Zu Beginn werden die Innovationsleitlinien der Audi AG und deren Einbettung in die Gesamtstrategie dargestellt. Anschließend werden die aktuellen Innovationsfelder und relevante Innovationsbedarfe aufgezeigt. Dabei wird das theoretische Wissen zum Innovationsmanagement in Unternehmen auf das praktische Fallbeispiel der Audi AG angewendet.
Der zweite Teil des Textes geht darauf ein, wie das Unternehmen Audi in Zusammenarbeit mit dem Startup holoride innovative Produktideen im Bereich der Reisekrankheit beim Autofahren entwickelt. Die interessanten Beschreibungen der Entwicklungsmaßnahmen zeigen, wie das Unternehmen Innovationsprozesse vorantreibt und Kundenerwartungen bei den geplanten Markteinführungsmaßnahmen berücksichtigt.
Inhaltsverzeichnis
1 Analyse der Innovationsstrategie der Audi AG
1.1 Kurzportrait
1.2 Gesamtstrategie und Innovationsleitlinien
1.3 Innovationsfelder
1.4 Innovationsrelevante Bedarfe
1.5 Methoden des Innovationsmanagements
2 Das Innovationsvorhaben holoride der Audi AG
2.1 Problemstellung
2.2 Innovationskonzept
2.3 Maßnahmen der Markteinführung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Analyse der Innovationsstrategie der Audi AG
1.1 Kurzportrait
Die Anfänge des Unternehmens gehen auf den Ingenieur August Horch zurück, einen der Pioniere des Automobilbaus in Deutschland. Horch gründete 1899 in Köln zunächst die August Horch & Cie., um Automobile herzustellen. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat schied er 1909 aus dem Unternehmen aus.
Im gleichen Jahr gründete Horch im sächsischen Zwickau ein weiteres Unternehmen, das er nach der lateinischen Übersetzung seines Nachnamens benannte: das lateinische „audi“ entspricht dem deutschen Imperativ „höre – horch“. Die Audi Automobilwerke GmbH wurden 1914 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Aus dem Zusammenschluss der vier Automobilfirmen Horch, Audi, DKW und Wanderer entstand 1932 in Chemnitz mit der Auto Union AG der zweitgrößte Automobilkonzern in Deutschland. Die neue Einheit der vier Marken wurde durch vier ineinander verschlungene Ringe dargestellt. Dieses symbolische Zeichen bildete die Basis des heute weltweit bekannten Markenlogos.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Auto Union AG enteignet und 1948 aus dem Handelsregister in Chemnitz gelöscht. Aus einem Ersatzteillager in Ingolstadt, dem heutigen Stammsitz des Unternehmens, entstand im Jahr darauf eine neue Produktionsgesellschaft, ebenfalls unter dem Namen Auto Union AG (Audi AG, 2022h).
Als die Auto Union AG im Jahr 1969 mit dem Automobilhersteller NSU Motorenwerke AG fusionierte, entstand die Audi NSU Auto Union AG mit Sitz in Neckarsulm, und der traditionsreiche Name Audi war wieder Teil der Firmierung. Schließlich erfolgte 1985 die Umbenennung in Audi AG und die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft nach Ingolstadt (Audi AG, 2014).
Audi ist seit 2020 eine hundertprozentige Tochter der Volkswagen AG. Nach eigenen Angaben gehört das Unternehmen mit den Marken Audi, Lamborghini und Bentley (Automobile) sowie Ducati (Motorräder) zu den „erfolgreichsten Herstellern von Automobilen und Motorrädern im Premium- und Supersportwagensegment“ (Audi AG, 2022e, S. 15).
Im Geschäftsjahr 2021 konnte die Audi AG einen Umsatzerlös von 53,1 Mrd. EUR erzielen, was einer Steigerung von 6,2% entspricht. Das operative Ergebnis erreichte den Rekordwert von 5,5 Mrd. EUR, was eine operative Umsatzrendite von 10,4% bedeutet. Das Ergebnis nach Steuern wurde im Vergleich zum Vorjahr um 50% auf 5,6 Mrd. EUR gesteigert (ebd., S. 42).
