Die Instrumentalisierung Schillers unter dem NS-Regime und deren Auswirkungen anhand eines Gedichtbeispiels
Zusammenfassung
Überall auf der ganzen Welt werden Personen auch heute noch für fragwürdige politische Machenschaften instrumentalisiert. So nutzte man im Nationalsozialismus beispielsweise Großindustrielle, Medien oder hochrangige Persönlichkeiten für das geplante neue, braune Regime. Inwieweit später diese Diktatur Einfluss genommen hatte, erkennt man, wenn verschiedene Bereiche wie Medizin, Meinungsfreiheit, Forschung oder Bildung im Nachhinein näher analysiert werden. Was jedoch sicherlich nicht gleich mit Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird, ist die Weimarer Klassik. Leider wurden zwischen 1933 und 1945 Größen dieser Zeit instrumentalisiert, um die neue deutsche Kultur glaubhaft und beeindruckend darzustellen. Dabei interpretierte man Werke von Kleist, Goethe, Schiller oder Hölderlin völlig frei und falsch und gestaltete diese um, sodass sie ins braune System passten. Das NS-Regime schaffte es mit dieser fragwürdigen Masche jedoch tatsächlich, Tausende für die neue deutsche Kultur zu begeistern. Somit entstanden auch einige Gedichte auf die Größen der Weimarer Klassik.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
„Klassiker in finsteren Zeiten“ Die Instrumentalisierung Schillers unter dem NS-Regime und deren Auswirkungen anhand eines Gedichtbeispiels
1. Einleitung
2. Die Instrumentalisierung Schillers unter dem NS-Regime
3. Entstehung und Thematik des Gedichts „Hymne an Friedrich Schiller“
4. Verzerrung der Wirklichkeit und die damit zusammenhängende Bedeutung von Wortwahl, Klang und Stilfiguren
5. Schlussbetrachtung und Fazit
1. Einleitung
Überall auf der ganzen Welt werden Personen auch heute noch für fragwürdige politische Machenschaften instrumentalisiert. So nutzte man im Nationalsozialismus beispielsweise Großindustrielle, Medien oder hochrangige Persönlichkeiten für das geplante neue, braune Regime. In wie weit später diese Diktatur Einfluss genommen hatte, erkennt man, wenn verschiedene Bereiche wie Medizin, Meinungsfreiheit, Forschung oder Bildung im Nachhinein näher analysiert werden. Was jedoch sicherlich nicht gleich mit Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird, ist die Weimarer Klassik. Leider wurden zwischen 1933-1945 Größen dieser Zeit instrumentalisiert, um die neue deutsche Kultur glaubhaft und beeindruckend darzustellen. Dabei interpretierte man Werke von Kleist, Goethe, Schiller oder Hölderlin völlig frei und falsch und gestaltete diese um, sodass sie ins braune System passten. Das NS-Regime schaffte es mit dieser fragwürdigen Masche jedoch tatsächlich, Tausende für die neue deutsche Kultur zu begeistern. Somit entstanden auch einige Gedichte auf die Größen der Weimarer Klassik. Da Schiller der am höchsten Verehrte und neuer Hero der Nazis bezüglich der Kultur war, soll in dieser Ausarbeitung auch ein Gedicht auf ihn näher analysiert werden. Dabei ist es jedoch unerlässlich im Vorfeld zu klären, warum gerade Schiller instrumentalisiert wurde und wie es dem NS-Regime letztendlich gelang einen regelrechten Kult um den Dichter auszulösen.
2. Die Instrumentalisierung Schillers unter dem NS-Regime
Am 10. Mai 1933 passierte etwas in der deutschen Geschichte, woran die meisten Menschen heute noch mit Schrecken zurückdenken. Nachrichtenleute tauchten den spätabendlichen und regennassen Opernplatz Berlins in grelles Scheinwerferlicht, denn das wichtigste, war alles in Bild und Ton festzuhalten.1 Joseph Goebbels gab den Studenten und Professoren, die diese Aktion mit geplant hatten, genaue Anweisungen, denn zwischen 23- und 24 Uhr sollte der Deutsche Rundfunk zu allen Bücherverbrennungen schalten.2 Allein in Berlin waren rund 500 Tonnen Bücher zusammengekommen, von Autoren, die einen angeblich undeutschen Geist besaßen und nicht im Sinne der Partei dachten, fühlten und handelten.3 Zu diesen undeutschen Autoren, wie sie bezeichnet wurden, gehörten beispielsweise literarische Größen wie Erich Kästner, Berthold Brecht, die Familie Mann oder auch Friedrich Wilhelm Foerster.
