Gelungener Kompetenzerwerb durch offenen oder strukturierten Unterricht?
Eine Untersuchung in der Oberstufe einer kooperierenden Gesamtschule
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Voruberlegungen und konzeptionelle Uberlegungen
2.1 Die Erfordemisse eines sich wandelnden Bildungsbegriffes - Forschungshypothesen
2.2 Gesellschaftstheoretische wie allgemeindidaktische Rahmenbedingungen
2.3 Didaktischer Paradigmenwechsel? Der offene Unterricht als individualisierter Unterricht
2.4 Strukturierter und offener Unterricht - (k)ein Widerspruch?
2.4.1 Der strukturierte Unterricht
2.4.2 Der geoffnete Unterricht
3 Anlage der Untersuchung
3.1 Evaluation und Indikatoren - Begrundung
4 Anlage der Unterrichtseinheit
4.1 Angaben zur Lerngruppe
4.2 Thema der Unterrichtseinheit und Einbettung in die Gesamtplanung
4.3 Begrundung der didaktischen Entscheidungen
4.3.1 Sachanalytische Hinweise
4.3.2 Didaktische Entscheidungen
4.4 Begrundung der Methoden- und Medienauswahl
4.6 Uberblick uber den Verlauf der Unterrichtseinheit
5 Auswertung der Unterrichtseinheit
5.1 Freies Arbeiten oder strukturiertes Lernen - meine Beobachtungen
5.2 Die Meinung der ExpertInnen
5.2.1 Vorteile des geoffneten Unterrichtes
5.2.2 Schwierigkeiten geoffneten Unterrichtes
6 Schlussfolgerungen
6.1 Neujustierung von SchulerInnen- und LehrerInnenrolle
7 Fazit
8 Literatur
1 Einleitung
„Offener Unterricht ist in Perfektion nur in entschulten Situationen vorstellbar.“[1] Die Aussage Ramseg- gers wirft die Frage auf, ob die Rede vom geoffneten Lernen, vom offenen Unterricht, nicht ein Antago- nismus darstellt, dessen schwunghafte Karriere einzig seiner plakativen Neuartigkeit geschuldet ist. Nichtsdestoweniger soll in dem hier reflektierten Unterrichtsversuch die Starken eines geoffneten Unter- richts ausgelotet werden.
Unterricht in der Institution Schule ist durch Strukturen gekennzeichnet: Das beginnt beim Stundenklin- gel und hort bei den schriftlich festgehaltenen Erwartungen hinsichtlich der zu erlernenden Wissensbe- stande und Kompetenzen auf. Diesen Unterricht nun zu offnen, ist ein Grundtenor zeitgenossischer Vor- stellung von Schule, und doch bleibt der Anspruch aufgrund der gegenwartigen institutionellen Situation kaum eingelost. Im Folgenden geht es darum, in kleinen Schritten auf die Potentiale und Fallstricke des geoffneten Unterrichtes zu verweisen.
2 Theoretische Voruberlegungen und konzeptionelle Uberlegungen
2.1 Die Erfordernisse eines sich wandelnden Bildungsbegriffes - Forschungshypothesen
Der gesellschaftliche Wandel beruhrt unsere Vorstellung von Bildung und dementsprechend die Ausrich- tung von Schule. Die Bildungskommission von Nordrhein-Westfalen hat in ihrer Denkschrift „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“ auf diese Neuausrichtung verwiesen und die Errichtung einer „Neuen Lernkultur“ gefordert, die den traditionellen Lernbegriff, der von einem festen Wissenskanon ausgeht, verabschiedet.[2] Damit verbunden ist die Kritik an starren Lehrplanen und an der Vorstellung von Lerner- gebnissen „im Sinne der Reproduktion uberprufbaren Wissens“[3]. Bildung soll als ein „individueller, aber auf die Gesellschaft bezogener Lern- und Entwicklungsprozess verstanden werden“[4]. Innerhalb dieser Lernkultur soll die Befahigung erworben werden, eigene Sinn- und Deutungshorizonte auszubilden und Mitverantwortung fur das soziale Gefuge zu ubernehmen und die eigenen Anspruche mit denen seiner Mitmenschen und der Gesellschaft in Einklang zu bringen. Dementsprechend wird Bildung als eine Kul- turtechnik verstanden, die die Hervorbringung des selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gleich- zeitig relational orientierten Menschen zum Ziel hat. Anschliebend daran steht in lerntheoretischer Pers- pektive der Gedanke, dass die Individualisierung von Lernprozessen dem Lernen am forderlichsten sind, insbesondere „wenn der Lernende den Lernprozess verantwortlich mitbestimmt“.[5]
Die geschilderten Veranderungen und Annahmen haben Auswirkungen auf die Vorstellung, wie Lernen gelingen kann, namlich als selbstgesteuertes und im Optimalfall als selbstbestimmtes Lernen.
