“One of the greatest things in history...”
So bezeichnete der amerikanische Präsident Harry S. Truman den Schuman-Plan im März 1951, zehn Tage nachdem die Verhandlungsdelegationen der Schuman-Plan-Konferenz den Vertrag über die Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Paris unterzeichneten.
Doch was veranlasste den Regierungschef der Vereinigten Staaten zu dieser enthusiastischen Erklärung, warum waren die USA an einem Erfolg der Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman überhaupt interessiert?
Welchen Vorteil versprach sich die amerikanische Außenpolitik von einer europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, welche Ziele verfolgten sie damit?
Waren die USA in der Verwirklichung des französischen Projektes beteiligt, haben sie die Vertragsverhandlungen dirigiert, und wenn ja, wie und warum?
Die folgende Arbeit wird versuchen derartige Fragen zu beantworten und zu klären, wie und warum die amerikanische Diplomatie in den Schuman-Plan-Verhandlungen involviert war und mit welchen Mitteln die zu deren Erfolg beigetragen hat.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die USA und die Integration Europas
2.1. Wandel der amerikanischen Europapolitik
2.2. Die Integration der Bundesrepublik - Das amerikanische „essential“
3. Die Reaktion der USA auf die Erklärung Schumans am 9.Mai
3.1. Die „amerikanischen Ursprünge“ des Schuman-Planes
3.2. Die amerikanische Reaktion – Zwischen Skepsis und Enthusiasmus
4. Die USA und die Schuman-Plan-Verhandlungen
4.1. Wirken im Hintergrund?
4.2. Widerstand Deutschlands – Adenauers Initiativen
4.3. Entflechtung der Ruhrindustrie – „Zwischen Kartellen und Konkurrenz“
4.4. McCloys Durchbruch – Adenauer lenkt ein
5. Schlussbetrachtung
6. Anmerkungsapparat
1. Einleitung
“One of the greatest things in history...”[i]
So bezeichnete der amerikanische Präsident Harry S. Truman den Schuman-Plan im März 1951, zehn Tage nachdem die Verhandlungsdelegationen der Schuman-Plan-Konferenz den Vertrag über die Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Paris unterzeichneten.
Doch was veranlasste den Regierungschef der Vereinigten Staaten zu dieser enthusiastischen Erklärung, warum waren die USA an einem Erfolg der Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman überhaupt interessiert?
Welchen Vorteil versprach sich die amerikanische Außenpolitik von einer europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, welche Ziele verfolgten sie damit?
Waren die USA in der Verwirklichung des französischen Projektes beteiligt, haben sie die Vertragsverhandlungen dirigiert, und wenn ja, wie und warum?
Die folgende Arbeit wird versuchen derartige Fragen zu beantworten und zu klären, wie und warum die amerikanische Diplomatie in den Schuman-Plan-Verhandlungen involviert war und mit welchen Mitteln die zu deren Erfolg beigetragen hat.
2. Die USA und die Integration Europas
2.1. Wandel der amerikanischen Europapolitik
Die amerikanische Außenpolitik erfuhr seit dem japanischen Angriff auf Pearl Habour im Dezember 1941 eine grundlegende Neuorientierung. Die damit unvermeidliche Involvierung in den Zweiten Weltkrieg, beendete die bis dahin praktizierte US-Politik des Isolationismus[ii]. Die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion ausgehende Bedrohung verlangte eine schnelle Anpassung der außenpolitischen Konzeption der USA an die veränderten machtpolitischen Realitäten. So übernahmen die Amerikaner mit der Verkündung der Truman-Doktrin ab 1947 die weltpolitische Führungsrolle[iii].
Während noch in der Zeit zwischen 1918 bis 1945 Bemühungen um eine Integration Europas noch keine bedeutende Rolle in der amerikanischen Außenpolitik spielten[iv], setzte spätestens nach dem absehbaren Scheitern der „one world“ und der alliierten Zusammenarbeit nach dem Sieg in Europa ein Umdenken ein, da die Spaltung des Kontinents unter dem Einfluss der Ost- und Westmächte unabwendbar schien. Mit dem Marshallplan sollte Westeuropa wieder aufgebaut werden, denn nur durch die Integration der europäischen Volkswirtschaften konnte man hoffen, die prekäre „wirtschaftliche Krise in Europa schnell zu überwinden und die Grundlage für den Aufbau stabiler demokratischer Ordnungen zu legen, welche sich der sowjetischen Bedrohung widersetzen konnten“[v].