Werke der deutschen Klassik wiederum wurden nicht dem Scheiterhaufen übergeben, Werke von Goethe oder Schiller zum Beispiel. Dies hatte natürlich auch einen speziellen Grund, denn die Nationalsozialisten erkannten das Theater nun als perfektes Instrument für propagandistische Zwecke und niemand eignete sich für die Partei besser als neuer deutscher Nationalheld ausgerufen zu werden als Friedrich Schiller. Während „Goethes Weltbürgertum [...] nicht ohne weiteres auf das Maß der nationalsozialistischen Doktrin zurechtgeschustert werden [konnte]“4 wurden die Freiheitsgedanken Schillers und sein angeblich perfekt vorhandenes Verständnis von einer Einheit der deutschen Nation, willkürlich interpretiert, verbogen und die Ideen seinerseits so zurecht geschnitten, dass sie ins neue Konzept der Machthaber passten.5
Politische Propagandastücke hatten Hochkonjunktur und somit deutete man besonders Dramen Schillers so um, dass sie im Sinne der Partei waren. Neben „Kabale und Liebe“6 oder „Wilhelm Tell“, war „Don Carlos“ ein beliebtes Stück der Nationalsozialisten. Besonders bei der zehnten Szene im dritten Akt hielten die Menschen den Atem an, indem sie bei folgenden Worten die eigene Situation im Land wiedererkannten:
„[...] Schon flohen Tausende aus ihren Ländern froh und arm. Der Bürger, den Sie verloren für den Glauben, war Ihr edelster.“7 oder „Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit, und säen Tod ?“8 worauf es kurz danach heißt:
„Ein Federzug von dieser Hand, und neu erschaffen wird die Erde. Geben Sie Gedankenfreiheit - .“9
Betrachtet man diese Szenen, so lassen sich einige Parallelen zum Nationalsozialismus aufzeigen, denn Tausende flohen aus dem Land, indem Hitler mit seinem Wahn die Grenzen immer weiter nach Ost und West zu verlagern versuchte. Außerdem brachte dieser neue Gedanke von Einheit und Freiheit vielen Männern den Tod und dennoch waren die Deutschen überzeugt, dass das Richtige in ihrem Land und in ihrem Sinne getan wurde; man klammerte sich an den schönen Glauben von Aufstieg, nationaler Stärke und Einigkeit.
Es stellt sich für die Menschen heute jedoch die Frage, warum gerade Schiller für das NS- Regime instrumentalisiert wurde, ein Friedrich Schiller, der immer für „[die] Traditionen des freien Gedankens, des Idealismus und der Humanität, [stand].“10
Wie schon erwähnt, konnte man Goethes Weltbürgertum nicht ohne weiteres auf die Doktrin der Partei zurechtschustern, Geschriebenes von Schiller jedoch schon, denn die meisten Werke eigneten sich perfekt zur Fehlinterpretation. Außerdem war Schiller als Historiker tätig und beschreibt in einer seiner Schriften die beiden staatspolitischen Modelle, eines davon war „Das Sparta des Tyrannen Lykurg“, welches alle Anzeichen für einen faschistischen Staat trug und somit oft zur zitierten Referenz wurde.11 Des Weiteren trieb Goebbels die Grundidee der Germanisierung immer weiter voran, es sollte nun ein Vorbild aus der Geschichte geben, das schon wahre Größe erlangte und dem es nachzueifern galt.12 Für den Reichsminister war Schiller die Person seiner Idee, die er auch in den Jahren nach 1934 noch gekonnt zu vermarkten wusste. So äußerte er sich in seinen Reden über den deutschen Dichter oftmals folgendermaßen:
„' Es hat beispielsweise in Deutschland nie einen tendenziöseren Dichter gegeben als Schiller. Niemand ist so missverstanden und abgelehnt und dann mit einem so energischen Elan auf die Bühne gestellt worden wie Schiller.'“13
Das Paradoxe an dieser Aussage Goebbels ist, dass den Dichter wohl nie jemand so missverstanden hatte wie die Nationalsozialisten dies taten.
Gründe für die Instrumentalisierung Schillers gab es also genug, nicht zuletzt war dabei auch das Jahr 1934 ausschlaggebend- der 175. Geburtstag des Dichters. Dennoch stellt sich nun die Frage, wie es das braune Regime schaffte, Schiller als neuen deutschen Nationalhelden aufzustellen und sogar als Kampfgenossen Hitlers zu instrumentalisieren.
