Das Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, einen thematischen Vergleich zwischen den Regierungssystemen der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen und dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Verfassungswerke hervorzuheben.
Speziell wird dabei der Reichs- und Bundestag, der Reichs- und Bundespräsident und die Reichs- bzw. Bundesregierung sowie der Verfassungsschutz miteinander verglichen.
Dabei sollen ebenfalls die strukturellen Defizite der Weimarer Reichsverfassung betrachtet, jedoch nicht ihr Scheitern erklärt werden. Des Weiteren soll beurteilt werden, inwieweit bei der Erstellung des Grundgesetzes aus den Fehler der Vergangenheit gelernt wurde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vergleich der Regierungssysteme
2.1. Vergleich von Reichstag und Bundestag
2.2. Vergleich von Reichspräsident und Bundespräsident
2.3. Vergleich von Reichsregierung und Bundesregierung
2.4. Vergleich von Reichsrat und Bundesrat
2.5. Vergleich des Verfassungsschutzes
3. Aus den Fehlern gelernt - Schlussbetrachtung
4. Schaubilder
5. Quellenverzeichnis
5.1. Literaturverzeichnis
5.2. Webverzeichnis
1. Einleitung
Als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz verkündet wurde, hatte Deutschland nicht nur einen verheerenden Weltkrieg hinter sich, sondern auch einen ersten, bereits gescheiterten Versuch der langfristigen Etablierung einer parlamentarischen Demokratie.
Nach heutigem Wissensstand wies die Weimarer Republik mit ihrer Verfassung zahlreiche Fehler auf, die letztendlich auch ein Grund für ihren Untergang darstellten. Dennoch enthielt sie bis dato viele neue und brauchbare Ansätze, sodass ihre Verfassung als Vorbild für das Bonner Grundgesetz diente. Dieses wurde in den vergangenen 60 Jahren, seit seiner Verabschiedung, zwar mehrfach verändert, doch ist es im Kern mit seinen wichtigsten Gesetzen nach wie vor konstant. Dass es auch heute noch Stabilität in der Bundesrepublik garantiert, zeugt von seiner Qualität und dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde. Bis heute ist es Verfassungsfeinden nicht gelungen das Regierungssystem zu entmachten. Welche strukturellen Mängel die Weimarer Reichsverfassung dagegen aufwies, soll im Folgenden auch betrachtet werden.
Sowohl die Gründung der Weimarer Republik als auch die der Bundesrepublik Deutschland stellten einen Systemwechsel dar, der nach einem verlorenen Krieg vollzogen wurde.
So brach infolge des ersten Weltkrieges das deutsche Kaiserreich zusammen und Kaiser Wilhelm II musste abdanken. Diese Handlung stellte zeitgleich das Ende des Krieges, als auch der deutschen Monarchie dar. Zu dieser Zeit herrschten starke Unruhen im Land, daher war es „die zentrale Aufgabe der Nationalversammlung […] die Revolution durch die Verabschiedung einer neuen Verfassung zum Abschluss zu bringen.“[1]
Die gesamte Macht des Staates sollte von diesem Moment an beim Volk liegen. Den einzelnen Gliedstaaten standen von nun an keine eigenen Heere mehr zu und das Wahlsystem sollte im ganzen Reich gleich sein. Am 11. August 1919 wurde die Verfassung verabschiedet und somit die erste parlamentarische Demokratie in der deutschen Geschichte geschaffen.
Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung war es den Vätern des Grundgesetztes möglich auf ein bereits bestandenes Regierungssystem zurückzublicken und aus diesem entsprechende Schlüsse zu ziehen. Daher konnten sie die neue Verfassung nicht nur nach theoretischen Gesichtspunkten entwerfen, sondern auf bereits erlebte, praktische Erfahrungen zurückzublicken. Von zentraler Bedeutung war hierbei, wie eine erneute Machtergreifung von Verfassungsfeinden nicht nur erschwert, sondern gänzlich unmöglich gemacht werden konnte[2].
Nachdem der Parlamentarische Rat eine Verfassung erarbeitet hatte und diese von den alliierten Besatzungsmächten anerkannt wurde, trat sie am 23. Mai 1949 in Kraft. Allerdings erfolgte die Ratifizierung ohne die Zustimmung der deutschen Bevölkerung.
Sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Weltkrieg musste bei der Erarbeitung der Verfassung auf die Forderungen der Siegermächte eingegangen werden. Auf viele Elemente direkter Demokratie, die es noch in der Weimarer Reichsverfassung gegeben hatte wurde im Grundgesetz bewusst verzichtet[3].
