Unternehmensfinanzierung im Mittelstand: Schwierigkeiten und Lösungsansätze
Zusammenfassung
Mittelständische Unternehmen haben sich in den vergangenen 60 Jahren als Entwickler neuer Produkte sowie als Nischenbesetzer und Revolutionäre in ihrer jeweiligen Branche ausgezeichnet. Was jedoch vielfach vergessen wurde, war die Auseinandersetzung mit der unternehmenseigenen Finanzierung. Es wurden oftmals Investitionsentscheidungen getroffen ohne eine gesicherte und substantielle Finanzierung. Dies ist grundsätzlich als betriebswirtschaftlich unvernünftig anzusehen.
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die These, dass die Schwierigkeiten bei der Finanzierung einer Unternehmung in erster Linie aus einem Fehlverhalten der Unternehmensführung resultieren. Folglich ist die erschwerte Kapitalbeschaffung Ergebnis dieser Fehlleistung. Diese Arbeit setzt sich mit den Ursachen für diese Schwierigkeiten, den Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung und möglichen Lösungsansätzen auseinander.
Dass die Lösung der Finanzierungsprobleme ein Wettbewerbsvorteil in umkämpften Märkten sein kann, soll diese Arbeit belegen. Zudem soll sie den Sinn für die Lösung dieser Probleme schärfen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Allgemeine Grundlagen
1.1 Problemstellung
1.2 Finanzierung im Mittelstand
1.2.1 Grundlegende Begriffe
1.2.2 Finanzierungsziele und –management
2. Problemfelder der Mittelstandsfinanzierung
2.1 Unternehmensinterne Problembereiche
2.2 Externe Kapitalbeschaffung - Basel II und Kapitalmärkte
2.3 Determinante Unternehmensbesteuerung
3. Optimierung der Finanzierungsstrategie - Lösungsansätze
3.1 Unternehmensinterne Verbesserungspotentiale
3.1.1 Grundlagen des Optimierungsprozesses
3.1.2 Analyse
3.1.3 Planung und Umsetzung
3.1.4 Organisation
3.1.5 Controlling
3.2 Kapitalbeschaffung – andere Wege
3.2.1 Staatliche Förderprogramme
3.2.2 Lieferantenkredit
3.2.3 Leasing
3.2.4 Factoring
3.2.5 Finanzierung über Mezzanine
4. Schlussbetrachtung
4.1 Zusammenfassung
4.2. Ausblick
Quellenverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1 Finanzierungsformen (eigene Darstellung nach WÖHE/BILSTEIN 2002, 13)
Abbildung 2 Finanzierungsziele (eigene Darstellung nach OLFERT/REICHEL 2005, 40)
Abbildung 3 Struktur eines Optimierungsprozesses (eigene Darstellung nach OLFERT/REICHEL 2005, 47)
Tabelle 1 Vor- und Nachteile Factoring (eigene Darstellung nach OLFERT/REICHEL 2005, 126 ff.)
Tabelle 2 Vor- und Nachteile Mezzanine-Finanzierung (eigene Darstellung nach Vortrag Beratungsgesellschaft RölfsPartner, April 2008, Leipzig)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Allgemeine Grundlagen
1.1 Problemstellung
Der mittelständischen Wirtschaft kommt in Deutschland eine herausragende Bedeutung zu. Sie ist Motor der wirtschaftlichen Entwicklung und Innovationstreiber. Die heterogene Mittelstandstruktur in Deutschland macht das Land krisenresistenter und unabhängiger von konjunkturellen Schwankungen. Der Mittelstand ist Arbeitgeber und Berufsausbilder Nummer eins in Deutschland. Über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland weisen mittelständische Wesensmerkmale auf (vgl. Statistisches Bundesamt, 2005). Aufgrund dieser immensen Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft lässt sich erahnen wie wichtig finanziell gesunde mittelständische Unternehmen sind.
Mittelständische Unternehmen haben sich in den vergangenen 60 Jahren als Entwickler neuer Produkte sowie als Nischenbesetzer und Revolutionäre in ihrer jeweiligen Branche ausgezeichnet. Was jedoch vielfach vergessen wurde, war die Auseinandersetzung mit der unternehmenseigenen Finanzierung. Es wurden oftmals Investitionsentscheidungen getroffen ohne eine gesicherte und substantielle Finanzierung. Dies ist grundsätzlich als betriebswirtschaftlich unvernünftig anzusehen.