Die Nationalsozialisten taten ab 1933 alles dafür, den Dichter in den Mittelpunkt der neuen Kultur zu rücken. Sein 175. Geburtstag bot somit willkommen Anlass zu großer politischer und kultureller Demonstration.14 Feste mit überschwänglichen Reden, Publikationen, Aufmärsche, Symposien und Theaterfestwochen galten allein dem Dichter und seinen Werken.15 Man bediente sich auch gern der Medien Rundfunk und Fernsehen, um Schiller richtig in Szene zu setzen und die Massen zu begeistern. Im Radio wurden Schillerdramen als Hörspiele gesendet und zum Ende des Schillerjahres wurde der Tell-Film uraufgeführt, der allerdings immer weniger des eigentlichen Dramas erkennen ließ.16 Schillers Leben und seine Werke wurden nun für jedermann aufbereitet und „die Lust am Genialischen [sollte man] bei jedem kleinen Pimpf herauskitzeln [können].“17 Auch das Leben des Dichters wurde mit Starbesetzung verfilmt, was wiederum der Identifikation mit Schiller dienen sollte.18 Wie diese in Szenesetzung bei den Menschen damals wirkte, wird ein Augenzeugenbericht von Klaus Kanzog verdeutlichen:
„Mein großes Vorbild aber wurde Horst Caspar, den ich nach Herbert Maischs Schiller-Film von 1940 geradezu mit Schiller identifizierte. [...] Ich bewundere die Prägnanz des sprachlichen Ausdrucks, spürte die >Glut< der Rede und erlag der Überzeugungskraft seines Argumentierens.“19
Welche Auswirkungen die Instrumentalisierung Schillers hatte, lässt sich an diesem Zitat gut erkennen. Die meisten Menschen ließen sich für das System mit ihren neuen Helden begeistern; einigen gefielen die neuen Entwicklungen gar nicht, protestierten aus Angst jedoch nicht laut. Entrüstung äußerten oftmals nur Stimmen aus dem Exil, zum Beispiel durch Thomas Mann oder Berthold Brecht.
Die Instrumentalisierung von Schiller durch das NS-Regime hatte jedoch Früchte getragen, so entstanden Gedichte zum Jubiläumsjahr, die laut Monika Carpe zu peinlich sind, um überhaupt in ihrer Monographie abgedruckt zu werden. Diese Ausarbeitung wird sich jedoch gerade intensiv mit einem dieser Gedichte auf Schiller beschäftigen, um darzulegen, wie Schiller als neue Kultfigur heroisiert wird und wie übermenschlich, überlebensgroß und heilig man ihn darstellte.
3. Entstehung und Thematik des Gedichts „Hymne an Friedrich Schiller“
Das Gedicht „Hymne an Friedrich Schiller“20 stammt von Max Reuschle (1890-1947), der im Jahr 1934, anlässlich des 175. Geburtstages ein paar Zeilen über den Dichter verfasste. Wenn auch in den verschiedensten Zeitschriften in Südwestdeutschland genügend Gedichte Reuschles zu finden sind, so ist es jedoch eher schwierig, Daten zu seiner Person ausfindig zu machen. Bekannt ist nur, dass er ein Dichter aus dem schwäbischen Raum war, der das NS- Regime in Deutschland miterlebte. Es ist zu vermuten, dass Reuschle, wenn er sich überwiegend im süddeutschen Raum aufhielt, sich ebenfalls für den Kult um Schiller begeistern konnte und angeregt wurde, das Gedicht „Hymne an Friedrich Schiller“(Ü) zu schreiben. Denkbar ist jedoch auch, dass er von den Nationalsozialisten dazu aufgefordert wurde, anlässlich der Jubiläumsfeiern von Schiller, ein Gedicht über diesen zu verfassen. Veröffentlicht und vorgetragen wurde die „Hymne an Friedrich Schiller“ (Ü) im Dezember des Jahres 1934 auf der Jahresfeier des >Literarischen Klubs Stuttgart< zur Ehrung des Dichters.21
Die Überschrift des Gedichts, besonders das Wort Hymne, gibt schon den wesentlichen Tenor des Inhalts beziehungsweise der Thematik wieder. Max Reuschle rühmt den Dichter Friedrich Schiller in einem höchst übertriebenen, feierlichen Preis- und Lobgesang. Er wird als göttliche Figur geehrt, der mit „Posas Worten Gedankenfreiheit für [sein] Volk und seine Schau [fordert]“ (22-24). Der übermächtige Schiller wird so dargestellt, dass er Menschen „im Geist befruchtet[e]“ und nachdem „Staaten zerbrachen Doch [sein] Werk [...] klar und groß [blieb]“ (78-79). Reuschles Gedicht ist fast schon kein Lobgesang auf Schiller mehr, es gleicht eher einer Gottesanbetung. Diese Verehrung betreibt der Autor jedoch nicht allein, es gibt kein lyrisches Ich, sondern er spricht immer in der Wir-Form: „Wir sind von deiner Art“(3) oder „Wir sind vor dir nur klein“(94). Mit dem Wir ist in diesem Gedicht natürlich das komplette deutsche Volk gemeint, die nach Ansicht des Schreibers genau die selben Gedankenzüge besessen haben müssen. Das Gedicht soll somit die Gedanken, Gefühle und Empfindungen einer gesamten Nation wiederspiegeln. Während das in der heutigen Zeit eher unwahrscheinlich wirkt, war dies in der Diktatur genau das richtige Denken, denn nur die Meinung vereinzelter Personen zählte und Gedankenfreiheit wurde verboten. Aufgrund dessen hätte der Autor möglicherweise sogar das lyrische Ich verwenden können, ein Ich, welches die Meinung einer Person wiedergibt, jedoch Tausende mit einbezieht.