2.2. Die Integration der Bundesrepublik - Das amerikanische „essential“
Dabei wurde schnell deutlich, dass das Potential der deutschen Ruhrindustrie immanent für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft war[vi], die schnelle wirtschaftliche Regeneration und Integration Deutschlands in Westeuropa war also unabdingbar. Allerdings barg eben genau dieses Ziel einen vertrackten Problemkomplex: die Nachbarstaaten Deutschlands, insbesondere Frankreich, standen einem gezielten Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und erstrecht einer Einbeziehung Deutschlands in Westeuropa sehr skeptisch und ablehnend gegenüber[vii]. Natürlich erkannten auch die amerikanischen Experten die sicherheitspolitische Gefahr, die eine wiedererstarkte, dominante deutsche Wirtschaft innerhalb Europas darstellen würde, insbesondere aus der Sicht Frankreichs. Um den Wiederaufbau Deutschlands zur Vorantreibung einer europäischen Einigung nutzen zu können, musste folglich Westdeutschland die Alleinverfügung über sein Wirtschaftspotential verwehrt werden, was aber nur im Rahmen einer europäischen Integration möglich war[viii] . Die weitestmögliche Beseitigung des deutsch-französischen Gegensatzes war, aus amerikanischer Sicht, damit unabdingbar bzw. „essential“.
Nun musste die Marshallplanadministration 1949 allerdings feststellen, dass die Ankurbelung der europäischen Wirtschaft nicht die gewünschten Erfolge brachte, trotz des „[…]vielversprechenden Starts[…]“[ix] im Jahre 1947. Das Ziel der selbstständigen Lebensfähigkeit der europäischen Staaten, welche für das Jahr 1952 anvisiert wurde, schien in weite Ferne zu rücken[x]. Die Bemühungen um eine Integration der westeuropäischen Wirtschaft waren aus Sicht der US-Regierung zum Stillstand gekommen, trotz Europarat und OEEC (Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit).
„Von einer Verschmelzung der europäischen Nationalwirtschaften, wie sie die amerikanische Regierung als Fernziel […] anstrebte, konnte […] keine Rede sein.“[xi]
Zudem wurde die amerikanische Außenpolitik durch weitere Ereignisse beeinflusst, die sich gerade im Jahre 1949 nahezu ballten und eine Integration Europas besonders dringend erschienen ließen. Durch die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe im August erreichte die fortdauernde Bedrohung der UdSSR einen neuen Höhepunkt. Zudem wurden im amerikanische Kongress Stimmen laut, die „[...] dramatic and substantial evidence [...]“ , also erhebliche Fortschritte in der Einigung Europas forderten, um eine weitere finanzielle Unterstützung für das European Recovery Program (ERP) gewährleisten zu können[xii]. Ein wesentliches Ereignis, das „[...] in amerikanischen Augen vor allen anderen weitere Fortschritte in dem Zusammenschluß Europas schlechterdings unerlässlich machte […]“[xiii] trat dann am 23. Mai 1949 ein: die Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
Während sich das psychologische Klima in Europa ohnehin schon in einem „[…] Übergang von anfänglicher Zuversicht zu Skepsis […]“[xiv] verschlechterte, war es doch vor allem das deutsche Volk, das politisch völlig orientierungslos geworden war[xv], was die Gefahr barg, die Deutschen, durch „verlockende Angebote“ der UdSSR, an den Osten zu verlieren.
„ ’ Was die deutsche Demokratie braucht, und was sie in den Augen der Deutschen nie gehabt hat, ist ein Erfolg…’“[xvi]
Dieser Erfolg würde sich durch ein in Europa integriertes Westdeutschland schnell bewerkstelligen lassen, wobei es, wie schon gesagt, existenziell war, ein mögliches wirtschaftliches Übergewicht der Bundesrepublik in dieser Gemeinschaft zu verhindern.
