Die Arbeit gibt einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz in der Produktion. Mit der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche und den damit verbundenen Aufkommen von neuen Technologien verändert sich auch die Industrie und deren Produktionssystemen. Die sogenannte Industrie 4.0 bezieht in ihre Produktionssysteme Technologien wie IoT, Cloud Computing oder auch Advanced Data Analytics-Technologien ein. Durch die Vernetzung aller mit Sensoren und Aktoren ausgestattet Produktionsanlagen untereinander und der Allgegenwärtigkeit von Cyber-Physischen Systemen in der Fabrik, können diese je nach Reifegrad mehr oder minder automatisiert die Produktionsprozesse koordinieren.
Durch die so entstehende immer größer werdende Datenverfügbarkeit und der kontinuierlich wachsenden Rechenkapazität sind in den letzten Jahren Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in den Fokus der Produktion gelangt. Durch den Einbezug der Künstlichen Intelligenz ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten, um zum einen die Prozesse effizienter zu gestalten und zum anderen völlig neue Geschäftsmodelle zu kreieren.
Machine Learning-Ansätze können genutzt werden, um die Daten der Produktionsanlagen schneller auszuwerten oder Prognosen über den Zustand und die Restlebensdauer der Maschine zu erstellen. Besonders tiefe Neuronale Netze können zur Bilderkennung genutzt werden, damit Roboter auf menschliche Aktionen reagieren und diese auch antizipieren können. Somit wird eine Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen in der Fertigung möglich.
Die Vision der völlig autonomen Smart Factory geht noch einen Schritt weiter. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Fertigungsanlage und darüber hinaus, soll die Fabrik vollständig autonom, also ohne menschliches Einwirken, den ganzen Produktionsprozess steuern und bei Bedarf situativ anpassen. Stand jetzt hat sich diese Vision einer Smart Factory aber nur in Teilen realisiert.
Akzeptanzprobleme bei der völligen Übertragung der Kontrolle des Produktionsprozesses auf eine KI sowie fehlende Standards im Hinblick auf Software und Hardware zwischen den verschiedenen Akteuren machen eine teilautonome Fabrik in Zukunft wahrscheinlicher. Diese läuft weitgehend autonom, jedoch bleibt die Kontrolle des Menschen über die Produktionsanlagen erhalten.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen und Begriffe
2.1 Künstliche Intelligenz
2.2 Industrie 4.0
3. Einsatz von KI in Form von Machine Learning im industriellen Umfeld
3.1 Optimierung von Produktionssystemen (Anlagensystemebene)
3.2 Condition-based Mainentance und Predicitve Mainentance (Anlagenebene)
3.3 Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen (Aktivitätenebene)
4. Smart Factory – Der Weg in die autonome Produktion?
5. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die digitale Transformation ist im vollen Gang und mit ihr geht eine umfassende Veränderung im privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich einher.1 Eine dieser Technologien, die sich im Zuge der digitalen Transformation rapide weiterentwickelt, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Dies wird auch durch die Berichterstattung in den Medien deutlich. Wurden über KI im Jahre 2016 knapp 1000 Artikel verfasst, waren es im Jahr 2020 schon über 3500.2 Die einen berichten positiv über die KI und heben ihre Vorteile, wie den Produktivitätszuwachs, hervor3. Die anderen heben die Schattenseiten hervor und gehen auf den potenziellen Rückgang von Arbeitsplätzen ein.4
Die Einsatzmöglichkeiten der KI sind vielfältig. In dieser Arbeit wird die KI im Kontext der Produktion bzw. der Industrie 4.0 näher beleuchtet. Stand 2019 nutzen bereits 12% KI-Anwendungen für den Bereich Industrie 4.0, 39% der Unternehmen wollten mehr als 5% ihres Umsatzes im Kontext der Industrie 4.0 investieren und 27% wollten mehr Arbeitsplätze im Zuge des Umbaus auf die Industrie 4.0 schaffen. Auch die Vorteile der Künstlichen Intelligenz haben die Unternehmen im Blick. So gaben diese an, sich von der KI einen Produktivitätszuwachs, bessere Fertigungsprozesse, eine erhöhte Produktqualität sowie Kostensenkungen zu erhoffen.5 Diese Zahlen zeigen die Herausforderungen und Aufgaben aber auch die Potentiale, die sich im Hinblick auf den KI-Einsatz in der Produktion ergeben.