Die Finanzierung durch deutsche Kreditinstitute war über viele Jahre aufgrund einer großzügigen Vergabepolitik problemlos möglich. Ein Investitionsvorhaben über die Beschaffung von Eigenkapital aus Beteiligungen anderer Gesellschaften oder auf dem Kapitalmarkt zu finanzieren, war wenig verbreitet. Somit mussten sich Unternehmensführungen bei der Entscheidungsfindung so gut wie nie mit der eigenen Bilanz bzw. einer Wirtschaftlichkeitsrechnung der Finanzierung auseinandersetzen. Diese Umstände prägten die Denk- und Verhaltensweise deutscher Mittelständler bis weit in die 90-er Jahre des vorherigen Jahrhunderts.
Erst mit dem Aufkommen verschärfter Kreditvergabepraktiken deutscher Kreditinstitute aufgrund von abschreibungspflichtigen Forderungsausfällen in Milliardenhöhe und der daraus im Jahre 1999 resultierenden Neufassung der Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) bekamen mittelständische Unternehmen Schwierigkeiten bei der Fremdkapitalbeschaffung.
Für 32,5 Prozent der deutschen mittelständischen Unternehmen ist es seit dem Herbst 2007 schwieriger oder deutlich schwieriger geworden, an Finanzmittel zu kommen (vgl. Creditreform Herbst 2008, 20).
Als wesentlicher Einflussfaktor bei der Fremdkapitalbeschaffung ist die Eigenkapitalquote zu sehen.
„Wie wichtig eine solide Eigenkapitaldecke ist, verdeutlichen folgende Zahlen: Während lediglich 22,4 Prozent der Unternehmen, die über mehr als 30 Prozent Eigenkapital verfügen, angaben, Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzmitteln gehabt zu haben, sind es bei den Betrieben, die mit weniger als zehn Prozent Eigenkapital ausgestattet sind, fast doppelt so viele, nämlich 41,8 Prozent“ (Creditreform Herbst 2008, 20 f.).
Unterkapitalisierung in Kombination mit einer mangelhaften bzw. nicht vorhandenen Finanzierungsstrategie stellt eine massive Existenzbedrohung für mittelständische Unternehmen in Deutschland dar.
Die Schwachstelle „Finanzierungsmanagement“ ist aber nicht erst mit der Einführung von Basel II Anfang 2007 existent. Sie wurde durch die mit Basel II verbundene restriktive Kreditvergabe lediglich fokussiert und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Die Offenlegung aller relevanten betriebswirtschaftlichen Daten im Rahmen des Ratingverfahrens und die damit verbundene hohe Hürde der Kreditvergabe wurde als Damokles-Schwert für den Mittelstand gesehen.
Dieses Bedrohungsszenario relativierte sich bei genauerer Betrachtung und wurde von vielen Unternehmern als Chance gesehen. Sie mussten sich fortan intensiver mit der Finanzierung ihrer Unternehmung auseinandersetzen.
Eine weitere Problematik für den deutschen Mittelstand ist die hohe Besteuerung von im Unternehmen verbleibenden Gewinnen, welche letztlich der Erhöhung des Eigenkapitals entgegenstehen. Hier gibt es seitens des Staates Nachholbedarf, um die deutsche mittelständische Wirtschaft gegenüber ausländischen Unternehmen nicht zu benachteiligen.
Der Mittelstand in Deutschland hat es lange Zeit versäumt die eigene Finanzierung mit einem ähnlichen strategischen Vorgehen wie etwa die Produktion aktiv zu gestalten. Dies lässt den Schluss zu, dass interne Versäumnisse die Ursache für Schwierigkeiten bei der Unternehmensfinanzierung sind (vgl. SALGE 2006, A ff.).
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die These, dass die Schwierigkeiten bei der Finanzierung einer Unternehmung in erster Linie aus einem Fehlverhalten der Unternehmensführung resultieren. Folglich ist die erschwerte Kapitalbeschaffung Ergebnis dieser Fehlleistung. Diese Arbeit setzt sich mit den Ursachen für diese Schwierigkeiten, den Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung und möglichen Lösungsansätzen auseinander.
Dass die Lösung der Finanzierungsprobleme ein Wettbewerbsvorteil in umkämpften Märkten sein kann, soll diese Arbeit belegen. Zudem soll sie den Sinn für die Lösung dieser Probleme schärfen.