Die Einbindung der Deutschlands in den Westen bildete somit das eigentliche Ziel der amerikanischen Integrationspolitik, die insgesamt den Westen gegenüber der UdSSR verstärken sollte. Vorraussetzung für die Erreichung dieses Zieles aber war der Abbau der Kontrollen und Produktionsbeschränkungen, mit denen die BRD noch belastet war, und ihre Anerkennung als gleichberechtigter Partner der westlichen Völkergemeinschaft.
3. Die Reaktion der USA auf die Erklärung Schumans am 9.Mai 1950
3.1. Die „amerikanischen Ursprünge “ des Schuman-Planes
Die Idee einer Verschmelzung der deutsch-französischen Schwerindustrie war nicht neu.[xviii] [xvii]
In den Beratungen über die Schaffung einer internationalen Behörde zur Kontrolle des Ruhrgebietes im Jahre 1948 wurde dieser Gedanke schon von dem amerikanischen Botschafter in London Lewis Douglas in Erwägung gezogen[xix] und auch Adenauer hatte schon vor 1950 für eine deutsch-französische wirtschaftliche Interessensgemeinschaft plädiert[xx].
„Der wichtigste amerikanische Verfechter der Idee einer sektoralen Verflechtung Frankreichs und Westdeutschlands residierte in Bonn“[xxi] in Person des amerikanische Hochkommissar John McCloy, ein enger Vertrauter von Jean Monnet[xxii], dem Schöpfer des Schuman-Planes. McCloy sah es als seine Hauptaufgabe an „Frankreich beim Wiederaufbau von dessen Militärpotenzial zu helfen und es für ein Zusammengehen der Bundesrepublik auf der Grundlage französischer Stärke zu gewinnen“[xxiii]. Es ist anzunehmen, dass der ehemalige Militärgouverneur bereits vor Schumans Verkündung der französischen Initiative „[…] mehrfach mit französischen Beamten, die Monnet nahe standen, über ein derartiges Projekt gesprochen haben will“[xxiv]. Und doch, trotz der Tatsche, dass die Idee einer europäischen Montangemeinschaft seit längerem in der Luft gelegen hatte, war der Schuman-Plan schließlich die erste konkrete politische Initiative zu Verwirklichung dieser Vision.[xxv] Sicherlich war der Zeitpunkt der Bekanntgabe des französischen Projektes nicht zufällig; auf dem bevorstehenden Treffen der Außenminister in London sollte der amerikanische Wunsch nach Anhebung der deutschen Stahlindustrie auf der Tagesordnung stehen und Schuman musste befürchten, dass die USA auf die Abschaffung der Internationalen Ruhrbehörde drängen würde, wenn sich Frankreich nicht in dieser Frage entgegenkommend zeigen würde[xxvi]. Adenauer hatte schließlich bereits sein Interesse an einer deutsch-französischen Einigung durchklingen lassen, die letztendliche Initiative musste, aus amerikanischer Sicht, aber von den Frankreich kommen, da es das einzige Land war, das bei der Integration Europas die Führung übernehmen konnte.[xxvii] Diese Überzeugung der Amerikaner wurde der französischen Regierung bereits im Herbst 1949 mehrfach und nachdrücklich nahegebracht. “Now is the time for French initiative and leadership of the type required to integrate the German Federal Republic promptly and decisively into Western Europe.”[xxviii] Es war also an den Franzosen gelegen, die von den Amerikanern angebotene Führungsrolle anzunehmen, um damit eine möglicherweise deutsch-amerikanische Interessensgemeinschaft zum französischen Nachteil zu verhindern. Zweifellos mussten diese Überlegungen und Besorgnisse mit zu den Motiven Schumans gehört haben, als er den Plan Monnets, aufnahm und ihn am 9. Mai 1950 bekannt gab.
