Die Arbeit stellt ein Wachstumsmodell nach Marglin/Bhaduri (1990) und seine außenwirtschaftliche Erweiterung nach Hein (2004) vor. Sie gibt zudem eine Übersicht über empirische Untersuchungen, denen dieses Modell zugrunde liegt und die für verschiedene OECD-Länder Wachstumsregime bestimmen.
Die Ergebnisse werden besipielhaft anhand der Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nachvollzogen.
Inhalt
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Wiederholung Grundmodell nach Marglin & Bhaduri (1990)
2.1 Modellgrundzüge
2.2 Stagnationist, co-orporative regime und wage-led growth
2.3 Exhilarationist, conflictual regime und profit-led growth
2.4 Das Ende des Golden Age
2.5 Außenwirtschaftliche Erweiterung
2.6 Zwischenfazit
3 Empirische Ergebnisse
3.1 Bowles/Boyer (1995) über Frankeich, Deutschland, Japan, USA, UK
3.1.1 Annahmen
3.1.2 Ergebnisse
3.2 Naastepad/Storm (2006) über die OECD-Länder
3.2.1 Annahmen
3.2.2 Ergebnisse
3.3 Hein/Vogel (2007) über Österreich, Frankreich, Deutschland, Niederlande, UK, USA
3.3.1 Annahmen
3.3.2 Ergebnisse
3.4 Ederer/Stockhammer (2007) über Frankreich
3.4.1 Modellannahmen
3.4.2 Ergebnisse
3.5 Ergebniszusammenfassung
4 Ergebnisvergleich am Beispiel Frankreichs und Deutschlands
5 Zusammenfassung und wirtschaftspol. Schlussfolgerungen
Anhang
Abbildungen
Tabellen
Literatur
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Was induziert Wachstum und inwieweit kann Lohnpolitik in modernen Volkswirtschaften zu erhöhtem Wachstum beitragen? Was hat das hohe Wachstum im Golden Age beeinflusst und welche alternativen wirtschaftspolitischen Ansätze können höheres Wachstum der Weltwirtschaft beeinflussen?
Auf diese Fragen soll im Folgenden versucht werden zu antworten. 1990 entwickelten dazu Marglin und Bhaduri ein Modell effektiver Nachfrage, dass sie selbst als Hybrid aus Keynes und Kalecki bzw. Keynes und Marx bezeichneten (Marglin/Bhaduri 1990, S.160). Sie entwerfen dabei einen Wachstumsansatz, der eine Mark-Up Preissetzung, die Kapazitätsauslastung und die ambivalente Bedeutung von Löhnen berücksichtigt und dazu dienen soll, das Ende des Golden Ages und die Veränderungen in der Wirtschaft zu erklären. Das Modell soll im Abschnitt 2 kurz in seinen Grundzügen vorgestellt werden. Unter 2.5 erfolgt dann eine außenwirtschaftliche Erweiterung des Grundmodells, die für den weiteren Verlauf der Untersuchung wichtig ist.
Im Abschnitt 3 werden vier unterschiedliche Untersuchungen auf Basis des Marglin/Bhaduri-Modells vorgestellt. Anhand empirischer Daten wird dabei untersucht, inwieweit sich eine Verteilungsänderung auf die Elemente der aggregierten Nachfrage – Konsum, Investitionsnachfrage und Exporte – auswirkt und somit die Akkumulation bzw. das Wachstum unterstützt bzw. reduziert. Um ein relativ breites Vorgehen zu garantieren, werden zunächst die Annahmen jeder Untersuchung dargestellt. Für einen besseren Überblick wird dabei versucht, alle Formeln mit denselben Variablen zu schreiben, sofern dies den einzelnen Modellen nach möglich ist. Anschließend werden die Untersuchungsergebnisse für die betrachteten Volkswirtschaften dargestellt, wobei auf methodische Kritik wie Signifikanzen verzichtet werden soll.
Nach einer kurzen Zusammenfassung unter 3.5 folgt in Abschnitt 4 noch ein kurzer Vergleich Frankreichs und Deutschlands. Dabei soll Beispielhaft eine kurze Kritik erfolgen.
Abschließend folgt in Abschnitt 5 eine kurze Zusammenfassung der Untersuchung. Dabei soll auch auf wirtschaftspolitische Implikationen eingegangen werden.