Nach der Darstellung der theoretischen Grundlagen und Begriffe zur Industrie 4.0 und der Künstlichen Intelligenz werden die Einsatzmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz anhand von ausgewählten Beispielen genauer Beschrieben. Hierzu gehören Prozessanalysen, um die Leistung von Produktionsvorgängen zu bewerten, KI gesteuerte Produktionsentscheidungen, Predictiv- und Condition-based Mainentance, die Zusammenarbeit von Menschen und Maschine sowie die Vorstellung der Smart Factory. Hierbei wird sich an Abbildung 1 in Anlehnung an das Framework von Arinez et al. (2020) zum KI-Einsatz in der Fabrik orientiert. Hier wird zwischen den Einsatz von KI auf der Aktivitätenebene in Form der Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen, der Anlagenebene in Form der Ausgestaltungsmöglichkeit durch Predicitve Mainentance sowie der Anlagensystemebene in Form der Optimierung der Produktion im kompletten Produktionssystem mithilfe von Machine Learning-Verfahren unterschieden.6
2. Theoretische Grundlagen und Begriffe
2.1 Künstliche Intelligenz
Eine einheitliche Definition zur KI gibt es nicht.7 Minsky (1968) beschreibt KI als eine Wissenschaft, die Maschinen Aufgaben erledigen lässt, die nur mit Intelligenz umsetzbar wären, falls Menschen diese Aufgaben erledigen müssten.8 Aufgrund der hohen Datenfülle und Datenverfügbarkeit, die sich in der Industrie 4.0 durch Sensoren, IoT oder Cloud Computing ergeben, erhält die KI immer mehr Einzug in die Produktion.9 Schon immer waren eine erhöhte Rechenkapazität, die Vernetzung von Produkt und Mensch sowie hohe Datenmengen förderlich für die Entwicklungen im KI-Bereich. Folglich findet dies jetzt auch in der Produktion statt.10 Unter das Feld KI fallen viele Teildisziplinen. Für das Produktionsumfeld besonders relevant sind jedoch das Maschinelle Lernen (ML) sowie die Robotik.11 Samuel (1959) beschreibt das ML als den Vorgang, der den Computern die Fähigkeit zum selbstständigen Lernen gibt, ohne dass diese darauf programmiert wurden.12 Computer können durch ML wiederkehrende Muster erkennen, diese generalisieren und so Lösungen für neue Problemstellungen finden.13 Man kann zwischen Supervised bzw. Unsupervised Learning unterscheiden. Bei diesen sind die Antworten, die der Computer anhand von Trainingsdaten ausgeben soll, bekannt bzw. unbekannt. Beim Reinforcement Learning werden Belohnungen bzw. Strafe für getroffene Entscheidungen vergeben.14 Unter das ML fällt das Deep Learning.15 Im Deep Learning werden tiefe neuronale Netze eingesetzt. Hierfür wird eine sehr hohe Rechenleistung und viele Daten benötigt. Der Mensch greift im Gegensatz zum ML beim Lernen und Entscheiden meist nicht ein.16 Roboter sind physische Agenten, die auf die Außenwelt mithilfe von Aktoren einwirken können, um Tätigkeiten auszuführen.17 Roboter können mitunter auch autonom agieren (autonome Agenten). Roboter sind mit Sensoren ausgestattet, mit denen diese Ihre Umwelt wahrnehmen können.18 Mit diesen Sensoren können Daten gesammelt werden, die zum Zwecke der KI/ML eingesetzt werden und so die Kommunikation zwischen Maschine/Maschine und Mensch/Maschine ermöglichen.