Im Jahr 2021 lieferte das Unternehmen rund 1.689 Tausend Automobile und 59 Tausend Motorräder an Kunden aus (ebd., S. 15). Bereits knapp elf Prozent der produzierten Automobile der Marke Audi verfügten über einen teil- oder vollelektrischen Antrieb, was rund vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr waren. Bis 2026 sollen mehr als 20 vollelektrische Modelle angeboten werden (ebd., S. 4).
Zum Jahresende 2021 beschäftigte der Audi Konzern weltweit 85.350 Mitarbeiter, und damit 1.510 Mitarbeiter weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Produktionsstandorte stieg hingegen um zwei auf 20 weltweit (ebd., S.15).
1.2 Gesamtstrategie und Innovationsleitlinien
Der Vorstand der Audi AG hat 2021 unter dem Titel „Vorsprung 2030“ eine Unternehmensstrategie formuliert, mit der das Unternehmen bis zum Jahr 2030 nachhaltig, sozial und technologisch führend sein will. Aus der Analyse von globalen Trends im Mobilitätssektor wurden strategische Handlungsfelder abgeleitet und bewertet. Die Strategie ist dabei als kontinuierlicher Prozess zu verstehen, in dem die strategischen Rahmenbedingungen regelmäßig analysiert werden (Audi AG, 2021c).
Die Gesamtstrategie kann als Pyramide wie in Abbildung 1.1 dargestellt werden. Die Basis für die Unternehmensstrategie bilden operative Exzellenz, finanzielle Performance sowie Mitarbeiter und Unternehmenskultur. An der Spitze steht der Unternehmenszweck, der in dem Leitsatz „Meaningful technology to keep the world in motion.“ seinen Ausdruck findet, zu Deutsch „Bedeutungsvolle Technologie, um die Welt in Bewegung zu halten“. Er setzt auf der Ambition auf, ab 2030 mehr als drei Millionen Fahrzeuge jährlich zu verkaufen. Diese wird untermauert von den strategischen Zielen, beispielsweise eine operative Umsatzrendite über elf Prozent bis 2030 und ein Plan zum Ausstieg aus der Herstellung von Automobilen mit Verbrennermotor bis 2033. Die fünf strategischen Handlungsfelder definieren den Weg zur Erreichung der strategischen Ziele. Zu ihnen gehören die Differenzierung der elektrischen Fahrzeuge vom Wettbewerb mittels Vorsprung durch Technik und weiterer Merkmale, die Beschleunigung der Transformation des Unternehmens weg von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren hin zur Elektromobilität, die Fokussierung auf Nachhaltigkeit über den gesamten Produktlebenszyklus und in Unternehmensentscheidungen, die Schaffung eines nahtlosen, kundenzentrierten Ökosystems für elektrische Fahrzeuge und schließlich die Vernetzung der Fahrzeuge aus nachhaltigen Materialien mit intelligenten Wartungssystemen (Audi AG, 2022e, S. 19-22).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 . 1 . Strategiepyramide der Unternehmensstrategie „Vorsprung 2030“ (Audi AG, 2022e, S. 22)
Innovationsleitlinien sind eindimensionale strategische Aussagen, die eine Orientierung für die Ausrichtungen der Aktivitäten bei der Innovationssuche geben. Sie leiten sich von externen Problem- und Bedarfsfeldern, neuen Technologien sowie internen Know-how-Stärken ab. In der Praxis beziehen sich diese strategischen Aussagen auf neue Technologien, Zielgruppen, Marktsegmente, Problemfelder, Chancenfelder und technologische Kompetenzen.
Innovationsleitlinien der Audi AG sind:
- Orientierung an neuen Technologien: „Wir stellen unser Produktangebot so konsequent wie kein anderer etablierter Anbieter in allen Kernsegmenten auf Elektroautos um.“ (Audi AG, 2021d)
- Orientierung an Zielgruppen und deren Bedürfnissen: „Wir sehen uns als Garant für Freiheit und individuelle Mobilität unserer Kund_innen.“ (ebd.)
