In dieser Arbeit soll ein Umriss des Beziehungsverhältnisses von Agrippina und Nero präsentiert werden und wie dieses mit ihrer Machtstellung zusammenhängt. Zunächst wird Agrippinas Weg zur Herrschaft ihres Sohnes aufgezeigt und ein Einblick in ihr Machtpotential gewährt. Hierbei soll vor allem ein Blick auf die Stellung der Kaisermutter geworfen werden und welchen Einfluss diese auf das gegenseitige Verhältnis hatte. Im Anschluss wird auf ihre Darstellungen in der Münzprägung unter Nero eingegangen, um dann den Bruch ihres Verhältnisses zu erklären. Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit einem Vergleich von Livia und Tiberius, anhand Livias Machtstellung und Einflussnahme sowie ihrer numismatischen Darstellung. Hierbei sollen auch etwaige Parallelen zwischen Agrippina und Livia beleuchtet werden.
Für Kaisergattinnen und kaiserliche Frauen war der Grat zwischen einem anständigen Verhalten und Sittenlosigkeit besonders schmal. Durch ihren erheblichen Einfluss und der damit verbundenen Stellung im Rampenlicht übten viele Macht auf ihre Ehemänner oder Söhne aus. Ob man hierbei von Kaiserinnen sprechen kann, bleibt eine andere Frage. Fest steht allerdings, dass die Kaisermütter in der Antike einen besonderen Stand in der römischen Elite hatten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
2. Verhältnis von Agrippina und Nero
2.1 Der Weg zu Neros Regentschaft
2.2 Die Darstellung von Agrippina in der Münzprägung
2.3 Vom innigen Verhältnis zum Muttermord
3. Vergleich zum Verhältnis von Livia Drusilla und Tiberius
3.1 Herrschaftliche Präsenz der Mütter
3.2 Die Darstellung von Livia in der Münzprägung
4. Fazit
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Quellenverzeichnis
5.2 Literaturverzeichnis
Einleitung
„Eine Frau, die bis heute einmalig bleibt, als Tochter eines Imperators sowie Schwester, Gattin und Mutter eines Kaisers.“1
Für Kaisergattinnen und kaiserliche Frauen war der Grat zwischen einem anständigen Verhalten und Sittenlosigkeit besonders schmal. Durch ihren erheblichen Einfluss und der damit verbundenen Stellung im Rampenlicht, übten viele Macht auf ihre Ehemänner oder Söhne aus. Ob man hierbei von Kaiserinnen sprechen kann bleibt eine andere Frage. Fest steht allerdings, dass die Kaisermütter in der Antike einen besonderen Stand in der römischen Elite hatten. Jedoch waren sie trotz ihrer Macht keine emanzipierten Frauen, da die römische Gesellschaft stur an den klar definierten Geschlechterrollen festhielt.2 Jedoch gab es eine Frau in der Geschichte, die aus ihrer Rolle besonders hervortrat, wie der obige Quellenauszug zeigt – Agrippina die Jüngere. Als Mutter von Lucius Domitius Ahenobarbus, besser bekannt unter seinem späteren Namen Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus, verhalf sie ihrem Sohn auf den Kaiserthron. Die Mutter-Sohn-Beziehung zwischen den beiden war eine besondere und nahm fast schon dramatische Züge an. Eine weitere Frau, die gegenüber ihren Vertreterinnen hervortrat war Livia Drusilla, Frau von Kaiser Augustus und Mutter von Tiberius Claudius Nero, der später den Namen Tiberius Julius Caesar Augustus erhalten sollte.
Über die Kaiserzeit ist in den antiken Quellen sehr viel berichtet worden. Zu den aufschlussreichsten Quellen haben sich vor allem Tacitus‘ Annalen, Cassius Dios Römische Geschichte und Suetons Kaiserviten erwiesen. Jedoch liefern auch Münzen aus der zentralen Münzprägung, sowie den Provinzen, Informationen über die Stellung der Kaisermütter und was dies für ihre Söhne bedeutete. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass über Nero und Agrippina sehr viel geforscht wurde. Allgemein ist die Literatur über die Kaiserfrauen sehr umfangreich. Besonders wird dabei auch die Stellung der Frauen unter ihren Gatten und Söhnen diskutiert. Das Bild von Agrippina und Livia ist, wie das ihrer Söhne, recht negativ kontiert, da die Kaiser durch die senatorische Geschichtsschreibung überwiegend in einem schlechten Licht standen. Hierbei ist es essentiell die Quellen mit Vorsicht zu betrachten, um nicht auf die Subjektivität der Autoren hereinzufallen. Jedoch wandelt sich auch das Forschungsbild, was sich durch Rehabilitationen wie von Lothar Baus oder Rolf Hochhuth zeigt, die versuchen, das negative Bild von Agrippina und Livia zu revidieren.