Das Ziel dieser Hausarbeit soll es sein einen thematischen Vergleich zwischen den Regierungssystemen der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen und dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Verfassungswerke hervorzuheben.
Speziell wird dabei der Reichs- und Bundestag, der Reichs- und Bundespräsident und die Reichs- bzw. Bundesregierung, sowie der Verfassungsschutz miteinander verglichen.
Dabei sollen ebenfalls die strukturellen Defizite der Weimarer Reichsverfassung betrachtet, jedoch nicht ihr Scheitern erklärt werden. Des Weiteren soll beurteilt werden inwieweit bei der Erstellung des Grundgesetzes aus den Fehler der Vergangenheit gelernt wurde.
Da die gesamte Thematik sich sehr komplex darstellt, kann es lediglich Aufgabe dieser Hausarbeit sein, einen Überblick bzw. eine Einführung in das Thema anzubieten.
2. Vergleich der Regierungssysteme
2.1. Vergleich von Reichstag und Bundestag
Ebenso wie der Bundestag wurde der Reichstag vom Volk direkt auf 4 Jahre gewählt. Die Wahl erfolgte dabei allgemein, gleich und geheim. Wahlberechtigt waren alle Deutschen die das 19. Lebensjahr vollendet hatten. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte war es auch Frauen gestattet zu wählen. 60.000 Stimmen ergaben einen Platz im Parlament, was zur Folge hatte, dass der Reichstag, abhängig von der Wahlbeteiligung, unterschiedlich groß war.
Nach Artikel 68 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) oblag dem Reichstag die Funktion der Gesetzgebung. Er beschloss den Haushaltsplan (Art. 85 WRV) und hatte die Möglichkeit mit einer Zweidrittelmehrheit (Art. 76 WRV) die Verfassung zu ändern. Diesem Recht waren keine Artikel der Verfassung ausgenommen. Unveränderliche Artikel, wie im heutigen Grundgesetz, waren nicht vorhanden. Damit wäre es praktisch möglich gewesen die Staatsform der Weimarer Republik zu ändern. Mit Hinblick auf die Geschehnisse ab 1933 und der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes erwies sich dieser Umstand als gravierender Mangel der Verfassung und wurde dementsprechend bei der Schaffung des Grundgesetzes (GG) anders gehandhabt.
Anders als im Bundestag wurde der Kanzler nicht vom Reichstag gewählt, sondern lediglich vom Reichspräsidenten ernannt. Allerdings war dieser zusammen mit seinen Ministern laut Artikel 54 der Weimarer Reichsverfassung vom Vertrauen der Mehrheit des Parlamentes abhängig.
„Die Gesetzgebungskompetenz des Reichstags wurde […] durch ein generelles Einspruchsrecht der Ländervertretung, des Reichsrats, eingeschränkt“[4]. Allerdings besaß der Reichstag die Möglichkeit einen solchen Einspruch durch eine Zweidrittelmehrheit abzulehnen. Darüber hinaus besaß der Reichstag die Fähigkeit über Krieg und Frieden zu entscheiden (Art. 85 WRV) und konnte bei besonderen Vorkommnissen Untersuchungsausschüsse einberufen (Art. 34 WRV).
Selbst auflösen konnte sich der Reichstag nicht. Dieses Recht oblag lediglich dem Reichspräsidenten (Art. 25 WRV). Die Aussichten sich den Bestimmungen des Reichspräsidenten zu widersetzen waren recht überschaubar. Der Reichstag konnte verlangen, die getroffenen Maßnahmen außer Kraft zu setzen (Art. 48 Abs. 3 WRV). Er konnte laut Artikel 59 (WRV) den Präsidenten anklagen oder mit einer Zweidrittelmehrheit eine Volksabstimmung zu seiner Absetzung anordnen (Art. 43 Abs. 2 WRV). Jedoch waren diese Fähigkeiten, hinsichtlich ihrer Erfolgschancen, äußerst fragwürdig wie folgendes Beispiel verdeutlicht:
„Einmal - am 18. Juli 1930 - hat der Reichstag mit der Mehrheit eine wirtschaftliche Notverordnung abgelehnt. Prompt löste auf Brünings Wunsch der Reichspräsident […] den Reichstag auf. Die Notverordnung wurde wieder in Kraft gesetzt und musste vom neuen Reichstag toleriert werden, da anderenfalls eine erneute Auflösung drohte […].“[5]
Infolgedessen galt die politische Stellung des Parlaments als instabil, was mit der Tatsache, dass alle Legislaturperioden frühzeitig beendet wurden, belegt wird. Die Möglichkeit zu Volksbegehren und Volksentscheiden trugen aufgrund der wachsenden politischen Gegensätze in der Gesellschaft einen weiteren Teil zur Instabilität des Systems bei.[6]
Wie schon in der Weimarer Reichsverfassung heißt es ähnlich auch im Grundgesetz, dass die Wahl des Parlaments „allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim“ (Art. 38. GG) erfolgen soll. Wahlberechtigung sind nun alle Deutschen, die das 17. Lebensjahr vollendete haben. Gewählt werden 299 Kandidaten direkt und 299 über einen Parteiliste, sodass man von einem personalisierten Verhältniswahlrecht sprechen kann. Diese festgelegte Zahl der Abgeordneten (598) kann sich allerdings durch Überhangmandate noch weiter erhöhen. Dennoch ist die Anzahl der Abgeordneten nun als wesentlich stabiler zu bezeichnen, da sie nicht mehr von der Wahlbeteiligung abhängig ist.
