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Sonett X von Garcilaso de la Vega - Analyse und Interpretation

©2010 Hausarbeit (Hauptseminar) 17 Seiten

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wird Sonett X von Garcilaso de la Vega betrachtet und unter den Aspekten der verschiedenen Ebenen der Analyse lyrischer Texte untersucht. „¡Oh dulces prendas por mi mal halladas!“ ist eines der berühmtesten Sonette, in dem nicht näher bestimmte Objekte („prendas“, V.1) als schuldig dafür, dass sich der Poet an vergangene Zeiten der Freunde erinnert, angesprochen werden. Hier spielt die Liebesthematik nur eine untergeordnete Rolle, vielmehr stehen Abwesenheit und Tod der geliebten portugiesischen Hofdame Isabel Freyre de Andrade, die in der Literatur als Inspiration für Sonett X verstanden wird, im Vordergrund.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sonett X „¡Oh dulces prendas por mi mal halladas!“ und Übersetzung

3. Formale Analyse

4. Pragmatische Ebene der Analyse lyrischer Texte
4.1 Sprechsituation in Sonett X
a) Personaldeixis
b) Lokaldeixis
c) Temporaldeixis
4.2 Sprechhandlung und Sprechweise

5. Semantische Ebene
5.1 Sprechgegenstand
5.2 Entwicklung des Sprechgegenstands im Textverlauf
5.3 Ebene der Wort – und Versbedeutung
5.3.1 Ambiguitäten und Konnotationen
5.3.2 Tropen
5.3.3 Topoi und Zitate

6. Syntaktische Ebene
6.1 Gliederung des Gedichts und positionale Markierung
6.2 Phonologische Ebene

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die moderne spanische Lyrik beginnt mit Garcilaso de la Vega (*um 1501 – † 1536). Laut Rivers[1] klingt alles davor gewesene mittelalterlich.

Geschrieben vor mehr als 400 Jahren, werden die Werke Garcilasos trotzdem heute noch als modern gelesen und sie beeinflussen immer noch zeitgenössische Lyriker.

Als Spaniens berühmtester Renaissancedichter, der am Hofe von Carlos V spanischer Feldherr war und in dessen Diensten unter anderen im „guerra de las Comunidades“ kämpfte, verfasste Garcilaso zahlreiche Sonette, fünf Canzonen, eine Epistel, zwei Elegien und 3 Eklogen.

Betrachtet man sich diese Werke, kann man die beiden Konstanten in seinem Leben, nämlich einerseits den Militärdienst und andererseits die Lyrik, in einem gegensätzlichen Verhältnis sehen. Er wurde zwar, aus einer adligen Familie stammend, zum Kriegsdienst erzogen, hat ihn aber nie für sich entdeckt. Seine Feinfühligkeit und seine großer Hang zur Liebe und allem, was mit ihr in Verbindung steht, drücken sich in seinen poetischen Werken aus. Nur 3 Sonette sind nicht dem Thema der Liebe gewidmet, die übrigen handeln vom Leiden wegen einer unerfüllten Liebe. Diese Thematik ist verwandt mit der klassischen und mittelalterlichen Tradition des Dichtens, auf die Garcilaso in seinen Werken zurückgreift und sie meisterhaft imitiert.

In der vorliegenden Arbeit wird Sonett X von Garcilaso de la Vega betrachtet und unter den Aspekten der verschiedenen Ebenen der Analyse lyrischer Texte untersucht. „¡Oh dulces prendas por mi mal halladas!“ ist eines der berühmtesten Sonette, in dem nicht näher bestimmte Objekte („prendas“, V.1) als schuldig dafür, dass sich der Poet an vergangene Zeiten der Freunde erinnert, angesprochen werden. Hier spielt die Liebesthematik nur eine untergeordnete Rolle, vielmehr stehen Abwesenheit und Tod der geliebten portugiesischen Hofdame Isabel Freyre de Andrade, die in der Literatur als Inspiration für Sonett X verstanden wird, im Vordergrund.

Weiterhin werden Garcilasos Werke im Hinblick auf die bereits angesprochene imitatio interpretiert. Während in den Anfängen der Garcilasokritik der „schmerzliche Ausdruck authentischer Gefühle“[2] gesucht wurde, ist man dazu übergegangen, sich mehr auf die Untersuchung der Elemente aus den Werken großer Dichter vorangegangener Zeiten wie Ovid, Vergil oder Petrarca zu konzentrieren. Auf beide Konstanten der Lyrik von Garcilaso de la Vega wird im Folgenden eingegangen.

2. Sonett X ¡Oh dulces prendas por mi mal halladas! und Übersetzung

¡Oh dulces prendas por mi mal halladas,

dulces y alegres cuando Dios quería,

juntas estáis en la memoria mía

y con ella en mi muerte conjuradas.

5 ¿Quién me dijera, cuando las pasadas

horas que’n tanto bien por vos me vía,

que me habiades de ser en algún día

con tan grave dolor representadas?

Pues en una hora junto me llevastes

10 todo el bien que por términos me distes,

llevame junto el mal que me dejastes;

si no, sospecharé que me pusistes

en tantos bienes porque deseastes

verme morir entre memorias tristes.

Oh süße Pfänder, mir zur Qual gefunden,

süß und erfreulich, wenn Gott es so wollte,

zusammen seid ihr in meiner Erinnerung

und mit ihr in meinem Tod gebannt!