3.2. Die amerikanische Reaktion – Zwischen Skepsis und Enthusiasmus
Der amerikanische Außenminister Dean Acheson wurde bereits zwei Tage vor der offiziellen Verkündung des Schuman-Planes in das Vorhaben eingeweiht, da Schuman und Monnet der Ansicht waren, dass „[…] es kaum vorstellbar war, dass der französische Außenminister vertrauliche Gespräche mit seinem amerikanischen Amtskollegen führen konnte, ohne diesen über die unmittelbar bevorstehende französische Initiative zu informieren […]“[xxix].
Der amerikanische Botschafter in Paris David Bruce, ein Befürworter der französischen Initiative, organisierte daher für den Abend des 7. Mai 1950 ein vertrauliches Treffen zwischen Schuman und Acheson, in welchem Schuman seinem Amtskollegen die Grundzüge seiner geplanten Erklärung erläutern wollte[xxx].
Zunächst reagierte Acheson schockiert und äußerte sofort seine Befürchtung, dass sich sie Schuman-Plan-Behörde zu einem gigantischen europäischen Kartell entwickeln würde[xxxi].
Schließlich konnte die Montanunion mittels ihrer angestrebten Hohen Behörde „[…] Förderungsmenge und Preis von Kohle und Stahl in der geplanten Gemeinschaft auf Kosten der Konsumenten und der Außenhandelspartner manipulieren […] [xxxii]“ und damit einen freien Wettbewerb verhindern. Erst im Verlauf der Gespräche mit seinem persönlichen Assistent Lucius Battle, der in der Idee Schumans „[…] ein revolutionäres Konzept und einen konstruktiven neuen Anfang erblickte […]“[xxxiii], und mit Botschafter Bruce konnte Acheson die politische Bedeutung des geplanten französischen Vorstoßes nahegelegt werden, sodass er „[…] für eine freundliche Aufnahme des Schuman-Planes vorbereitet war […]“[xxxiv]. In den folgenden Gesprächen zwischen Acheson, Monnet und dem Hochkommissar McCloy gelang es „[…] im Verlauf des geduldigen Erklärens des Planes durch Monnet und McCloy […]“[xxxv] die Kartellbedenken des Außenministers zu zerstreuen.
Die möglichen wirtschaftspolitischen Nachteile des Schuman-Planes waren natürlich trotzdem nicht von der Hand zu weisen und die Sorge amerikanischer Sachverständiger über die Kartellgefahr war weit verbreitet. Nach der Bekanntgabe am 9. Mai wurden daher, vor allem aus der Economic Cooperation Administration, Stimmen laut, die das Projekt als „[…] tödliche Gefahr für die Errungenschaften der amerikanischen Wirtschaftshilfe in Europa […]“[xxxvi] ansahen. Die französische Regierung gab sich alle erdenklichen Mühen derartige Bedenken zu zerstreuen. Die vorgeschlagene Organisation sei in ihren Zielen, Methoden und ihrer Führung schließlich das Gegenteil eines Kartells, da „[…] im Unterschied zu herkömmlichen Kartellen […] die Kontrolle nicht bei den interessierten Industriellen läge, sondern bei einer unabhängigen übernationalen Behörde, die im Licht der Öffentlichkeit arbeiten und – nach einer unvermeidlichen Übergangsphase – auch für die Sicherstellung des freien Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft sorgen würde […]“[xxxvii]. Acheson korrespondierte mit dem geschäftsführenden Minister des State Department James Webb und teilte ihm in einem Telegramm mit, dass es zwar wichtig sei dem französischen Vorschlag Anerkennung zu zollen – es sei schließlich ein “[…] conscious and far reaching effort to advance Franco-German rapprochement and European integration generally […]“ – für eine vollständige Befürwortung des Planes sei es jedoch noch zu früh, “[…] because of the possible cartel aspect and known previous French efforts to secure detailed control over investment policies and management of Ruhr coal and steel industry […]”[xxxviii]. Webb aber teilte seinem Amtschef daraufhin mit, dass er und das amerikanische Außenministerium die französische Initiative als „brilliantly“ und „creative“ erachteten[xxxix] und ihr vor allem ein entscheidendes Potential zuschrieben: „[…] to solve the most dangerous problem of our time, namely the relationship of Germany's industrial power to France and the West“[xl]