In dieser Arbeit soll nun ein Umriss des Beziehungsverhältnisses von Agrippina und Nero präsentiert werden und wie dieses mit ihrer Machtstellung zusammenhängt. Zunächst wird Agrippinas Weg zur Herrschaft ihres Sohnes aufgezeigt und ein Einblick in ihr Machtpotential gewährt. Hierbei soll vor allem ein Blick auf die Stellung der Kaisermutter geworfen werden und welchen Einfluss diese auf das gegenseitige Verhältnis hatte. Im Anschluss wird auf ihre Darstellungen in der Münzprägung unter Nero eingegangen, um dann den Bruch ihres Verhältnisses zu erklären. Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit einem Vergleich von Livia und Tiberius, anhand Livias Machtstellung und Einflussnahme, sowie ihrer numismatischen Darstellung. Hierbei sollen auch etwaige Parallelen zwischen Agrippina und Livia beleuchtet werden.
2. Verhältnis von Agrippina und Nero
2.1 Der Weg zu Neros Regentschaft
Das Verhältnis von Agrippina und Nero war an Schwankungen und Tragödien kaum zu übertreffen. Für eine fundierte Auseinandersetzung mit der Mutter-Sohn-Beziehung der beiden, ist es daher naheliegend, bei der frühen Kindheit Neros zu beginnen. Allgemein war Neros Übernahme der Macht dem mütterlichen Ehrgeiz von Agrippina zu verdanken. Seine frühe Kindheit war keine leichte und wurde von schlimmen Ereignissen erschüttert, die dem jungen Kind wahrscheinlich auch psychisch zusetzte.
Nach dem Tod von Kaiser Caligulas Lieblingsschwester Drusilla, hegte dieser schon bald Misstrauen gegen seine anderen beiden Schwestern, da er kein gutes Verhältnis zu ihnen hatte. Dies führte letztlich zu einer Verbannung von Agrippina und Julia Livilla im Jahr 39. Nero wuchs daraufhin getrennt von seiner Mutter in der Obhut von Domitia Lepida, der Schwester seines Vaters auf. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon sehr krank und starb daraufhin Ende des Jahres 40.3 Der Umstand einer fehlenden Vaterbeziehung Neros, lässt die Schlussfolgerung zu, dass dadurch das Band zwischen ihm und seiner Mutter noch stärker wurde. Nero könnte man von da an eine gewisse Abhängigkeit zu seiner Mutter unterstellen, die er erst spät ablegte. Caligula starb Anfang 41, wodurch die Trennung von Mutter und Sohn beendet wurde und Agrippina wieder nach Hause zu ihrem Sohn zurückkehren durfte.
Ein wichtiger Punkt im Beziehungsverhältnis ist die Herkunft Agrippinas und ihren dadurch resultierenden Einfluss. Nero war durch mütterliche und väterliche Linie mit dem ersten Kaiser Augustus verbunden. Agrippina Minor war die Urenkelin von Augustus, während Neros Vater Gnaeus Domitius Ahenobarbus der Enkel von Marcus Antonius und Augustus‘ Schwester Octavia war.4 Durch diese Konstellation war Nero mit Augustus blutsverwandt. Die Blutsverwandtschaft von Agrippina zu Augustus stellt eine Perspektive dar, weshalb seine Mutter für den späteren Kaiser von solcher Wichtigkeit war. Theodor Kissel spricht sogar von einem „genealogischen Plus“, dass Nero zu dem Zeitpunkt seiner Geburt der einzige männliche Nachkomme war, der in direkter Linie zu Reichsgründer Augustus stand.5
Auf Caligula folgte Claudius als neuer Princeps. Durch günstige Gegebenheiten konnte Agrippina schon bald die Gunst von Claudius erwerben und durch eine Ehe mit ihm ihre Macht verfestigen. Sie setzte sich beim Buhlen um dessen Gunst dabei gegen ihre Konkurrentinnen durch, da es für Claudius auch einen Vorteil hatte, wenn eine so einflussreiche Frau nicht in andere Familien einheiratete.6 Allgemein dienten Heiraten bei römischen Senatorenfamilien weniger der persönlichen Bindung, sondern vielmehr dem politischen Effekt.7 Gleich nach der Eheschließung zwischen Agrippina und Claudius, kümmerte sich Agrippina um die Eheschließung von Nero mit Octavia.
