In der folgenden Arbeit soll der Aufstieg Chinas in den letzten Jahrzehnten beleuchtet, die verschiedenen theoretischen Perspektiven darauf dargestellt und anhand der Beziehungen Chinas und Griechenlands analysiert werden, welche Argumente die diversen Theorien stützen oder ihnen widersprechen.
Die Entwicklung Chinas in den letzten Jahrzehnten ist in vielerlei Hinsicht Aufsehen erregend. Besonders die wirtschaftliche Entwicklung des Landes war rasant und wirkt sich längst auf die internationale Politik und den Welthandel aus. Doch dies soll nach Ansicht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) erst eine Etappe auf einem längeren Weg sein. Spätestens seit der Übernahme des Präsidentenamtes durch Xi Jinping wird deutlich, dass die chinesische Führung das Land wirtschaftlich sowie politisch zu einer globalen Supermacht entwickeln möchte. Die Belt and Road-Initiative, die in Relation zu geographischer Ausdehnung und investierten Ressourcen das wohl größte Wirtschafts- und Entwicklungsprojekt der Menschheitsgeschichte werden soll, stellt dabei ein zentrales Element auf dem Weg zur global führenden (Wirtschafts-) Macht dar. Auch die EU, für die China den größten Handelspartner darstellt, kann sich diesem nicht entziehen. Gerade in Südosteuropa, einer Region, die von starken autoritären Tendenzen und knappen fiskalischen Möglichkeiten bedroht ist, scheint China über Kredite und Investitionen geostrategische und ökonomische Vorteile erlangen zu wollen. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür stellt der Hafen in Piräus dar, dessen Mehrheitseigner ein chinesischer Staatskonzern ist. Einige sehen den dortigen Einfluss Chinas als Grund an, weshalb Griechenland eine gemeinsame EU-Deklaration vor den UN, die die Menschenrechtslage dort kritisieren sollte, verhindert hat. Wie derartige Phänomene in die theoretischen Perspektiven auf den Aufstieg Chinas eingeordnet werden können und welche Anhaltspunkte sie zur Stützung oder Widerlegung dieser diversen Theorien bieten, soll in dieser Arbeit anhand der Einflüsse Chinas auf Griechenlands Wirtschaft und Politik dargelegt werden. Während in der chinesischen Literatur und Debatte die BRI und die damit assoziierten Konzepte und Vorstellungen einer globalen politischen Ordnung breit rezipiert und analysiert werden, sind in der westlichen Literatur nur selten Auseinandersetzungen mit diesen zu sehen. Die Debatte dreht sich hier vor allem um Einzelaspekte und die ökonomische Konkurrenz zu China.
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Aufstieg Chinas in der jüngeren Geschichte
2.1 Die Reformen unter Deng Xiaoping und die Go West- und Go Out-Strategien
2.2 Chinas Reaktion auf die Krise von 2008
2.3 Die Belt and Road-Initiative
3 Theoretische Konzeptionen zur Betrachtung der Entwicklung, des Einflusses und der Ziele Chinas
3.1 Weltsystemtheorie und hegemonialer Übergang
3.2 BRI als Re-Globalisierung
3.3 Der Aufstieg Chinas als Wiedererrichtung der alten Ordnung: (Alles unter dem Himmel)
4 Chinas Einfluss auf die griechische Wirtschaft und Politik
4.1 Die Übernahme des Hafens in Piräus
4.2 Energienetze, Kooperationstreffen und politische Instrumentalisierung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Entwicklung Chinas in den letzten Jahrzehnten ist in vielerlei Hinsicht Aufsehen erregend. Besonders die wirtschaftliche Entwicklung des Landes war rasant und wirkt sich längst auf die internationale Politik und den Welthandel aus. Doch dies soll nach Ansicht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) erst eine Etappe auf einem längeren Weg sein. Spätestens seit der Übernahme des Präsidentenamtes durch Xi Jinping wird deutlich, dass die chinesische Führung das Land wirtschaftlich sowie politisch zu einer globalen Supermacht entwickeln möchte. Die Belt and Road-Initiative, die in Relation zu geographischer Ausdehnung und investierten Ressourcen das wohl größte Wirtschafts- und Entwicklungsprojekt der Menschheitsgeschichte werden soll, stellt dabei ein zentrales Element auf dem Weg zur global führenden (Wirtschafts-) Macht dar. Auch die EU, für die China den größten Handelspartner darstellt, kann sich diesem nicht entziehen. Gerade in Südosteuropa, einer Region, die von starken autoritären Tendenzen und knappen fiskalischen Möglichkeiten bedroht ist, scheint China über Kredite und Investitionen geostrategische und ökonomische Vorteile erlangen zu wollen. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür stellt der Hafen in Piräus dar, dessen Mehrheitseigner ein chinesischer Staatskonzern ist. Einige sehen den dortigen Einfluss Chinas als Grund an, weshalb Griechenland eine gemeinsame EU-Deklaration vor den UN, die die Menschenrechtslage dort kritisieren sollte, verhindert hat. Wie derartige Phänomene in die theoretischen Perspektiven auf den Aufstieg Chinas eingeordnet werden können und welche Anhaltspunkte sie zur Stützung oder Widerlegung dieser diversen Theorien bieten, soll in dieser Arbeit anhand der Einflüsse Chinas auf Griechenlands Wirtschaft und Politik dargelegt werden. Während in der chinesischen Literatur und Debatte die BRI und die damit assoziierten Konzepte und Vorstellungen einer globalen politischen Ordnung breit rezipiert und analysiert werden, sind in der westlichen Literatur nur selten Auseinandersetzungen mit diesen zu sehen. Die Debatte dreht sich hier vor allem um Einzelaspekte und die ökonomische Konkurrenz zu China. Die langfristigen politischen Implikationen rücken erst seit Kurzem in den Fokus, sodass mittlerweile auch die EU-Kommission von einer Systemkonkurrenz zum autoritären China spricht (Europäische Kommission, 2019). Im Folgenden soll der Aufstieg Chinas in den letzten Jahrzehnten beleuchtet, die verschiedenen theoretischen Perspektiven darauf dargestellt und anhand der Beziehungen Chinas und Griechenlands analysiert werden, welche Argumente die diversen Theorien stützen oder ihnen widersprechen.
2 Der Aufstieg Chinas in der jüngeren Geschichte
Zunächst soll grob die politische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas nach der Ära unter Mao Zedong bis heute dargestellt werden. Dazu werden zunächst die Reformen und Öffnungsschritte beleuchtet, gefolgt von der Reaktion auf die Weltfinanzkrise der späten 2000er-Jahre und der Initiierung der Belt and Road-Initiative.
2.1 Die Reformen unter Deng Xiaoping und die Go West- und Go Out-Strategien
In den letzten Jahrzehnten hat die Volksrepublik China eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschaffen, mit enormen ökonomischen Wachstumsraten und einer stetig wachsenden Bedeutung für die Weltgesellschaft, auch in politischer Hinsicht.
Diese Entwicklung begann Ende der 1970er-Jahre mit den einschneidenden Reformen unter der Führung Deng Xiaopings Fahrt aufzunehmen, der eine inkrementelle Liberalisierung der zuvor kommunistisch geprägten chinesischen Wirtschaft einleitete. Man errichtete Sonderwirtschaftszonen, deregulierte Bereiche des Arbeitsmarktes, privatisierte einige Wirtschaftssektoren und förderte eine exportorientierte Industrialisierung des Landes. Exemplarisch und besonders hervorstechend sind dabei die Veränderungen infolge der Implementierung des Modells der „Sozialistischen Marktwirtschaft“ 1992, wonach „wenig rentable kleinere und mittlere Unternehmen privatisiert [wurden], während die größten 1000 Staatskonzerne weiterhin unter staatlicher Kontrolle blieben“ (Schmalz, 2010, S. 487). Als der Fortschritt Strukturprobleme wie die Exportabhängigkeit und ein eklatantes Stadt-Land-Gefälle offenlegte, richtete man mit der „Go-West“-Strategie einen deutlich stärkeren Fokus auf ländlich Gebiete und vor allem den dünn besiedelten Westen des Landes (vgl. ebd.). Zur selben Zeit bewirkte die „Go-Out“-Strategie, zu Beginn noch mit dem Ziel der Sicherung wichtiger Rohstoffimporte, dass chinesische Unternehmen immer stärker auch als Investoren auf dem Weltmarkt tätig wurden (vgl. Hoering, 2018. S. 26). Der Erfolg dieser Strategien lässt sich u.a. daran ablesen, dass der Anteil chinesischer Konzerne an der Liste der Fortune Global 500 in der Folge rasant zunahm (vgl. ebd.).
