Seit der Existenz eines Kapitalmarktes stellt sich der Anleger die Frage, auf welche Weise er am rentabelsten sein Vermögen investiert, um seinen Nutzen zu maximieren. Obwohl seit Mitte der 50er Jahre zahlreiche Modelle zur Entscheidungsfindung dem Anleger zur Seite stehen, kann er sich nicht mit dem Problem der Entscheidung unter Unsicherheit ausschliesslich auf die Modelle stützen. Diese beschreiben nur annähernd die viel komplexere Wirklichkeit und werden anhand unterschiedlicher Prämissen aufgestellt. In dieser Arbeit werden die zwei wichtigsten Modelle der modernen Kapitalmarkttheorie behandelt, nämlich die Portfolio-Theorie und das Capital Asset Pricing Modell. Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst einige Grundbegriffe, ohne deren Kenntnisse die später diskutierten Modelle nicht verstanden werden können, zu definieren, danach in groben Zügen die beiden Modelle vorzustellen, und schliesslich kritisch zu betrachten. Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollen sich die Vermögenswerte, in die der Anleger investiert, auf riskante und risikolose Vermögenswerte beschränken wie z.B. Aktien und Obligationen (Staatsanleihen).
Das Zusammenspiel von Rendite und Risiko wird von der Kapitalmarkttheorie in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Die kapitalmarkttheoretische Modellwelt ist auf die Zukunft gerichtet und basiert auf erwarteten Grössen. [...]
Gliederung
1. Grundbegriffe
2. Die Portfolio-Theorie
A. Theoretische Grundlagen: Ein Beispiel
B. Modell mit einem und mit mehreren riskanten Vermögenswerten
3. Das Capital Asset Pricing Modell (CAPM)
A. Theoretische Grundlagen
B. Wahl eines effizienten Portfolio
4. Kritische Würdigung
Literaturverzeichnis
Tabellen
Tabelle 1: Ermittlung der erwarteten Rendite und der Streuungsmasse
Tabelle 2: Renditen zweier Unternehmen bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen
Abbildungen
Abbildung 1: Optimale Wahl eines Anlegers
Abbildung 2: Effizienzkurve
Abbildung 3: Kapitalmarktlinie
Abbildung 4: Beta und erwartete Rendite
1. Grundbegriffe
Seit der Existenz eines Kapitalmarktes stellt sich der Anleger die Frage, auf welche Weise er am rentabelsten sein Vermögen investiert, um seinen Nutzen zu maximieren. Obwohl seit Mitte der 50er Jahre zahlreiche Modelle zur Entscheidungsfindung dem Anleger zur Seite stehen, kann er sich nicht mit dem Problem der Entscheidung unter Unsicherheit ausschliesslich auf die Modelle stützen. Diese beschreiben nur annähernd die viel komplexere Wirklichkeit und werden anhand unterschiedlicher Prämissen aufgestellt. In dieser Arbeit werden die zwei wichtigsten Modelle der modernen Kapitalmarkttheorie behandelt, nämlich die Portfolio-Theorie und das Capital Asset Pricing Modell. Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst einige Grundbegriffe, ohne deren Kenntnisse die später diskutierten Modelle nicht verstanden werden können, zu definieren, danach in groben Zügen die beiden Modelle vorzustellen, und schliesslich kritisch zu betrachten.[1] Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollen sich die Vermögenswerte, in die der Anleger investiert, auf riskante und risikolose Vermögenswerte beschränken wie z.B. Aktien und Obligationen (Staatsanleihen).
Das Zusammenspiel von Rendite und Risiko wird von der Kapitalmarkttheorie in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Die kapitalmarkttheoretische Modellwelt ist auf die Zukunft gerichtet und basiert auf erwarteten Grössen. Der Erwartungswert der Rendite ist somit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Renditeerwartungen sind abhängig von zukünftigen Umweltzuständen und unterliegen der Unsicherheit, dass sie am Ende der Planungsperiode nicht realisiert werden können. Diese Unsicherheitssituation wird dann als Risiko bezeichnet, wenn sich Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt der zukünftigen Umweltzustände formulieren lassen. Das Risiko fällt um so grösser aus, je breiter die erwarteten Renditen um ihren Erwartungswert streuen. Zur Quantifizierung des Risikos werden die Varianz bzw. die Standardabweichung[1] herbeigezogen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei:
Var (Ri ): Varianz der Rendite der Aktie i,
Std (Ri ): Standardabweichung der Rendite der Aktie i.
