Politische Partizipation von Frauen in Kommunalparlamenten
Einfluss von Quoten und Wahlverfahren
Zusammenfassung
Zwar ist der Anteil der Frauen im Bundestag mit im Jahr 2002 32,2 Prozent (BMFSFJ, 2008) deutlich höher als derjenige im ersten Reichstag 1920 mit 8 Prozent (Paulus, 2007), von einer paritätischen Besetzung des Gremiums kann allerdings auch heute noch nicht die Rede sein.
Ähnlich sieht es noch immer in den Kommunalparlamenten aus. Obwohl in
Artikel 3 GG, Satz 2 folgendes deutlich gemacht wird, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ wird die Unterrepräsentanz von Frauen in kommunalen Gremien schon bei
einem Vergleich der deutschen Großstädte deutlich (vgl. Holtkamp, 2009).
Berücksichtigt man dann noch die Tatsache, dass Benachteiligung von Frauen sich auf dem Land häufig stärker auswirkt als in der Stadt (vgl. Heepe, 1989), zeichnet sich deutlich ab, dass die oben zitierte Verfassungsnorm mit der für Frauen erlebbaren Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik noch wenig gemein hat.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Allgemeines
Erklarungsmodelle fur Unterreprasentanz von Frauen
Partizipation
Quote
Mandatsrelevanz
Normative Rahmenbedingungen
Bayerisches Kommunalwahlrecht
Nominierungsverfahren
Quantitative Untersuchung im Vergleich Munchen - Bad Tolz
Fragestellung und Hypothesen
Ergebnisse der Stadtratswahlen in Bad Tolz und in Munchen
Berucksichtigung der Quote
Der Einfluss des Wahlverfahrens
Fazit
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Am 19. Januar 1919 durften Frauen in Deutschland zum ersten mal an Wahlen teilnehmen. Damit ist das aktive wie das passive Frauenwahlrecht in Deutschland stolze 90 Jahre alt. Doch der Weg von der formalen Gleichberechtigung von Frauen im Wahlrecht zur tatsachlichen Gleichstellung von Frauen auf der politischen Buhne ist noch lange nicht zu Ende gegangen. Zwar ist der Anteil der Frauen im Bundestag mit im Jahr 2002 32,2 Prozent (BMFSFJ, 2008) deutlich hoher als derjenige im ersten Reichstag 1920 mit 8 Prozent (Paulus, 2007), von einer paritatischen Besetzung des Gremiums kann allerdings auch heute noch nicht die Rede sein.
Ahnlich sieht es noch immer in den Kommunalparlamenten aus. Obwohl in Artikel 3 GG, Satz 2 folgendes deutlich gemacht wird,
„Manner und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fordert die tatsachliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Mannern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
wird die Unterreprasentanz von Frauen in kommunalen Gremien schon bei einem Vergleich der deutschen GroBstadte deutlich (vgl. Holtkamp, 2009). Berucksichtigt man dann noch die Tatsache, dass Benachteiligung von Frauen sich auf dem Land haufig starker auswirkt als in der Stadt (vgl. Heepe, 1989), zeichnet sich deutlich ab, dass die oben zitierte Verfassungsnorm mit der fur Frauen erlebbaren Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik noch wenig gemein hat.
Als Mitglied einer politischen Partei und eines kommunalen Parlamentes musste ich immer wieder miterleben, wie Frauen schon bei der Aufstellung der Listen zu kommunalen Gremien benachteiligt werden, und erlebe auch heute noch deutlich die Unterreprasentanz von Frauen in diesen Gremien. Hierauf grundet sich mein Interesse am Forschungsgegenstand. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf einem Vergleich der Wahlergebnisse zweier Kommunen in Bayern und auf der Frage, inwiefern das bayerische Kommunalwahlrecht und die Quotierung von Wahlvorschlagen die Reprasentanz von Frauen in den Gemeindeparlamenten dieser Kommunen beeinflusst.