2 Das Grundmodell nach Marglin & Bhaduri (1990)
2.1 Modellgrundzüge
Marglin/Bhaduri (1990) haben in ihrem Aufsatz mehrere Erklärungsansätze. Sie versuchen, die weit verbreitete Ansicht zu widerlegen, Keneysianische Theorien dienten nur der kurzen Frist, während neo-klassische Modelle die langfristige Entwicklung widerspiegelten. Dazu entwickeln Marglin/Bhaduri (1990) ein Modell auf kaleckianischer/post-keynesianischer Grundlage, das die Entwicklung der Industrienationen bzw. deren ökonomische Veränderung insbesondere im und nach dem „Golden Age“ (also dem Zeitraum zwischen dem Zweiten Weltkrieg bis etwa zur ersten Ölkrise) veranschaulicht. Sicherlich in Anlehnung an Marx’sche Ansätze ist der Titel ihres Aufsatzes „Profit Squeeze“.[1]
Marglin/Bhaduri (1990) gehen bei ihren Grundannahmen davon aus, dass Unternehmen Preissetzer sind. Die Differenz aus Kosten (insbesondere) und „gesetztem Preis pro Stück ergibt die Stückprofite. Löhne sind ambivalent, denn „wages [sind] […] a source of cost [… und] a source of demand“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.153). Weiter ist festzustellen, dass „the rate of profit […] high [sein kann] even if the profit margin and the share of profit […] are low” (Marglin/Bhaduri 1990, S.153).[2]
Die Profitrate ist wie folgt definiert: Sie ergibt sich auf der Profitquote h, der Kapazitätsauslastung u und dem Kehrwert des Vollauslastungskapitalkoeffizienten 1/vV .
(1) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unter der Annahme, dass aus dem Lohneinkommen nicht gespart wird, sondern nur aus Profiten, ergibt sich die folgende Sparrate σ:
(2) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das alleinige Sparen aus den Profiten hängt also ab von der Profitsparquote sπ und der Profitrate r, also von der Profitquote, der Kapazitätsauslastung und dem Vollauslastungskapital-koeffizienten. Den zweiten Bestandteil der aggregierten Nachfrage bilden die Investitionen i. Sie sind bestimmt von der erwarteten Profitrate re, der Profitquote h und der Kapazitätsauslastung u, wie Gleichung (3) zeigt.
(3) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier zeigen sich zwei Einflussfaktoren: Sinken die Profite, so ist weniger Einkommen zur Akkumulation verfügbar und dies reduziert das Wachstum. Auf der anderen Seite antizipieren die Unternehmen dadurch auch niedrigere Profite in der Zukunft und dies führt wiederum zu einer „reduction in the demand of investment“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.154). Den Einfluss des langfristigen Realzinses auf die Investitionen erwähnen die Autoren, betrachten ihn aber aus Vereinfachungsgründen nicht weiter.
Die Angebotsseite betreffend, definieren Marglin/Bhaduri (1990) den folgenden Mark-Up,
(4) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei b den Einfluss der Kapazitätsauslastung u auf die Profitquote h darstellt.
Im Gleichgewicht gilt, dass Investitionen gleich der Ersparnis sein müssen. Unter dieser Annahme und unter Zuhilfenahme der Gleichungen (2) und (3), ergibt sich die folgende Gleichung (5), die die Steigung der IS-Kurve beschreibt:
(5) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Je nach Vorzeichen steigt oder fällt die IS-Kurve. Für beide Fälle definieren Marglin/Bhaduri (1990) bestimmte Eigenschaften: stagnationist regime und exhilarationist regime. Die soll kurz im Folgenden erläutert werden.
2.2 Stagnationist, co-orporative regime und wage-led growth
Haben Zähler und Nenner von Gleichung (5) dasselbe Vorzeichen, so befindet sich eine Volkswirtschaft in einem stagnationist regime, d.h., dass eine „lower profit share […] associated with a higher level of economic activity“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.164) ist. Diese Situation ist verbunden mit einem co-orporative regime, in dem „workers and capitalists […] a common interest in expansion“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.171) haben. Dies hängt im Wesentlichen von der Elastizität der IS-Kurve ab. So ist eine flache, fallende IS-Kurve in einem „wage-led growth regime […] in which a higher wage share is a associated with a higher rate of accumulation“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.172), vorzufinden.
2.3 Exhilarationist, conflictual regime und profit-led growth
Haben Zähler und Nenner der Gleichung (5) anders als im stagnationist regime unterschiedliche Vorzeichen, befindet sich die Volkswirtschaft in einem exhilarationist regmie, d.h., dass „ a higher profit share goes along with a higher level of activity“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.164). Verbunden ist dieses mit einem conflictual regime, „in which one class or another loses from an increase in the level of capacity utilization“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.171). Anders als im stagnationist-co-orporative regime sind alle anderen Elastizitäten der IS-Kurve conflictual. Beschrieben wird dieses profit-led growth regime durch eine steigende IS-Kurve, wobei eine flache Steigung als Ausdruck eines stagnationist-co-orporative regime beschrieben werden kann, wobei dies „exceptional in that higher growth and profit rates are archived at lower rates of capacity utilization“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.172) ist. Die anderen profit-led regime, also exhilarationist-conflictual, sind dadurch geprägt, „that higher profit and growth rates go along with higher capacity utilization“(Marglin/Bhaduri 1990, S.172).