Aufgrund der gleichen Dimension wie die Rendite stellt die Standardabweichung ein gutes Risikomass dar. Die Ermittlung der erwarteten Rendite und der Streuungsmasse soll durch das folgende Beispiel verdeutlicht werden:
Tab. 1: Ermittlung der erwarteten Rendite und der Streuungsmasse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Erwartungswert der Rendite (E(Ri)) der Wertpapiere 1 und 2 ergibt:
E(R1 ) = 0.2 8 + 0.2 (-16 %) + 0.2 42 % + 0.2 0 % + 0.2 26 % = 12 %
E(R2 ) = 0.2 10 % + 0.2 8 % + 0.2 2 % + 0.2 (-4%) + 0.2 24 % = 8 %.
Damit ergeben sich die Varianzen bzw. Standardabweichungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Die Portfolio-Theorie
A. Theoretische Grundlagen: Ein Beispiel
Die Portfolio-Theorie geht von der Annahme aus, dass alle Investoren das Risiko scheuen. Sie gibt Antwort auf die Frage, wie Aktien im Portefeuille kombiniert werden müssen, um bei vorgegebener gewünschter Rendite das kleinstmögliche Risiko einzugehen. Die Theorie wurde in den 50er Jahren von Harry Markowitz, der an der Universität von Kalifornien in Los Angeles lehrte, entwickelt. Da die Mathematik, die dahinter steckt, sehr kompliziert ist, soll anhand von einem einfachen Beispiel der Kern der Theorie illustriert werden. Es wird angenommen, dass die Wirtschaft auf einer Insel aus nur zwei Unternehmen besteht, wobei das erste ein grosses Urlaubsparadies mit Badestränden, Tennisplätzen und Golfplatz ist und das zweite eine Regenschirmfabrik. Beide Unternehmen werden wirtschaftlich stark vom Wetter auf der Insel beeinflusst. Scheint die Sonne, so blüht das Geschäft mit dem Urlaubsparadies, und die Regenschirme können nicht abgesetzt werden. In der Regenzeit dagegen beklagt sich der Besitzer des Urlaubsparadieses, während die Regenschirmfabrik tüchtig umsetzt. Die folgende Tabelle zeigt ein paar hypothetische Renditen für die beiden Unternehmen während der klimatisch verschiedenen Jahreszeiten:
Tab. 2: Renditen zweier Unternehmen bei verschiedenen Witterungsbedingungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Angenommen, im Durchschnitt scheint die Hälfte der Zeit die Sonne, während es die andere Hälfte regnet, so bedeutet dies, dass die Wahrscheinlichkeit für eine sonnige oder regnerische Jahreszeit jeweils ist. Ein Investor, der Aktien der Schirmfabrik kauft, erzielt die Hälfte der Zeit eine Rendite von 50% und macht die andere Hälfte 25% Verlust auf seine Investition; im Jahresmittel erhält er einen erwartete Rendite von 12.5%. Auf dasselbe Resultat kommt er, wenn er ins Urlaubsparadies investiert. Bei jedem dieser beiden Unternehmen ist eine Investition sehr riskant, denn die Ergebnisse schwanken stark.
Wenn aber ein Anleger mit 2 Dollar Kapital, statt Aktien von nur einem Unternehmen zu kaufen, die Hälfte seines Geldes in die Regenschirmfabrik und die andere Hälfte ins Urlaubsparadies investiert, so wird bei Sonnenschein eine 1-Dollar-Investition ins Urlaubsparadies einen Rendite von 50 Cents abwerfen, während eine 1-Dollar-Investition beim Schirmfabrikanten 25 Cents Verlust ausmachen. Die Gesamtrendite für den Anleger ist 25 Cents (50 Cents minus 25 Cents), was 12,5% seiner Gesamtinvestition von 2 Dollar beträgt. In der Regenzeit erzielt eine Investition in Regenschirmaktien einen 50%-ige Rendite, während die Investition ins Urlaubsparadies 25% Verlust bringt. Auch hier erhält der Anleger 12.5% Rendite auf seine Gesamtinvestition.