Wie man sieht waren die USA zunehmend dazu bereit, um den politischer Gründe willen über die wirtschaftspolitischen Bedenken hinwegzusehen. In der Tat schien der Schuman-Plan sogar im Einklang mit den grundlegenden europapolitischen Zielen der USA zu stehen.[xli] Durch die beabsichtigte Harmonisierung des deutschen wirtschaftlichen Wiederaufbaus mit den französischen Sicherheitserfordernissen würde die Grundlage für eine deutsch-französische Wiederannäherung gelegt werden und damit das größte Hindernis für eine gleichberechtigte Einbeziehung der BRD in westliche Staatengemeinschaft beseitigt[xlii]. Zudem stand die von Schuman beabsichtigte Errichtung eines gemeinsamen europäischen Marktes für Kohle und Stahl im Einklang mit den Zielen des Marshallplanes, zumindest stellte der Vertreter der Marshallplanbehörde Averell Harriman seine wirtschaftspolitischen Bedenken zurück und teilte Acheson mit, dass auch er den Schuman-Plan als „wichtigsten Schritt in Richtung auf wirtschaftlichen Fortschritt und Frieden in Europa seit dem Marshall-Plan“ halte.[xliii]
Dem amerikanischen Konsens, dass der Schuman Plan als ein wichtiger Beitrag zur deutsch-französischen Aussöhnung und zur Integration Europas trotz bestehender Kartellbedenken die nachhaltige Unterstützung der USA verdiene, wurde am 18. Mai 1950 durch Präsident Truman Ausdruck verliehen, als er in einer Pressekonferenz den Schuman-Plan als eine neue Basis für die deutsch-französische Beziehungen begrüßte.[xliv]
4. Die USA und die Schuman-Plan-Verhandlungen
4.1. Wirken im Hintergrund?
Nachdem sich die amerikanische Marschroute festlegte, dass aus primär politischen Gründen die französische Initiative auf keinen Fall im Sande verlaufen durfte, stellte sich die Frage, ob und wenn in wie weit, nun die USA in die bevorstehenden Verhandlungen intervenieren werde. „Binnen drei Wochen entworfen, war der Schuman-Plan natürlich in seinen vollen Auswirkungen noch wenig durchdacht […]“[xlv] und es war absolut nicht abzusehen, in welche Richtung sich die Verhandlungen entwickeln würden.
Die Meinungen über eine mögliche amerikanische Einflussnahme auf die Schuman-Plan-Konferenzen waren gespalten. Der schon angesprochene Vertreter der ECA in Europa Harriman empfahl seiner Regierung, im Interesse einer Integration der europäischen Wirtschaft und einer festen Bindung der Bundesrepublik an den Westen, den amerikanischen Einfluss nur allgemein zugunsten der umfassenden Ziele und erfolgreichen Verwirklichung des Schuman-Planes geltend zu machen[xlvi]. Auch Botschafter Bruce warnte in einem Telegramm an Acheson davor, dass die Teilnahme eines amerikanischen Beobachters an den Verhandlungen die Vereinigten Staaten dem Verdacht der Einmischung in die inneren europäischen Angelegenheiten aussetzten würde, was die französische Zustimmung für das Vorhaben gefährden könnte. „Even appearance of American direction will jeopardizeacceptance of proposal in France […]“[xlvii]. Die Initiative und Verantwortung für das Projekt müsse allein Sache der Europäer sein („We strongly believe that […] it is up to the European“[xlviii] ). Skepsis gegenüber derart großzügiger Haltungen äußerte unter anderem der Chef der Marshallplanbehörde Paul Hoffman. Er befürchtete, dass sich aus dem Projekt, trotz aller französischen Zusicherungen, doch ein Superkartell entwickeln könnte, „[…] wenn die Europäer sich selbst überlassen bleiben würden“[xlix]. Die USA müsse beizeiten darauf sehen, „[…] dass die Schuman-Plan-Verhandlungen nicht die falsche Richtung einschlugen […]“[l]. Acheson nahm diese Bedenken auf, als er am 2. Juni 1950 eine diplomatische Direktive des State Department an die amerikanischen Botschaften in Europa übermittelte, in der er festlegte, dass die amerikanische Diplomatie versuchen musste, unerwünschten wirtschaftspolitischen Nebenwirkungen im Schuman-Plan rechtzeitig vorzubeugen, um für Amerika auch wirtschaftpolitisch akzeptabel zu machen, was aus weltpolitischen Gründen auf jeden Fall geboten erschien.