1.2 Finanzierung im Mittelstand
1.2.1 Grundlegende Begriffe
Da sich diese Arbeit mit der Finanzierung mittelständischer Unternehmen beschäftigt, werden eingangs wichtige Aspekte der Unternehmensfinanzierung vorgestellt und erläutert. In Hinblick auf den vorgegebenen Umfang dieser Arbeit, kann nur exemplarisch auf die Kernelemente eingegangen werden.
Finanzierung – Definition und Sichtweisen
Im engeren Sinne kann Finanzierung als Beschaffung bzw. Bereitstellung finanzieller Mittel, die zur Leistungserstellung und Leistungsverwertung im Unternehmen benötigt werden, verstanden werden (vgl. WÖHE 1996, 738 und OLFERT/REICHEL 2005, 16). Weiter gefasst kann Finanzierung als Gesamtheit aller unternehmerischen Kapitaldispositionen verstanden werden. In seiner weiteren Fassung befasst sich Finanzierung somit auch mit der Mittelverwendung im Rahmen von Investitionen, Finanzierung von Umlaufvermögen oder Dividendenausschüttungen. Weiterhin unterscheidet sich die kontinentaleuropäische von der angelsächsischen Perspektive. Finanzierung wird auf dem europäischen Festland als Kreditfinanzierung mit fehlender Kapitalmarktorientierung verstanden.
In Großbritannien und vor allem den Vereinigten Staaten von Amerika spielt die Finanzierung über den Kapitalmarkt eine viel stärkere Rolle. Dies schlägt sich demzufolge auch im Verständnis von Finanzierung nieder. (vgl. SALGE 2006, 10f).
Für diese Arbeit wird das engere Begriffsverständnis, erweitert um die Betrachtung der Kapitalbeschaffung auf dem Kapitalmarkt, als theoretische Basis dienen.
Der Finanzierungsbegriff umfasst alle Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung. „Dazu gehören erstens die Kapitalbeschaffung von außen in Form von Eigen- und Fremdkapital (Außenfinanzierung) und zweitens die Kapitalbeschaffung aus dem betrieblichen Umsatzprozess (Innenfinanzierung)…“ (WÖHE/BILSTEIN 2002,11). Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Struktur der Unternehmensfinanzierung, wie sie unter anderem von Wöhe definiert wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Finanzierungsformen (eigene Darstellung nach WÖHE/BILSTEIN 2002, 13)
Finanzierung – Aufgaben
Hauptaufgabe der Finanzierung innerhalb eines Unternehmens ist die aus Unternehmenssicht optimale Gestaltung der Deckung des Kapitalbedarfs für den betrieblichen Umsatzprozess. Darunter sind vor allen Dingen Entscheidungen der Unternehmensführung in Bezug auf die Art und Ausgestaltung der Finanzierungsinstrumente, die Höhe der Kapitalbeschaffung, die langfristige Strukturierung der bilanziellen Passivseite, der Zugang zu ausgewählten Kapitalmärkten und die Wahl geeigneter Kapitalgeber zu verstehen (vgl. SALGE 2006, 12).
Mittelstand – Begriff und Bedeutung
Die quantitative Abgrenzung mittelständischer Unternehmen von Großunternehmen gemäß dem Institut für Mittelstandsforschung in Bonn erfolgt nach den Kriterien Beschäftigungszahl und Jahresumsatz. Wobei die Grenzen wie folgt lauten:
- maximal 500 Mitarbeiter und
- 50 Mio. EUR Jahresumsatz.
Die Europäische Union legt die Grenzen wie folgt fest:
- 50 Mio. EUR Jahresumsatz
- maximal 249 Mitarbeiter und
- eine Bilanzsumme von maximal 43 Mio. EUR.
Es sind aber auch weiche Faktoren, die mittelständische Unternehmen charakterisieren. Der Fakt, dass bei mittelständischen Unternehmen Eigentum, Leitung und Haftung in einer Hand gebündelt sind, ist als wesentliches Merkmal anzusehen. Im Normalfall obliegt der Unternehmensleitung auch die Entscheidungsgewalt in allen unternehmensrelevanten Bereichen. Die persönliche Beziehung zwischen Unternehmensleitung und den Mitarbeitern sowie die fehlende Konzernzugehörigkeit schließen den Kreis der Wesensmerkmale mittelständischer Unternehmen.
In Deutschland erfüllen über drei Millionen Unternehmen diese Kriterien, das sind somit über 99 % aller deutschen Unternehmen (vgl. SALGE 2006, 13f).
