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Bewertungsverfahren im Rahmen einer Unternehmensbewertung

©1999 Diplomarbeit 55 Seiten

Zusammenfassung

Das Thema Unternehmensbewertung und Unternehmenszusammenschlüsse mit den dafür bezahlten Kaufpreisen ist derzeit und auch in Zukunft von überragender wirtschaftlicher, praktischer, aber auch theoretischer Bedeutung. Ganz allgemein ist es Aufgabe der Unternehmensbewertung den Verkehrswert einer Unternehmung zu kalkulieren.

Bei der Unternehmensbewertung werden also potentielle Veräußerungspreise einer Unternehmung gesucht. Bei einer Unternehmungsbewertung werden insofern nicht nur Vermögensrechte bewertet, sondern auch Beteiligungsrechte.

Immer mehr Unternehmen wollen „Global Players“ werden, weltweit agierende Konzerne, die spielend Ländergrenzen überwinden und Kunden in der ganzen Welt ansprechen. Die deutschen Großunternehmen mischen kräftig mit. Die Fusion Daimler-Benz/Chrysler brachte den neuen Konzern auf einen Schlag an die Welt-Spitze der Autoproduzenten, die Übernahme von Bankers Trust durch die Deutsche Bank ergab das weltweit größte Kreditinstitut.

Bei diesen „Spielen“ und „Megaspielen“ entsteht regelmäßig bei den Akteuren, bei Käufern, Verkäufern und den beauftragten Experten die Frage, was das Unternehmen, das gekauft, verkauft oder fusioniert werden soll, denn eigentlich wert sei. In der Regel wird kein Mensch bereit sein etwas zu geben oder zu nehmen, ohne sich vorher einen Eindruck vom Wert des zu kaufenden oder zu verkaufenden Objektes zu verschaffen. Besonders dann, wenn das zu kaufende Unternehmen auf Kredit gekauft wird, will der Investor und Kreditgeber wissen, ob die Rückzahlung der Kredite sichergestellt ist.

Die Frage des Unternehmenswertes und der Unternehmensbewertung stellt sich aber nicht nur im Bereich von „mergers und acquisitions“, von Fusionen und Übernahmen, sondern auch aus anderen Gründen, etwa bei steuerlichen und handelsrechtlichen Bewertungsfragen sowie im Erbfall.

Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll der Versuch einer geschlossenen und systematischen Darstellung der Unternehmensbewertung unternommen werden. Das den Grundlagen gewidmete erste Kapitel bringt in Abschnitt 2 einen Abriß über die Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung. Abschnitt 3 befaßt sich mit den Funktionen und Anlässen der Unternehmensbewertung. Das zweite Kapitel ist den Bewertungsverfahren im Rahmen der Unternehmensentwicklung gewidmet und im dritten Kapitel erfolgt die Bewertung der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG mittels zweier Bewertungsverfahren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Erstes Kapitel

Grundlagen
1. Einführung in Themengebiet
2. Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung
2.1 Allgemeines
2.2 Objektive Unternehmensbewertung
2.3 Subjektive Unternehmensbewertung
2.4 Funktionale Unternehmensbewertung
2.5 Exkurs: Entwicklungen in den USA
3. Funktionen und Anlässe einer Unternehmensbewertung
3.1 Funktionen einer Unternehmensbewertung
3.2 Anlässe für eine Unternehmensbewertung

Zweites Kapitel

Bewertungsverfahren im Rahmen einer Unternehmensbewertung

1. Übersicht der Verfahren
2. Substanzorientierte Verfahren
2.1 Das Substanzwertverfahren auf Basis von Reproduktionswerten
2.2 Das Substanzwertverfahren auf Basis von Liquidationswerten
3. Ertragsorientierte Verfahren
3.1 Das Ertragswertverfahren
3.2 Das Discounted Cash-flow Verfahren
4. Vergleichsorientierte Verfahren
4.1 Comparative Company Approach
4.2 Multiplikatormethode
5. Kombinierte Verfahren
5.1 Das Mittelwertverfahren
5.2 Das Übergewinnverfahren