2.4 Das Ende des Golden Age
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Industrienationen v.a. in einem stagnationist-co-orporative regime. Marglin/Bhaduri (1990) führen das darauf zurück, dass bei den Unternehmen ein Fehlen von „confidence in the future, fearing that depression, which was widely predicted as the ‘natural‘ aftermath of war“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.175), insbesondere vor dem Eindruck des 1929 Börsencrashs festzustellen ist. Daher auch der allgemeine Konsens über das co-orporativ stagnationist regime. Nach Ausbleiben der erwarteten Depression veränderte sich dies allerdings. Zudem überstiegen die erwarteten Profite re die realisierten Profite r. Dies hat Auswirkungen auf die Gleichung (3) und somit auf die IS-Kurve, deren Elastizität – und damit auch die regime -Eigenschaft von co-orposartive zu conflictual – sich veränderte. Dies war nach den Autoren in den 1950er und frühen 1960er Jahren der Fall (Marglin/Bhaduri 1990, S.176). Der Effekt war ein moderater Anstieg der Kapazitätsauslastung, aber eher ein Fallen der Profitrate. Trotzdem scheint die IS-Bewegung relativ gering gewesen zu sein, da die Investitionsnachfrage weiter stieg.[3] In den 1970er Jahren wirken sich drei Faktoren stark auf diese Situation: „the cost of energy increases dramatically and the full capacity capital/output ratio increases […] aggregate demand management is pursued less aggressively […] the very integrity of international financial system begins to play an important role“(Marglin/Bhaduri 1990, S.177). Das führte zu einem niedrigeren Wachstum.
Anders als in der „illusion, that a new […] co-orporative capitalism had replaced the antagonistic class relations” (Marglin/Bhaduri 1990, S.184), wie in der Nachkriegszeit angenommen, wollen Marglin/Bhaduri (1990) damit auch aufzeigen, dass diese Entwicklung auch auf Fehler sozial-demokratischer / links-Keynesianischer Ansätze zurückzuführen ist, die zwar die Wichtigkeit der effektiven Nachfrage durch hohe Löhne erkennen, gleichzeitig aber übersehen, dass Löhne eine Ambivalenz aufweisen: Sie sind nicht nur Nachfragedeterminanten, sondern auch Kostenfaktoren. Mit der Vollbeschäftigung in den 1960er Jahren entwickeln sich laut Marglin/Bhaduri (1990, S.153) Löhne stärker als die Arbeitsproduktivität, was den Profit-Squeeze verursachte und damit den Rückgang des Wachstums.
Als Reaktion auf all diese Entwicklungen sehen Marglin/Bhaduri (1990) den Übergang vom stagnationist wage-led growth regime zum exhilarationist profit-led growth regime. So kann man u.a. das wirtschaftliche Programm der Thatcher-Regierung in Großbritannien deuten (vgl. Marglin/Bhaduri 1990, S.170). Da sich eine Volkswirtschaft zwischen beiden Stadien befinden kann, stellen die Autoren fest, dass „either a policy of a higher wage shares […] or higher profit shares“ erfolgreich sein kann, sofern sie „consistently and aggresively“ verfolgt wird um somit „sufficient aggregate demand for high employment and high capacity utilization“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.169) zu garantieren.
Trotzdem weisen die Autoren darauf hin, dass die aktuellen Probleme (1990) von geringem Wachstum vor dem Hintergrund eines exhilarationist profit-led regime nur die folgende Möglichkeit aufweisen: Damit „profit-led growth“ sich wieder entfalten kann, bedürfe es eines „active demand management“ und einer „successful reform of the international financial system“ (Marglin/Bhaduri 1990, S.184).[4]
[...]
[1] Der Profit-Squeeze -Ansatz gehört mit zu den maxistischen Krisentheorien: Kurz zusammengefasst kommt es durch hohe Löhne es zum Fall der Profitrate und damit einem Rückgang der Investitionen.
[2] Ausführlicher zu prinzipiellen Grundannahmen Kaleckianischer Modelle s. Hein 2004, S. 177 ff.
[3] Die Autoren stellen in diesem Zusammenhang auch fest, dass der genaue Verlauf der IS-Kurve kaum beschreibbar ist. Wie Abbildung 1 und Abbildung 2 im Anhang zeigen, wäre sowohl ein C-förmiger, als auch ein U-förmiger Verlauf möglich.
[4] Alternativ verweisen die Autoren auf den Meidner-Plan, Wachstum/Akkumulation von Profitabilität zu trennen. Dies soll aber nicht weiter ausgeführt werden. Vgl. dazu Marglin/Bhaduri 1990, S.184