Es soll in dieser Arbeit hauptsächlich darauf eingegangen werden, nach einer kurzen Erklärung des „Fräuleinwunder“-Begriffs, inwiefern das Geschlechterbild des „Fräuleinwunder“ auf die Romanautorin Karen Duve zutrifft. Duves eigenes Werk, Regenroman, beschäftigt sich ebenfalls mit der Problematik von Geschlechterbildern und soll auf diese analysiert werden, in Hinblick auf die Frage, ob die darin enthaltenen Figuren den für sie vorgefertigten Bildern wahrlich entsprechen.
„Ganz schön abgedreht.“. So betitelt der Literaturkritiker Volker Hage seinen 1999 im Spiegel erschienen Artikel, in welchem er das erneute Aufleben deutscher Literatur feiert, zustande gebracht durch die literarischen Erfolge einer Gruppe junger Autorinnen, welche sich nicht davor scheuen, den Leser mit schwerwiegenden Themen zu konfrontieren, wie der Titel des Artikels so plakativ zum Ausdruck bringt. Plakativ ist auch der Begriff, unter welchem Hage die Werkverfasserinnen ohne weiteren Gedanken zusammenfasst: „Literarisches Fräuleinwunder“.
Das von Hage eingeführte „literarische Fräuleinwunder“ ist in der modernen Literatur zu einem gängigen Begriff geworden, um deutsche Autorinnen zusammenzufassen, welche mit ihren Debutromanen um die Jahrhundertwende große Erfolge feiern konnten und können. Durch die Schaffung dieser Bezeichnung, findet die Erschaffung eines spezifischen Geschlechterbilds für eine Gruppe Frauen anhand ihrer literarischen Arbeiten statt. Die Problematik dieses Bildes zeigt sich, wenn man sich näher mit den einzelnen Werken beschäftigt, welche sich inhaltlich sowie stilistisch unterscheiden wie Tag und Nacht, ebenso wie deren Autorinnen.
Inhaltsverzeichnis
1 Das Fräuleinwunder als literarischer Neubeginn
2 Geschlechterbilder in der Literatur: Karen Duve und ihr Erfolgswerk Regenroman
3 Schluss
Literaturverzeichnis
1 Das Fräuleinwunder als literarischer Neubeginn
„Ganz schön abgedreht.“. So betitelt der Literaturkritiker Volker Hage seinen 1999 im Spiegel erschienen Artikel, in welchem er das erneute Aufleben deutscher Literatur feiert, zustande gebracht durch die literarischen Erfolge einer Gruppe junger Autorinnen, welche sich nicht davor scheuen den Leser mit schwerwiegenden Themen zu konfrontieren wie der Titel des Artikels so plakativ zum Ausdruck bringt. Plakativ ist auch der Begriff, unter welchem Hage die Werkverfasserinnen ohne weiteren Gedanken zusammenfasst: „Literarisches Fräuleinwunder“.1 Das von Hage eingeführte „literarische Fräuleinwunder“ ist in der modernen Literatur zu einem gängigen Begriff geworden, um deutsche Autorinnen zusammenzufassen, welche mit ihren Debutromanen um die Jahrhundertwende große Erfolge feiern konnten und können. Durch die Schaffung dieser Bezeichnung, findet die Erschaffung eines spezifischen Geschlechterbilds für eine Gruppe Frauen anhand ihrer literarischen Arbeiten statt. Die Problematik dieses Bildes zeigt sich, wenn man sich näher mit den einzelnen Werken beschäftigt, welche sich inhaltlich sowie stilistisch unterscheiden wie Tag und Nacht, ebenso wie deren Autorinnen.
