Die vorliegende Arbeit untersucht, ob und inwieweit die Freiheitliche Partei Österreichs eine Anti-Globalisierungs-Partei repräsentiert. Dabei wird der Fokus auf die Angebotsseite, also die Inhalte und Positionen der Partei, festgelegt (siehe dazu Kriesi et al. 2008).
Für das zugrundeliegende Verständnis und aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Auffassungen von Globalisierung ist es zunächst wichtig, den Begriff der Globalisierung zu spezifizieren und festzulegen. Dabei liegt das Augenmerk dieser Arbeit auf den Globalisierungsbegriff nach Johannes Kessler, welcher im nächsten Schritt ausgearbeitet und erläutert wird. Anschließend werden Kesslers Dimensionen der Globalisierung in der Forschung beschrieben. Nachdem ein theoretischer Rahmen für eine Analyse geschaffen wurde, folgt das Aufzeigen des Untersuchungsgegenstandes - in diesem Fall die FPÖ. Dafür wird zunächst die Partei und ihr Parteienprogramm in ihren Wesenspunkten vorgestellt. Der vierte Teil stellt den Kern der Arbeit dar: Die Analyse der FPÖ auf ihre Einstellung gegenüber Globalisierung. Für die Analyse werden die zuvor ausgearbeiteten Forschungsdimensionen der Globalisierung nach Kessler, die politische, ökonomische und gesellschaftlich-kulturelle Dimension, herangezogen. Schließlich wird die Partei hinsichtlich ihrer Einstellung zur Globalisierung (Anti-Globalisierung oder Pro-Globalisierung) eingeordnet und die Ergebnisse mit Blick auf die Zukunft resümiert.
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklarung
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen
2.1. Globalisierungsbegriffe nach Kessler
2.2. Dimensionen der Globalisierung nach Kessler
2.2.1. Okonomische Dimension
2.2.2. Gesellschaftlich-kulturelle Dimension
2.2.3. Politische Dimension
3. Die FPO und ihr Parteienprogramm
4. Analyse der FPO zu ihrer Einstellung gegenuber Globalisierung
4.1. Analyse der okonomischen Dimension
4.2. Analyse der gesellschaftlich-kulturellen Dimension
4.3. Analyse der politischen Dimension
4.4. Einordnung der Partei
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Zeitalter der Globalisierung bringt vielerlei Veranderungen mit sich. Nationen schlieBen sich zu einem groBen Volkerbund zusammen und agieren fur gemeinsame, transnationale Interessen. Eine groBe Politikdynamik ist entstanden und brachte zwei primare Meinungspole mit: Die einen sehen in der Globalisierung ein groBes wirtschaft- liches und kulturelles Wachstumspotenzial, andere wiederum furchten einen Verlust der kulturellen Identitat (De Vries/Hoffmann 2016: 13ff.). Dieses Meinungsbild spiegelt sich auch in der Parteipolitik wieder, wobei die einst erfolgreichste rechtspopulistische Partei Europas, die Freiheitliche Partei Osterreichs (FPO), eine besondere Rolle bezieht: Anders als ihre neueren rechtspopulistischen Mitstreiter, welche eine klar negative Linie in Bezug auf Globalisierung fahren, schlagt die FPO die Globalisierung nicht gerade- wegs ab. Mit ihrer langjahrigen politischen Geschichte schafft sie es, beide Standpunkte zur Globalisierung mit einzubeziehen und zu betrachten. Besonders interessant er- scheint deshalb in diesem Zusammenhang die Frage, ob die FPO tatsachlich als eine Anti-Globalisierungspartei betrachtet werden kann. Dafur ist eine detaillierte und theo- retisch fundierte Analyse notwendig.
