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Nordkoreas Atompolitik. Ein neorealistischer Erklärungsversuch

©2021 Hausarbeit 14 Seiten

Zusammenfassung

Warum Nordkorea an seinem Atomprogramm festhält und warum es aus Sicht Pyongyang womöglich Sinn ergibt, diese Fragen versuche ich in dieser Arbeit zu beantworten. Zunächst wird ein genauerer Blick auf das Atomprogramm Nordkorea geworfen, wobei ein kurzer historischer Einblick gegeben wird, sowie kurz auf das Waffenarsenal eingegangen. Anschließend wird die Theorie des Neorealismus nach Waltz vorgestellt und Mearsheimer offensiver Neorealismus angeschnitten sowie dessen Hypothesen herausgearbeitet. Darauffolgend werden die Hypothesen sowohl auf die Situation Nordkoreas angewendet sowie auf ihren Erklärungsgehalt geprüft. Somit handelt es sich um theoretisch analytische Arbeit.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vorgehensweise

3. Entwicklung der Atompolitik Nordkoreas
3.1 Waffenarsenal

4. Theorie des Neorealismus

5. Theoretische Untersuchung des Nuklearstreben Nordkoreas

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der Raketenmann ist auf einem selbstmörderischen Weg“ mit diesen Worten be­schrieb der damalige US-Präsident Donald Trump in der UN- Generaldebatte am 19.07.2017 das Atomstreben des „obersten Führer“ Nordkoreas Kim Jong-un, welcher nur ein paar Tage später darauf antwortete: „Ich werde den geisteskranken, dementen US-Greis gewiss und auf jeden Fall mit Feuer bändigen.“1

Es vergeht kaum ein Monat, indem man nicht in der Zeitung über neue Provokationen, Waffentest oder Androhungen Nordkoreas lesen kann. Allein in diesem Monat gab es vermehr Meldung darüber, dass Nordkorea erneut Raketen getestet hat. Es handle sich laut eines Statement Nordkoreas um ein „new-type tatical guided projectile“, welche ein Tragegewicht von 2,5 Tonnen besitzt, genug, um mit einem nuklearen Sprengkopf ausgestattet zu werden.2 Der aktuelle US-Präsident Joe Biden in einem Statement dazu: „There will be responses - if they choose to escalate, we will resond accordin- gly“3. Auch Ki Jong-un Schwester schießt gegen die USA, nach Amtseintritt Bidens sagte sie: „If it wants to sleep in peace for [the] coming four years it had better refrain from causing a stink at ist first step.“4

Ohne Zweifel zählt das Nuklearprogramm Nordkoreas zu den größten gegenwärtigen sicherheitspolitischen Herausforderungen im asiatischen Raum. Das Spannungsver­hältnis ist kaum zu übersehen. Jahrzehnte geprägt von Sanktionen und drei Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un haben es nicht geschafft Pyongyang davon abzuhalten ihr Nuklearprogramm weiterzuentwickeln.5

„I'm also prepared for some form of diplomacy, but it has to be conditioned upon the end result of denuclearisation.“6, sagte US-Präsident Biden. Somit ist der Westen be­reit zu verhandeln, unter der Bedingung der Denuklearisierung Nordkoreas. Allerdings bleibt Pyongyang seiner Linie treu und antworte nicht auf die Kontaktaufnahmen der Amerikaner.7.

2. Vorgehensweise

Zunächst wird ein genauerer Blick auf das Atomprogramm Nordkorea geworfen, wo­bei ein kurzer historischer Einblick gegeben wird, sowie kurz auf das Waffenarsenal eingegangen. Anschließend wird die Theorie des Neorealismus nach Waltz vorgestellt und Mearsheimer offensiver Neorealismus angeschnitten, sowie dessen Hypothesen herausgearbeitet. Darauffolgend werden die Hypothesen sowohl auf die Situation Nordkoreas angewendet, sowie auf ihren Erklärungsgehalt geprüft. Somit handelt es sich um theoretisch analytische Arbeit. Warum Nordkorea an seinem Atomprogramm festhält und warum es aus Sicht Pyongyang womöglich Sinn ergibt, diese Fragen ver­suche ich in dieser Arbeit zu beantworten.