[li] Die USA müsse darauf bedacht sein, die „[…] favorable economic elements outlined in original Schuman announcement […]”[lii] zu bewahren und möglichen Versuche zur Verwässerungen essentieller Elemente des Planes, wie der Supranationalität, durch Verhandlungsteilnehmer entgegenzuwirken[liii]. Ansonsten müssen die weiteren Schritte zur Verwirklichung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl den Europäern überlassen werden, während die amerikanische Zielvorstellungen für dessen konkrete Gestalt allenfalls informellen – aber deswegen nicht weniger intensiv – zum Ausdruck gebracht werden sollen[liv]. Aufgrund des sehr intensiven Kontakts zwischen der amerikanischen Diplomatie zu Jean Monnet, konnte sich die USA sicher sein, auch ohne einen offiziellen Repräsentant in den Konferenzen, immer über den neusten Stand der Schuman-Plan-Verhandlungen informiert zu werden[lv]. Monnet, der seit seiner Zeit in den Vereinigten Staaten viele amerikanische Freunde in der US-Administration hatte[lvi], pflegte neben den freundschaftlichen Beziehungen zu Botschafter Bruce und Hochkommissar John McCloy, auch enge Kontakte zu dem Vertreter des amerikanischen Schatzamtes in Paris William Tomlinson, der die ins Leben gerufene Arbeitsgruppe "Working Group on the Schuman Plan“[lvii] leitete. Mit dem Gespann McCloy, Bruce und Tomlinson hatten also drei Vertraute Monnets, die auch alle „[…] dessen europapolitische Grundüberzeugungen“ teilten, wichtige Schlüsselpositionen in der amerikanischen Verhandlungsobservierung inne.[lviii] „Personell war damit die Tendenz der amerikanischen Einflussnahme auf die Schuman-Plan-Verhandlungen bereits vorgezeichnet“.[lix]
Die Notwendigkeit einer Intervention der USA schien schon Ende Juli 1950 gegeben zu sein, als der Vorschlag der niederländischen Delegation, „[…] wesentliche Entscheidungsrechte in der zukünftigen Montangemeinschaft bei den Außenministern der teilnehmenden Nationen zu belassen […]“, eine Entfernung vom Prinzip der Supranationalität andeutete.[lx] „Das Eingreifen der amerikanischen Regierungsvertreter konnte dies verhindern“[lxi]: in einem Telegramm an die amerikanischen Botschaften in den Schuman-Plan-Staaten, verdeutlichte Acheson noch einmal die primären amerikanischen Standpunkte (“[…] matters we regard as fundamental […]“[lxii] ), und wies die Botschafter an diese „basic instructions“ an die jeweiligen Gastregierungen in informeller Weise weiterzugeben. Der “[…] supra-national character of [the] Authority“ werde von der US-Administrative als “key importance” angesehen, Versuche der Abschwächung müssen daher abgewendet werden.[lxiii]
[...]
[i] Foreign Relations of the United States, Washington 1977. Europe: political and economic developments (in two parts), Volume IV, Part 1 (1951)Volume IV Part 1 (1951), S. 367 (im Folgenden zitiert mit: FRUS, Jahr, Vol., S. )
[ii] Vgl. Holger Schröder: Jean Monnet und die amerikanische Unterstützung für die europäische Integration 1950 -1957, Frankfurt am Main [u.a.]1994, S. 73 (im Folgenden zitiert mit: Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S.)
[iii] Vgl. Ludolf Herbst: Option für den Westen. Vom Marshallplan bis zum deutsch-französischen Vertrag, München 1989, S. 36 (im Folgenden zitiert mit: Herbst: Option für den Westen, S.)