Die vorliegende Arbeit untersucht, ob und inwieweit die Freiheitliche Partei Osterreichs eine Anti-Globalisierungs-Partei reprasentiert. Dabei wird der Fokus auf die Ange- botsseite, also die Inhalte und Positionen der Partei, festgelegt (siehe dazu Kriesi et al. 2008: 1ff., 53ff.). Fur das zugrundeliegende Verstandnis und aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Auffassungen von Globalisierung ist es zu- nachst wichtig, den Begriff der Globalisierung zu spezifizieren und festzulegen. Dabei liegt das Augenmerk dieser Arbeit auf den Globalisierungsbegriff nach Johannes Kessler, welcher im nachsten Schritt ausgearbeitet und erlautert wird. AnschlieBend werden Kesslers Dimensionen der Globalisierung in der Forschung beschrieben. Nachdem ein theoretischer Rahmen fur eine Analyse geschaffen wurde, folgt das Aufzeigen des Un- tersuchungsgegenstandes - in diesem Fall die FPO. Dafur wird zunachst die Partei und ihr Parteienprogramm in ihren Wesenspunkten vorgestellt. Der vierte Teil stellt den Kern der Arbeit dar: Die Analyse der FPO auf ihre Einstellung gegenuber Globalisie- rung. Fur die Analyse werden die zuvor ausgearbeiteten Forschungsdimensionen der Globalisierung nach Kessler, die politische, okonomische und gesellschaftlich-kulturelle Dimension, herangezogen. SchlieBlich wird die Partei hinsichtlich ihrer Einstellung zur Globalisierung (Anti-Globalisierung oder Pro-Globalisierung) eingeordnet und die Er- gebnisse mit Blick auf die Zukunft resumiert.
2. Theoretischer Rahmen
Im Folgenden Abschnitt wird der Globalisierungsbegriff zuerst diskutiert und anschlie- Bend im Zuge dieser Arbeit festgelegt. AnschlieBend werden die Globalisierungsdimen- sionen nach Kessler aufgezeigt, nach denen eine fundierte Analyse der FPO im Bezug zu ihren Einstellungen gegenuber Globalisierung erfolgen kann.
2.1. Globalisierungsbegriffe nach Kessler
Kessler betont in seinem Werk „Theorie und Empirie der Globalisierung“ (2016) die Komplexitat und Vielseitigkeit des Begriffs Globalisierung und zeigt anhand der Darle- gung unterschiedlicher Definitionen von verschiedenen Autoren die Schwierigkeit auf, eine empirisch geeignete Definition fur Globalisierung zu entwickeln (Kessler 2016: 47ff.). Um auch in dieser Arbeit einen groben Einblick in die unterschiedlichen Globali- sierungsbegriffe zu erlangen, werden im Folgenden die fur Kessler sechs wesentlichen Globalisierungsbegriffe in Kurze zusammengefasst und schlieBlich sein in der Empirie und Theorie verwendeter Globalisierungsbegriff aufgezeigt. Mit Blick auf Abbildung 1 erhalt man einen Uberblick uber seine ausgewahlten Globalisierungsbegriffe, wobei er die fur ihn besonders relevanten grau hinterlegt hat. Die Begriffe der Globalisierung als grenzuberschreitende Interaktion/Internationalisierung und Globalisierung als Integration sind damit die relevantesten Globalisierungsbegriffe nach Kessler. Unter Globali- sierung als grenzuberschreitende Interaktion bzw. Internationalisierung soll eine Zu- nahme der Interaktion uber nationalstaatliche Grenzen hinweg verstanden werden. Hierbei handelt es sich groBtenteils um die Interaktionen privater, nichtstaatlicher Ak- teure (Kessler 2016: 53ff.).
Das Globalisierungskonzept der Integration wird meistens auf die okonomische Integration bezogen, umfasst aber auch andere Aspekte wie die politische Integration oder die Integration als der Zusammenschluss von unterschiedlichen Gesellschaften (Kessler 2016: 58ff.). Kessler selbst verwendet den Integrationsbegriff in Bezug auf Globalisie- rung als „das Konzept einer relativen Zunahme grenzuberschreitender Interaktion im Verhaltnis zur Binneninteraktion, bei dem eine nationalstaatliche Segmentierung zu- gunsten eines groBeren Ganzen an Bedeutung verliert“ (Kessler 2016: 61). Es geht also um eine Zunahme der grenzuberschreitenden Interaktion, der im Verhaltnis zum inlan- dischen Vorgehen eine groBere Bedeutung zugesprochen wird.
