Die Arbeit untersucht, was in Lynchs Werk "Blue Velvet" von der Autorenkonzepttheorie abweicht. Um dies ein wenig zu ordnen und zu kategorisieren, macht sie sich die vier ästhetischen Hauptmerkmale der Postmoderne im Kino, wie Jens Eder sie bestimmt, zu Nutze. Zunächst sei kurz etwas über die Postmoderne und ihre verhandelten Themen erzählt. Im Folgenden werden die vier ästhetischen Hauptmerkmale nach Eder etwas genauer erläutert, um sie anschließend auf "Blue Velvet" zu beziehen.
Lynch wird gemeinhin als wichtiger Regisseur und Autorenfilmer mit eigenen, für seine Filme typischen Merkmalen angesehen und insbesondere Blue Velvet, der als einer seiner persönlichsten Filme gilt, spiegelt das typisch Lynchische wieder.
Roland Barthes aber stellt mit seiner These vom Tod des Autors diese Theorie in Frage. In der Person des Urhebers, seiner Biografie, Interessen und Neigungen könne nicht nach Interpretationsansätzen gesucht werden, wie es in unserer heutigen Kultur oftmals der Fall ist. Text sei nur ein Gewebe aus Zitaten und intertextuellen Verweisen, an dem der Verfasser keinen Originalitätsanspruch habe. Bedeutung kann einem Werk auf vielfältige Art und Weise zugesprochen werden und viele Quellen haben. Barthes macht besonders den Leser als Produzent von Sinn fest.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Kino der Postmoderne
2.1 Intertextualität
2.2 Spektakularität und Ästhetisierung
2.3 Selbstreferenzialität
2.4 Anti-Konventionalität und dekonstruktive Erzählverfahren
3. Merkmale des postmodernen Films in Lynchs Blue Velvet
3.1 Intertextualität
3.3 Spektakularität und Ästhetisierung
3.2 Selbstreferenzialität
3.4 Anti-Konventionalität und dekonstruktive Erzählverfahren
4. Fazit
Filmverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
David Lynch ist einer der bekanntesten, wichtigsten und populärsten Regisseure unserer Zeit. 2003 befragt die britische Zeitung The Guardian 7 Experten, welches international die 40 wichtigsten Regisseure seien. Lynch führt diese Liste mit 89 von 100 möglichen Punkten an. Besonders seine Originalität wurde mit 19 von 20 Punkten als herausragend bewertet.1 In der Zusammenfassung heißt es:
„Nobody makes films like David Lynch. He is our spooky tour guide through a world of dancing dwarves, femme fatales and little blue boxes that may (or may not) contain all the answers.”2
Lynch steht für das Unheimliche, das Bizarre, das Düstere, für verborgene, mystische Welten und wird als Autorenfilmer angesehen.
„Spätestens mit Blue Velvet hat [..] sich Lynch den Ruf eines Autorenfilmers nach europäischem Vorbild verschafft, eines Regisseurs also, der jeder Einstellung in seinen Filmen seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückt [..].“3, schreibt zum Beispiel Robert Fischer. Zahlreiche Publikationen untersuchen Lynchs komplexe Filme und unterstreichen so seinen Stand als Autor.4 Lynchismen werden seine eigentümlichen Einstellungen und Themen genannt. Das Motiv des Traumes, Geburt, Familie, Sex und Voyeurismus sind zentrale Themen, die immer wieder auftauchen. Kontraste, eine nichtlineare Erzählweise und verlangsamte Bilder, die an Landschaftsmalerei erinnern - David Lynch ist selbst Maler - sind ebenfalls typisch für diesen Regisseur.5
Lynch wird also gemeinhin als wichtiger Regisseur und Autorenfilmer mit eigenen, für seine Filme typische Merkmale angesehen und insbesondere Blue Velvet, der als einer seiner persönlichsten Filme gilt, spiegelt das typisch lynchische wieder.6 Roland Barthes aber stellt mit seiner These vom „Tod des Autors“ diese Theorie in Frage. In der Person des Urhebers, seiner Biografie, Interessen und Neigungen könne nicht nach Interpretationsansätzen gesucht werden, wie es in unserer heutigen Kultur oftmals der Fall ist. Text sei nur ein Gewebe aus Zitaten und intertextuellen Verweisen, an dem der Verfasser keinen Originalitätsanspruch habe. Bedeutung kann einem Werk auf vielfältige Art und Weise zugesprochen werden und viele Quellen haben. Barthes macht besonders den Leser als Produzent von Sinn fest.7 In der vorliegenden Arbeit möchte ich untersuchen, was in Lynchs Werk Blue Velvet von der Autorenkonzepttheorie abweicht. Um dies ein wenig zu ordnen und kategorisieren, werde ich mir die vier ästhetischen Hauptmerkmale der Postmoderne im Kino wie Jens Eder sie bestimmt zu Nutze machen. Zunächst sei kurz etwas über die Postmoderne und ihre verhandelten Themen erzählt. Im Folgenden erläutere ich die vier ästhetischen Hauptmerkmale nach Eder etwas genauer, um sie anschließend auf Blue Velvet zu beziehen.