Diese Beispiel rückt den grundlegenden Gedanken der Diversifikation[1] in den Vordergrund. Wie auch immer des Wetter die Wirtschaft der Insel beeinflusst – ein Anleger, der seine Investitionen über beide Unternehmen diversifiziert, holt in jedem Fall jährlich 12.5 % Rendite heraus. Der Grund, weswegen die beiden Unternehmen mit Sicherheit diesen Ertrag erwirtschaften, ist, dass sie gegenteilig vom Wetter beeinflusst werden. Anders ausgedrückt haben die beiden Gesellschaften eine negative Kovarianz:
Wenn U für die tatsächlichen Rendite des Urlaubsparadieses steht und seine erwartete oder durchschnittliche Rendite ist, während R die tatsächliche Rendite der Regenschirmfabrik und ihre durchschnittliche Rendite bezeichnet, wird die Kovarianz zwischen R und U wie folgt definiert:
COV(RU) = Wahrscheinlichkeit für Regen (R, wenn Regen - ) (U, wenn Regen - ) + Wahrscheinlichkeit für Sonne (R, wenn Sonne - ) (U, wenn Sonne - ).
Aus der Tabelle 2 lassen sich die Werte einsetzen:
COV(RU) = 0.5 (0.50-0.125) (-0.25-0.125) + 0.5 (-0.25-0.125) (0.50-0.125) = -0.141.
Solange der Geschäftsgang der einzelnen Unternehmen nicht parallel verläuft, verringert eine Diversifikation das Risiko in jedem Fall. Im Beispiel der beiden Unternehmen auf der Insel eliminiert eine Diversifikation das Risiko sogar völlig. In der Wirtschaft verläuft ein Geschäftsgang der meisten Gesellschaften mehr oder weniger parallel. Eine so perfekte Risikoeliminierung wie beim Inselbeispiel ist in der Realität kaum anzutreffen. Da sich aber der Geschäftsgang verschiedener Unternehmen nicht immer völlig parallel bewegt, ist eine Investition in ein diversifiziertes Aktienportfolio mit grosser Wahrscheinlichkeit weniger riskant als in einen oder zwei einzelne Titel.[2]
B. Modell mit einem und mit mehreren riskanten Vermögens-werten
Um das Modell von Markowitz, welches die Grundlage der modernen Portfolio-Theorie bildet, etwas näher zu betrachten, werden zwei einfache Portfolio-Probleme verwendet. Dabei muss immer beachtet werden, dass der Anleger risikoscheu ist und deshalb eine höher erwartete Rendite und eine niedrigere Varianz anstrebt.
Angenommen eine Investition wird in zwei Vermögenswerte getätigt, wobei der eine risikolos, der andere riskant ist. Als risikolose Vermögenswerte werden z.B. Bundesobligationen betrachtet, welche unter beliebigen wirtschaftlichen Umständen eine fixe Rendite Rf abwerfen. Riskante Vermögenswerte, die eine erwartete Rendite von E(Ri) erzielen, sind dagegen beispielsweise spekulative Aktien, welche sich den Gesetzen des Marktes beugen. Nun ist Ri der Ertrag des Vermögenswertes im Zustand y, ey die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und Std (Ri) die Standardabweichung des Ertrags des riskanten Vermögenswertes. Ausserdem wird ein Teil w des Gesamtvermögens in das riskante und ein Teil (1w) ins risikolose Aktivum investiert.
Die durchschnittliche Rendite RP des Portfolios ergibt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Angenommen ein risikoaverser Anleger hält kein riskantes Aktivum, welches eine höhere erwartete Rendite abwirft als das risikolose Aktivum, so gilt Ri > Rf. Mit den Präferenzen des Anlegers lassen sich seine Indifferenzkurven und die Budgetgerade bestimmen:
Abb.1: Optimale Wahl eines Anlegers
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: H. R. Varian, „Grundzüge der Mikroökonomik“, R.Oldenbourg, München Wien, 1995, S. 225.
Der Verlauf der Indifferenzkurve wird durch die Richtung und die Bereitschaft der Anleger, Risiko gegen Rendite zu tauschen, bestimmt. Im diesem Fall, d.h. bei risikoaversen Anlegern, ist der Anleger bei einer höheren erwarteten Rendite besser gestellt als durch eine höhere Standardabweichung. Die Krümmung der Indifferenzkurve rührt daher, dass der Investor für eine zusätzliche erwartete Rendite ein zusätzliches Risiko eingehen würde. Ein risikoaverser Anleger, der sein ganzes Kapital ins riskante Aktivum investiert, d.h. bei w = 1, erhält eine erwartete Rendite und eine Standardabweichung von (E(Ri), Std (Ri)). Wenn derselbe Anleger sein ganzes Geld ins risikolose Aktivum investiert, d.h. bei w = 0, erhält er (Rf, 0).