Allgemeines
Eine Studie, die sich mit der Unterreprasentanz von Frauen in Kommunalparlamenten beschaftigt, kommt nicht umhin, sich mit gangigen Theorien und Erklarungsmodellen fur die Unterreprasentanz auseinander zu setzen und diese gegebenenfalls zu entkraften. Des Weiteren muss der Begriff der Partizipation in seinen fur diese Arbeit relevanten Dimensionen erlautert werden und der Quotenbegriff auf das fur die vorliegende Arbeit notwendige MaB eingegrenzt werden. Dies soll im Folgenden in aller gebotenen Kurze geschehen. AuBerdem wird der in der gangigen Literatur eher unubliche Begriff der Mandatsrelevanz erlautert und definiert.
Erklarungsmodelle fur Unterreprasentanz von Frauen
Frauen sind in Kommunalparlamenten in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu ihrem Anteil in der Bevolkerung deutlich unterreprasentiert (vgl. Holtkamp, 2009). Es lassen sich aus der gangigen Literatur zur parlamentarischen Reprasentanz vielschichtige Erklarungsmodelle hierfur herauslesen, welche sich weitgehend den folgenden Faktoren zuordnen lassen: Kandidatenpool (hierbei insbesondere Thesen zur Sozialisation und Abkommlichkeit von Frauen), Parteiorganisation (hierbei insbesondere Thesen zur Diskriminierung von Frauen und zur Frage des Nutzens von Quoten) und Wahlermarkt (hierbei Diskriminierung von Frauen durch Wahlerinnen und Wahler, sofern das Wahlrecht dies ermoglicht). Andere Autoren teilen diese Erklarungsmodelle wiederum in andere Gruppen ein (vgl. Holuscha, 1999), und insbesondere Westle (2001) geht von einer starken Gewichtung des Faktors 'Abkommlichkeit' aus[1], wahrend Holuscha (1999) diesen Faktor als empirisch nicht ausreichend fundiert kritisiert.
Holtkamp und Schnittke beurteilen die Faktoren Wahlrecht, Quotenmodelle der Parteien, und die Wahlergebnisse der quotierenden Parteien als wesentlich „zur Erklarung der extrem starken Varianz der Frauenreprasentanz im (...) subnationalen Vergleich“ (Holtkamp, 2009). Auf diesen Faktoren soll in der folgenden Arbeit auch der Fokus liegen.
Partizipation
Die Dimensionen der politischen Partizipation sind vielfaltig. So kann grob unterschieden werden zwischen der eher konventionellen politischen Partizipation, also der Mitarbeit in Parteien oder der Unterstutzung von Kandidaten, und der unkonventionellen Partizipation, die sich erstreckt auf den nicht institutionalisierten und den diskursiven Bereich (Westle, 2001). Im Folgenden wird vor allem die Dimension der konventionellen Partizipation betrachtet, da sich diese auch in der Reprasentanz von Frauen auf Wahlvorschlagen und damit in Kommunalparlamenten niederschlagt. Generell ist zu beachten, dass Frauen deutlich seltener als Manner Mitglieder in Parteien sind. So liegt der Frauenanteil bei der SPD bei 30,2 Prozent, bei den Grunen bei 36,0 Prozent, bei der CSU bei 17,9 Prozent (im Vergleich liegt der Frauenanteil bei der CDU bei 24,8 Prozent), bei der Linken 45,2 Prozent und bei der FDP bei 23,4 Prozent (BMFSFJ, 2004). Uber den Frauenanteil bei den Freien Wahlern lieBen sich keine verlasslichen Zahlen finden.
Quote
Alle Ausfuhrungen zu Quotenregelungen und Quoten beziehen sich im Verlauf dieser Arbeit ausschlieBlich auf die Frauenquote bei den Grunen beziehungsweise die Geschlechterquote bei der SPD. Die Quotenregelungen dieser Parteien sind ein Versuch, Frauen den Zugang zu politischen Amtern und Mandaten zu erleichtern. Die Grunen fuhrten ihre mindestens paritatische Frauenquote (laut Frauenstatut, Jahr unbekannt) bereits bei Parteigrundung im Jahre 1979 ein. Die SPD fuhrte erst im Jahr 1988 eine 33-Prozent-Quote ein, die allerdings 1994 durch eine 40-Prozent-Geschlechterquote ersetzt wurde. Ursula Pasero betont die Bedeutung von Quoten fur die Aktivierung von Frauen in den sogenannten Quotenparteien wie folgt: "Erst die Quote verwandelt die zahllosen Verlautbarungen uber Frauenforderung in Losungsversuche" (Pasero, 2008)
Mandatsrelevanz
„Der prozentuale Anteil der Bewerberinnen und Bewerber, die ein Mandat erhielten, obgleich sie es nach ihrem ursprunglichen Listenplatz nicht bekommen hatten“ (Hofmann, S. 3). In der Auswertung wurde des weiteren differenziert nach Geschlecht und gefragt, wie viele der gewonnenen Listenplatze im Listenvorschlag der Partei fur Frauen und Manner bestimmt waren, und wie viele Frauen und Manner dann tatsachlich in das jeweilige Kommunalparlament eingezogen waren.