Bedeutung des Mittelstands für die deutsche Volkswirtschaft
Der deutsche Mittelstand war Motor des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland und somit Garant des Wirtschaftswunders. Bis heute haben mittelständische Unternehmen ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft nicht verloren. Der Mittelstand zeichnet sich durch einen hohen Beitrag zur Berufssausbildung aus. Er beschäftigt mehr als 2/3 aller deutschen Arbeitnehmer. Obwohl die mittelständische Wirtschaft in weniger kapitalintensiven Branchen tätig ist, birgt nach Einschätzung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die sinkende Investitionsbereitschaft und -kraft des deutschen Mittelstands eine Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft. Weiterhin begründet die Tatsache, dass zwischen 1995 und 2001 durch mittelständische Unternehmen 540.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind, die These „Mittelstand – Jobmotor der deutschen Wirtschaft“ (vgl. SALGE 2006, 24).
Vor dem Hintergrund dieser Fakten wird die Bedeutung des Mittelstandes zweifelsfrei klar. Was aber auch gleichzeitig Beweis dafür ist, dass strukturelle Schieflagen des Mittelstandes die gesamte deutsche Volkswirtschaft betreffen und beeinflussen. Im Interesse einer gesunden Volkswirtschaft müssen Existenz bedrohliche Problemstellungen im Mittelstand früh erkannt und systematisch angegangen werden. Dies muss Ziel wirksamer Wirtschaftspolitik sein. Den Mittelstand plagen:
- das Steuer- und Arbeitsrecht,
- hohe Lohnnebenkosten und
- internationaler Wettbewerbsdruck.
Das weitaus größere Problemfeld ist die Finanzierung. Wobei es im Gegensatz zu den oben genannten Problemfeldern das einzige ist, was die mittelständischen Unternehmer selbstgestaltend beeinflussen können.
Dem Mittelstand stehen langfristige Herausforderungen bevor, (Notwendigkeit von Innovationen, Gewinnung qualifizierter Fach- und Führungskräfte, die betriebliche Weiterbildung und die Nachfolgeregelung) welche derart kapitalintensiv sind, dass sich Finanzierungsprobleme als wesentliche Hemmnisse mit fatalen Folgen herausstellen können.
Eine grundlegende Verbesserung der Finanzierungsstrategien wird aufgrund der Zukunftsaussichten zu der Herausforderung für den deutschen Mittelstand (vgl. SALGE 2006, 21ff.).
1.2.2 Finanzierungsziele und –management
Der Erfolg von Strategien wird messbar durch den Grad der Zielerreichung. Vor jeder Strategie steht also ein zu erreichendes Ziel. Ebenso verhält es sich bei einer Finanzierungsstrategie eines mittelständischen Unternehmens. Das Oberziel eines jeden Unternehmens muss die Wahrung des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts und die Sicherung des Unternehmensfortbestands sein (vgl. SALGE 2006, 41ff).
„ Finanzielles Gleichgewicht … ist also nur dann gegeben, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: erstens muss die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens in jedem Zeitpunkt bestehen und zweitens müssen die finanziellen Dispositionen so getroffen werden, daß das Unternehmen sein Gewinnmaximum erreicht“ (WÖHE/BILSTEIN 2002, 23).
Beide Größen stehen jedoch im Konflikt. Man spricht von einem Zielkonflikt, auf der einen Seite müssen genügend liquide Mittel zur Verfügung stehen, um den Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen, auf der anderen Seite kann zu viel Liquidität die Rendite negativ beeinflussen. Es entgehen Zinsgewinne.
Aus diesem abstrakten Oberziel lassen sich Unterziele formulieren. Die für die spätere Strategieentwicklung von Bedeutung sind.
Man kann vier Zielgrößen definieren, die als allgemeine Finanzierungsziele bezeichnet werden:
- Liquidität, als Fähigkeit eines Unternehmens seinen Zahlungsverpflichtungen termingerecht und in voller Höhe nach zukommen (Probleme: Unterliquidität – Zahlungsunfähigkeit bzw. Überliquidität – Zinsverlust),
- Rentabilität, als Messzahl für die Verzinsung des eingesetzten Kapitals (Unterscheidung: Gesamtkapitalrentabilität – bezieht Fremdkapitalkosten mit ein bzw. Eigenkapitalrentabilität),
- Sicherheit, im Verständnis von Risikominimierung in Bezug auf die Finanzentscheidungen und
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