Anders als in der in Deutschlands erster parlamentarischer Demokratie ist der Bundestag das einzige direkt vom Volk gewählte Bundesorgan und erhält dadurch eine besondere Legitimation und so kommt ihm wie in der Weimarer Republik dem Reichstag die Funktion der Legislative zu. Des Weiteren soll durch ihn die Meinung des Volkes artikuliert werden und er ist für die personelle Besetzung zentralstaatlicher Organe, teils zusammen mit dem Bundesrat zuständig. So ist „nach Art. 63 Abs. 1 es allein Aufgabe des Bundestages, den Bundeskanzler zu wählen; präsidentielle Kanzlerberufungen oder -abberufungen sind […] ausgeschlossen“[7]. Dieser Sachbestand hat ganz klar zum Ziele die Macht des Bundespräsidenten im Gegensatz zum Reichspräsidenten zu beschneiden. Zwar schlägt der Bundespräsident dem Bundestag formal einen Kandidaten vor, doch kann das Parlament auch einen eigenen Kandidaten wählen. Für den Fall, dass dieser Kanzlerkandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erhält, ist der Bundespräsident verpflichtet ihn zum Kanzler zu ernennen.
Während in der Weimarer Republik der Reichspräsident noch direkt vom Volk gewählt wurde, hat nun der Bundestag hierauf nun entscheidenden Einfluss. Durch die Bundesversammlung, die sich zu 50% aus Mitgliedern des Bundestages und zu 50% aus Gesandten der Länderparlamente zusammensetzt, wird nun der Bundespräsident gewählt.
Der Beschluss des Haushaltplans gehört ebenso wie die Kontrolle der Regierung zu den Aufgaben des Parlaments. Jedoch hat sich in der Praxis das Verhältnis dieser beiden Organe im Gegensatz zur Weimarer Republik deutlich verändert: „Anstelle eines Dualismus von Gesamtparlament und Regierung ist damit ein Dualismus von Parlamentsmehrheit (einschließlich Regierung) und parlamentarischer Opposition getreten.“[8] Diese Form der Dualität war in der Weimarer Republik nicht denkbar, da die antidemokratischen Kräfte des Reichstags hierfür zu stark waren. Daher waren die anderen demokratischen Parteien in der Opposition mehrfach dazu gezwungen, die Regierung zu unterstützen oder wenigstens zu tolerieren. Begünstigt wird diese neue Dualität durch die relativ starken Gegensätze der großen Parteien der Bundesrepublik CDU und SPD, sowie die relative Schwäche extremer Parteien.
Der gemeinsame Ausschuss, welcher auch als „Notstandsparlament“ bezeichnet wird setzt sich zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates und zu zwei Drittel aus Mitgliedern des Bundestages zusammen. Unter Vorsitz des Bundespräsidenten tritt der Ausschuss immer dann zusammen, wenn ein Zusammentreffen des Bundestages nicht möglich bzw. dieser nicht beschlussfähig ist[9]. Somit stellt dieser Umstand eine weitere Machtschiebung vom Präsidenten zugunsten des Parlaments dar.
Ebenso wie der Reichstag ist auch der Bundestag nach Artikel 44 des Grundgesetzes befähigt durch ein Viertel der Abgeordnetenstimmen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzuberufen und somit Sachverhalte zu klären die vom öffentlichen Interesse sind.
