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Gesellschaft zwischen Heimat und Exil. Somalische Flüchtlinge und die Gesellschaftsstruktur im Lager

©2019 Hausarbeit 20 Seiten

Zusammenfassung

Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, wie sich die soziale Struktur innerhalb Dadaabs unter den Drohungen der kenianischen Regierung verändert hat. Wie die Bewohner Dadaabs ihren Alltag im Flüchtlingslager organisiert haben und wie in den vergangenen 27 Jahren gesellschaftliche Strukturen entstanden sind, war bereits Gegenstand verschiedener Publikationen, beispielsweise von Rawlence (2016), Rühl (2016) und Peroise de Montclocs & Mwangi Kawanja (2000). Auch inwiefern sich (gescheiterte) Auswanderungsträume auf die Persönlichkeit auswirken, wurde thematisiert, etwa von Cindy Horst (2006). Diese Arbeit soll verschiedene Aspekte verknüpfen und bringt dabei auch persönliche Recherchen aus Dadaab aus dem März 2017 ein. An drei Tagen führte die Autorin Interviews mit rund 20 Bewohnern Dadaabs, dem UNHCR-Verantwortlichen für das Lager, Jean Bosco Rushatsi, sowie dem von der kenianischen Regierung eingesetzten Camp-Manager Jeremiah Nganga.

Zunächst werden die Hintergründe des Camps, seine Geschichte und Struktur erläutert, ehe es in Kapitel 3 um das Verhältnis der kenianischen Regierung zu Dadaab geht. Um die Dimensionen zu verstehen, folgt in Kapitel 4 ein Blick auf Umsiedlungsaktionen, ehe in Kapitel 5 die sozio-ökonomische Strukturen dargestellt werden.

Wie lebt es sich mit der permanenten Angst, von dem Ort vertrieben zu werden, der in den vergangenen 10, 20, 28 Jahren nicht nur das Zuhause, sondern auch ein Ort der Sicherheit vor dem Krieg war? Als das einst weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab in Kenia 1992 eröffnete, war nicht abzusehen, dass im Jahr 2019 noch immer Hunderttausende Menschen dort leben würden. Doch mit den Jahren haben sich Strukturen etabliert, es sind Marktplätze, Handelsnetze, zwischenmenschliche Beziehungen und ein Dienstleistungssektor entstanden. Doch was passiert mit diesen sozio-ökonomischen Verbindungen, wenn die eigene Zukunft unsicher ist? Denn seit etwa sechs Jahren droht die kenianische Regierung beständig damit, das Lager schließen zu lassen.

Leseprobe

Gliederung

1. Einleitung

2. Anglican Church of Kenya
2.1. Geschichte
2.2. Struktur
2.3. Kontroversen

3. Entwicklungsbegriff der Vereinten Nationen
3.1. Human Development Index
3.2. Sustainable Development Goals

4. Bildung
4.1. Schulsystem
4.2. Lehr-Inhalte
4.3. Sexualität

5. Lebenserwartung und Armut
5.1. Hunger und Armut
5.2. Hunger und Armut

6. Kirche als Wirtschaftsfaktor

7. Umgang mit Minderheiten
7.1. Homosexualität
7.2. Islam
7.3. Körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen

8. Literatur

1. Einleitung

Wie lebt es sich mit der permanenten Angst, von dem Ort vertrieben zu werden, der in den vergangenen 10, 20, 28 Jahren nicht nur das Zuhause, sondern auch ein Ort der Sicherheit vor dem Krieg war? Als das einst weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab in Kenia 1992 eröff­nete, war nicht abzusehen, dass im Jahr 2019 noch immer Hunderttausende Menschen dort leben würden. Doch mit den Jahren haben sich Strukturen etabliert, es sind Marktplätze, Handelsnetze, zwischenmenschliche Beziehungen und ein Dienstleistungssektor entstan­den. Doch was passiert mit diesen sozio-ökonomischen Verbindungen, wenn die eigene Zukunft unsicher ist? Denn seit etwa sechs Jahren droht die kenianische Regierung bestän­dig damit, das Lager schließen zu lassen.

Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, wie sich die soziale Struktur innerhalb Dadaabs unter den Drohungen der kenianischen Regierung verändert hat. Wie die Bewohner Dadaabs ihren Alltag im Flüchtlingslager organisiert haben und wie in den vergangenen 27 Jahren gesellschaftliche Strukturen entstanden sind, war bereits Gegenstand verschiedener Publikationen, beispielsweise von Rawlence (2016), Rühl (2016) und Peroise de Montclocs & Mwangi Kawanja (2000). Auch inwiefern sich (gescheiterte) Auswanderungsträume auf die Persönlichkeit auswirken, wurde thematisiert, etwa von Cindy Horst (2006). Diese Ar­beit soll verschiedene Aspekte verknüpfen und bringt dabei auch persönliche Recherchen aus Dadaab aus dem März 2017 ein. An drei Tagen führte die Autorin Interviews mit rund 20 Bewohnern Dadaabs, dem UNHCR-Verantwortlichen für das Lager, Jean Bosco Rushatsi, sowie dem von der kenianischen Regierung eingesetzten Camp-Manager Jere­miah Nganga. Die dazu verfassten journalistischen Artikel finden sich im Anhang.

Zunächst werden die Hintergründe des Camps, seine Geschichte und Struktur erläutert, ehe es in Kapitel 3 um das Verhältnis der kenianischen Regierung zu Dadaab geht. Um die Dimensionen zu verstehen, folgt in Kapitel 4 ein Blick auf Umsiedlungsaktionen, ehe in Kapitel 5 die sozio-ökonomische Strukturen dargestellt werden.

2. Dadaab Refugee Camp

Das Flüchtlingslager Dadaab liegt in der Gemeinde Dadaab im Norden Kenias, einer eins­tigen Nomadensiedlung der arabisch-muslimischen Minderheit, die der ethnischen Gruppe der Somalis1 angehören. Als die britische Kolonialverwaltung 1954 einen Brunnen bohrte, siedelten sich 5000 Menschen an (Vgl. Rawlence, 2016). Seit Ende der 90er-Jahre leben rund 10.000 Kenianer, hauptsächlich Somalis, in Dadaab. Offizielle Zahlen, die im Folgen­den verwendet werden, stammen aus Berichten und Statistiken des Flüchtlingswerkes der Vereinten Nationen, UNHCR, und sind daher nicht weiter gekennzeichnet.

2.1. Bürgerkrieg in Somalia

Es ist in dieser Arbeit nicht notwendig, den somalischen Bürgerkrieg in seiner Gänze dar­zustellen und zu erläutern. Da viele Ereignisse in Somalia aber Auswirkungen auf Dadaab haben, erfolgt an dieser Stelle ein Exkurs, um relevante Zusammenhänge zu verdeutlichen.

Die Gesellschaft der Somalis ist seit Jahrhunderten durch Klan-Strukturen geprägt, die sich auch stark auf die Lebenswelt in Somalia mit damals 8 Millionen Einwohnern (Vgl. Welt­bank) auswirken. Klans setzen sich aus erweiterten Familiennetzwerken zusammen. Die Abstammungslinie des Vaters ist der Sub-Klan, darüber hinaus sind größere Verbände an­geordnet. Die fünf größten Gruppen sind Darod, Dir, Isaaq, Hawiye und Rahanweyn (Vgl. Zittelmann, 2011). Andere ethnische Gruppen Somalias haben das Klanwesen adaptiert.

Durch die Diktatur des Präsidenten Siad Barre, der dem Darod-Klan angehörte, sicherte sich der Klan Macht und fruchtbares Land, die Polarisierung zwischen den ethnischen Gruppen wurde durch die Regierung vorangetrieben, islamistische Gruppierungen gewan­nen an Einfluss. 1988 kam es aufgrund von Gewalt und Machtansprüchen zu verstärkten Klan-Kämpfen zwischen den regierenden Darod und den von ihnen unterdrückten Isaaq, die Unterstützung der Hawiye erhielten, im Norden Somalias (Vgl. Höhne, 2011). Hier setzt die erste binnenländische Flüchtlingswelle ein. 1991 gipfelten die Rivalitäten im Sturz Bar­res, was den Beginn des somalischen Bürgerkrieges markiert. Im Zuge des Sturzes erklärte sich das teilautonome Gebiet Somaliland2 für unabhängig (Vgl. Hainzl, Feichtinger, 2011).

2006 schaffte es die in Teilen terroristische Miliz Union Islamischer Gerichte, die sich aus dem Hawiye-Klan formierte und zu deren radikale Vertreter Al Shabaab gehörte, Mogadi­schu und weite Teile des Landes zu kontrollieren - was zu einem Eingreifen der äthiopi- schen Truppen mit finanzieller Unterstützung der USA führte (Vgl. Höhne, 2011). Über­gangs-Regierungen im Ausland scheiterten vorher wie nachher.