Im gesamten Gedicht „Hymne an Friedrich Schiller“ (Ü) wird die Person Schiller und seine Taten überschwänglich gelobt und gepriesen. Wie der Autor dies mit Wortwahl, Klang und verschiedenen Stilfiguren versuchte zu erreichen und welche gravierenden Fehler ihm im Inhalt unterliefen, soll im nächsten Abschnitt dargestellt werden.
4. Verzerrung der Wirklichkeit und die damit zusammenhängende Bedeutung von Wortwahl, Klang und Stilfiguren
Um zu verstehen, auf welch unsinnige Art und Weise Schiller im Gedicht von Max Reuschle für das NS-Regime instrumentalisiert wurde, ist es unerlässlich, sich den Inhalt des Gedichtes, die damit verbundene Wortwahl, den Klang sowie verwendete Stilfiguren und dessen Wirkung näher anzusehen.
Die Hymne ist eine recht offene Form des Gedichtes, in der es möglich ist, wenig oder gar keine Reimschemen zu verwenden, so ist auch das Gedicht hier überwiegend reimfrei. Der Autor verwendete weder weibliche oder männliche Reime, noch Rührende, Identische oder Doppelte. So kann man in Reuschles „Hymne an Friedrich Schiller“ (Ü) überwiegend von Reimlosigkeit sprechen, womit der Autor bewusst verzichtet auf die Möglichkeit üblicher klanglicher Gestaltung. Der Klang in diesem Gedicht wird erreicht durch Einsetzung anderer Mittel; vorwiegend durch das Anbeten oder Anflehen der Person Schiller, besonders in Strophe eins, fünf, zehn und elf. Hinzu kommt der Lobgesang auf ihn im Inneren des Gedichts. Dies alles hätte wahrscheinlich schwer umgesetzt werden können mit typischen Reimschemen. Deshalb findet man in diesem Gedicht genügend Enjambements, wobei Satzgrenzen in den einzelnen Strophen bei Reuschle mit Kommas oder Gedankenstrichen gekennzeichnet worden sind. Jedoch kann man hier nicht von einfachen Sätzen sprechen, denn größtenteils sind Hauptsätze mit abhängigen Gliedsätzen zu Satzgefügen verbunden wurden. Dies dürfte der Absicht des Autors entsprochen haben, denn es sollten komplexe Sachverhältnisse und nicht sofort durchdringbares Verständnis mancher Zeilen, Gegenstand dieses Gedichtes sein; was im übrigen auch typische Merkmale einer Hymne sein können. Es wurde jedoch vorausgesetzt, dass der gebildete Deutsche etwas schwierige Zusammenhänge deuten und verstehen konnte. Deshalb wurde oftmals in Gedichten, wie es auch hier der Fall ist, die Alltagssprache abgelegt, um sich einer scheinbar intelligenten und höheren Sprache zu bemächtigen, dass dies oftmals nicht gelang, was Ausdruck, Grammatik oder Sinn anbelangt, wird bei näherer Auseinandersetzung mit Max Reuschles Gedicht noch aufzuzeigen sein.