Um dieses Ziel eines individualisierten Lemens zu erreichen, werden auch die Formen des Lemens ver- andert. So avanciert der offene/geoffnete Unterricht zu einer wichtiger werdenden Form, der die unter- schiedlichen fachlichen Leistungsniveaus und die personlichen Neigungen und Interessen der SchulerIn- nen berucksichtigen will. Die Konzepte offenen/ geoffneten Unterrichtens variieren, darunter fallen so- wohl Formen der mehr oder weniger strukturierten Frei- oder Projektarbeit als auch die Orientierung an einer vollkommen freien Wahl von Raum, Zeit, Sozialform des Lemens, Inhalt und methodischen Zu- gang. Ob diese Konzepte tatsachlich erfolgsversprechender sind, als traditionelle von der Lehrkraft wohl- strukturierte Unterrichtsformen, gilt es zu uberprufen. Von diesen Voruberlegungen ausgehend stehen folgende Fragen auf dem Prufstand:
- Unterstutzt ein offener Unterricht die Aneignung von fachlichen Inhalten?
- Und weiter: Welche Bereiche des uberfachlichen Lernens werden durch geoffnete Formen beruhrt? ,Aneignung der Inhalte’ meint das Verstandnis der Fachinhalte, hingegen begreift der Term des uberfach- lichen Lernens eine Kompetenzorientierung hinsichtlich uberfachlicher Inhalte. Daher formuliere ich folgende Hypothesen als Antwort auf meine erkenntnisleitende Fragestellung:
- Offenes Arbeiten ermoglicht eine intensivere Auseinandersetzung mit Fachinhalte n, d.h. z.B. die Konfrontation von Fachinhalten mit der eigenen Lebenswelt (Wissenserwerb).
- Offenes Arbeiten ermoglicht in Lernzusammenhangen Identitatsfindung und soziale Erfah- rungen, die uber einen rein fachlichen Wissenserwerb hinausgehen (Sozialkompetenz).
- Offenes Arbeiten ermoglicht ebenfalls die individuelle Erprobung von Arbeitsformen und Arbeitstechniken (Handlungsorientierung).
2.2 Gesellschaftstheoretische wie allgemeindidaktische Rahmenbedingungen
Die Diskussionen um neue Lernformen bzw. neue Lernkulturen haben zu Recht Hochkonjunktur. Dahin- ter steht die Frage, wie „Lernen“ unter sich verandernden gesellscha^lichen wie individuellen Rahmen- bedingungen gelingen kann. Innerhalb des sozialen Wandels, der neue Anforderungen an das einzelne Individuum stellt wie die Fahigkeit, sich in heterogenen Gruppen zu bewegen, sind tradierte Formen iden- titarer Bildung abgeschwacht, wenn nicht gar verloren gegangen. Innerhalb einer offenen, hochkomple- xen Gesellschaft sind Jugendliche dazu aufgerufen, einen eigenen Identitatsprozess zu durchlaufen, der zunehmend weniger an die herkommlichen Sozialisationsinstanzen gebunden ist. Die Entwicklung eines eigenen Wertekonzeptes und die Auspragung von Entscheidungs- und Einschatzungskompetenzen sind individuell zu bewaltigende Aufgaben angesichts pluralisierender Werthorizonte.