Abbildung 1: Globalisierungsbegriffe in der Forschung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kessler 2016
Die ubrigen vier mit weiB hinterlegten Globalisierungsbegriffe sind ebenfalls in der Literatur verbreitet, aber in Relation zu den beiden zentralen Begriffen eher schwach ausgepragt (Kessler 2016: 52).
So versteht Kessler das Globalisierungskonzept der Interdependenz als eine Zunahme der wechselseitigen Abhangigkeit zwischen Staaten (Kessler 2016: 61ff.). Dabei betont er jedoch, dass dieser Begriff von Globalisierung weniger verbreitet ist und vielmehr eine Folge von Globalisierung als ein Synonym davon darstellt (Kessler 2016: 63).
Fur die Globalisierung als globale Verbreitung nennt Kessler zahlreiche Beispiele, die in der Literatur aufzufinden sind, wie die Verbreitung von Demokratie, Krankheiten und Religionen. Hier kristallisiert sich auch Kesslers Kritikpunkt an diesem Globalisie- rungsbegriff heraus: Zwar wird dieser Begriff haufig verwendet, allerdings ist er fur die Wissenschaft unbrauchbar, da er mit jedem beliebigen Gegenstand, welcher auch nicht unbedingt mit dem Begriff Globalisierung assoziiert wird, in Verbindung gebracht wer- den kann (Kessler 2016: 63-64).
Das nachste Globalisierungskonzept stellt gleichzeitig eine Teilmenge des Globalisie- rungsbegriffs als globale Verbreitung dar. Die Globalisierung als Verwestlichung wird verstanden als eine weltweite Homogenisierung (Kessler 2016: 64). Dabei liegt der Fo- kus auf eine globale Verbreitung von „typisch westlichen“ oder amerikanischen Pro- dukten, wie z.B.: McDonald's, Coca-Cola oder Hollywood-Filme (Kessler 2016: 65). Uber die Verwestlichung wurde schon vor Forschungsbeginn der Globalisierung disku- tiert und ist damit als Begriff nicht selten in der Literatur vertreten (Kessler 2016: 65). Ein weiteres, eher wenig verbreitetes Globalisierungskonzept ist der Begriff der Globa- lisierung als Bewusstsein uber eine Weltgemeinschaft . Es bezieht als einziges Konzept das menschliche Bewusstsein mit ein, indem es eine Wahrnehmung der Menschen uber die Weltbevolkerung als eine Gemeinschaft postuliert (Kessler 2016: 66). So entstehe eine Wahrnehmung der Weltbevolkerung als eine groBe Gesellschaft mit unterschiedli- chen Kulturen, Werten und Lebensstilen. Dadurch entwickelt sich eine Art „Weltgesell- schaft“ (Kessler 2016: 66).
Somit waren die sechs relevanten Globalisierungsbegriffe in ihrem Wesen zusammen- gefasst. Anzumerken ist hierbei, dass diese Globalisierungsbegriffe haufig synonym verwendet werden und sich zwar unterscheiden lassen, jedoch trotzdem in Zusammen- hang zueinanderstehen (Kessler 2016: 69). Kessler lehnt auBerdem eine Verwendung des Terminus Globalisierung als catch-all-term ab, da dieser durch seine weite Fassung nicht „empiriefahig“ ware. Deshalb wahlt er einen Globalisierungsbegriff, der moglichst prazise und eindeutig ist und gleichzeitig einen zweckmaBigen Bedeutungsgehalt besitzt (Kessler 2016: 70ff.). Seine Definition von Globalisierung ist damit angelehnt an ver- schiedene Autoren und lautet:
„Globalisierung bezeichnet Prozesse der Zunahme sowie der geographischen Ausdeh- nung grenzuberschreitender Interaktion“ (Kessler 2016: 74).