Drittes Kapitel

Bewertung der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG
1. Allgemeine Beschreibung der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG
2. RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG in Zahlen
3. Bewertung der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG
3.1 Ermittlung des Unternehmenswertes mittels der traditionellen KGV-Betrachtung
3.2 Ermittlung des Unternehmenswertes mittels der modifizierten Ertragsdiskontierung

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis / Quellenverzeichnis VII

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Firmen-Hochzeiten international

Abb. 2: Drei-Phasen-Schema der Entwicklung der Unternehmensbewertung

Abb. 3: Funktionen der Unternehmensbewertung

Abb. 4: Anlässe für Unternehmensbewertungen

Abb. 5: Überblick über die wichtigsten Bewertungsverfahren

Abb. 6: Unternehmensstruktur der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG

Abb. 7: Geschäftsbereiche der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG

Abb. 8: Mitarbeiterentwicklung der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG

Abb. 9: Mitarbeiterstruktur der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG

Abb. 10: Bewertung nach der KGV-Methode

Abb. 11: Planzahlen der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG

Abb. 12: Berechnung des Unternehmenswertes mittels der modifizierten Ertragsdiskontierung

Abb. 13: Abhängigkeit des Unternehmenswertes vom Diskontierungssatz

Erstes Kapitel

Grundlagen

1. Einführung in Themengebiet

Das Thema Unternehmensbewertung und Unternehmenszusammenschlüsse mit den dafür bezahlten Kaufpreisen ist derzeit und auch in Zukunft von überragender wirtschaftlicher, praktischer, aber auch theoretischer Bedeutung. Ganz allgemein ist es Aufgabe der Unternehmensbewertung den Verkehrswert einer Unternehmung zu kalkulieren. Der Verkehrswert hat denselben Begriffsinhalt wie der gemeine Wert,1 der in § 9 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der Fassung vom 1. Januar 1991 wie folgt definiert wird:

„§ 9 Bewertungsgrundsatz, gemeiner Wert

(1) Bei Bewertungen ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der ge- meine Wert zugrunde zu legen.

(2) Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen ...“

Bei der Unternehmensbewertung werden also potentielle Veräußerungspreise einer Unternehmung gesucht. Diese Beträge stellen die Gegenleistung für die Übertragung bestimmter Beteiligungs- und Vermögensrechte dar, welche der Inhaber oder Beteiligte einer Unternehmung bislang inne hatte. Bei einer Unternehmungsbewertung werden insofern nicht nur Vermögensrechte bewertet, sondern auch Beteiligungsrechte.

Immer mehr Unternehmen wollen „Global Players“ werden, weltweit agierende Konzerne, die spielend Ländergrenzen überwinden und Kunden in der ganzen Welt ansprechen. Die deutschen Großunternehmen mischen kräftig mit. Die Fusion Daimler-Benz/Chrysler brachte den neuen Konzern auf einen Schlag an die Welt-Spitze der Autoproduzenten, die Übernahme von Bankers Trust durch die Deutsche Bank ergab das weltweit größte Kreditinstitut.2 - Von 1991 bis 1997 hat sich der Wert der Unternehmenszusammenschlüsse nahezu vervierfacht, wie an Abb. 1 zu ersehen ist. Das Fusionsfieber hat inzwischen auch auf den Dienstleistungssektor übergegriffen: 59 Prozent aller Zusammenschlüsse fanden 1997 in diesem Bereich statt, die Industrieunternehmen hatten nur noch einen Anteil von 34 Prozent.

Bei diesen „Spielen“ und „Megaspielen“ entsteht regelmäßig bei den Akteuren, bei Käufern, Verkäufern und den beauftragten Experten die Frage, was das Unternehmen, das gekauft, verkauft oder fusioniert werden soll, denn eigentlich wert sei. In der Regel wird kein Mensch bereit sein etwas zu geben oder zu nehmen, ohne sich vorher einen Eindruck vom Wert des zu kaufenden oder zu verkaufenden Objektes zu verschaffen. Besonders dann, wenn das zu kaufende Unternehmen auf Kredit gekauft wird, will der Investor und Kreditgeber wissen, ob die Rückzahlung der Kredite sichergestellt ist.