Der Bürgerrechtler Hassan Sheikh Mohamud, dem Hawiye-Klan zugehörig und von diesen bestimmt, war von 2012 bis 2017 Staatspräsident und regierte erstmals wieder aus Somalia. 2017 folgten die ersten demokratischen Wahlen, die beiden Kammern des Parlaments wähl­ten Mohamed Abdullahi Mohamed aus einem Sub-Klan der Darod. Der Somalier mit ame­rikanischem Pass setzte den parteilosen Hassan Ali Khaire aus dem Hawiye-Klan als Pre­mierminister ein. Er hat die norwegische und die somalische Staatsbürgerschaft und arbei­tete zuvor für Norwegian Refugee Council, einer der größten Hilfsorganisationen in Dadaab. Bis heute starb im Bürgerkrieg geschätzt eine halbe Million Menschen.

2.2. Geschichte des Lagers

Der Lagerkomplex Dadaab entstand 1992, als UNHCR die provisorischen Camps an der Grenze zu Somalia rund 80 Kilometer ins Landesinnere, rund um die Stadt Dadaab, verla­gerte, weil die Sicherheit für Flüchtlinge und Helfer an der Grenze nicht mehr gewährleistet war (Vgl. Rühl, 2016). Kenia duldete die Errichtung, immerhin war die Lage sehr abge­schieden, zur nächsten Stadt Garissa sind es mehr als 100 Kilometer. Das Lager wurde als kurzfristiger Aufenthaltsort mit einer Kapazität von bis zu 90.000 Menschen angelegt. Den­noch kamen in den ersten Jahren des Bürgerkriegs bis zu 300.000 Flüchtlinge. Die hygie­nischen Zustände waren verheerend, die Infrastruktur war dem Ansturm nicht gewachsen. Tausende starben in den ersten Jahren des Lagers an Durst, Hunger, Cholera und Polio.

Im Jahr 2011 erlebte Dadaab den zweiten großen Ansturm aufgrund einer Dürre-Periode in weiten Teilen Ostafrikas. Die Miliz Al Shabaab, die in Somalia an der Macht war, ver­drängte Farmer, die an Wasserquellen lebten und verlangte bis zu 50 Prozent Steuern auf Erträge, wie Maryam Aban Hassan berichtet, sodass die Menschen massenweise zur Flucht gezwungen waren. Offiziell waren Ende 2011 454.492 Menschen in Dadaab registriert, Schätzungen zufolge lebten bis zu einer Million Menschen in den Camps. Da die drei bis dahin errichteten Lager Ifo1, Hagadera und Dagahaley nicht mehr ausreichten, wurden die Lager Ifo2 und Kambioos eröffnet.

Ende 2013 unterzeichneten Kenia und Somalia unter Vermittlung der Vereinten Nationen ein trilaterales Abkommen, im Zuge dessen acht Teilgebiete Somalias für sicher erklärt wurden. Das erlaubte eine freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat. Die somali- sche Regierung erklärte sich bereit, staatenlosen Kindern die somalische Staatsangehörig­keit zu übertragen. Es dauerte allerdings zwei Jahre, ehe eine wirkliche Migrationsbewe­gung begann; als die kenianische Regierung im April 2015 zum zweiten Mal ankündigte, Dadaab binnen drei Monaten zu räumen. Viele Flüchtlinge zogen aus Angst vor einer ge­waltsamen Räumung mit Vergewaltigungen und Plünderungen zurück.

Durch den freiwerdenden Platz begann UNHCR die Notfallcamps Ifo2 und Kambioos, bei denen es sich um Zelt- und Wellblech-Baracken handelt, zu schließen. Beide Lagerbereiche waren aufgrund von schlechten hygienischen Bedingungen immer wieder mit Krankheits­ausbrüchen wie Cholera und Masern, zuletzt 2011, und Polio, zuletzt 2016, in den Schlag­zeilen. Menschen wurden in die drei anderen Lager umgesiedelt, wenn sie Dadaab nicht freiwillig verlassen wollten. 2017 wurde Kambioos geschlossen, 2019 soll Ifo2 folgen.