3. Entwicklung der Atompolitik Nordkoreas

Die nordkoreanischen Nuklearambitionen lassen sich bereits mit Ende des Korea­Krieges entdecken. Nach der Teilung Koreas im Jahre 1953 unterzeichneten Nordko­rea und die Sowjetunion Kooperationsverträge, welche sowohl personelle als auch ma­terielle Lieferungen der Sowjets versprachen.8 Im Jahre 1955 beschloss der damalige Machthaber Kim Il-sung die Errichtung eines Nuklearinstituts. Ihnen gelang ein schneller Fortschritt und bereits im Jahre 1975 gelang die erste Extraktion von Pluto­nium, welches nun in den darauffolgenden Jahren ihren Fokus auf die Produktion von nuklearen Waffen legte.9 Auf Druck der Sowjetunion unterzeichnete Nordkorea 1985 den Atomwaffen- Speervertrag (NPT), allerdings hinderte dies nicht die nordkoreani­schen Nuklearambitionen zu einem Stillstand zu bringen.

Entspannung brachte eine Phase Anfang der 1990. Im Jahre 1991 verkündigte Präsi­dent George H.W. Bush, dass er nukleare Waffen aus Südkorea abziehen lässt. Da­raufhin unterzeichneten die beiden Koreas eine Deklaration über die Denuklearisie- rung des koreanischen Festlandes, welche beinhaltete, dass man weder testen, bauen, aufbewahren noch Atomwaffen besitzen dürfte. Doch diese Phase nahm schnell ein Ende mit der Annahme von Inspekteuren der Internationalen Atomenergie-Organisa­tion (IAEO), dass Nordkorea weitaus mehr Plutonium besaß als angegeben. Der UN­Sicherheitsrat veranlasste Sanktionen, da Nordkorea sich weigerte eine Inspektion von verdächtigen Produktionsstätten zuzulassen. Als Reaktion darauf trat Nordkorea vom NPT zurück und verurteilte die Sanktionen, als einen Akt des Krieges.10

Diese erste Krise wurde durch ein Treffen des US-Präsidenten Jimmy Carter und Kim Il-Sung gelöst, indem sich beide auf ein Abkommen einigten, welches besagt, dass Nordkorea wieder dem NPT betritt und als Gegenleistung einen neuen nuklear Reaktor bekam, sowie andere Ressourcen zur Energieversorgung.11

Die Vermutung, dass Nordkorea weiterhin an Atomwaffen arbeite, nahm nicht ab. Im Jahre 1998 wurde unter Berufung auf Geheimdienstquellen darauf hingewiesen, dass Nordkorea in geheimen Anlagen an nuklear Sprengköpfen arbeitete. Untersuchungen konnten dies nicht bestätigen, weshalb Sanktionen wieder gekippt wurden.12

Die Amtszeit unter US-Präsidenten George W. Bush änderte sich die Haltung gegen­über Nordkorea recht deutlich. Sie tolerieren keine Atomwaffen in Nordkorea und zu­sätzlich werden sie nicht kooperativ sein, bis das Nuklearwaffen Programm der Nord­koreaner vollständig und nachweislich abgebaut wird.13 Auf die Ankündigung Pyong- yangs ihr Programm für hochangereichertes Uran (wird auch für nukleare Sprengköpfe verwendet) sei oberste nationale Priorität, reagierte Bush, indem er den direkten Dia­log aussetzt und eine antagonistische Position Nordkoreas beschreibt. Sie seien ein “rogue state“ und sollen mit Pakistan zusammenarbeiten, um sich die Atombombe zu verschaffen.14

Nordkorea erklärte, dass es ihr Atomprogramm gerechtfertigt sei, da im Rahmen der nationalen Sicherheit das Land zum Besitz von Kernwaffen berechtigt ist, da der Irak- krieg gezeigt hat, dass ausschließlich eine „gewaltige militärische Abschreckungs­kraft“ einen Krieg verhindern kann.15 Sie versuchte daraufhin mit dem Verdacht, des möglichen Besitz Nuklearwaffen die USA zu einem Deal zu erpressen, indem sie wirtschaftliche Hilfeleistungen gegen eine Denuklearisierung anboten, welchen die USA ausschlug und alle diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea einstellte.16