Diese Auf- und Anforderung an die Schule, sich mit neuen Lemkulturen zu beschaftigen, erwachst nicht allein aus den veranderten Sozialisationsbedingungen heutiger SchulerInnen. Auch der Wandel, der unter dem Stichwort der „Wissensgesellschaft“[6] gefasst wird, akzentuiert ein Umdenken im Bildungssystem. Da die exponentielle Zunahme von Wissensbestanden durch die Institution Schule, durch die Lehrenden und die Lerner kaum noch zu bewaltigen ist, wird verstarkt auf die Notwendigkeit von Prozessen verwie- sen, in welchen „die gemeinsame [...] Erkundung durch Lehrende und Lernende“[7] den zentralen Platz einnehmen soll. Im Fokus steht die Starkung der sowohl fachlichen als auch uberfachlichen Kompeten- zen. Problemerkennung und -losung sind hier die Stichworte kompetenzorientierten Lernens. Kompeten- zen bezeichnen im Sinne von Weinert „die bei Individuen verfugbaren oder durch sie erlernbaren kogni- tiven Fahigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu losen, sowie die damit verbundenen moti- vationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fahigkeiten, um die Problemlosung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu konnen.“[8]
Aus dieser Situation heraus wird selbststandiges, kompetenzorientiertes Lernen zur bildungspolitischen, allgemeindidaktisches wie auch zur didaktisch-methodischen Herausforderung. Lernen wird demnach verstanden als individuellen Prozess, „der von auben nicht direkt gesteuert, wohl aber angeregt, gefordert und organisiert werden kann.“[9] Dieser Ansatz bezuglich der kunftigen Lernarrangements soll individuelle Losungsstrategien bei problembezogenen Bearbeitungen ermoglichen.
„Der Unterricht ermoglicht individuelle Lernwege und individuelle Lernforderung durch ein Lernen, das in zuneh- mendem Mabe die Fahigkeit zur Reflexion und Steuerung des eigenen Lernfortschritts fordert und fordert. Das geschieht dadurch, dass sich die Schulerinnen und Schuler ihrer eigenen Lernwege bewusst werden, diese weite- rentwickeln sowie unterschiedliche Losungen reflektieren und selbststandig Entscheidungen treffen.“[10]
Schwerpunkte dieser curricularen Ausrichtung liegen unter anderem in der Handlungs- und Kompetenz- orientierung.[11] Schule wird demnach zum Ort, an dem Lernen vermehrt die Einubung von Einschatzungs- und Entscheidungskompetenz bedeutet.
2.3 Didaktischer Paradigmenwechsel? Der offene Unterricht als individualisierter Unterricht
Die Veranderungen bezuglich der Konzeption von Schule, angefangen von den zu vermittelnden Wissensbestanden uber die Kompetenzen bis hin zum ,Bild‘ des Lernenden, begleiten die Institution von Beginn ihres Bestehens an. Gasser spricht von einem Paradigmenwechsel von der Hebartianischen Lern- kultur der aufeinanderfolgenden Lernstufen mit paralleler Wissenskumulation hin zu einem Lernver- standnis, welches in der Folge der Reformpadagogik als „zentrale Kategorie“ das lernende Subjekt „mit seiner individuellen Lerngeschichte, mit seiner Lernfahigkeit und Lernwilligkeit“[12] akzentuiert.
