René Descartes, der Begründer des neuzeitlichen Rationalismus und die Einführung in die Erkenntnistheorie - Stundenkonzept für die 11. Klasse
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Sachanalyse
2.1 Einführung in die Erkenntnistheorie
2.1 René Descartes – Begründer der neuzeitlichen Erkenntnistheorie
2.2 Die erste Meditation – „Woran man zweifeln kann“
2.3 Die zweite Meditation – „Über die Natur des menschlichen Geistes; daß er der Erkenntnis näher steht als der Körper“
2.4 Die dritte Meditation – „Über das Dasein Gottes“
2.5 Die vierte Meditation – „Über das Wahre und das Falsch“
2.6 Die fünfte Meditation - Vom Wesen der materiellen Dinge, und nochmals von der Existenz Gottes“
2.7 Die sechste Meditation - „Vom Dasein der materiellen Dinge und von der realen Verschiedenheit der Geistes vom Körper“
3. Didaktische Überlegungen
3.1 Erste Unterrichtseinheit
3.2 Zweite Unterrichtseinheit
3.3 Dritte Unterrichtseinheit
4. Schluss
Folie 1: Einführung in die Erkenntnistheorie Teil
Folie 2: Einführung in die Erkenntnistheorie Teil
Folie 3 - Übersicht über Meditationen von Descartes
Folie 4: Erste Meditation - „Woran man zweifeln kann“
Folie 5: Zweite Meditation - „Über die Natur des menschlichen Geistes; daß er der Erkenntnis näher steht als der Körper“
Descartes Dualismus
Descartes Suche nach dem Aufbau
Folie 6: Dritte Meditation - „Über das Dasein Gottes“
Folie 7: Vierte Meditation - „Über das Wahre und das Falsche“
Folie 8: Fünfte Meditation - „Vom Wesen der materiellen Dinge, und nochmals von der Existenz Gottes“
Folie 9: Sechste Meditation - „Vom Dasein der materiellen Dinge und von der realen Verschiedenheit der Geistes vom Körper“
Folie 10 René Descartes – Zeittafel
Folie 11 Descartes wichtige Werke
Anhang 1: Das erste Gedankenexperiment – „Das Gehirn in der Nährlösung“
Das erste Gedankenexperiment:
Anhang 2: Textarbeit
Anhang 3: Textarbeit
Anhang 4: Textarbeit
Anhang 5: Leistungskontrolle für die 11. Klasse
Abbildungverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einführung
„Schon vor Jahren bemerkte ich, wie viel Falsches ich von Jugend auf als wahr hingenommen habe und wie zweifelhaft alles sei, was ich später darauf gründete; darum war ich der Meinung, ich müsse einmal im Leben vom Grund auf alles umstürzen und von den ersten Grundlagen an ganz neu anfangen, wenn ich später einmal etwas Festes und Bleibendes in den Wissenschaften errichten wollte.“[1] Mit diesen Worten beginnt René Descartes seine Meditationen, eine erkenntnistheoretische Schrift über Irrtümer und die Suche nach fundamentalen Einsichten. Descartes setzt sich dabei zum Ziel zweifelsfreies Wissen zu finden, an das man nicht mehr zweifeln kann.
Das vorliegende didaktische Unterrichtskonzept setzt sich zum Ziel die Erkenntnistheorie mit Hilfe von Descartes Meditationen den Schüler der 11. Klasse näher zu bringen. Die Schüler sollen Grundlagenwissen der Erkenntnistheorie vermittelt bekommen und lernen mit Textarbeit zu arbeiten. Dabei möchte ich mich im ersten Teil meiner Didaktikarbeit der Sachanalyse zuwenden, die zuerst eine allgemeine Einführung in die Erkenntnistheorie liefern soll. Danach werde ich systematisch die sechs Meditationen von Descartes zum Gegenstand meiner Analyse über die Erkenntnistheorie machen. Im zweiten Teil meiner Arbeit stehen die didaktischen Überlegungen zu meinen Unterrichtskonzept im Vordergrund. Es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass dieses Unterrichtskonzept noch theoretischer Natur ist, eine praktische Anwendung fand nicht statt. Es bleibt daher offen, welche Stellen des Unterrichtskonzepts den Schüler ansprechen werden und welche der Überarbeitung bedarf, damit die Schüler einen guten Unterricht erfahren.