Der nukleare Durchbruch gelang Nordkorea im Jahre 2006, dort gelang der erste er­folgreiche Nukleartest. Weiterhin stellte sich Nordkorea als Opfer ausländischer Ag­gressionspolitik dar und ihr Atomprogram als Verteidigung unabdingbar sei.17

In einem Memorandum aus dem Jahr 2010 hält Nordkorea weiterhin daran fest, dass sie nicht durch Bestimmungen des NTP oder des internationalen Rechts gebunden sind, sondern die nukleare Bewaffnung nur für die Abwehr von Aggressionen und Angriffen auf die Nation dient.18

In den Jahren 2013, 2016 und 2017 kam es zu Atomwaffentest, die von der Internati­onalen Gemeinschaft verurteilt wurden.19 Seit 2012 konstitutionallisiert Nordkorea ihren Status als Nuklearmacht, indem sie eine Verfassungsänderung verabschiedeten, welche Nordkorea als solche kodifiziere.

3.1 Waffenarsenal

Im Jahre 2016 gab Nordkorea bekannt, dass sie hoch angereichertes Uranium (HEU) für nukleare Sprengköpfe produziert. Experten gehen davon aus, dass Nordkorea es geschafft hat, 10-20 nukleare Waffen herzustellen (Stand 2018). Zusätzlich verfügt Nordkorea über ein großes Arsenal ballistischer Raketen, beispielsweise die des Mo­dells Hwasong-15, welche mit einer Reichweite von bis zu 13000 km und einer Tra­gekraft von 2500 kg einen nuklearen Sprengkopf, bis nach New York schicken kann.20 Somit stellt Nordkorea nicht nur eine Gefahr für die direkte Umgebung dar, sondern auch für die gesamte Welt. Abschließend ist zu erwähnen, dass Nordkorea wieder ver­mehr ballistische Kurzstreckenraketen testet, letzter bestätigter Test fand am 25.03.2021 statt.21

4. Theorie des Neorealismus

Autor, eines der bedeutsamsten Werke in den Internationalen Beziehungen ist Kenneth Waltz. In seinem Werk „Theory of International Politics“ stellt Waltz erstmals das Konzept des Neorealismus bzw. Strukturrealismus vor. Er entwickelt eine systemati­sche Theorie, indem er das außenpolitische Handeln von Staaten im internationalen System analysiert. Grundlegend für seine Theorie ist die Prämisse, dass im internatio­nalen System eine übergeordnete Instanz fehlt, in anderen Worten herrscht Anarchie. Somit wird man anders als im nationalen System nicht von dem Staat, der das Gewalt­monopol besitzt, beschützt.22

Folglich ist das nationale Interesse die Sicherung der eigenen Existenz, sprich das Überleben des Staates. Er sieht das internationale System als eine Art Selbsthilfesys­tem, indem jeder sein nächster ist. Niemand passt auf einen auf, somit muss man dies selbst in die Hand nehmen.23

Des Weiteren sind Staaten einheitliche Akteure, genauer gesagt rationale, politisch autonome und in ihrem Kern identisch. Staaten variieren allerdings stark in ihrer Größe, Form, Reichtum und Macht. Somit unterscheiden sich Staaten nur in ihren Machtressourcen.24 Aufgrund der Tatsache, dass die Staaten keinen “Beschützer“ im internationalen System haben, setzen Staaten laut Waltz alles daran ihre eigene Sicher­heit zu maximieren oder zumindest zu erhalten. Um dies zu erreichen ist es von Nöten Machtressourcen anzuhäufen. Waltz führt den Begriff des Balancing ein, dies bedeu­tet, dass Staaten stets versuchen Allianzen zu bilden, wenn sie einem machtvollen Staat gegenüberstehen. Zusätzlich erwähnt er die Bandwagoning Strategie25, bei wel­cher kleinere Staaten eine Allianz mit einem im regionalen Umfeld machtvollen Staat eingehen werden. Um Balancing gegen sich selbst zu vermeiden, sollten Staaten nach einer „appropriate amound of power“ streben.26 Somit geht es in dieser Theorie anders als im klassischen Realismus nicht um die Machtmaximierung, sondern um die Über­lebensmaximierung im Sinne einer Sicherheitsmaximierung, um den eigenen Erhalt zu sichern.27

[...]


