Der Pädagoge Georg Kerschensteiner - ein typischer Epochenvertreter?
Zusammenfassung
Zunächst soll der zeitgeschichtliche Hintergrund dargestellt werden, da dieser das Denken zu jener Zeit wesentlich beeinflusste. Im Anschluss werden Kerschensteiners Theorien zur Arbeitsschule und Berufsschule dargelegt. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, ob Kerschensteiner als typischer Vertreter einer Epoche der Pädagogik gelten kann. Abschließend soll geklärt werden, welche seiner Ideen noch heute in unserem Bildungssystem existieren und in welcher Form sie umgesetzt werden.
Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund der Reformpädagogik
2.1. Die gesellschaftliche-kulturelle Situationbr
2.2. Die schulischen Situation
3. Georg Kerschensteiner
3.1. Die Idee der Arbeitsschule
3.2. Die Idee der Berufsschule
4. Georg Kerschensteiner als typischer Epochenvertreter
5. Die Aktualität und Wirkung Georg Kerschensteiners
6. Schluss
7. Literaturverzeichnis
8. Anlage
1. Einleitung
In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit Georg Kerschensteiner beschäftigen, der als „Vater der Berufsschule“ (Gudjons 1997, S.101) gilt. Als Student der Wirtschaftspädagogik liegt mein Interesse besonders in diesem Bereich, da Kerschensteiner zu Beginn des 20. Jahrhundert mit seinen Ideen eine Reformierung der damals bestehenden Fortbildungsschulen erreichte, deren Auswirkungen eine große Bedeutung für unser heutiges duales Berufsschulsystem hat.
Zunächst soll der zeitgeschichtliche Hintergrund dargestellt werden, da dieser das Denken zu jener Zeit wesentlich beeinflusste. Im Anschluss werden Kerschensteiners Theorien zur Arbeitsschule und Berufsschule dargelegt. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, ob Kerschensteiner als typischer Vertreter einer Epoche der Pädagogik gelten kann. Abschließend soll geklärt werden, welche seiner Ideen noch heute in unserem Bildungssystem existieren und in welcher Form sie umgesetzt werden.
2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund der Reformpädagogik
Als Auslöser für die reformpädagogische Bewegung wird häufig die Kulturkritik angesehen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die zunehmende Industrialisierung in Deutschland ausbrach (vgl. Seyfarth-Stubenrauch 1996, S. 60). Wie es zu dieser Situation kam und wie die damalige schulische Situation in Deutschland aussah, soll im Folgenden dargestellt werden.
2.1. Die gesellschaftliche-kulturelle Situation
Die Situation des 19 Jahrhunderts in Deutschland wurde vor allem durch die aufkommende Industrialisierung bestimmt, die zu einem „tiefgreifend-großräumigen Wandel der Lebensverhältnisse“ (Reble 1992, Seite 21) führte. Durch den zunehmenden Bedarf an Arbeitern in den Fabriken, kam es zu einem rasanten Wachstum der Städte. Hierdurch traten als Begleiterscheinungen unter anderem Verarmung und Verelendung sowie soziale Aufstiegskämpfe auf (vgl. Stumpf 2007, S. 77).
Nachdem die beschriebene Entwicklung lange Zeit als positiv erachtet wurde, kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch immer häufiger zu einer Ablehnung. Diese richtete sich gegen die zunehmende Technisierung im Alltag, die sich entfremdende Arbeitswelt sowie die Vereinzelung der Gesellschaft. Dieser Prozess, ging als Kulturkritik in die Geschichte ein. In Folge dieser Entwicklung kam es zu neuen Lebenstendenzen, wie der Jugendbewegung und gewissen Entwicklungen im Bereich der Kunst und der Literatur (vgl. Reble 1992, S. 21 f.).