Am Schluss meiner didaktischen Überlegungen schließen Folien an, die ich für die Unterrichtseinheiten konzipiert habe. Sie sollen den Schüler notwendiges Wissen über Descartes Meditationen vermitteln. Danach folgen die Anhänge, die die Arbeitsmaterialien für die Schüler beinhaltet.
2. Sachanalyse
2.1 Einführung in die Erkenntnistheorie
Die Erkenntnistheorie stammt von den griechischen Wörtern episteme zu Deutsch Kenntnis, Wissen und den Wort logos zu Deutsch Vernunft, Sprache ab.[2] Die Erkenntnistheorie befasst sich mit den Bedingungen vom Wesen und den Grenzen der menschlichen Erkenntnis. Die zwei Grundfragen, die man der Erkenntnistheorie zuteilt, sind: 1. Was können wir wissen? und 2. Was ist Wissen?[3] Dabei ist das Verhältnis von Erkenntnissubjekt, Erkenntnisobjekt und Erkenntnisinhalten Zentral anzusehen.[4] Sie gehört zu einer der neueren Disziplinen der Philosophie. Obwohl die Erkenntnislehre „der Sache nach ein sehr altes Gebiet der Philosophie ist, das bereits in der Antike mit der Frage nach der Möglichkeit von Erkenntnis“[5] betrieben worden war, ist die Begriffsbildung und die daraus entstandene philosophische Disziplin, erst im 19. Jahrhundert entstanden.[6] Die hier erörterte Erkenntnistheorie ist nicht mit empirischen Wissenschaften, wie der Psychologie, Neurowissenschaften oder der Evolutionsforschung gleichzusetzen. Die Erkenntnistheorie stellt einen anderen Anspruch und zwar der Geltung (Begründung) und nicht der Genese (genetisch). Zu den großen Klassiker der Erkenntnistheorie zählen: René Descartes („Discours de la Méthode“, „Meditationes de Prima Philosophia“), John Locke („An Essay Concerning Human Understanding”), George Berkeley („A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge”), David Hume („A Treatise of Human Nature and An Enquiry Concerning Human Understanding”) und Immanuel Kant („Kritik der reinen Vernunft“).[7]
2.1 René Descartes – Begründer der neuzeitlichen Erkenntnistheorie
Eine Einführung in die Erkenntnistheorie mit ihren Argumenten und Positionen kann man mit Hilfe von Descartes Meditationen vornehmen.[8] René Descartes (Renatus Cartesius) ist am 31.3.1596 in Frankreich geboren.[9] Er war ein berühmter Mathematiker, Naturwissenschaftler und Philosoph.[10] Descartes wurde in eine Zeit des Umbruches hineingeboren. Im Vordergrund stand Erkenntnisfortschritt durch Experimente, wie etwa bei der Kopernikanischen Wende. Obwohl der dreißigjährige Krieg in Europa (1618-1648) tobte, versuchte Descartes seine naturwissen-schaftliche Schrift über die Welt und die Himmelserscheinungen zu schreiben ohne sich vom Kriegsgeschehen beeinflussen zu lassen. Jedoch kurz vor der Veröffentlichung seines Werkes hörte Descartes, dass Galileo Galilei (1633), der die Meinung vertreten hatte, die Erde drehe sich um die Sonne, von der Inquisition verurteilt wurden war. Zu diesem Schock kam für Descartes hinzu, dass man in Rom alle Werke von Galilei verbrannte und ihn unter Hausarrest stellte.[11] Dies hatte Auswirkungen auf Descartes Handeln und Leben, da er der selben Meinung wie Galilei war, dass die Erde nicht der Mittelpunkt wäre, ließ er daraufhin sein physikalisches Hauptwerk „Die Welt“ unveröffentlicht und versuchte seine Meditationen (1641) vor der Veröffentlichung theologisch abzusichern. Er versuchte, die Theologen der Fakultät von Paris davon zu überzeugen, dass seine Meditationen keine Gotteslästerung wären, sondern den Gotteskritikern Beweiße für ihr ‚Fehldenken’ liefern. Descartes gab der ersten Auflage 1641, den Titel „Meditationen über die Erste Philosophie, in der die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele bewiesen wird.