Legitimität und Anwendbarkeit auf das heutige System der BRD von Jürgen Habermas' 'Deliberativer Demokratie'
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Demokratietheorie von Jürgen Habermas
2.1 Jürgen Habermas
2.2 Diskurs und Deliberative Demokratie
2.3 Legitimation und Zivilgesellschaft
3. Die BRD und die Deliberation
3.1 Hürden und mögliche Anwendbarkeit
3.2 Lösungsvorschläge
4. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Modell einer Deliberativen Demokratie auf Basis des Diskurses von Jürgen Habermas unterscheidet sich grundlegend von der Demokratieform, die in der Bundesrepublik Deutschland existent ist. In einer repräsentativen Demokratie mit über 60 Millionen Wählern steht das Volk oft am Rande des politischen Systems. Ein Diskurs in der BRD scheint schwierig. Volksabstimmungen, die politische Beschlüsse wieder in die Hand des Volkes legen, sind oft mit enormen Problemen versehen, wie es aktuelle Abstimmungen in der Schweiz zeigen. Hier wurde der demokratische Beschluss des souveränen Volkes weltweit stark kritisiert und somit wurde auch die Legitimation der Staatsform Demokratie angezweifelt. Habermas versucht jedoch mit der Deliberation die Beschlüsse des politischen Systems wieder stärker in die Hand des Volks zu legen. Oft wird den Medien die Aufgabe der Willensbildung zugewiesen - gerade in einer Massengesellschaft. Für Habermas sind jedoch auch Massenmedien keine Orte diskursiver Willensbildung, da es mit ihnen nur eine einseitige Information gibt. Jürgen Habermas beschrieb seine Idee vom Ideal einer funktionierenden Demokratie in dem Buch „Faktizität und Geltung“. Seine Entwicklungen in der Diskursethik will Habermas in die Deliberative Demokratie übertragen, um sie so für die reale politische Welt nutzbar zu machen. Habermas kritisiert die bestehenden Verhältnissen und das Zustandekommen von politischen Entscheidungen, da diese das Volk ausklammern. Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit der Rechtmäßigkeit in Habermas Demokratiemodell und untersucht die Voraussetzungen und die Chancen für eine praktische Umsetzung seiner Ideen in der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Dazu soll im zweiten Kapitel dieser Arbeit die Demokratietheorie von Jürgen Habermas im Hinblick auf ihre Legitimation und insbesondere die Rolle der Zivilgesellschaft betrachtet werden. Im dritten Kapitel soll das System von Jürgen Habermas auf eine mögliche Anwendbarkeit auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland kritisch untersucht werden. Hürden, Gefahren und Lösungsstrategien werden hier berücksichtigt und erklärt. Die Seminararbeit schließt mit einem pointierten Fazit und einem Ausblick.
2. Die Demokratietheorie von Jürgen Habermas
2.1 Jürgen Habermas
Jürgen Habermas ist ein deutscher Soziologe und Philosoph und wurde 1929 in Gummersbach geboren. Habermas gilt als bekanntester Vertreter der Frankfurter Schule. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und er wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Zentrale Werke der Diskurstheorie sind die "Theorie kommunikativen Handels" (1981), "Erläuterungen zur Diskursethik" (1991), und "Faktizität und Geltung" (1992). Nach seiner Promovation 1954 wurde Jürgen Habermas Assistent von Theodor W. Adorno. 1961 habilitierte er mit der Schrift "Strukturwandel der Öffentlichkeit" und war später als Professor in Heidelberg und Frankfurt tätig. 1971 wurde Habermas Direktor des Max-Planck-Instituts, ab 1983 war er bis zu seiner Emeritierung 1994 Professor für Philosophie in Frankfurt. Auch nach seiner Zeit als Professor ist Jürgen Habermas aktiv. Noch heute ist er als Gastprofessor in zahlreichen Universitäten im Ausland tätig und auch in Deutschland meldet er sich bei vielen politischen und sozialen Themen immer wieder zu Wort.[1]
2.2 Diskurs und Deliberative Demokratie
Für die Darstellung der Legitimation in der Demokratietheorie von Jürgen Habermas und deren Anwendbarkeit auf das politische System der Bundesrepublik Deutschland ist es wichtig zu erklären, was Deliberative Demokratie ist. Unter Deliberation versteht man öffentliche Kommunikation über politische Fragen. Deliberative Demokratie bedeutet, dass alle Bürger aktiv an der Politik und deren Entscheidungen mitwirken sollen. Es geht also um Diskussion und Entscheidung. Die Bürger sollen wieder eine wichtige Rolle im Entscheidungsprozess bekommen. Hierbei ist es wichtig, dass wirklich alle Bürger einbezogen werden sollen.[2] Der Bürger soll sich also eingebunden und nicht ausgeschlossen fühlen. Habermas sieht die Deliberative Demokratie als ein Verfahrensbegriff der Demokratie. Habermas kommt es besonders auf die prozedurale Ebene von Demokratie an:
"In den anspruchsvollen Verfahrensbedingungen und Kommunikationsvoraussetzungen, auf die eine legitime Rechtssetzung angewiesen ist, hat die normensetzende und -prüfende Vernunft eine prozedurale Gestalt angenommen."[3]
Ein wesentliches Kennzeichen der Deliberativen Politik ist der Diskurs. In politischen Diskursen soll über politische Themen diskutiert werden. So gelangt man zu einer Entscheidung. Der Diskursbegriff bei Habermas ist als Instrument zu verstehen. Er soll Aussagen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Der Diskurs ist herrschaftsfrei und ersetzt die traditionellen Legitimationsinstanzen Natur, Gott und Tradition. So gelangt man zu einer Entscheidung, die alle als wahr akzeptieren. Damit dies funktioniert, müssen sich alle Teilnehmer dieser Diskussion in einer idealen Sprechsituation befinden. Bei dem Diskurs geht es in erster Linie um eine gleichberechtigte Diskussion. Die Basis dieser Diskussion ist die Vernunft. Es zählt nur das bessere Argument.[4] Um also innerhalb eines Diskurses einen wahren Konsens zu erreichen, bedarf es triftiger, logischer und schlüssiger Argumente.[5] Habermas ist überzeugt, dass die bestehenden politischen Diskurse überschattet von Zwängen sind, denen alle Teilnehmer der Diskussion unterliegen. Diese zwänge unterteilt er in Natur, Gott und Tradition. Eine herrschaftsfreie Diskussion ist unter diesen Zwängen also nicht möglich, da sie den Gesprächsverlauf vorgeben und damit ideologisch beeinflussen. Jürgen Habermas beschreibt die Zwänge als ein Konstrukt einer kleinen herrschenden Gruppe. Der herrschaftsfreie Diskurs soll also diese Zwänge ersetzten. In ihm sollen die Teilnehmer vernünftig und gleichberechtigt eine Entscheidung finden. Das Mittel der Sprache ist also von hoher Bedeutung. Ohne die Sprache ist kein Diskurs möglich und erst sie verleiht dem Menschen die nötige Mündigkeit für ein demokratisches Leben.[6] Ohne die ideale Sprechsituation kann der herrschaftsfreie Diskurs nicht stattfinden. Doch wie stellt diese Bedingung sich genau dar? Zunächst muss der Diskurs in der Öffentlichkeit stattfinden, also für jeden zugänglich sein. Öffentlichkeit ist also eine wichtige Voraussetzung für einen funktionierenden Diskurs. Deutlich wird dies auch einer Definition von Jürgen Habermas:
„Die Öffentlichkeit lässt sich am ehesten als ein Netzwerk für Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen beschreiben“[7]
Es darf weiterhin auch keinen Zwang und keine Gewalt geben. Jeder Teilnehmer hat die gleichen Rechte und Pflichten alle sind souverän. Jeder hat ein Rederecht und darf sich in das Thema einbringen. Die Argumente sollen ehrlich und vernünftig sein. Der einzige Zwang ist, dass nur das bessere Argument zählt und dann auch von allen akzeptiert werden muss.[8] Diese Regeln stellen also die Voraussetzungen für einen herrschaftsfreien Diskurs und damit auch das Grundgerüst für die Deliberative Demokratie dar. Von der öffentlichen Kommunikation des Diskurses wird erwartet, dass sie dazu dient, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Bürger zu erweitern und damit die Entscheidungen verbessert und legitimiert. Die Deliberation dient dazu, dass die Bürger nicht nur untereinander und mit den Politikern reden, sondern auch eine Rolle im Entscheidungsprozess spielen können. Sie ist also eine Verbindung zwischen der Zivilgesellschaft und den Politikern. Weiterhin kann also die Deliberation als ein wichtiges und beeinflussendes Instrument der Demokratie angesehen werden. Denn wichtige Entscheidungen, die eine lange Gültigkeit besitzen, müssen mit Vernunft bedacht werden. Der römischen Autor Syrus formulierte es treffend: "Es ist längere Zeit zu bedenken, was ein für allemal festzusetzen ist."[9]
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[1] Vgl. Jäger, Wieland/Baltes-Schmitt, Marion (2003): Jürgen Habermas. Einführung in die Theorie der Gesellschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S. 10ff.
[2] Vgl. Ginsborg, Paul (2008): Wie Demokratie leben. Berlin: Klaus Wagenbach. S. 56.
[3] Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S. 349.
[4] Vgl. Bevc, Tobias (2007): Politische Theorie. Konstanz: UVK. S. 286.
[5] Vgl. Habermas, Jürgen (1996): Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 97.
[6] Vgl. Bevc, Tobias (2007): Politische Theorie. Konstanz: UVK. S. 288.
[7] Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S. 436.
[8] Vgl. Reese-Schäfer, Walter (2000): Politische Theorie heute. Frankfurt: Campus Verlag. S. 17.
[9] Liebs, Detlef (2007): Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. München: C.H. Beck. S. 62.