Im Zusammenhang mit diesen gesellschaflichen Entwicklungen, die zu neuen, nicht nur didaktischen Herausforderungen fuhren, hat auch der Bildungsbereich reagiert und in vielen Schulprogrammen und Leitbildern ist ein Schwerpunkt der schulischen Aufmerksamkeit bestimmt: Es geht um Individualisierten Unterricht. Im Programm der Max Brauer Schule Hamburg vom 27.06.2000 hort sich das fur den Pri- marschulbereich folgendermaben an:
„Folgende Punkte sind dabei fur uns besonders wichtig:
Jedes Kind muss die Moglichkeit haben:
- in seinem eigenen Tempo zu lernen, d.h. den zeitlichen Rahmen in bestimmten Grenzen selbst zu setzen.
- zu wahlen, was es wann lernen mochte bzw. kann, d.h. den inhaltlichen Rahmen in bestimmten Grenzen selbst zu wahlen.
- selbst herauszufinden, wie es am besten lernt, d.h. zwischen unterschiedlichen Lernangeboten frei zu wahlen.“[13]
Gerade in den unteren Klassenstufen schaut man dabei auf eine lange Tradition des individualisierten Lernens, speziell uber einen offenen Unterricht zuruck. Der offene Unterricht wird hierbei nicht als Me- thode verstanden, sondern als eine padagogische Grundhaltung gegenuber sich selbst als Lehrperson und vor allen Dingen gegenuber den Kindern und Jugendlichen. Wallrabenstein definiert den offenen Unterricht als „Sammelbegriff fur unterschiedliche Reformansatze in vielfaltigen Formen inhaltlicher, methodischer und organisa- torischer Offnung mit dem Ziel eines veranderten Umgangs mit dem Kind auf der Grundlage eines veranderten Lernbegriffs.“[14]
Wahrend in der Grundschule mannigfache Erfahrungen mit geoffneten Unterrichtsformen vorliegen, stellt sich die Situation in der Sekundarstufe anders dar. Sowohl die institutionelle Strukturierung als auch die Stofffulle und konkurrierende Facher erschweren die Einfuhrung offener Verfahren. Besonders in der Sekundarstufe II wird haufig aufgrund der Vorbereitung auf den universitaren Bildungsweg und einer uberholten Hochschuldidaktik die lineare Wissensvermittlung in den Vordergrund gestellt. Dementspre- chend folgt mein Unterrichtsversuch der Idee, gerade in der Oberstufe spezifische Dimensionen des Un- terrichts zu offnen und die Bedingungen des Gelingens und den padagogischen Mehrwert zu eruieren.
2.4 Strukturierter und offener Unterricht - (k)ein Widerspruch?
In meiner Untersuchung kommen sowohl Formen des strukturierten als auch des geoffneten Unterrichtes vor. Ein offener Unterricht in Reinform bedingt die Auflosung der Institution Schule. Im Folgenden wer- de ich eine Abgrenzung bzw. Annaherung von strukturiertem und geoffnetem Unterrichtsformen vorstel- len und nach den bedeutenden Aspekten, die diese unterschiedlichen Formen kennzeichnen, fragen.