2.2 Industrie 4.0
Als Industrie 4.0 wird die 4. industrielle Revolution bezeichnet, bei der die Digitalisierung und die KI in die Produktion einbezogen werden.19 Dabei werden die Ingenieurswissenschaften mit der Informatik und der IKT vereint.20 Während die 3. industrielle Revolution sich auf Automatisierung und IKT fokussiert hat, liegen die Hauptaugenmerke der 4. industriellen Revolution auf der umfassenden Vernetzung von Mensch und Gegenständen sowie der ganzheitlichen Einbindung des Internets, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.21 Die Industrie 4.0 wird von Mockenhaupt (2021) als die Schnittmenge von KI und der Digitalisierung beschrieben. Durch die Digitalisierung können Prozesse durch den Menschen deutlich effizienter gestaltet werden. Doch der Einbezug der KI in die Produktion verspricht völlig neue Möglichkeiten. Durch KI sind die Maschinen in der Lage autonom ihre eigenen Prozesse zu analysieren und zu optimieren. Ohne menschliches Zutun.22 Schlüsseltechnologien der 4. industriellen Revolution sind IoT, bei dem Gegenstände mit Sensoren und Aktoren ausgestattet sind, um so den Datenaustausch und die Interaktion untereinander zu ermöglichen, Cloud Computing, dass das Bereitstellen von Ressourcen, Rechenleistung und Software über das Internet ermöglicht, Cyber-Physische Systemen sowie Data Analytics, um die neu erschlossenen Daten zu analysieren und Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen.23 Hinzu kommen neue Fertigungsmöglichkeiten wie die additive Fertigung oder Produktionsunterstützung wie etwa durch fahrerlose Transportsysteme.24 Cyber-Physische Systeme können als die Fusion von virtueller und physischer Ebene verstanden werden.25 Als Cyber-Physische Systeme beschreibt man Systeme, die durch Hardware erschaffen und durch Software miteinander vernetzt sind.26 Diese Vernetzung kann je nach Ausgestaltung über die Cloud, 5G oder einen Manufacturing Service Bus erfolgen.27 Durch die Vernetzung können diese Systeme miteinander in Echtzeit kommunizieren und aufeinander abgestimmt interagieren So erfolgt eine dezentrale Maschinen zu Maschinen Kommunikation. Die Systeme nehmen ihre Umwelt durch Sensoren war. Durch Sensoren können Daten aufgenommen, verarbeitet, gespeichert und in die Cloud geladen werden, wo diese Daten dann auch anderen Systemen zur Verfügung stehen. Durch ihre Aktoren können die Systeme Einfluss auf die Umwelt auswirken und so beispielsweise Aufgaben in der Produktion erledigen.28 29 Bei Cyber-Physischen Systemen gibt es eine große Anzahl an Ausprägungen entlang der Wertschöpfungskette, wie beispielsweise LKWs, Autos, Produktionsanlagen30 oder auch Flurförderzeuge.31 Cyber-Physische Systeme sind heutzutage in der Industrie schon weit verbreitet. Diese agieren zu Teil schon sehr automatisiert jedoch noch nicht autonom.32 Durch die umfassende Vernetzung verschiedener Branchen, Lieferanten, Kunden, Software und Hardware33, der weiter steigenden Automatisierung sowie der verbesserten Datengrundlage, verändert sich die komplette Organisation der Wertschöpfung. Alle Abteilungen wie F&E, Produktion, Logistik oder Verwaltung müssen sich an diese neuen Gegebenheiten anpassen.34 Die neuen Möglichkeiten der Industrie 4.0 liegen unternehmensintern bei der Kostenreduktion durch eine verbesserte Produktqualität, der verbesserten Produktionsplanung, der besseren Produktionsqualität sowie einer optimierten Lagerhaltung und verkürzten Lieferzeiten. Unternehmensextern betrachtet, kann ein Mehrwert durch neue Geschäftsmodelle für die Kunden entstehen und sich somit neue Wege zur Steigerung von Umsätzen auftun.35 So werden Geschäftsmodelle, die kundenindividuelle Produkte und Dienstleistungen zu Kosten einer Massenproduktion anbieten, möglich.36
3. Einsatz von KI in Form von Machine Learning im industriellen Umfeld
3.1 Optimierung von Produktionssystemen (Anlagensystemebene)