Es soll in dieser Arbeit hauptsächlich darauf eingegangen werden, nach einer kurzen Erklärung des „Fräuleinwunder“-Begriffs, inwiefern das Geschlechterbild des „Fräuleinwunder“ auf die Romanautorin Karen Duve zutrifft, die in Hages Artikel beinahe als eine Art Vorzeige-Autorin für die neue deutsche Literatur in der Tradition des „literarischen Fräuleinwunders“ verwendet wird und für Hage die „Neue Wilde der Erzählkunst“2 darstellt. Duves eigenes Werk, Regenroman, beschäftigt sich ebenfalls mit der Problematik von Geschlechterbildern und soll auf diese analysiert werden, in Hinblick auf die Frage, ob die darin enthaltenen Figuren den für sie vorgefertigten Bildern wahrlich entsprechen.
2 Geschlechterbilder in der Literatur: Karen Duve und ihr Erfolgswerk Regenroman
a. Begriffserklärung: „Fräuleinwunder“
Es ist zunächst einmal nötig den Begriff des „Fräuleinwunder“ näher zu analysieren, um die Problematik desselben zu erfassen. Hierfür ist die Trennung der beiden enthaltenen Worte essentiell, sowie inhaltliche und kulturelle Assoziationen.
Das „Fräuleinwunder“ vereint die Worte „Fräulein“ und „Wunder“. Der Begriff des Fräuleins wurde bis in die späten 60er vornehmlich zur Unterscheidung unverheirateter und verheirateter Frauen verwendet, hernach aus dem Sprachgebrauch verabschiedet und durch die weniger herabstufende Anrede „Frau“ ersetzt. Hierbei anzumerken ist, dass keinerlei männliches Äquivalent des Begriffes existiert, Männer also nicht nach ihrer Beziehung zu Frauen eingeteilt werden, während Frauen bis zu einem gewissen geschichtlichen Zeitpunkt hiernach öffentlich beurteilt wurden.3 Schlägt man „Wunder“ in einem Wörterbuch, etwa dem Duden, nach, so erhält man unter anderen die folgende Bedeutung: „etwas, was in seiner Art, durch sein Maß an Vollkommenheit das Gewohnte, Übliche so weit übertrifft, dass es große Bewunderung, großes Staunen erregt.“4
Der kulturelle Begriff des „Fräuleinwunder“ entstammt der Nachkriegszeit und wurde während der amerikanischen Besatzung Deutschlands zur Beschreibung lebenslustiger und modisch gekleideter junger Frauen verwendet, welche den gegenteiligen Erwartungen der amerikanischen Soldaten vom „Bild der deutschen Frau“ entsprachen.5 In einem Blog-Beitrag beruft Vea Kaiser, ebenfalls eine junge Autorin, sich auf den Begriff. Diesen betrachtet sie als fragwürdig Verwendung zur Bezeichnung einer Gruppe von Schriftstellerinnen, da er ursprünglich aus einem völlig anderen Kontext stammt.6 Seinen Ursprung nahm das „Fräuleinwunder“ in den USA mit dem deutschen Model Susanne Erichson, welche 1950 zur Miss Germany gewählt worden war7, womit der Begriff eine klare Verbindung zu Schönheitswettbewerben aufweist.