2.4.1 Der strukturierte Unterricht
Der strukturierte Unterricht ist nicht gleichzusetzen mit Frontalunterricht. Er kann individuelle und indi- vidualisierte Arbeitsphasen enthalten. Beiden gemein ist jedoch die starke Lehrersteuerung. Gegenstand, Ziele und der Weg sind vorstrukturiert, die Strukturgebung dient der Entlastung und gleichzeitigen Klar- heit des padagogischen Prozesses. Mit den Zielvorgaben werden von der Lehrkraft vorbereitete Wissens- abschnitte zur Be- und Verarbeitung dargereicht. Sowohl die Verfahren der Darstellung und Vermittlung als auch die Aneignungsprozesse sind vorgegeben:
„>>Lernen durch Lehre<< ist an die kulturelle Tradition gebunden, die in der Schule durch den Lehrplan, die Sys- tematik des Lehrganges, >>die den beliebigen Wunschen einzelner Schuler entzogen ist<<, und durch die berufliche Kompetenz des Lehrers gesichert werden soll, der fur die fachwissenschaftliche und didaktische Gute des Unter- richts einstehen mub“[15]
Die Vorurteile, die dem strukturierten Unterricht haufig entgegengebracht werden, sind vielfach berech- tigt. Starre, vorgegebene Unterrichtsgange scheinen die individuellen Personlichkeiten und damit Lern- wege der Lernenden zu vernachlassigen und eine Lehrerzentrierung geradezu zu provozieren. Lehrplane, Schulstrukturen und Lernprozesse erscheinen dabei als “rigide Reglementierungen, die eine optimale Entfaltung der seelischen und geistigen Krafte der Schuler behindern.“[16]
Ein klar strukturierter Unterricht ist hingegen fur Hilbert Meyer ein Qualitatsmerkmal guten Unterrich- tens, das sich auf alle Dimensionen unterrichtlichen Handelns beziehen kann.[17] Ein gelungenes Unter- richtsmanagement sowie eine klare didaktisch-methodische Zielfuhrung zeichnen die Stundenstrukturie- rung aus. Meyer nennt mehrere Punkte, die unabdingbar fur die Stundenstruktur sind und die zeigen, dass sie als Kriterien fur einen offenen Unterricht nicht eins zu eins ubernommen werden konnen, jedoch mo- difiziert auch Elemente des offenen/ geoffneten Unterrichtes darstellen. So wird die „Stimmigkeit von Zielen, Inhalten und Methoden“ benannt, ein „methodischer Grundrhythmus“[18] oder Regel- und Rollen- klarheit von Lehrenden und Lernenden. Gerade an den letzten Punkt zeigen sich Ubereinstimmungen, denn auch der offene/ geoffnete Unterricht braucht Struktur, die jedoch nicht ausschlieblich von der Lehrperson vorgegeben sein muss. Vielmehr schaffen SchulerInnen sich selbst haltgebende Strukturen in der Bewaltigung der Arbeitsaufgaben bzw. der Bearbeitung der individuellen Interessensgebiete.
2.4.2 Der geoffnete Unterricht
Den offenen Unterricht als solchen gibt es nicht, weder als kanonisierten, didaktischen Ansatz noch als in seiner Ganzheit vorfindbare empirische Realitat. Vielmehr existiert ein ausgefachertes Instrumentarium, von dem man annimmt, dass es zur Offnung des Unterrichtes beitragen kann.[19] Dabei lasst sich dieses Instrument,'irium nicht auf Techniken und Methoden reduzieren, insgesamt ist eine Reflexion uber die individuelle padagogische Haltung als auch uber die Institution Schule notwendig.
Im Sinne von Roland Bauer soll geoffneter Unterricht jene Unterrichtsformen bezeichnen, die auf be- stimmten Ebenen Offenheit zulassen.[20] Diese Ebenen lassen sich in den inhaltlich-thematischen Bereich, in den methodischen Bereich und in den institutionellen Rahmen unterteilen. Geoffneter Unterricht setzt an der Inhaltsebene an, in dem ein direkter Bezug zur Lebenswelt und zu den subjektiven Konzepten der Lernenden hergestellt wird. Dabei sind die Lernenden an der Auswahl und Gestaltung der Inhalte aktiv beteiligt. Damit im Zusammenhang steht auch die prinzipielle Offenheit gegenuber divergierenden Lo- sungs- bzw. Prasentationsansatzen, die die Entwicklung alternativer Schlussfolgerungen oder Handlungs- konsequenzen nicht nur zulasst, sondern gerade zu einfordert.