Normative Rahmenbedingungen
Die besonderen Bestimmungen im bayrischen Kommunalwahlrecht haben nach einer Untersuchung des Vereins „Mehr Demokratie e.V“ (Hofmann, 2006) erhebliche Auswirkungen auf die personelle Zusammensetzung der bayrischen Rate. Die durchschnittliche Mandatsrelevanz des bayrischen Wahlrechts liegt demnach bei 18 Prozent, fur die SPD bei 19 (Hofmann, S. 5). Diese besonderen Bestimmungen sollen im folgenden kurz erlautert werden.
Bayerisches Kommunalwahlrecht
Das bayrische Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz GLKrWG spricht ein aktives Wahlrecht all jenen Unionsburgern zu, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit drei Monaten ihren Lebensmittelpunkt im jeweiligen Wahlkreis haben (Art. 1 GLKrWG). Das passive Wahlrecht durfen all jene ausuben, die ihr 18. Lebensjahr vollendet haben, Unionsburger sind, und ihren Lebensmittelpunkt seit mindestens sechs Monaten im jeweiligen Wahlkrei haben (Art. 21 GLKrWG). Alle Wahlvorschlage mussen entweder durch Parteien oder Wahlergruppen eingereicht werden (Art. 24 GLKrWG).
Nach Art. 34 GLKrWG gestaltet sich das Wahlverfahren fur Kommunalwahlen in Bayern im einzelnen wie folgt: Stimmberechtigte haben genau so viele Stimmen, wie das zu wahlende Gremium Mitglieder hat[2], also in Bad Tolz 24, in Munchen 80. Es konnen allerdings nur Personen gewahlt werden, die auf einem zugelassenen Wahlvorschlag aufgefuhrt sind. Ein Wahlvorschlag kann durch sogenanntes Kopfkreuz unverandert angenommen werden. Da allerdings Stimmberechtigte im Rahmen ihrer Stimmenzahl einem Bewerber bis zu drei Stimmen geben konnen (Kumulieren), konnen sie innerhalb eines Wahlvorschlages Veranderungen vornehmen, aber ihre Stimmen auch uber mehrere Wahlvorschlage hinweg verschiedenen Personen zuteilen (Panaschieren).
Nominierungsverfahren
Art. 29 GLKrWG beschreibt detailliert, unter welchen Rahmenbedingungen die Aufstellung der sich bewerbenden Personen fur ein Gemeinde- oder Kreisparlament stattzufinden haben. So mussen alle sich bewerbenden Personen einer Partei oder einer Wahlergruppe in einer eigens dafur einberufenen Versammlung, bei groBeren Gemeinden einer Delegiertenversammlung mit eigens hierfur gewahlten Delegierten, in geheimer Abstimmung gewahlt werden. Diese Versammlung darf fruhestens 15 Monate vor dem Wahltermin stattfinden, auch mussen alle auf dieser Versammlung stimmberechtigten Personen zum Zeitpunkt derselben wahlberechtigt sein.
Das Kommunalwahlrecht sieht ausdrucklich keine Regelungen uber die Zu- sammensetzung der von den Versammlungen gewahlten Wahlvorschlagen vor.
[...]
[1] Bei Westle allerdings 'Situativer Ansatz' genannt.
Da sich diese Arbeit exemplarisch mit zwei Gemeinden befasst, die mehr als 3000 Einwohner haben, soll auf die besonderen Bestimmungen fur diese (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG) hier nicht naher eingegangen werden.
[2] Da sich diese Arbeit exemplarisch mit zwei Gemeinden befasst, die mehr als 3000 Einwohner haben, soll auf diebesonderen Bestimmungen für diese (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG) hier nicht näher eingegangen werden.