[iv] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 74f; dazu Thomas U. Schöttli: USA und EVG. Truman, Eisenhower und die Europa-Armee, Frankfurt am Main [u.a.]1994, S. 27: „Die Wurzeln der Idee einer friedlichen Vereinigung Europas liegen weit vor dem Zweiten Weltkrieg. Breitere Ansätze zu einer Integration […] finden sich bereits in der Zwischenkriegszeit.“
[v] Ebd., S. 76
[vi] Vgl. Herbst: Option für den Westen: S. 44
[vii] Vgl. u.a. Schröder: Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 83
[viii] Vgl. Herbst: Option für den Westen: S. 44f
[ix] Klaus Schwabe: „Ein Akt konstruktiver Staatskunst“ – Die USA und die Anfänge des Schuman-Plans, in: Schwabe, Klaus [Hrsg.]:Die Anfänge des Schuman-Plans, Baden-Baden 1988, S.213 (im Folgenden zitiert mit: Schwabe: Staatskunst, S.)
[x] Vgl. ebd. S .213
[xi] Ebd. S. 213
[xii] FRUS, 1949, Volume IV, S. 657; vgl. auch Schwabe: Staatskunst, S. 214
[xiii] Schwabe: Staatskunst, S. 214
[xiv] Ebd.
[xv] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 215
[xvi] Klaus Schwabe: Fürsprecher Frankreichs? John McCloy und die Integration der Bundesrepublik in: Herbst, Ludolf [u.a.]: Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die restliche Welt, München 1990, S. 521 (im Folgenden zitiert mit: Schwabe: Fürsprecher Frankreichs?, S.)
[xvii] Schwabe: Staatskunst, S. 212
[xviii] Hans Jürgen Küsters: Die Verhandlungen über das institutionelle System zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in: Schwabe, Klaus [Hrsg.]:Die Anfänge des Schuman-Plans, Baden-Baden 1988, S. 74
[xix] Ebd.
[xx] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 223f
[xxi] Ebd. und auch Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 102
[xxii] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 64
[xxiii] Ebd., S. 103
[xxiv] Schwabe: Staatskunst, S. 224
[xxv] Vgl. Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 103
[xxvi] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 105
[xxvii] Schwabe: Staatskunst, S. 218 und FRUS, 1949, Vol IV, S. 470
[xxviii] FRUS, 1949, Vol. III, S. 623
[xxix] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 107
[xxx] Ebd, S. 108
[xxxi] Ebd., S. 107f
[xxxii] Schwabe: Staatskunst, S. 225f, Vgl. auch Schwabe: Fürsprecher Frankreichs?, S. 522
[xxxiii] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 108, Anmerkung Nr. 25
[xxxiv] Ebd., S. 109
[xxxv] Ebd.
[xxxvi] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 211
[xxxvii] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 226
[xxxviii] FRUS, 1950, Vol. III, S. 695
[xxxix] FRUS, 1950, Vol. III, S. 695f
[xl] FRUS, 1950, Vol. III, S. 695f
[xli] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 107
[xlii] Ebd.
[xliii] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 226
[xliv] Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 112
[xlv] Hans Jürgen Küsters: Die Verhandlungen über das institutionelle System zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in: Schwabe, Klaus [Hrsg.]:Die Anfänge des Schuman-Plans, Baden-Baden 1988, S. 77
[xlvi] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 226
[xlvii] FRUS, 1950, Vol. III, S. 705
[xlviii] Ebd., vgl. auch Thomas U. Schöttli: USA und EVG. Truman, Eisenhower und die Europa-Armee, Frankfurt am Main [u.a.]1994, S. 34
[xlix] Schwabe: Staatskunst, S. 227
[l] Ebd.
[li] Vgl. Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 109
[lii] FRUS, 1950, Vol. III, S. 715
[liii] Ebd. und vgl. auch Schwabe: Staatskunst, S. 226
[liv] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 228
[lv] Vgl. Schröder: Monnet und die amerikanische Unterstützung, S. 123
[lvi] Ebd. S. 64
[lvii] Ebd. S. 124
[lviii] Ebd.
[lix] Ebd.
[lx] Ebd., S. 125
[lxi] Vgl. Schwabe: Staatskunst, S. 230
[lxii] FRUS, 1950, Vol. III, S. 741
[lxiii] Ebd.