Es stellt sich also die Frage, inwieweit inwiefern David Lynch die diese Merkmale bedient und was genau an diesem Film postmodern ist.
2. Das Kino der Postmoderne
Der Begriff „postmodern“ ist ein unklarer Begriff. Geradezu inflationär wird er heutzutage in den unterschiedlichsten Bereichen verwendet und avancierte zum verbrauchten Modewort.8 Zunächst einmal beschreibt er eine Epoche, die Ende der 1960er Jahre beginnt. Neue Erkenntnisse in der Wissenschaft (Chaostheorie) und politische Umbrüche (Vietnamkrieg) sorgten für ein verändertes Bild auf die Welt und auf die Kunst. Das Schöne, Ästhetische, das Symbolische, das Fragmentarische stellt sich vor Sinn und Logos.9
Mit dem Begriff des postmodernen Kinos ist es ähnlich. Es gibt noch keine programmatischen Äußerungen über diese Art des Filmemachens. Dennoch haben sich bereits einige Autoren mit dem Phänomen des postmodernen Kinos befasst. Die Merkmale traten in den 1980er Jahren zunächst vereinzelt und zentriert auf, in den 90er Jahren entwickelte sich die postmoderne Ästhetik und Erzählweise zum Massenphänomen und verbreitete sich auch in den Bereichen des Independent- und Mainstreamfilms.10 Laut Kerstin Stutterheim verbindet das postmoderne Kino Vergnügen mit Intellektuali- tät. Es kommt zu einer veränderten Rezeptionsvereinbarung, nach der der Zuschauer eingeladen wird sich selbst ein Urteil zu bilden. Anspielungen, filmische Zitate und Selbstreferenzialität werden in vielseitigen Formen des Erzählens miteinander verwo- ben.11
Motivisch werden Tabubrüche begangen. Sex, Gewalt, Morbidität und extremes Leiden werden thematisiert und oft in Kontrast zu Alltagssituationen gesetzt. Auch die Identiätsproblematik eines Charakters gehört zu den oft verhandelten Themen des Kinos der 90er Jahre. Diese motivischen Merkmale machen aber nach Eder noch keinen postmodernen Film. Vielmehr sind es ästhetische Merkmale, die, im Zusammenspiel mit den thematischen, das typische postmoderne Kino ausmachen.12 Er bestimmt vier ästhetische Hauptmerkmale des postmodernen Kinos.
1. Intertextualität
2. Spektakularität und Ästhetisierung
3. Selbstreferentialität
4. Anti-Konventionalität und dekonstruktive Erzählverfahren
Eder sieht diese Merkmale als „Gradmesser“ an: Je deutlicher die Kennzeichen vorkommen, desto „postmoderner“ ist der Film. Bei der Schwerpunktsetzung, Ausprägung und Variation der Merkmale bleibt allerdings ein großer Spielraum. Außerdem sind die vier Kriterien alle miteinander vernetzt.13 So findet sich Anti-Konventionalität auch in der Spektakularität und Ästhetisierung und Intertextualität und Selbstreferenzialität erweitern das Rezeptionsverhältnis.14
2.1 Intertextualität
Eder nennt die Intertextualität als zentrales Merkmal des postmodernen Kinos. Zitate, Anspielungen auf das „Mythenrepertoire der populären Kultur“15 prägen extensiv die intertextuelle Form des Erzählens. „Es wird auf Welt- und Kinowissen referiert, manchmal auch auf Wissen der Kunst- und Kulturgeschichte oder der Politik und des Zeitge- schehens.“16
Die gesteigerte Anzahl an Medienprodukten seit den 1960er Jahren ermöglicht eine größere Auswahl an Produktionen, die sich ins kollektive Gedächtnis der Gesellschaft
[...]
1 Todd, Anthony: Authorship and the films of David Lynch. Aesthetic receptions in contemporary Hollywood. New York 2012, S. 154.
2 theguardian.com/film/features/page/0,11456,1082823,00.html
3 Fischer, Robert: David Lynch. Die dunkle Seite der Seele. München 1992, S. 149.
4 Todd: Authorship and the films of David Lynch, S.1f.
5 Seeßlen: Georg: David Lynch und seine Filme. Marburg 1997, 164ff.
6 Fischer: David Lynch, S. 108.
7 Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis: Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 185ff.
8 Eder: Die Postmoderne im Kino, S.2.
9 Stutterheim: Studien zum postmodernen Film. Davids Lynchs Inland Empire und Benett Millers Capote. Frankfurt am Main 2011, S. 11f.
10 Eder: Die Postmoderne im Kino, S.1f.
11 Stutterheim: Studien zum postmodernen Film, S.15.
12 Eder: Das postmoderne Kino, S. 23.
13 Ebd. S. 11f.
14 Stutterheim: Studien zum postmodernen Kino, S. 19
15 Eder: Die Postmoderne im Kino, S. 12.
16 Stutterheim: Studien zum postmodernen Kino, S. 15.