2.3. Struktur des Lagers

Im Jahr 2018 waren offiziell 225.557 Menschen in Dadaab über UNHCR registriert. Inof­fizielle Schätzungen belaufen sich auf 400.000. Von den registrierten Flüchtlingen waren 96,2 Prozent aus Somalia oder Nachfahren von somalischen Eltern. Dazu kommen Men­schen aus anderen afrikanischen Staaten wie Äthiopien (3,2 Prozent), Südsudan, DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Sudan und Eritrea. 58 Prozent der Bewohner sind Kinder und de facto staatenlos. Rund 2000 Menschen pro Woche verlassen Dadaab seit 2016 im Schnitt Richtung Somalia, dabei kommen aber auch immer wieder neue Menschen an und es werden mehr als 1000 Kinder monatlich geboren, sodass die Einwohnerzahl von März 2017 bis Ende 2018 nur um 44.000 Personen sank.

Das Lager ist ein Komplex auf 77 Quadratkilometern und in fünf Bereiche gegliedert, vom nördlichsten (Dagahaley) bis zum südlichsten Camp (Kambioos) sind es mehr als 20 Kilo­meter (siehe Abb. 1). Jedes Lager ist in einzelne Blöcke unterteilt, von denen jeder einen Block Leader hat. Zudem hat jedes Camp einen eigenen Sprecher und eine Sprecherin, so verlangt es UNHCR, die auf Initiative einzelner in demokratischen Wahlen ermittelt werden (Vgl. Rühl, 2016). Jedes Lager hat seine eigene Infrastruktur mit eigenem Marktplatz, Schu­len, Krankenhäusern und Fußballteams (siehe Abb. 2 und 3). Während die Lager Ifo1 und Ifo2 schon wegen ihrer Nähe enger miteinander verbunden sind, bleiben die Einwohner der jeweiligen Lager ansonsten weitgehend unter sich, auch wenn innerhalb des Komplexes Bewegungsfreiheit gilt.

3. Kenia und Dadaab

Von Beginn an gab es zwischen der kenianischen Bevölkerung und den Flüchtlingen Dif­ferenzen, etwa weil letztere durch UNHCR kostenlosen Zugang zu Bildung, Lebensmitteln, Medizin und Land hatten und 20 Liter Wasser am Tag erhielten, während die lokale Bevöl­kerung hungerte und das Vieh verdurstete (Vgl. Kumsaa et al, 2014). Die Regierung fürch­tete dadurch Unruhen. Schätzungen zufolge leben bis zu 40.000 Kenianer illegal in Dadaab, um versorgt zu werden (Vgl. Rawlence, 2016). Während sich die kenianischen Somalis von den traditionellen Klan-Strukturen gelöst hatten, kamen mit den Flüchtlingen auch die Klan-Rivalitäten zurück. Sie führten zu Gewalt in der Region, Überfälle, Morde und Ver­gewaltigungen wurden täglich gemeldet. Auch zu Anschlägen kam es immer wieder, im Camp wie im Nordosten Kenias. Zwischen 2008 und 2016 verübte Al Shabaab in Kenia insgesamt 291 Anschläge (Vgl. Cannon, 2018) - eine vergleichbare Anzahl an Anschlägen hätte wohl in jedem Land der Welt zu einer Sicherheitsdebatte geführt.

Kenias Regierung tolerierte Dadaab lediglich, weil es nach geltendem Recht notwendig war. Dabei hielt sich die Regierung aber nicht an internationales Recht, wonach Flüchtlinge integriert werden sollen. Während es im zweitgrößten Lager Kakuma, in dem hauptsächlich Sudanesen leben, möglich ist, die kenianische Staatsbürgerschaft zu beantragen, geht das in Dadaab nicht. Kenia knüpfte die Duldung Dadaabs zudem immer an internationale Hilfe: Ohne Hilfe auch für die einheimische Bevölkerung, würde Dadaab geräumt.

3.1. Bestrebungen zur Schließung

Die ersten öffentlichkeitswirksamen Bestrebungen, Dadaab zu schließen, erfolgten nach dem Anschlag auf die Westgate Mall in Nairobi am 21. September 2013, bei dem Al Shabaab mindestens 67 Menschen tötete, 63 weitere gelten nach wie vor als vermisst. Ob­wohl schnell bewiesen war, dass der Anschlag von hauptsächlich kenianischen Staatsbür­gern verübt und im noblen Stadtteil Westlands geplant wurde, hatte die Regierung Dadaab als „Ausbildungslager'‘ und „Brutstätte für Terroristen“ ausgemacht (Vgl. Rawlence, 2016). Das trilaterale Abkommen, das UN, Somalia und Kenia am 10. November unterzeichneten, hatte nichts mit einer neuen Realität in Somalia zu tun, es war vielmehr kenianische Politik. Rawlence spricht davon, dass der Friedens-Begriff umdefiniert worden sei.