2.2 Die schulische Situation
Im Schulsystem gab es als niedrigste Bildungsstufe für alle Schüler die Volksschule, die mit unserer heutigen Grundschule verglichen werden kann. Als grundsätzliche Veränderung im Bildungswesen des 19. Jahrhunderts ist die Umgestaltung der Lateinschule zum Gymnasium zu nennen, das nach Abschluss der Volksschule besucht werden konnte. Eine wesentliche Änderung lag in der Lehrerschaft, die in der Lateinschule hauptsächlich aus Theologen bestand, da im Jahr 1810 das Unterrichten am Gymnasium zu einem eigenständigen Beruf wurde. Neben dem Gymnasium gab es die Real- und Bürgerschule, die sich kaufmännisch-gewerblichen Inhalten widmete und deren Abschluss unter anderem eine Beamtenlaufbahn ermöglichte (vgl. Gudjons 2003, S. 92 f.). Ferner gab es die so genannte Fortbildungsschule, die nach Abschluss der Volksschule von den Lehrlingen und Gesellen besucht wurde (vgl. Demmel 1984, S. 159).
Die Schule hatte zu dieser Zeit die Aufgabe den Schülern vor allem „fachliches Wissen“ (Witte 2002, S. 25) zu vermitteln. Der Unterricht verlief lehrerzentriert nach den „Grundgedanken des Herbart’schen pädagogischen Systems“ (Stumpf 2007, S. 78).
3. Georg Kerschensteiner
Georg Kerschensteiner wurde am 29. Juli 1854 in München geboren. Nachdem er als Volksschullehrer und Gymnasiallehrer unterrichtete, war er von 1895 bis 1919 als Stadtschulrat von München tätig. In dieser Zeit entwickelte er seine bedeutenden Ideen auf dem Gebiet der Pädagogik, die er zum großen Teil in seinem Amt als Stadtschulrat in München realisieren konnte. (vgl. Arnold/ Gonon 2006, S. 133 f.)
3.1. Die Idee der Arbeitsschule
Die Arbeitsschule spielt in Kerschensteiners Pädagogik eine wichtige Rolle, um seine Ideen zur beruflichen Bildung zu verstehen, da in dieser die Grundlagen seines pädagogischen Denkens gelegt werden.
Seine Theorie zur Arbeitsschule bezieht Kerschensteiner auf alle öffentlichen Schulformen, insbesondere jedoch auf die Volksschule.
Grundsätzlich gilt jede Arbeit für Kerschensteiner als pädagogisch wertvoll, sofern sich der Arbeitende bei seiner Tätigkeit sachlich verhält und die Vollendung des Werkes anstrebt (vgl. Gonon/ Kerschensteiner 2002, S. 26 f.). In einer Arbeitsschule lernen die Schüler nicht nur mit Hilfe von Büchern, sondern auch durch praktische Erfahrungen. Sie orientiert sich an der Entwicklung der Kinder und schließt daher an die „Spielschule der ersten Kindheit“ (Kerschensteiner 1921, S. 94) an. Hierdurch sollen, die in der Kindheit erworbenen Charaktereigenschaften, wie zum Beispiel Mut zur Selbstständigkeit, Unternehmungslust und Beobachtungslust, gefördert werden. Erreicht werden soll dies durch manuelle Arbeit. (vgl. Wilhelm 1991, S. 119). Diese manuelle Arbeit ist für ihn jedoch nur pädagogisch wertvoll, sofern ihr geistige Vorarbeit vorausgeht. Daher muss die Aufgabe immer den Prozess der Planung, Durchführung und Selbstprüfung enthalten (vgl. Röhrs 2001, S. 215). Im Zuge einer radikalen Reform der Münchner Volksschullehrpläne führt er aus diesem Grunde neben Arbeitsunterricht (vgl. Wehle 1956, S. 139) einen Schulküchenunterricht für Mädchen und einen Werkstättenunterricht für Jungen ein (vgl. Jung 2004, S. 102).
Die Schule soll laut Kerschensteiner ebenfalls dafür sorgen, dass die Kinder soziale Kompetenzen wie „Hilfsbereitschaft, Verantwortlichkeit“ und „Gemeinschaftssinn“ erwerben. Diese können durch die gemeinsame Tätigkeit in Arbeitsgemeinschaften gefördert werden (vgl. Paffrath 1984, S. 78). In der Werkstatt, im Laboratorium, in der Schulküche als auch im Schulgarten lernen dadurch die Schüler gemeinsam und helfen einander. (vgl. Kerschensteiner 1979, S. 55).
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