“[12] Er bediente sich schon bei dem Titel einer kleinen Spitzfindigkeit, um der Fakultät sein Werk schmackhaft zu machen. Er versprach in den Meditationen die Unsterblichkeit der Seele zum Körper zu beweisen, jedoch wird an keiner Stelle seiner Meditationen dieses bewiesen. Die Überschrift sollte lediglich als eine Ankündigung für die Theologen der Fakultät dienen. Diese lehnten jedoch eine Veröffentlichung strikt ab, weil jene Schrift als Gotteslästerung verstanden wurde. 1642 brachte Descartes trotz der Widerstände seine Meditationen mit den Titel „Meditationen über die Erste Philosophie, in denen die Existenz Gottes und die Verschiedenheit der menschlichen Seele vom Körper bewiesen wird.“[13] (zweite Auflage) heraus. In dieser zweiten Auflage spricht Descartes nun von der Verschiedenheit der menschlichen Seele zum Körper. Das bedeutet aber nicht, dass Descartes mit seiner ersten Auflage gelogen hatte. Der Originaltitel der ersten Auflage lautet „Descartes, Meditationes de Prima Philosophia, In qua Dei existentia et animae immortalitas demonstratur“[14], in welchen sich ‚in qua’ (Singular) auf ‚Prima Philosophia’ bezieht und diese erste Philosophie (Metaphysik) beweist in der Tat die Unsterblichkeit der menschlichen Seele zum Körper.
Descartes gilt als der Begründer des neuzeitlichen Rationalismus (von lateinisch ratio Vernunft[15] ). Auf der Grundlage Descartes Meditationen fasst Gottfried Gabriel drei Fragen der Erkenntnistheorie zusammen: a) Die Frage nach dem Ursprung der Erkenntnis. Liegt die Quelle der Erkenntnis in der Vernunft (Rationalismus) oder in der Erfahrung (Empirismus). b) Die Frage nach der Realität der Außenwelt. Gibt es eine vom erkennenden Subjekt unabhängige Außenwelt?[16] Die Antworten liefern die Positionen des Realismus, Idealismus und die des Positivismus, wobei es hier um das Dasein der Außenwelt geht und nicht um ihr Sosein (Beschaffenheit der Außenwelt). c) Die Frage nach der Beschaffenheit (Natur) von Subjekt und Objekt.[17] Gibt es eine Trennung von Geist (Seele) und Körper, oder ist alles eins. Die Antworten die diese Frage mit sich bringt, sind die Positionen des Dualismus, die eine Trennung von Geist und Körper vorsieht und die Position des Monismus, der behauptet alles wäre eins, entweder alles ist Geist (Spiritualismus), oder alles ist Materie (Materialismus).[18]
Descartes beantwortet alle diese Fragen schrittweise in seinen Meditationen, weshalb sie einen Grundstein der Erkenntnistheorie darstellen und als Einführung in die Erkenntnistheorie hervorragend geeignet sind. Descartes Antworten auf die erkenntnistheoretischen Fragen sind wie folgt: (a) (Frage nach dem Ursprung der Erkenntnis) antwortet er mit der Position des Rationalismus, zum Beispiel sind die Farbe auf Seiten des Subjektes aber keine Eigenschaften der Dinge selbst. Die Vernunft bekommt somit Vorrang vor der Erfahrung. Die zweite Frage (b) beantwortet Descartes als bekennender Realist so, dass es eine vom Subjekt unabhängig existierende Außenwelt gibt. Die dritte Frage nach der Beschaffenheit von Subjekt und Objekt (c) beantwortet Descartes als Dualist. Somit gibt es nach Descartes eine scharfe Trennung von Leib (Materie) und Seele (Geist).