Beim Vergleich der Weimarer Reichsverfassung und des Grundgesetzes fällt eine weitere bedeutende Veränderung auf: Um in den Bundestag einzuziehen, müssen die Parteien nun bundesweit eine Mindestanzahl von fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten, um in den Bundestag einzuziehen. Eine Ausnahme bildet hierbei der Umstand, dass für den Fall der Wahl dreier Direktkandidaten einer Partei, diese mit voller Fraktionsstärke in den Bundestag einzieht, auch wenn ihr absoluter Zweitstimmenanteil insgesamt unter fünf Prozent liegt. Zwar steht das Prinzip der 5% Klausel einer gerechten Repräsentation der Wählerstimmen gegenüber, doch wird hierbei die Funktionsfähigkeit des Systems höher bewertet. Während heute fünf Fraktionen im Bundestag vertreten sind, konnte diese Zahl zu Zeiten der Weimarer Republik ohne Weiteres auf zehn bis fünfzehn ansteigen. Hieraus lässt sich ableiten, dass die eingeführte Sperrminorität ihre Existenzberechtigung zu Recht innehat und ihren Teil zu einem relativ stabilen Regierungshandeln beiträgt.
Verglichen mit Reichstag ist die Machfülle des Bundestages als deutlich gestärkt anzusehen, was letztendlich ebenfalls eine Stabilisierung des politischen Systems zur Folge hat. Im Gegensatz zum Reichstag ist „der Bundestag […] weder das Anhängsel des Kanzlers noch ein hinkendes Parlament“[10], wie es noch in der Weimarer Republik der Fall war.
2.2. Vergleich von Reichspräsident und Bundespräsident
Das Staatsoberhaupt der Weimarer Republik war der Reichspräsident. Er wurde von allen deutschen Bürgern, die mindestens 20 Jahre alt waren auf eine Amtszeit von sieben Jahre gewählt (Art. 41 WRV). Diese siebenjährige Zeit der Regentschaft sollte ihn unabhängig von häufigen Reichtags- und noch häufigeren Regierungswechseln machen und somit für Stabilität und Kontinuität sorgen. Die Möglichkeit einer Wiederwahl war vorhanden (Art. 43 WRV). Aufgrund seiner Fülle an Machtbefugnissen wurde er und wird auch heute noch oftmals als „Ersatzkaiser“ bezeichnet[11].
Nach Artikel 53 der Weimarer Reichsverfassung oblag es dem Reichspräsidenten den Kanzler und die Reichsminister, also die Regierung, zu ernennen und ebenso auch zu entlassen. Hierdurch erhielt der Präsident umfassende Möglichkeiten auf die Bildung der Regierung Einfluss zu nehmen. Das Vertrauen des Parlaments bei der Minister- oder Kanzlerernennung war zwar gewünscht jedoch keineswegs erforderlich. Somit war es möglich und wurde später auch dementsprechend angewendet, den Reichskanzler gegen den Willen des Reichstags einzusetzen[12].
Darüber hinaus ernannte und entließ er die Reichsbeamten und die Offiziere der Wehrmacht (Art. 53 WRV), über die er auch den Oberbefehl besaß (Art. 47 WRV). Ebenso wie der Bundespräsident der BRD hatte er repräsentative Aufgaben und vertrat das Reich nach außen (Art. 45 WRV). Durch den Reichstag verabschiedete Gesetze musste der Reichspräsident auf Verfassungsmäßigkeit hin prüfen und dann innerhalb eines Monats verkünden (Art. 70 WRV) oder konnte, falls er nicht einverstanden war, einen Volksentscheid anordnen (Art. 73 WRV) und das Gesetz somit eventuell zu Fall bringen. Zwar wurde dieses Recht niemals angewendet, doch wird allein sein Vorhandensein eine Wirkung auf das Parlament gehabt haben.
Ein besonderes Recht, dass der Reichspräsent erhielt, war im Artikel 25 der Weimarer Reichsverfassung, der ihm die Fähigkeit gab den Reichstag vor dem Ablauf seiner Legislaturperiode aufzulösen. Eingeschränkt wurde dieses Recht lediglich damit, dass das Parlament nicht zweimal aus demselben Grund aufgelöst werden konnte, was höchstens als formelle und daher leicht zu umgehende Beschränkung angesehen werden kann.
Durch diese Befähigung war der Reichspräsident in der Lage einen erheblichen Druck auf den Reichstag auszuüben, da er diesen quasi nach Belieben und eigenem Ermessen auflösen konnte, wenn er der Meinung war, dass das Parlament nicht nach seinen Vorstellungen handelte. Ein Beispiel aus der Praxis stellte eine Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. Juni 1932 zur Auflösung des am 14.9.1930 gewählten Reichstages dar (RGBI. I. S. 255):
„Aufgrund des Artikels 25 der Reichsverfassung löse ich mit sofortiger Wirkung den Reichstag auf, da er nach dem Ergebnis der in den letzten Monaten stattgehabten zu den Landtagen der deutschen Länder dem politischen Wollen des deutschen Volkes nicht mehr entspricht.“[13]
In diesem Zusammenhang erscheint es deshalb nicht verwunderlich, dass allen Wahlen in der Weimarer Republik eine Auflösung des Reichstags vorherging und kein vom Volk gewähltes Parlament die vollen vier Jahre der Legislaturperiode überdauerte.