Abb. 1: Firmen-Hochzeiten international

(Quelle: Globus Infografik GmbH, Statistische Angaben der Vereinten Nationen, 18. Januar 1999, Va-5342)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Frage des Unternehmenswertes und der Unternehmensbewertung stellt sich aber nicht nur im Bereich von „mergers und acquisitions“, von Fusionen und Übernahmen, sondern auch aus anderen Gründen, etwa bei steuerlichen und handelsrechtlichen Bewertungsfragen sowie im Erbfall.

Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll der Versuch einer geschlossenen und systematischen Darstellung der Unternehmensbewertung unternommen werden. Das den Grundlagen gewidmete erste Kapitel bringt in Abschnitt 2 einen Abriß über die Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung. Abschnitt 3 befaßt sich mit den Funktionen und Anlässen der Unternehmensbewertung. Das zweite Kapitel ist den Bewertungsverfahren im Rahmen der Unternehmensentwicklung gewidmet und im dritten Kapitel erfolgt die Bewertung der RAMPP ENGINEERING GmbH & Co. KG mittels zweier Bewertungsverfahren.

2. Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung

2.1 Allgemeines

Die Bewertung von Unternehmen gehört in Deutschland seit Jahrzehnten zu den in Theorie und Praxis sehr kontrovers diskutierten Themen. Kaum ein anderer Fragenkomplex ist durch eine vergleichbare Vielfalt von Literaturbeiträgen gekennzeichnet. Die Gegensätzlichkeiten der im Zeitablauf entwickelten Lehrmeinungen und die Komplexität der behandelten The- menbereiche erschweren die Durchführung praktischer Bewertungsaufgaben und wecken oftmals Zweifel an der Zuverlässigkeit und Aussagekraft des ermittelten Unternehmenswer- tes. Deshalb erscheint es besonders wichtig, die einzelnen Entwicklungsphasen der Unter- nehmensbewertung sowie die dafür maßgeblichen Strömungen zu betrachten.

Die Entwicklung der Theorie der Unternehmensbewertung läßt sich in drei Phasen einteilen:

Phase 1: Objektive Unternehmensbewertung
Phase 2: Subjektive Unternehmensbewertung
Phase 3: Funktionale Unternehmensbewertung

Die einzelnen Phasen sind in Abb. 2 zusammenfassend dargestellt und werden in den folgenden Abschnitten kurz erläutert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Drei-Phasen-Schema der Entwicklung der Unternehmensbewertung (in Anlehnung an List, Stephan, Die Bewertung der GmbH, S.21)

2.2 Objektive Unternehmensbewertung

Bis in die 60er Jahre dominierte in der Literatur die Vorstellung, daß ein objektiver Unternehmenswert existiere, der allgemein gültig sei.3 In diesem objektiven Unternehmenswert sollten keine besonderen Fähigkeiten oder Beziehungen des potentiellen Käufers oder Verkäufers berücksichtigt werden, sondern nur Tatsachen, die in dem zu bewertenden Unternehmen selbst liegen. Der objektive Unternehmenswert bringt somit den Preis zum Ausdruck, der ohne Berücksichtigung von besonderen Eigenschaften, Interessen oder anderen subjektiven Faktoren der Bewertungsobjekte erzielt werden kann.

Im Rahmen der objektiven Unternehmensbewertung orientiert man sich an vergangenen und gegenwärtigen Verhältnissen, jedoch nicht an zukünftigen Entwicklungen. Diese statische Betrachtungsweise ließ dem Substanzwert eines Unternehmens wesentliche Bedeutung zu- kommen.

2.3 Subjektive Unternehmensbewertung

Die Lehre von der subjektiven Unternehmensbewertung wurde in den 60er Jahren entwickelt. Der Unternehmenswert gilt in dieser Phase nicht mehr als allgemeingültiger Wert des Unter- nehmens, sondern als Wert für ein bestimmtes Bewertungssubjekt4. Es soll erfaßt werden, was das Unternehmen dem entsprechenden Bewertungssubjekt, unter Berücksichtigung seiner subjektiven Ziele und Erwartungen, wert ist. Der subjektive Unternehmenswert bestimmt also den maximal zahlbaren Kaufpreis aus der Sicht eines potentiellen Käufers oder den mindes- tens zu erzielenden Verkaufspreis aus der Sicht eines potentiellen Verkäufers. Der Unterneh- menswert ist daher subjektbezogen. Er hängt vom gesamten Entscheidungsfeld des betreffen- den Bewertungssubjekts selbst, insbesondere auch von dessen alternativen Kapitalverwen- dungsmöglichkeiten ab.5