Im Folgenden sollen die Meditationen als eine exemplarische Abhandlung dieser Fragen verstanden werden. Was den Aufbau der Meditationen betrifft, hat Descartes eine Zeitstruktur von sechs Meditationen gewählt, die sechs Tagen entsprechen. Dabei spielt er auf die Schaffung der Welt in sechs Tagen an. Die Meditationen versteht Descartes als meditative Übungen in erkenntnistheoretischer Hinsicht.
2.2 Die erste Meditation – „Woran man zweifeln kann“
In der ersten Meditation baut Descartes das Wissen schrittweise ab. „Ich ziehe mich also in die Einsamkeit zurück und will ernst und frei diesen allgemeinen Umsturz aller meiner Meinung vornehmen.“[19] Das Vorgehen dabei ist der methodische Zweifel, nicht zu verwechseln mit den pathologischen oder pyrronischen Zweifel.[20] Descartes zweifelt an seinen Sinneswahrnehmungen und sogar an seinen Gedächtnis-leistungen. Dabei möchte Descartes nicht Einzelaussagen auf ihre Richtigkeit hin untersuchen, um so ihre Falschheit zu beweisen, sondern es ist für ihn ausreichend, wenn ein allgemeiner Zweifel besteht, um sich einer Zustimmungsverweigerung zu bedienen. Dabei verwendet Descartes eine dreiwertige Logik: gewiß wahr, gewiß falsch oder ungewiß.[21] Für Descartes Zweifel ist es dabei ausreichend, wenn man den Prinzipien ‚ungewiß’ nachweisen kann, um an ihnen zweifeln zu können. Die Frage die sich Descartes hier stellt ist: Wie kann man etwas für wahr halten, wenn man es nicht mit Sicherheit sagen kann? Die Prinzipien werden nun in einer methodischen Ordnung angezweifelt, um schließlich auf etwas Wahres und Unzweifelhaftes zu stoßen.
„Alles nämlich, […] empfing ich unmittelbar oder mittelbar von den Sinnen; diese aber habe ich bisweilen auf Täuschung ertappt, und es ist eine Klugheitsregel, niemals denen vollen Vertrauen zu schenken, die uns nur ein einziges Mal getäuscht haben.“[22] Als erstes Vermögen bezweifelt Descartes die Sinneswahrnehmung und damit die Erkenntnis, die durch die fünf Sinne gegeben ist (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten). Nehmen wir hier ein Beispiel aus dem Alltag: Wenn man auf der Straße denkt aus weiter Entfernung einen alten Freund, oder Bekannten wieder zusehen, doch aus kurzer Distanz erkennen muss, dass es jemand anderes ist, ist man einer Täuschung erlegen. Die Wahrnehmung von entfernten Gegenständen ist demnach zweifelhaft, weil die Wahrnehmung in der Nähe meist anders ausfällt als vermutet. Des Weiteren ist auch der Tastsinn nicht zweifelsfrei, „da ich mich erinnere, daß ich dergleichen Wahrnehmungssituationen schon einmal geträumt habe“[23] ohne sie wirklich wahrgenommen zu haben. Unter dem Aspekt des Träumens müssen wir demnach anerkennen, dass die Wahrnehmung naher Gegenstände und sogar des eigenen Körpers erträumt sein könnte. Das Leben wäre also ein Traum. Ein Szenario wie es einem bisher nur in Science Fiction Filmen wie „Matrix“ oder die „Welt am Draht“ begegnet ist könnte nun Real sein.