Wer hätte geahnt, der mich in den vergangenen

Stunden wegen euch in höchster Freude sah,

dass ihr eines Tages für mich

so großen Schmerz bedeuten würdet?

Ihr nahmt mir in einem Moment

die ganze Freude, die ihr mir Stück für Stück gegeben habt,

so nehmt mir auch das Leid, das ihr mir gelassen habt;

wenn nicht, so werde ich vermuten, dass ihr mich erfüllt habt

mit solcher Freude, weil ihr wünschtet,

mich inmitten trauriger Erinnerungen sterben zu sehen.

3. Formale Analyse

Bei dem Werk „¡Oh dulces prendas por mi mal halladas!“ handelt es sich um ein Sonett. Diese Gedichtform wurde im 16. Jahrhundert in der spanischen Lyrik eingeführt. Für sie ist neben antiken Vorbildern insbesondere der Einfluss des europaweit berühmten und rezipierten Dichters Petrarca (1304-1374) von Bedeutung. Die Tradition der Antike bot ein reiches Material, mit dem die Liebesthematik neu entworfen und ausgeschmückt werden konnte . Doch ebenso wichtig wie die inhaltliche Erneuerung ist die formale Innovation, die unter dem Einfluss von Garcilaso de la Vega und seinem guten Freund Juan Boscán (1490-1542) in die spanische Dichtung eingeführt wurde. Der elfsilbige Vers (endecasílabo) im Sonett begründet eine formal hoch kodierte Form des Dichtens, die sich deutlich von den volkstümlichen Traditionen absetzt.[3]

Das Sonett besteht aus zwei Quartetten und zwei Terzetten. Alle 14 Verse bestehen aus elf Silben. Es handelt sich um ein Gedicht mit konsonantischem Reim, der dem klassischen Reimschema der Sonette folgt:

- 1. Quartett: ABBA (“halladas“ – “quería“ – “mía“ – “conjuradas“)
- 2. Quartett: ABBA (“pasadas“ – “vía“- “día“ – “representadas“)
- 1. Terzett: CDC (“llevastes” – “distes” - “dejastes”)
- 2. Terzett: DCD (“pusistes” – “deseastes” – “tristes”)

Die Reime in den Quartetten sind umschlungene Reime (rima abrazada), die Terzette enden auf Kreuzreime.

Das Sonett ist eine sehr klangvolle Versform, die im 13. Jahrhundert in Italien vor allem von Francesco Petrarca verwendet wurde. Er schrieb 317 Canzoniere (um 1327), die er seiner Geliebten Laura widmete.[4] Unter anderem war dieser Poet ein Vorbild für Garcilaso de la Vega.

4. Pragmatische Ebene der Analyse lyrischer Texte

4.1 Sprechsituation in Sonett X

a) Personaldeixis

Sonett X wird dem Leser durch ein lyrisches Ich vermittelt. Durch zahlreiche Personalpronomina in der 1. Person Singular ist dies bspw. direkt im ersten Vers durch „mi“ erkennbar. Insgesamt sind elf Verweise darauf vorhanden („mi“, V.1, V.4; „mía“, V.3; “me“, V.5, 6, 7, 9, 10, 11, 12 und 14). Der Sprecher ist namentlich nicht identifizierbar, interpretiert man das Gedicht allerdings im Hinblick auf Isabel Freyre, Garcilasos unerfüllte Liebe, so kann man das lyrische Ich als ein autobiografisches Element des Gedichts sehen und somit den Autor selbst als Sprecher. Von daher kann man den Sprecher als männlich identifizieren.

Charakterzüge sind nicht erkennbar, das einzige, was man über den Sprecher erfährt, ist, dass er aufgrund einer unerfüllten Liebe leidet. Im ersten Quartett tut er dies in Form einer Apostrophe kund.

Es findet kein dialogischer Sprecherwechsel statt, das Sonett richtet sich jedoch an die „prendas“ (V.1) als Adressaten. Besagte Objekte, die als „Liebespfänder“ übersetzt werden können, werden in der Literatur als Haarlocke verstanden, die der Dichter bei sich trug und von Zeit zu Zeit hervorholte, um sich an die vergangenen Zeiten der Freude bzw. seinen gegenwärtigen Schmerz zu erinnern. Diese Vermutung wird der ersten Ekloge Garcilasos entnommen, in der Nemoroso zugibt, dass er eine Locke von Elisa bei sich trägt[5]. Durch die inhaltliche Verwobenheit der Werke Garcilasos ist dies keine zu abwegige Unterstellung.

[...]


[1] Morros, B.: Garcilaso de la Vega – Obra poética y textos en prosa, Editorial Crítica, Barcelona, 2007, S. 8

[2] vgl. Mager, B.: Imitatio im Wandel, Tübingen, S. 11

[3] vgl. Stenzel, H., Einführung in die spanische Literaturwissenschaft, J.B. Metzler, Stuttgart. S.132

[4] vgl. http://www.kerber-net.de/literatur/deutsch/lyrik/sonett1.htm

[5] Johnson, C.B., Personal involvement and poetic tradition in the Spanish renaissance: Some thoughts on reading Garcilaso, In: Romanic Review, New York, NY (RR) 1989 Mar, 80:2, S. 290.

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783640673841
ISBN (Paperback)
9783640674169
DOI
10.3239/9783640673841
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier
Erscheinungsdatum
2010 (August)
Note
1,7
Schlagworte
Lyrik Garcilaso de la Vega Sonett X
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Titel: Sonett X von Garcilaso de la Vega - Analyse und Interpretation