2.2 Chinas Reaktion auf die Krise von 2008
Den ersten großen Dämpfer dieser Entwicklungen stellte die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 dar. Besonders die hohe Exportquote brachte dabei einige Probleme mit sich: Exportierte China im Juli 2008 noch Waren im Wert von rund 140 Mrd. US-Dollar, stürzte dieser Wert auf 90.5 Mrd. US-Dollar im Januar 2009 ab, weshalb in der ersten Jahreshälfte etwa 67000 Unternehmen schließen mussten und es vielerorts zu Massenentlassungen kam (vgl. Weil, 2010, S. 46). Die Partei reagierte mit einem 586 Mrd. US-Dollar umfassenden Konjunkturprogramm, das den Binnenkonsum stärken, die Industrie modernisieren und das Land zu einem Vorreiter in der Informationstechnologie machen sollte (vgl. Schmalz, 2010, S. 490). Auch wenn dieses Paket als erfolgreich bezeichnet werden kann, so ist doch die seit langem kennzeichnende Eigenschaft der chinesischen Wirtschaft, der immense Fokus auf den Export, mit allen ihr inhärenten Risiken auch heute noch zu konstatieren. Von noch größerer Bedeutung war jedoch die Bedrohung der Legitimität der Partei in einer von Korruption, ökologischen Problemen und steigender sozialer Ungleichheit getroffenen Bevölkerung (vgl. Hoering, 2018, S. 28). Auch wenn die staatlichen Maßnahmen die schwerwiegendsten Folgen der Krise abgefedert hatten, so sah sich Xi Jinping möglicherweise trotzdem gezwungen in einer Art Gesellschaftsvertrag die gesellschaftliche Akzeptanz der Partei mit dem Versprechen eines höheren Lebensstandards und einer wachsenden internationalen Bedeutung Chinas zu „erkaufen“ (vgl. ebd.: S. 29).
2.3 Die Belt and Road-Initiative
Nachdem die unmittelbaren Folgen der Finanzkrise beseitigt waren, startete die chinesische Führung ein ambitioniertes Projekt. Die Belt and Road-Initiative, von der sie sich verspricht, dass sie das in puncto geographischer Ausdehnung und investierten Ressourcen wahrscheinlich bisher größte Wirtschafts- und Entwicklungsprojekt der Menschheitsgeschichte darstellen wird. Sie umfasst neben Infrastrukturausbau- und Investitionsprojekten die Schaffung neuer Kooperationsgemeinschaften, internationaler Institutionen und Organisationen und eine Ausweitung kulturellen Austausches. Das 2013 initiierte Projekt, das unter verschiedenen Bezeichnungen wie „Neue Seidenstraße“, „One Belt, One Road“, oder heute zumeist „Belt and Road-Initiative“, läuft, stellt ein essenzielles Element der chinesischen Außen- und Wirtschaftspolitik der letzten Jahre dar. Es gliedert sich grob in zwei Stränge, den Silk Road Economic Belt, der Projekte auf dem Landweg umfasst, vor allem die Schaffung von Transportnetzen durch Schienen, und die Maritime Seidenstraße, die den Handel über die Seewege erleichtern und intensivieren soll, bspw. durch den Bau neuer Tiefwasserhäfen und logistischer Knotenpunkte. Diese Konzepte orientieren sich jeweils grob an den historischen Routen der Seidenstraße. Das gesamte Vorhaben wird unterdessen auf verschiedenste Weise interpretiert. Obwohl die chinesische Staatsführung stets von Süd/Süd- bzw.
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