[24] Das Ergebnis von Descartes ist, dass der Zweifel soweit fortgeschritten ist, dass man zwischen der Wirklichkeit und der Einbildung (Träume) nicht mehr unterscheiden kann. Dies ist Descartes Entfaltung der zweite erkenntnistheoretischen Frage nach der Realität der Außenwelt. Die Wissenschaften, wie Physik, Astronomie, oder Medizin, die von zusammengesetzten Körpern abhängen, sind also zweifelhaft. Descartes reicht dieser Zweifel jedoch immer noch nicht, er geht im Folgenden noch einen Schritt weiter. Mathematik und Arithmetik, die als die reinsten und höchsten Wissenschaften angesehen werden (von den Rationalisten), werden nun in Zweifel gezogen. Die Mathematik ist zwar nicht wie die Physik von bestimmten Gegenständen in der Wirklichkeit abhängig um ausgeübt zu werden, doch führt hier die Vorstellung von einem bösen Gott (‚deus malignus’) auch zu einem möglichen Irrtum. „Ich will also annehmen, daß nicht der allgütige Gott, der die Quelle der Wahrheit ist, sondern ein ebenso böser wie mächtiger und listiger Geist all sein Bestreben darauf richtet, mich zu täuschen […].“[25] Das Ergebnis dieser ersten Meditation ist Descartes Zustimmungs-verweigerung (die Urteilsenthaltung). Er zweifelt somit an allem, was er früher für wahr gehalten hat. „Will ich daher etwas Sicheres finden, so muss ich mich bezüglich dieser Meinungen künftig ebenso sorgfältig der Zustimmung enthalten, als hätten wir es mit offenbar Falschen zu tun.“[26]
2.3 Die zweite Meditation – „Über die Natur des mensch-lichen Geistes; daß er der Erkenntnis näher steht als der Körper“
Die zweite Meditation schließt Descartes nahtlos an seine erste Meditation an. Es wird hier schon die Verschiedenheit der menschlichen Seele zum Körper deutlich (dritte erkenntnistheoretische Frage). Nachdem Descartes in der ersten Meditation unser Wissen schrittweise abgebaut hat, geht er in der zweiten Meditation daran, das Fundament für einen Neuaufbau zu suchen. Er sucht einen Archimedischen Punkt, von dem aus er ‚die Welt’ wieder aufbauen kann. Bei der Suche nach einen Fundament für den Wiederaufbau seiner Erkenntnis, findet Descartes das Bewusstsein seiner Selbst. „Zweifellos bin also auch Ich, wenn er mich täuscht [bezogen auf den deus malignus]; mag er mich nun täuschen, soviel er kann, so wird er doch nie bewirken können, daß ich nicht sei, solange ich denke, ich sei etwas. […] Ich bin, ich existiere.“[27] Die berühmte Descartes Aussage „Cogito ergo sum“ (ich denke, also bin ich), wie man Vermuten würde, findet sich nicht in den Meditationen, sondern in einer anderen Schrift von Descartes. An dieser Stelle von Descartes Analyse würde eher der Schluss „Ich zweifle, also bin ich“ passen. Descartes macht das Subjekt des Denkens zum Objekt. Es ist zwar Descartes an dieser Stelle noch nicht klar, was er ist, jedoch weiß er das er existiert. Er will nun vom „Daß der Existenz“ (Dasein) zum „Was der Existenz“ (Sosein) vordringen.[28] Er will das Wesen seiner Selbst erkunden, die Essenz finden. Dabei vertritt Descartes die Position des Dualismus von Leib und Seele. Der Körper, die res extensa, ist etwas ausgedehntes, dass durch eine Gestalt begrenzt ist. Andererseits ist die res cogitans ein denkendes Ding, dass nicht an den Körper gebunden ist. Es ist ein Leib-Seele Dualismus, der eine scharfe Trennung von beiden vorsieht. An dieser Stelle kommt man zu dem Problem der Wechsel-wirkung zwischen Geist und Körper. Descartes Antwort lautet, dass die Wechselwirkung, in der so genannten Zirbeldrüse, wo „der Sitz der Seele und der Ort sämtlicher Gedanken“[29] ist, zusammenläuft.