1 DPA, Zitate: Was Trump und Kim übereinander sagen (Konstanz: Südkurier, 2019), https://www.su- edkurier.de/ueberregional/politik/Zitate-Was-Trump-und-Kim-uebereinander-sa- gen;art410924,10197813.

2 Laura Becker, North Korea claims „new tactical guided“ missiles launched (London: BBC, 2021), https://www.bbc.com/news/world-asia-56533260.

3 Ebenda.

4 Laura Becker, North Korea: Kim Jong-un's sister warns US not to “cause a stink“ (London: BBC, 2021) https://www.bbc.com/news/world-asia-56410625.

5 Vgl. Hans Günter Hilpert & Oliver Meier: Interessen, Interdependenzen und ein gorgischer Knoten (Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik und Si­cherheit, 2018) S.7.

6 Laura Becker, North Korea claims „new tactical guided“ missiles launched.

7 Vgl. Laura Becker: North Korea “not responding“ to us contact efforts (London: BBC, 2021) https://www.bbc.com/news/world-asia-56391445.

8 Vgl. Don Oberdorfer: The Two Koreas: A Contemporary History (Addison-Wesley: Basic Books Verlag, 1997) S. 252.

9 Vgl. Jeong Dongjin: Chinas's Forgein Policy toward North Korea: The Nuclear Issue (Monterey, Naval Postgraduate School, 2012) S.12.

10 Vgl. Jeong Dongjin: Chinas's Forgein Policy toward North Korea: The Nuclear S.12-14.

11 Enbenda S.12-14.

12 Vgl. Hans Maull & Ivo Maull: Im Brennpunkt: Korea. Geschichte. Politik. Wirtschaft. Kultur. (München: C.H. Beck, 2004) S.95.

13 Vgl. Roland Hiemann: Diplomatie oder Daumenschrauben? Die Strategien der USA gegen ein nuk­leares Nordkorea (Stuttgart: Ibidem-Verlag, 2015). S.25.

14 Vgl. Ebenda S.349ff.

15 Vgl. Eric Ballbach: Nordkorea: Zwischen Abwehrpolitik und Einflusstreben S.12.

16 Vgl. Maull, 2004, S.96f.

17 Vgl. Ballbach: Nordkorea: Zwischen Abwehrpolitik und Einflusstreben S. 13.

18 Vgl. Ebenda. S. 14.

19 Vgl. Ebd. S.17ff.

20 Shannon Kile & Hans Kristensen: North Koreas military nuclear forces (Stockholm: Sipri, 2018)

21 Andreas Rüesch: Atomstreit mit Nordkorea: Erstmals seit einem Jahr startet Nordkorea ballistische Kurzstreckenraketen (Zürich ,Neue Zürcher Zeitung,2021) https://www.nzz.ch/international/amerika- und-nordkoreas-atomprogramm-das-wichtigste-im-ueberblick-ld.1399947.

22 Vgl. Kenneth Waltz: Theory of International Politics (London: Addison-Wesley, 1979) S.103.

23 Vgl. Waltz: Theory of International Politics, S. 106ff.

24 Vgl. Ebenda. S.97.

25 Vgl. Ebd. S. 125.

26 Vgl. Ebd. S.39ff.

27 Vgl. Ebd. S.109.

Details

Seiten
14
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783346629685
ISBN (Buch)
9783346629692
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel – Institut für Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2022 (April)
Note
2,0
Schlagworte
Nord Korea Atompolitik Atombombe Neorealismus Internationale Beziehungen Theorien der Internationalen Beziehungen Politikwissenschaft Kim Jong Un Macht Kenneth Waltz Waltz
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Titel: Nordkoreas Atompolitik. Ein neorealistischer Erklärungsversuch