Datenanalysen sind für die Produktionssysteme von elementarer Wichtigkeit. Um eine kostengünstige, schnelle und bedarfsgerechte Produktion mit qualitativ hochwertigen Produkten zu gewährleisten, müssen die Produktionssysteme permanent auf Grundlage der Datenbasis evaluiert und kontrolliert werden. Außerdem werden auf diese Art Prognosen zu zukünftigen Ereignissen möglich.37 Die Informationen, die durch die Datenanalysen bereitgestellt werden, können vom Management genutzt werden, um die weiteren Handlungen festzulegen. So kann beispielsweise mithilfe der eigenen Verkaufsdaten, Social Media-Daten und weiterer externer Daten die zukünftige Nachfrage durch den Einsatz von ML-Methoden prognostiziert und somit Lagerkosten verringert werden.38 In dem betrachteten Artikel von Yang (2010) werden Neuronale Netze eingesetzt, um ad-hoc bestimmen zu können, wie hoch die Ausbringungsmenge und Produktionszeit eines Produktionssystem ist.39 Herkömmliche Methoden ohne ML haben das Problem, dass diese statisch sind und immer wieder auf die neuen Produktionsparameter angepasst werden müssen. Dies erfordert zudem eine hohe Rechenleistung durch die immer wiederholten Simulationen. Außerdem sind herkömmliche Methoden eher geeignet für Langzeitanalysen als für kurzfristige Analysen.40 Mangelnde Aktualität, der Produktionsdaten machen oft ein Eingreifen in die Produktion notwendig, was eigentlich bei einem reibungslosen Ablauf vermieden werden sollte.41 Das Neuronale Netz wurde so konzipiert, dass die Kennzahlen in Echtzeit abgefragt werden können. So können etwaige Engpässe bei der Produktion schnell erkannt werden.42 In dem Artikel wird ein Produktionssystem mit drei herzustellenden Produkten sowie drei Maschinen dargestellt. Die Materialien durchlaufen den Produktionsprozess in einem vordefinierten Weg. Jedes Material muss jede Maschine durchlaufen, damit das Produkt gefertigt werden kann.43 Neuronale Netze sind besonders geeignet bei einer großen Datenmenge und Attributanzahl. Wie in Abbildung 3 dargestellt, bestehen Neuronale Netze aus miteinander verbundenen Verarbeitungseinheiten, den sogenannten Neuronen.44 Dort werden die Spezifikationen der Materialien in das Neuronale Netz eingespeist. Diese Daten werden gewichtet und an eine Aktivierungsfunktion in einem Hiddenlayer weitergegeben. Diese Aktivierungsfunktion entspricht hier einer Produktionsfunktion. Die aus der Funktion ausgegebenen Werte werden an eine Ausgabefunktion weitergegeben. Bei dem Ergebnis, das aus dem Neuronalen Netz schließlich ausgegeben wird, handelt es sich um das Verhältnis von Produktionszeit und Ausgabemenge.45
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1 Vgl. Kemper/Morar (2018), S. 54
2 Vgl. Müller-Eiselt (2021), S. 17
3 Vgl. Statista (2020), URL siehe Literaturverzeichnis
4 Vgl. IAB (2015), S. 61
5 Vgl. Berg (2019), S. 4-7
6 Vgl. Arinez et al. (2020), S. 3
7 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 49
8 Vgl. Minsky (1968), S. 23
9 Vgl. Arinez et al. (2020), S. 1
10 Vgl. Bacon (2019), S. 73ff.
11 Vgl. Brock (2018), S. 6
12 Vgl. Samuel (1959), S. 535
13 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 134
14 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 139-141
15 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 134
16 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 155
17 Vgl. Russell/Norvig (2004), S.1120
18 Vgl. Russell/Norvig (2004), S.1120
19 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 33
20 Vgl. Monstori et. al (2016), S. 625
21 Vgl. Pistorius (2020), S.6
22 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 36
23 Vgl. Zhong et al. (2017), S. 617f.
24 Vgl. Pistorius (2020), S.3
25 Vgl. Dumitrescu et. al (2018), S. 17
26 Vgl. Huber (2018), S. 30
27 Vgl. Monstori et. al (2016), S. 629-630
28 Vgl. Huber (2018), S. 31
29 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 256
30 Vgl. Huber (2018), S. 31-32
31 Vgl. Pistorius (2020), S.63
32 Vgl. Mockenhaupt (2021), S. 246
33 Vgl. Lasi (2014), S. 63
34 Vgl. Monstori et. al (2016), S. 625
35 Vgl. Vgl. Kaufmann (2015), S.42
36 Vgl. Monstori et. al (2016), S. 625
37 Vgl. Arinez et al. (2020), S. 3
38 Vgl. Capgemini (2019), S. 17
39 Vgl. Yang (2010), S. 172
40 Vgl. Arinez et al. (2020), S. 3
41 Vgl. Fraunhofer (2013), S. 95
42 Vgl. Yang (2010), S. 172
43 Vgl. Yang (2010), S. 183
44 Vgl. Baars/Kemper (2021), S. 220
45 Vgl. Yang (2010), S. 175