Descartes erkennt zuerst das denkende Ding an. „Ein Ding, das zweifelt, einsieht, bejaht, verneint, will, nicht will, das auch bildlich vorstellt und empfindet.“[30] Die res extensa ist aber noch nicht gesichert. Descartes bezieht sich im weiteren Verlauf seiner Argumentation auf ein Wachs-beispiel. Es soll ein Körper im besonderen betrachtet werden. Der Bienenwachs steht für die Gegenstände der Außenwelt, die Descartes mit Hilfe der Sinne nacheinander abarbeitet. Das Wachs kommt zum Beispiel ins Feuer und verändert seine Eigenschaften. Ist es dann noch das selbe Stück Wachs wie zuvor? Die eigene Logik erkennt schnell an, dass es das selbe Stück Wachs ist, aber die Sinne sagen etwas anderes. Nach der Veränderung des Bienenwachs bleibt nur etwas Ausgedehntes, Biegsames und Veränderliches, welches nicht durch das Einbildungs-vermögen erkannt werden kann. Das Ergebnis ist, dass man nicht durch Imagination (Vorstellung) erkennen kann, sondern erst durch den Geist. „Ich weiß jetzt, daß die Körper nicht eigentlich von den Sinnen oder von der Einbildungskraft, sondern von dem Verstand allein wahrgenommen werden, und zwar nicht, weil wir sie berühren und sehen, sondern lediglich, weil wir sie denken; und so erkenne ich, daß ich nichts leichter oder evidenter wahrnehmen kann als meinen Geist.“[31]
2.4 Die dritte Meditation – „Über das Dasein Gottes“
Die dritte Meditation steht unter dem Aspekt des Gottesbeweises[32]. Die Fragen, die sich Descartes stellen, sind: Gibt es einen Gott? Und wenn es einen Gott gibt, ist er dann ein ‚deus malignus’, der mich absichtlich in allem täuschen will (in der Außenwelt), oder ist er ein guter Gott ohne Täuschungsabsichten? Gibt es noch etwas außer mir (Problem der Außenwelt – Realitätsproblem)? Mit Hilfe des Gottesbeweises will Descartes die Außenwelt wieder aufbauen, ansonsten würde er im Solipsismus stecken bleiben.
Um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden, teilt er die Gedanken in Akte und Ideen auf (siehe Folie 6). Die Ideen sind nicht an sich wahr oder falsch. Den Ideen wird aber ein Dasein in der Wirklichkeit zugesprochen. Descartes teilt die Ideen in drei Kategorien auf. Es gibt die angeborenen Ideen (Platonisches Erbe), z.B. Gott und die Mathematik; die erworbenen Ideen, Ideen die von außen gekommen sind, z.B. Farben und Gegenstände; und die von mir selbst gemachten Ideen, z.B. die Vorstellung eines Einhorns oder eines Engels. Der erste Gottesbeweis schließt genau an die Dreiteilung der Ideen an. Descartes benötigt diesen Gottesbeweis um aus seinem Solipsismus herauszukommen. Woher kommt nun die Idee von Gott?