Erschreckend ist, welche Wirkung derlei Gedichte erzielten, so vermittelten diese in Schulen ein falsches Bild der Wirklichkeit, die man nach Wunschvorstellung verändert hatte- richtiger Sprachgebrauch oder Inhalt waren dabei erst mal nebensächlich.22 Hauptsache es gelang, nach Willen der nationalsozialistischen Machthaber, Dichtung politisch-propagandistisch wirken zu lassen.23 Wie dies Max Reuschle gelang und welche Verfälschungen oder Unkorrektheiten er dabei vornahm, wird nun in den wichtigsten Strophen des Gedichtes zu untersuchen sein. Liest man die ersten Zeilen des Gedichts auf Schiller, indem man die Überschrift übersieht, aber sich dennoch im Klaren darüber ist, in was für einer Zeit man sich befindet, so erhält man leicht den Eindruck, dieses Gedicht wurde geschrieben für Adolf Hitler. Die Zeilen „Wir sind von deiner Art“ (3) oder „Sei du der Lenker uns Zu unserer Väter Geist“ (7-8) könnten Anlass für diesen Gedanken geben. Nun ist es jedoch Friedrich Schiller, der in der ersten Strophe mit einer göttlichen Gestalt personifiziert wird, eine Gestalt, die herab steigen soll, um die Deutschen zu ihrer „Väter Geist“ (8) zu führen. Warum gerade Schiller dazu privilegiert war, ist im Abschnitt 2 schon näher dargestellt wurden; Schiller der neue Kampfgenosse Hitlers und literarischer Nationalheld des deutschen Volkes. Einer seiner größten Verfälschungen nimmt Reuschle damit schon in der ersten Strophe vor, indem er einen Schiller symbolisiert, der ausgeprägtes nationales Gedankengut besessen haben muss, um berechtigt zu sein, das deutsche Volk führen zu dürfen. Schiller hätte wahrscheinlich weder die strenge Disziplin im nationalsozialistischen System und die damit zusammenhängende militärische Ordnung, noch deren Gedankengut, für richtig gehalten. Der Dichter versuchte, sich eher Zeit seines Lebens aus dem für ihn zum Gefängnis gewordenen gesellschaftlichen Leben zu entreißen und strebte somit nach Freiheit und seinem eigenen Idealismus24 ; der sicherlich nichts gemein hatte mit dem der Nationalsozialisten.
[...]
1 Demas, Jan: 60 Minuten deutsche Geschichte. Große Ereignisse- bewegende Augenblicke, Freiburg im Breisgau, 2007, S.208
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Carbe, Monika: Schiller. Vom Wandel eines Dichterbildes, Darmstadt, 2005, S.111
5 Ebd.
6 Titel von Dramen, Gedichten oder Schriften werden in dieser Ausarbeitung zwar fortführend in Anführungszeichen gesetzt, jedoch nicht mehr einzeln in Fußnoten gefasst.
7 Schiller, Friedrich: Don Karlos. Infant von Spanien. Ein dramatisches Gedicht, hrsg. von Reclam UniversalBibliothek, Stuttgart, 2008, S.124
8 Ebd., S.125
9 Ebd., S.126
10 Ruppelt, Georg: Hitler gegen Tell. Die >Gleich- und Ausschaltung< Friedrich Schillers im nationalsozialistischen Deutschland, Hammeln, 2005, S.5
11 (Hrsg.) Zepp- la Rouche: Das Hitler Buch, Wiesbaden, 1984, S.47
12 Carpe: Schiller, S.119
13 Ebd., S.118
14 (Hrsg.) Zeller, Bernhard: Klassiker in finsteren Zeiten 1933-1945. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar, Bd. 1, Stuttgart, 1983, S.165
15 Ebd.
16 Carbe: Schiller, S.117
17 Ebd., S.119
18 Ebd., S.124
19 (Hrsg.) Bendt, Jutta; von Bülow, Ulrich; Raulff, Ulrich: Ich selbst und Schiller. Beiträge von Ludwig Harig Peter Holtfreter Klaus Kanzog Birger Laing Lino Wirag, Stuttgart, o.J., S.14-15
20 Das Gedicht von Max Reuschle ist im Anhang zu finden und wurde von mir eigenständig mit Zeilennummerierung versehen, diese sind Grundlage für das Zitieren verschiedener Zeilen dieser Ausarbeitung, die Angabe der Zeilen erfolgt im laufenden Text in Klammern; die Überschrift wird mit (Ü) angegeben
21 (Hrsg.) Öllers, Norbert: Schiller- Zeitgenosse aller Epochen. Dokumente zur Wirkungsgeschichte Schillers in Deutschland. Teil II: 1860-1966, München, 1976, S.612
22 Berglund, Gisela: Der Kampf um den Leser im Dritten Reich. Die Literaturpolitik der „Neuen Literatur (Will Vesper) und der „Nationalistischen Monatshefte“, hrsg. von Georg Heintz, Bd. 11, Worms, 1980, S.4
23 Ebd., S.3
24 Ueding, Gert: Friedrich Schiller, München, 1990, S.67