Der Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung gestand dem Reichspräsidenten noch weitere Vollmachten zu, die über ein Auflösen des Reichstages hinausgingen.
So heißt es im ersten Absatz (Art. 48 WRV) im unter anderem, dass ein zum Reich gehörendes Land, falls es sich geltenden Reichsgesetzen widersetzt, mit Waffengewalt zu deren Einhaltung gezwungen werden kann.
Der zweite Absatz (Art. 48 WRV) bevollmächtigt den Präsidenten bestimmte Grundrechte zeitlich begrenzt außer Kraft zu setzen, falls dies zur Widerherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beiträgt und Notverordnungen mit Gesetzescharakter zu erlassen.
Zwar musste der Reichspräsident das Parlament über seine getroffenen Maßnahmen unverzüglich in Kenntnis setzen und diese auf Verlangen des Reichstages wieder rückgängig machen, doch blieb die überlegene politische Stellung des Präsidenten vorhanden.
Ursprünglich war geplant, dass der Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung durch ein so genanntes „Ausführungsgesetz“ weiter konkretisiert werden sollte, doch dazu kam es nie.[14]
Obwohl die Notstandsverordnungen anfangs zum Schutz vor inneren Unruhen und Putschen gedacht waren, wurden sie im Laufe der Zeit immer häufiger zur Lösung von innenpolitischen Problemen im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich verwendet.
Da durch den Art 48 (WRV) die Möglichkeit bestand die Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion des Reichstages vorübergehend außer Kraft zu setzen, waren in dieser Zeit folglich sowohl die exekutive- als auch die legislative Gewalt des Landes in der Hand des Reichspräsidenten.
Durch all diese Befugnisse erschien der Reichspräsident als direkter Gegenspieler des Parlaments, der die Macht des Reichstags bewusst einschränken sollte.
Infolge der Zersplitterung und der unbeständigen Mehrheitsverhältnisse, liegt die Vermutung nahe, dass der Reichstag oftmals sogar mit den getroffenen Notstandsverordnungen einverstanden war, da auf diese Weise der Weg der Gesetzgebung deutlich verkürzt werden konnte.[15] Daraus ergab sich jedoch eine „Ohnmacht“ des Parlaments, da es zum einen beim Widerstand gegen den Reichspräsiden die Auflösung befürchten musste und zum anderen nicht einmal gezwungen war regierungsfähige Mehrheiten zu finden, da das Staatsoberhaupt in seiner „Ersatzfunktion“ Gesetze (Notverordnungen) verabschieden konnte.[16]
[...]
[1] Ursula Büttner, Weimar, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2008, S. 112
[2] Wolfgang Rudzio, Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 7. Auflage, Wiesbaden 2006, S. 32
[3] Thomas Krüger, „Einmischung erwünscht! 60 Jahre Grundgesetz“. Stand: 22. Mai 2009. URL: http://www.bpb.de/presse/VH72K5,0,Einmischung_erw%FCnscht!_60_Jahre_Grundgesetz.html (abgerufen am 01. September 2009)
[4] Büttner, Weimar, S. 114
[5] Hans-Joachim Winkler, Die Weimarer Demokratie, Erstausgabe, Berlin 1963, S. 48
[6] http://www.thueringen.de/imperia/md/content/text/lzt/5.pdf (abgerufen am 01. September 2009)
[7] Oscar W. Gabriel und Everhard Holtmann, Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, München 1999, S. 130
[8] Rudzio, Das politische System der Bundesrepublik, S. 197
[9] Gabriel und Holtmann, Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, S. 132
[10] Manfred G. Schmidt, Das politische System Deutschlands, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2008, S. 160
[11] http://www.preussen-chronik.de/ereignis_jsp/key=chronologie_010360.html (abgerufen am (01. September 2009)
[12] Friedrich Schäfer, Die Stellung des Staatsoberhaupts in Verfassung und politischer Praxis von Weimar und Bonn, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), 1919 - 1969 Parlamentarische Demokratie in Deutschland, 1970, S. 58
[13] Winkler, Die Weimarer Demokratie, S. 46
[14] http://www.thueringen.de/imperia/md/content/text/lzt/5.pdf (abgerufen am 04. September 2009)
[16] Winkler, Die Weimarer Demokratie, S. 47