„Das trilaterale Abkommen war ein wirrer, übereilter Kompromiss, dessen Bestandteile alles andere als klar formuliert waren. Die Anwälte der internationalen Schutzabteilung des UNHCR hielten es für un­verantwortlich, über eine Rückkehr in ein Kriegsgebiet zu verhandeln.“ (Rawlence, 2016) Im April 2015 legte die kenianische Regierung einen konkretisierten Plan zur Räumung vor: Dadaab — mit damals offiziell 350.000 Bewohnern — sollte binnen drei Monaten auf­gelöst werden. Grund war der Terroranschlag von Al Shabaab auf die Universität in Garissa am 2. April 2015, bei dem 152 Menschen ums Leben kamen. Obwohl drei Täter die kenia­nische Staatsbürgerschaft besaßen, wurde Dadaab erneut als Ausbildungsort für Terroristen ausgemacht - wieder nicht nachgewiesen (Vgl. Rawlence, 2016). „ISIS and Al Shabaab have taken advantage of refugee inflows and processes to install its destructive cells”, sagte Innenminister Joseph Ole Nkaissery im Mai 2016 (ARB, 2016).

Da allerdings nichts passierte, wurde der Plan am 6. Mai 2016 erneuert: Dadaab sollte nun binnen sechs Monaten geräumt werden. Der Staat gab an, 10 Millionen US-Dollar dafür aufwenden zu wollen, die Flüchtlinge umzusiedeln, wer sich weigerte, sollte nach Kakuma umgesiedelt werden (Vgl. ARB, 2016). 2017 gab es ein erneutes Vorpreschen, im Frühjahr verkündete die Regierung, Dadaab bis August geschlossen haben zu wollen. Aktuelle Pläne sehen vor, Dadaab bis August 2019 zu schließen, das verkündete die Regierung nach den Anschlägen auf den Hotel- und Bar-Komplex Dusit in Nairobi im Januar (Vgl. The East African, 2019). Zwölf verdächtige Drahtzieher wurden in Dadaab verhaftet.

3.2. Rechtsweg

Das größte internationale Echo erfuhren die Schließungspläne 2015/2016, als die Welt oh­nehin mit der Flüchtlingsfrage durch die Kriege in Syrien, Irak, Afghanistan, Jemen, Ko­lumbien, Libyen, Sudan und Palästina beschäftigt war. Da die kenianische Regierung zum ersten Mal einen detaillierten Plan mit Zeitfenster vorlegte, reichten Hilfsorganisationen Klage gegen den Entscheid ein. Im Februar 2017 entschied der kenianische High Court, dass eine Räumung von Dadaab illegal sei. „The Conversation“ zitiert Richter John Mativo damit, dass die Pläne sich speziell gegen somalische Flüchtlinge richteten und „an act of group persecution, illegal, discriminatory and therefore unconstitutional“ seien. Eine Räu­mung widerspräche zudem nationalem und internationalem Recht.

4. Umsiedlung

Von vier Push-Faktoren spricht der UNHCR-Verantwortliche Jean Bosco Rushatsi, wenn es um die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen nach Somalia geht: 1. Der Trump-Ban, der die Hoffnung auf eine Zukunft in den USA zerstörte. 2. Verknappung der Lebensmittelra­tionen seit 2016. 3. Die Schließungsabsichten und die damit verbundene Angst, bei einer Zwangsräumung mittellos neustarten zu müssen. 4. Premierminister Hassan Ali Khaire. Da über die Punkte zwei, drei und vier bereits berichtet wurde, folgt nun ein Blick auf die Um­siedlung in Drittländer und die aktuelle Situation der Umsiedlungsbemühungen.

[...]


1 Staatsbürger von Somalia werden als Somalier/Somalierin bezeichnet. Zudem gibt es die ethnischen Gruppierung Somali, die in Teilen Somalias, aber auch in Teilen Kenias und Äthiopiens lebt.

2 Im Gegensatz zum restlichen Teil Somalias war Somaliland britische, nicht italienische Kolonie.

Details

Seiten
20
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783346678546
ISBN (Paperback)
9783346678553
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover – Soziologie & Geschichte
Erscheinungsdatum
2022 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
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Titel: Gesellschaft zwischen Heimat und Exil. Somalische Flüchtlinge und die Gesellschaftsstruktur im Lager