Ahnlich definiert er auch diesen Begriff in einer seiner fruheren Publikation: „Globali- sierung bezeichnet Prozesse der Zunahme sowie der geographischen Ausdehnung grenzuberschreitender anthropogener Interaktion.“ (Kessler 2009a: 34). Unter Interakti- on versteht er hierbei „human interaction“, also den Austausch und den Kontakt zwi- schen Akteuren, welcher Strome von Gutern, Dienstleistungen und Kapital, aber auch die Informationen und Personen selbst umfasst (Kessler 2016: 74ff.). Seine Definition ist insofern empirisch sinnvoll, als dass sie die wissenschaftlichen Kriterien der Prazisi- on und Eindeutigkeit erfullt. Zudem ist sie zweckmaBig, da sie dem bereits existieren- den Bedeutungsinhalt des Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch adaquat ist (Kessler 2016: 74).
Damit wurde der Begriff der Globalisierung diskutiert und definiert, wodurch er fur die anschlieBende Untersuchung der Fragestellung verwendet werden kann.
2.2. Dimensionen der Globalisierung nach Kessler
Mit den zahlreichen Begriffen der Globalisierung gehen auch unterschiedliche Globali- sierungsdimensionen in der Forschung einher. Kessler bezeichnet hier den Forschungs- stand als „unsystematisch bis chaotisch“ (Kessler 2016: 67), da es keine wissenschaftli- chen Untersuchungen uber die Dimensionen der Globalisierung gibt (Kessler 2016: 29, 67). So wird auf der einen Seite Globalisierung als eindimensionales, vorwiegend oko- nomisches Phanomen verstanden, auf der anderen Seite aber auch mehrdimensionalen Aspekten, wie z.B. sozialen, politischen, okologischen oder militarischen, zugeordnet (Kessler 2016: 29ff.). Kessler selbst legt bei seiner Arbeit den Fokus auf ein mehrdi- mensionales Konzept. Dabei verwendet er die drei wesentlichen, in der Literatur domi- nierenden Dimensionen: die okonomische1, die gesellschaftlich-kulturelle und die poli- tische Dimension (Kessler 2016: 79). Von anderen moglichen Dimensionen, wie z.B. der okologischen sieht Kessler ab, da dies keinen zielgerichteten Austausch zwischen Akteuren uber nationalstaatliche Grenzen hinweg darstellt (Kessler 2016: 81). Auch der Extremfall des Krieges wird keiner Globalisierungsdimension zugeteilt, da sonst der Rahmen des Globalisierungsbegriffes zu weit gefasst werden und damit nicht den Grundsatzen wissenschaftlicher Arbeit entsprechen wurde (Kessler 2016: 80ff.).
Anzumerken sei noch, dass die einzelnen Dimensionen theoretisch nicht unabhangig voneinander, sondern „[...] vielmehr miteinander verwoben [sind] [...]“ (Kessler 2016: 80). Dies zeigt sich am Exempel von politischen Auslandsreisen, welche okonomische Themen beinhalten; eine Einordnung hierbei wurde sowohl in die politische als auch in die okonomische Dimension moglich sein. Auch der Handel von Kinofilmen, Modear- tikeln oder Buchern konnte zwei Dimensionen zugeordnet werden: Zum einen der oko- nomischen und zum anderen der gesellschaftlich-kulturellen Dimension (Kessler 2016: 80). Damit zeigt sich die Verwobenheit der Globalisierungsdimensionen, welche sich nichtsdestotrotz in ihrem Kern unterscheiden und deshalb eine nachfolgende Separation sinnvoll machen.
[...]
1 Kessler weist der okonomischen Dimension insbesondere in Bezug auf den AuBenhandel eine besonders hohe Bedeutung zu (2016: 83)