Der zweite, von Bauer konzeptionalisierte Punkt beruhrt die methodische Offenheit, die im Anschluss an die inhaltlich-thematische Einbindung der Lernenden zwingend auch eine individuelle Auswahl aus dem Repertoire unterschiedlicher Methoden erfordert. Letztendlich bedeutet dies, den individuellen Zugang Lernender anzuerkennen. Der Erfolg dieser Konzeption besteht in der methodischen Offenheit, die letztendlich im methodischen Umgang schult und eine methodologische Reflexion uber die Wahl der „richti- gen“ Methode ermoglicht. Damit erreicht das Lernen einen zusatzlichen Abstraktionsgrad, indem nicht mehr nur der Inhalt bearbeitet wird, sondern zusatzlich ein forschendes Interesse in Bezug auf die Metho- denwahl entsteht. In den Blickpunkt gerat der Weg zum Lernen selbst.
Der dritte Punkt beinhaltet die Offnung der Schule fur auberschulische Wirklichkeit und den Verzicht festgezurrter, kollektiv geltender Curricula. Hier gilt als Ziel, dass die Schule den Rahmen fur das individuelle Arbeiten schafft, in dem Zeit, Sozialformen und Arbeitsformen flexibel gestaltet werden konnen.[21] Aus diesen drei hier grob skizzierten Dimensionen eines offenen/ geoffneten Unterrichtes folgt eine Neu- positionierung der Bestimmung des Lehrenden und ein Uberdenken der Idee der individuellen Leistungs- uberprufung. Zusammenfassend lasst sich sagen, dass ein offener/ geoffneter Unterricht eine „Neue Lern- kultur“ anvisiert, die schulerorientiert Bildung als ganzheitliche Kompetenzforderung begreift.
3 Anlage der Untersuchung
Lernen SchulerInnen besser durch strukturierten oder geoffneten Unterricht? Oder: Wie viel oder wie wenig Vorstrukturierung der Inhalte durch den Lehrer braucht es, um erfolgreiches Lernen zu ermogli- chen? Diese Fragen zielen auf den Kernpunkt individualisierten Unterrichts durch geoffnete Arbeitsformen. Zur Beantwortung der Fragen habe ich in meinen Unterrichtsversuch zwei aufeinander folgende Arbeitssequenzen durchgefuhrt, die sich im Grad der Strukturierung unterscheiden. Der Unterrichtsversuch fand in der Oberstufe einer kooperierenden Gesamtschule statt. Das Thema war die Auseinanderset- zung und Vorstellung klassischer und moderner politischer Theorien, die die Frage nach der Legitimation von Herrschaft beantworten.
[...]
[1] Ramsegger 1992: 26.
[2] Vgl. dazu ebenfalls Gasser 2008.
[3] Bildungskommission NRW 1995: 82.
[4] Ebd.:31.
[5] Rogers 1974: 156.
[6] Vgl dazu Gerlof / Ulrich 2006.
[7] BMBF 1998: 45.
[8] Weinert 2001: 27f.
[9] Rahmenplan Gymnasium Hamburg, abgerufen Febr. 2010 unter: http://www.li- hamburg.de/fix/files/doc/PGW_2010_01_18_RP_GY_Sek_l.pdf
[10] Bildungsplan Gymnasiale Oberstufe, Hamburg, S. 6, abgerufen Febr. 2010 unter http://www.hamburg.de/contentblob/1475228/data/p-g-w-gyo.pdf
[11] Vgl. zur Kompetenzorientierung ebd. S. 6ff., zur Handlungsorientierung S. 12. Die Unterscheidung ist nicht trenn- scharf, da Handlungskompetenz im PGW-Unterricht sowohl fachliche als auch nichtfachliche Kompetenzen ein- schliebt.
[12] Grasser 2008: 15.
[13] Padagogische Leitlinien Max Brauer Schule, abgerufen Febr. 2010 unter http://www.maxbrauerschule.de/unsere-schule/grundschule/
[14] Wallrabenstein 1991: 54.
[15] Wittenbruch 1989: 137.
[16] Bohm 2002:381.
[17] Vgl. Meyer 2004: 25.
[18] Ebd.
[19] Bannach 1997: 6.
[20] Bauer 2003:41.
[21] Vgl. ebd.: 15ff.