Der entscheidende Schachzug für Neros Zukunft war jedoch dessen Adoption durch Claudius im Jahr 50.8 Dies war in der Hinsicht bemerkenswert, da Claudius hierdurch die Herrschermöglichkeit seines leiblichen Sohnes Britannicus einschränkte. Um Neros Zielstrebigkeit für die eigenen Pläne zu nutzen, machte Agrippina den Gelehrten Seneca zu Neros Hauslehrer und Respektsperson.9 Seneca wurde laut Cassius Dio die Erziehung Neros übertragen, wodurch man ihm eine Rolle als Ersatzvater und Mentor zuschreiben kann. Diese vollzogenen Schritte von Agrippina machen deutlich, mit welcher Systematik sie bei der Zukunftssicherung ihres Sohnes – und damit auch ihrer eigenen – vorging. Schon Tacitus hebt in seinen Annalen die Frau besonders hervor:
Auch ihren eigenen Rang erhöhte Agrippina weiter: mit einer Karosse fuhr sie aufs Kapitol, eine Ehre, die nur Priestern und geheiligten Gegenständen von altersher zugestanden ist und daher die Ehrwürdigkeit einer Frau steigerte, die als Tochter eines Imperators, als Schwester, Gattin, Mutter eines regierenden Fürstens bis auf den heutigen Tag ein einzigartiges Beispiel darstellt.10
Es wird ersichtlich, wie beeindruckt Tacitus von der Art und Weise war, wie Agrippina ihre Geschäfte während Claudius‘ Regentschaft tätigte.11 Auf Beschluss des Senats erhielt Agrippina den Namen Augusta, ein weiteres Signal und Kennzeichen ihrer Macht, auch in der Öffentlichkeit.12 Sie setzte zudem durch, dass ihre Geburtsstadt eine römische Kolonie wurde und ihren Namen tragen sollte (Colonia Claudia Ara Agrippinensium, das heutige Köln). Noch nie zuvor wurde eine Kolonie nach einer Frau benannt.13
Die Machtstellung Agrippinas war eng verknüpft mit der Beziehung zu ihrem Sohn, was Sueton in seiner Kaiservita über Nero darstellt. So schildert er, dass bei Nero unter dem Kopfkissen mal eine Schlangenhaut gefunden wurde und auf Geheiß seiner Mutter ließ er diese in ein goldenes Armband einfassen und trug dieses am rechten Arm.14 Desweiteren berichtet der antike Autor, dass Nero bei einer Anklage seiner Tante Lepida als Zeuge auftrat und sie durch seine Aussage ins Verderben stürzte, nur um seiner Mutter einen Gefallen zu tun.15 Hierdurch zeigt sich der Kontrolldrang von Agrippina und wie sehr Nero unter diesem Einfluss stand.
Nach dem Tod von Claudius wurde Nero direkt als neuer Kaiser ausgerufen. Claudius starb vermutlich durch ein Gift, welches ihm in einem Pilzgericht untergemischt wurde. Als Auftraggeberin wird laut verschiedenen Quellen Agrippina vermutet.16 Die ersten Tage von Neros Herrschaft stellten den Höhepunkt von Agrippinas Leistungen dar. Sueton führt an, dass Nero seiner Mutter die Leitung aller öffentlichen und privaten Angelegenheiten überließ.17 Deutlich wurde der tiefe Vertrauensbund dadurch, dass er als das Losungswort der Offiziere „Die allerbeste Mutter“ angab, was Tacitus ebenso bestätigt.18 Dies deutet auf die besondere Stellung von Agrippina in Neros Gegenwart hin und ist ebenso ein Hinweis auf eine gewisse Hilflosigkeit seinerseits. Mit seiner Amtsübernahme mit erst 17 Jahren wurde er unvorbereitet in ein Amt gedrängt und wirkte eher wie die Marionette seiner Mutter, anstatt wie ein mündiger Herrscher.
[...]
1 Tac. Ann. 12,42,2.
2 Michael Sommer, Die römischen Kaiser. Herrschaft und Alltag, Darmstadt 2010, S. 110.
3 Jürgen Merten, Nero: Kaiser, Künstler und Tyrann, Darmstadt 2016, S. 25.
4 Olivier Hekster u.a., Nero’s Ancestry and the Construction of Imperial Ideology in the Early Empire. A Methodological Case Study, in: JAHA, 1.4 (2014), S. 7 – 27, S. 8.
5 Theodor Kissel, Kaiser zwischen Genie und Wahn: Caligula, Nero, Elagabal, Düsseldorf 2006, S. 63.
6 Ebd., S. 66.
7 Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum, Die Kaiserinnen Roms. Von Livia bis Theodora, München 2002, S. 136.
8 Merten, Nero, S. 28.
9 Cass. Dio 61, Exc. Val. 229 (p. 677), Xiph. 144, 7-16, R. St. (Zonoras).
10 Tac. Ann. 12,42,2.
11 Anthony A. Barrett, Agrippina. Mother of Nero, London 1996, S. 147.
12 Temporini-Gräfin Vitzthum, Die Kaiserinnen Roms, S. 145.
13 Ebd., S. 149.
14 Suet. Nero 6,4.
15 Suet. Nero, 7.1.
16 Cass. Dio 61, Xiph. 145, 17-146, 5 R. St., Zonaras 11, 11, p.35, 1-25 D.; Tac. Ann. 12,66-67,1.
17 Suet. Nero 9.
18 Vgl. Suet. Nero 9; Tac. Ann. 13,2,2; Barrett, Agrippina, S. 150.