Die Gerade, die durch Einsetzen der Werte w = 0 und w = 1 entsteht, beschreibt die Budgetbeschränkung dieses Anlegers. Investiert ein Anleger irgendwo zwischen w = 0 und w = 1, so zeigt dies seine Bereitschaft ein höheres Risiko für ein wenig mehr Rendite einzugehen. Bei der optimalen Wahl von Risiko und Rendite, ist die Steigung der Indifferenzkurve gleich der Steigung der Budgetkurve. Der Anstieg der Budgetgeraden misst, wie bei der Portfoliowahl Risiko und Rendite gegeneinander getauscht werden können; diesen Anstieg nennt man auch Preis des Risikos. Aus diesem Beispiel ergibt sich eine wichtige Folgerung. Hat ein Anleger die Möglichkeit sein Portfolio mit risikolosen und riskanten Aktiva zu mischen, sollte er diese nutzen, sofern es sein Budget zulässt.
Im obigen Fall bestimmt die Standardabweichung des riskanten Aktivums das Gesamtrisiko des Portfolios. Tauchen jedoch mehrere riskante Aktiva im Portfolio auf, so ist die Standardabweichung kein geeignetes Mass mehr für die Messung des Risikos. Begründet ist dies dadurch, dass der Nutzen des Anlegers nicht mehr von der erwarteten Rendite und der Standardabweichung eines einzelnen Aktivums, sondern von den erwarteten Renditen und Standardabweichungen des gesamthaft investierten Kapitals abhängt. Das Beispiel von zwei Unternehmen auf einer Insel, wo in Form von riskanten Vermögenswerten investiert wird, zeigt auf ideale Weise, wie sich zwei Betriebe gegenläufig beeinflussen. Es wird dann von negativer Korrelation gesprochen, d.h. ist der Wert eines Aktivums gross, so ist der Wert des anderen klein. Aktiva, die miteinander negativ korrelieren, sind sehr wertvoll, weil sie das Risiko gesamthaft reduzieren; im Fall der Insel sogar auf Null.
Hält nun ein Anleger mehrere riskante Vermögenswerte in seinem Portfolio, so kann das Risiko eines Aktivums stärker von der Korrelation mit anderen Aktiva abhängen, als von seiner eigenen Streuung.[1]
Das Beta (Abk.: ß) einer Aktie stellt das systematische Risiko dieser Aktie dar. Dieses Risiko, auch Marktrisiko genannt, ist für den Anleger von grosser Bedeutung, denn er erhält nur für dieses eine Prämie. Das Beta einer Aktie wird gemessen oder korrekterweise geschätzt, indem das Verhältnis zwischen den bisherigen Renditen dieser Aktie und der Rendite des Marktes insgesamt berechnet wird. Das Renditepaar Aktie/Markt wird für eine bestimmte Periode in einem Diagramm dargestellt. Sind genügend Renditepaare für die Aktie und den Markt vorhanden, wird eine Annäherungslinie gezogen, deren Neigung das historische Beta der Aktie ergibt. Dieses historische Beta dient dem Anleger zur Schätzung des zukünftigen Betas, denn es wird angenommen, dass es sich in der Zukunft ebenso verhalten wird.
[...]
[1] Da hinter den Modellen eine komplexe Mathematik steckt, ist es dem Autor vorbehalten, zu Mitteln der Vereinfachung zu greifen.
[2] Die Varianz misst den Mittelwert der quadrierten Abweichungen der Renditen um ihren Erwartungswert. Die Quadratwurzel aus der Varianz ergibt die Standardabweichung.
[1] J.M. Kleeberg, „Der Anlageerfolg des Minimum-Varianz-Portfolios“, Uhlenbruch, Bad Soden/TS., 1995, S. 5-7.
Diversifikation ist die Aufteilung einer Investition auf verschiedene Anlagewerte zwecks Verringerung des Risikos von Renditeschwankungen.
[2] Zürcher Kantonalbank, „Strategie und Zufall an der Börse“, Zürcher Kantonalbank, 1988, S. 72-76.
[1] H. R. Varian, „Grundzüge der Mikroökonomik“, R. Oldenbourg, München Wien, 1995, S.224-226.