu einer Demokratie wurden bei der deskriptiv-empirischen Akteurstheorie drei Phasen herauskristallisiert.
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