- Orientierung an Marktsegmenten: „Wir sind die progressive Premiummarke im Volkswagen Konzern und begeistern unsere Kunden mit Premiummobilität.“ (Audi AG, 2022j)
- Orientierung an Problemfeldern (hier insbesondere die Emissionsproblematik von Verbrennermotoren, bekannt geworden durch den sogenannten Dieselskandal, in den auch die Audi AG verwickelt war): „Wir wollen verantwortungsvolles Wirtschaften künftig weiter stärken und konsequent handeln.“ (Audi AG, 2021c)
- Orientierung an Chancenfeldern: „Wir denken nicht nur in Fahrzeugen. In Zukunft geht es verstärkt um ganzheitliche Mobilitätslösungen, dazu gehört auch das Thema Infrastruktur.“ (ebd.)
- Orientierung an technologischen Kompetenzen: „Wir müssen unseren Produkten eine klare, unverkennbare DNA geben. Wir werden künftig sehr eindeutig definieren, wie sich ein Audi beim Fahren anfühlen muss […] auch für das hochautomatisierte Fahren.“ (ebd.)
Die Innovationsleitlinien des Unternehmens sind vollständig in die Gesamtstrategie eingebettet, die vom Strategieteam der Audi AG gemeinsam mit dem Vorstand und vielen Mitarbeitern aus allen Hierarchieebenen und aus aller Welt entwickelt wurde.
1.3 Innovationsfelder
Ein Innovationsfeld der Audi AG sind alternative Antriebe zu den klassischen Verbrennermotoren. Der New Energy Vehicle (NEV-) Share, das heißt der Anteil teil- oder vollelektrischer Modelle an der Gesamtzahl der produzierten Modelle betrug im Jahr 2021 knapp elf Prozent und damit vier Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor, und ab dem Jahr 2026 möchte das Unternehmen nur noch neue Modelle mit rein elektrischem Antrieb auf den Markt bringen (Audi AG, 2022e, S. 4 f.). Bei den Energiequellen der rein elektrisch angetriebenen Fahrzeuge setzt das Unternehmen neben Strom aus der Steckdose auf schnell zu tankenden Wasserstoff, der mittels einer Brennstoffzelle in elektrischen Strom umgewandelt wird (Audi AG, 2022i). Im Fokus der technischen Entwicklung stehen insbesondere Batterien (Audi AG, 2022e, S. 104).
Ein weiteres Innovationsfeld des Unternehmens sind digitale Dienste, die unter dem Begriff „Audi connect“ zusammengefasst werden. Er steht für die digitale Verbindung zwischen Fahrer, Fahrzeug und Infrastruktur. Dabei geht es um Funktionen, die den Kunden Unterhaltung, Information und Komfort bieten. Neben Navigationsfunktionen wie Routenführung und Parkplatzsuche sind darunter unter anderem Vorlesefunktion von E-Mails oder Nachrichten und sprachliche Interaktion zur Bedienung zu verstehen. Ebenso werden Kunden im Falle eines Unfalles oder einer Panne unterstützt, bis hin zum automatischen Notfallruf durch das Fahrzeug. Für Modelle mit Elektroantrieb bietet Audi connect weitere Dienste, die dabei helfen den Fahrzeugstatus und die Fahrdaten des Fahrzeugs zu verwalten (Audi AG, 2022b).
Schließlich ist autonomes Fahren ein wichtiges Innovationsfeld der Audi AG. Während die rechtlichen Rahmenbedingungen für vollautomatisiertes Fahren in Deutschland gerade nach und nach geschaffen werden, nehmen andere Märkte wie die USA und China bei technischen Neuerungen gewisse Risiken in Kauf. Folglich testet das Unternehmen das vollautomatisierte Fahren mithilfe der Internet of Vehicles (IoV-) Technologie als Input für das autonome Fahrsystem des Fahrzeugs auf einer öffentlichen Straße in China (Audi AG, 2022g). Oliver Hoffmann, Mitglied des Vorstands für Technische Entwicklung, beschreibt automatisiertes Fahren als „Gamechanger in der Automobilindustrie“ und prognostiziert, dass die Funktionalität nach und nach voranschreiten und der Automatisierungsgrad allmählich gesteigert wird. Gleichzeitig kündigt er das erste Modell der Audi AG „in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts“ an (Audi AG, 2022f).
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