Als „Fräuleinwunder“ bezeichneten die amerikanischen Medien in den 50er-Jahren eine neue Generation junger, attraktiver, kesser und sexy Frauen aus Nachkriegsdeutschland. Er kommt aus dem Kontext der Miss-Wahlen und bedeutete vor allem eines: dass diese Frauen begehrenswert sind. Hübsche, blonde, freche, flirty Ladies …8
Mag der Begriffsursprung durchaus positiv gewesen sein, wobei auch das diskutierbar ist, kann es doch nicht abgestritten werden, dass die Konnotation des Begriffs im literarischen Kontext mehr einer Beleidigung denn einem Kompliment gleichkommt. Frauen, gleich ob Schriftstellerinnen oder nicht, haben kaum Interesse daran, sich noch über ihre Beziehungen zum männlichen Geschlecht definieren zu lassen. Auch die Verwendung des Wunderbegriffs ist mehr beleidigend als schmeichelhaft. Und worin besteht die Verbindung zwischen literarischem Talent und dem äußerlichen Erscheinen? Kaiser, selbst in den Dreißigern und des Öfteren derart kategorisiert, bringt das Problem auf den Punkt:
Warum ist es ein Wunder, dass junge Frauen auch erfolgreiche Romane schreiben? Was mich so stört, ist, dass der Begriff „Fräuleinwunder“ andeutet, dass es etwas außergewöhnliches und abnormales sei, wenn junge Frauen Bücher veröffentlichen. Ein Wunder halt. Aber wenn man Studien glauben darf, dann ist es eher ein Wunder, dass junge Männer Bücher schreiben. Buben schneiden in sprachlichen Schulfächern viel schlechter ab als Mädchen und lesen eklatant weniger. Aber wo bleibt das „Burschiwunder?“ Wo bleibt die „Sexy-Boy-Literatur“? Wenn Sie jetzt denken, dass solche Etiketten ja die literarische Leistung schmälern würden, dann verstehen Sie das Problem, das ich mit diesem Begriff habe.9
Genau an diesem Punkt liegt das Problem: Die Kategorisierung der Texte dieser Fräuleinwunder-Autorinnen bezieht sich im Hauptpunkt nicht darauf, was diese beinhalten oder in welchem Stil diese geschrieben sind. Stattdessen werden die Texte nach ihren Verfassern bewertet und der literarische Wert vieler Text an zweite Stelle geschoben.
Nach dieser kurzen Behandlung der Begriffsgeschichte zum besseren Leserverständnis, soll nun fortgefahren werden, indem auf eine der Autorinnen dieses Phänomens eigegangen wird, welche sich durch ihr Auftreten und ihr Werk von anderen Schriftstellerinnen derselben Gattung unterscheidet. In den nächsten Seiten wird die Autorin Karen Duve als Beispiel für die Dekonstruktion von Geschlechterbildern verwendet werden, sowohl in Bezug auf ihr Werk Regenroman, als auch auf ihre eigene Zugehörigkeit zum Fräuleinwunder.
[...]
1 Vgl. Hage, Volker: „Ganz schön abgedreht“. In: Der Spiegel 12/1999 (1999), https://www.spiegel.de/kultur/ganz-schoen-abgedreht-a-bf9d1ff9-0002-0001-0000-000010246374 (Letzter Zugriff: 06.09.2021)
2 Hage, 1999
3 Vgl. Novy, Beatrix: „Vor 50 Jahren. Die Anrede „Fräulein“ wurde abgeschafft“. In: Deutschlandfunk: Kalenderblatt (2021), Vor 50 Jahren - Die Anrede "Fräulein" wurde abgeschafft (deutschlandfunk.de) (Letzter Zugriff: 31.08.2021).
4 „Wunder“ auf Duden online. https://www.duden.de/node/207767/revision/207803 (Letzter Zugriff: 31.08.2021)
5 Vgl. Müller, Heidelinde: Das „literarische Fräuleinwunder“: Inspektion eines Phänomens der deutschen Gegenwartsliteratur in Einzelfallstudien. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2004 (Inter-Lit, Bd.5), S.24
6 Kaiser, Vea: „PROBLEM: "LITERARISCHES FRÄULEINWUNDER" “. In: Vea Kaiser: Lektürennotizen (2019), http://www.veakaiser.de/blog/problem-literarisches-fraeuleinwunder/ (Letzter Zugriff: 31.08.2021).
7 Vgl. Blumenkamp, Katrin: Das „Literarische Fräuleinwunder“: Die Funktionsweise eines Etiketts im literarischen Feld der Jahrtausendwende. Berlin: LIT Verlag, 2011 (Literatur-Kultur-Medien, Bd.12), S.18.
8 Kaiser, 2019.
9 Kaiser, 2019.