Als erstes untersucht Descartes ob die Gottesidee von der Außenwelt gekommen ist. Hier stellt er fest, dass die Außenwelt, wie wir zuvor gesehen haben, keine klare und deutliche Vorstellung liefern kann und deshalb wegfällt. Die zweite Untersuchung betrifft das Bewusstsein, welches Ideen aus sich heraus bilden kann. Auch hier wird man nicht fündig, da der Mensch ein endliches Lebewesen ist und sich daher keine Vorstellung von einer unendlichen Lebensform (Gott) machen kann (= erster Gottesbeweis). Als letztes bleibt die höhere Instanz. Die Idee Gottes kann nur eine ‚idea innata’ (eingeborene Idee) sein, da die Vorstellung nur aus einer unendlichen Substanz erwachsen sein kann. Die Idee von Gott ist somit unabhängig von der Außenwelt. Es ist ein kausaler oder psychologischer Gottesbeweis den Descartes hier vorstellt.[33] Die Vorstellung höchster Vollkommenheit, kann laut Descartes nicht von einen unvollkommenen Wesen kommen. Mit diesem Gottesbeweis und der Tatsache, dass er kein ‚deus malignus’ sein kann, kann sich Descartes an den Aufbau seiner Erkenntnis machen. Gott kann uns nicht täuscht und wir Träumen dadurch nicht.
2.5 Die vierte Meditation – „Über das Wahre und das Falsch“
Ab der vierten Meditation „Über das Wahre und Falsche“ baut Descartes die Außenwelt wieder auf, da er alles nötige dazu hat (Gottesbeweis). Auf dem Weg in die Außenwelt stellt Descartes fest, dass Gott mich nicht täuschen kann, da „Lug und Trug“ etwas Unvoll-kommenes ist und es als bewiesen gilt, dass ein vollkommenes Wesen diese Eigenschaft nicht haben kann. Das Urteilsvermögen haben wir dabei von Gott bekommen. Beim richtigen Gebrauch dieses Urteils-vermögen werden wir nicht zu Irrtümern geführt. Solange Descartes also mit seinen Gedanken bei Gott ist, hat er keinen Anlass sich vor Irrtümern und Falschheiten zu fürchten. Die Existenz ist nun durch die Zeit gesichert. Des Weiteren stellt Descartes fest, dass ein Irrtum das Fehlen von Erkenntnis ist, da der Mensch ein unvollkommenes Wesen ist und das Wahre nicht immer richtig beurteilen kann. Der Wille des Menschen erstreckt sich weiter als die Reichweite des Verstandes es zulässt. „Jede klare und deutliche Auffassung ist ja ohne Zweifel Etwas, kann also nicht von Nichts kommen, sondern hat notwendigerweise Gott zum Urheber – Gott, das vollkommenste Wesen, das nicht betrügen kann!“[34] Aber wie kann Gott dann zulassen, dass man überhaupt Irren kann? Die Antwort auf diese Frage lautet, dass der Mensch dann eine Erkenntnismaschine ohne freien Willen wäre. Somit wäre geistiges Handeln determiniert und schließlich keine wahre Erkenntnis möglich.
2.6 Die fünfte Meditation - Vom Wesen der materiellen Dinge, und nochmals von der Existenz Gottes“
In der fünften Meditation geht es um die materiellen Dinge. Descartes versucht nun in dieser vorletzten Meditation aus dem Zweifel herauszukommen, da er jetzt weiß was zu meiden ist um das Wahre zu erkennen. Er führt einen zweiten Gottesbeweis ein, der auf Anselm von Canterbury zurückgeht, der Ontologische Gottesbeweis. Da Gott als das höchste und allererste Wesen gesetzt ist, folgt seine Existenz. Man kann demnach Gott nicht ohne Existenz denken. Er geht dabei folgender-maßen vor, die Definition Gott ist gleich dem vollkommensten Seienden gesetzt. Was existiert (Prämisse) ist dabei vollkommener als das, was nicht existiert. Der Schluss daraus ist, würde Gott nicht existieren, so könnte ich mir ein Wesen vorstellen, dass vollkommener ist als Gott, nämlich ein Wesen, das alle Eigenschaften Gottes hätte und zusätzlich die Eigenschaft der Existenz.
Da die Idee Gott eine angeborene Idee ist, hat sie einen Wahrheitsanspruch, und das garantiert die Wahrheit durch die Zeit (einmaliger Beweis ist für Descartes ausreichend). Auch dieser zweite Gottesbeweis ist ein eher enttäuschender Beweis für die Existenz Gottes und kann nicht überzeugen. Immanuel Kant sagt zu diesem zweiten Gottesbeweis ganz treffend, dass Descartes hier falsch liegt, denn das Dasein ist kein Merkmal des Begriffes.
2.7 Die sechste Meditation - „Vom Dasein der materiellen Dinge und von der realen Verschiedenheit der Geistes vom Körper“
Die sechste Meditation bildet den Abschluss seines Werkes. Für Descartes ist das Vorstellen nicht gleich zusetzten mit dem Denken. Anders sehen das die Empiristen, die das Denken gleich dem Vorstellen setzen. Die Sinneserkenntnis ist nach Descartes vielfach dunkel und verworren (siehe Folie 9).
Bleibt das Leib-Seele Problem. Wie kommen die beiden zusammen, wenn sie so verschieden sind? Es handelt sich hier um eine Interaktion zwischen Geist und Materie im Menschen (Zirbeldrüse). „Weiterhin bemerke ich, daß der Geist nicht von allen Teilen des Körpers unmittelbar Eindrücke empfängt, sondern nur vom Gehirn, vielleicht sogar nur von einem ganz kleinen Teil desselben, nämlich von dem, welcher Sitz des Gemeinsinns sein soll.“[35] Dabei müssen beide verschieden sein, z.B. wenn ich ein Bein oder einen Arm verliere, wird nichts von meinem Geist weggenommen. Der Körper ist somit teilbar aber der Geist ist unteilbar.
[...]
[1] Descartes, René: Meditationes de Prima Philosophia. Meditationen über die Erste Philosophie, Lateinisch/Deutsch, Stuttgart 2004. Übersetzt von Gerhart Schmidt, S. 63.
[2] Lövenich, Friedhelm: Erkenntnistheorie, Microsoft Encarta 2007.
[3] Ernst, Gerhard: Einführung in die Erkenntnistheorie, Darmstadt 2007, S. 8f.
[4] Dtv-Atlas Philosophie, München 1991, S. 13.
[5] Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Von Descartes zu Wittgenstein, 2. Auflage, München 1998, S. 9.
[6] ebd., S. 9.
[7] Ernst, Gerhard, Einführung in die Erkenntnistheorie, S 11.
[8] Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S.11.
[9] Dtv-Atlas, S. 105.
[10] Musgrave, Alan: Alltagswissen, Wissenschaft und Skeptizismus. Eine historische Einführung in die Erkenntnistheorie, Tübingen 1993, S. 198.
[11] Baillet, Adrien: Das Leben des Rene Descartes, Klagenfurt-Wien 2006, S. 76f.
[12] Descartes, René: Meditation, S. 23.
[13] Descartes, René: Meditation, S.23.
[14] ebd., S.22.
[15] Dtv-Atlas, S.105.
[16] Vgl. Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S.26.
[17] ebd., S. 26.
[18] ebd., S.20-28.
[19] Descartes, René: Meditation, S. 63.
[20] Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S.17.
[21] ebd., S. 13.
[22] Descartes, René: Meditationen, S. 65.
[23] Gabriel, Gottfried: S.13.
[24] Vgl. GG, S. 14.
[25] Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 73.
[26] Descartes, René: Meditationen, S.71.
[27] ebd., S. 79.
[28] Vgl. Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S.33.
[29] Baillet, Adrien: Das Leben des René Descartes, Klagenfurt-Wien 2006, S. 98.
[30] Descartes, René: Meditationen, S. 87.
[31] ebd., S. 97.
[32] ebd., S. 99.
[33] Vgl. Weschke, Frank: Thema: Ethik. Band 2, Köln 1999, S. 28.
[34] Descartes, René: Meditationen, S.159.
[35] Descartes, René: Meditationen, S. 207.