Die Präferenzen des Bewertungssubjekts und das Konzept der subjektiven Unternehmensbe- wertung zielen nun darauf ab, die Zukunftsbezogenheit bei der Bewertung von Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Diesen Gedanken spiegelt ein Zitat von Münstermann wider: „Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts!“6. Das Substanzwertverfahren wurde somit vom Ertragswertverfahren abgelöst. Der subjektive Unternehmenswert entspricht somit dem Ertragswert des Unternehmens, der sich aus dem Wert der zukünftigen Unternehmenserträge ergibt.

2.4 Funktionale Unternehmensbewertung

Mitte der 70er Jahre konnte die Kontroverse zwischen objektiver und subjektiver Werttheorie durch die Kölner Funktionenlehre7 überwunden werden.8 Die funktionale Unternehmensbe- wertung geht davon aus, daß Unternehmensbewertungen in der Realität zahlreichen Zwecken dienen und diese verschiedenen Bewertungszwecke determinieren sowohl die Anwendung des Bewertungsverfahrens als auch die Höhe des ermittelten Unternehmenswertes (Zwecka- däquanzprinzip).9

Der Zweck der Bewertung ist somit vor jeder Unternehmensbewertung genau festzulegen. Unterschiedliche Bewertungszwecke führen dann in der Regel zu unterschiedlichen Unter- nehmenswerten: Eine Unternehmensbewertung zur Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für den Verkauf bzw. Kauf eines Unternehmens orientiert sich an anderen Gesichtspunkten als zur Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für die Vergabe eines Kredites.

Die Funktionenlehre differenziert zwischen drei Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung. In der Beratungsfunktion wird nach dem Grenzpreis als Maximalpreis des präsumtiven Käufers bzw. als Minimalpreis des präsumtiven Verkäufers gefragt.10 Die Vermittlungsfunktion soll den fairen Einigungspreis konfligierender Parteien durch einen neutralen Gutachter ermitteln.11 In der Argumentationsfunktion werden Unternehmensbewertungen unter der Zwecksetzung vorgenommen, mit dem Ergebnis ein bestimmtes angestrebtes Verhandlungsergebnis bestmöglich zu unterstützen.12

Bezeichnend für die verschiedenen Sichtweisen ist, daß die ermittelten Unternehmenswerte zu unterschiedlichen und zum Teil erheblich differierenden Ergebnissen führen. Das gilt ebenso für die Werte, die in den sogenannten Nebenfunktionen, z.B. der Bilanz- und Steuerbemessungsfunktion, ermittelt werden.

Auf das Konzept der Funktionenlehre wird in Abschnitt 3.1 näher eingegangen.

2.5 Exkurs: Entwicklungen in den USA

In den USA wurde die Unternehmensbewertung schon sehr früh als investitionstheoretisches Problem angesehen, auf das die anerkannten Grundsätze der Finanzierungs- und Investitionstheorie anzuwenden sind.13 Hier können drei grundlegende Ansätze für Unternehmensbewertungen unterschieden werden:

- market approach / comparative company approach
- income approach
- cost approach / net asset value approach

Der Unternehmenswert wird im Rahmen des market approach durch Vergleichsverfahren, sogenannte „fair market values“, gebildet. Man richtet sich entweder nach Marktpreisen, nach

Preisen für vergangene abgeschlossene Transaktionen oder nach Preisen der erstmaligen Börsenplazierung von vergleichbaren Unternehmen. Die häufigste Methode in den USA stellt der „income approach“ dar. Bei diesem Verfahren wird vor allem die Discounted Cash-Flow- Methode eingesetzt. In Ausnahmefällen oder zur Ergebniskontrolle des market approach oder des income approach werden Unternehmenswerte auf Basis des cost approach, der konzeptionell dem Substanzwertverfahren entspricht, ermittelt.

Fazit: Die Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung sowie die Entwicklung in den USA lassen eindeutig erkennen, daß sich ein Trend zur zukunftsorientierten Betrachtungsweise entwickelt hat. Dieser Trend zeigt sich auch innerhalb der verschiedenen Bewertungsverfahren im Rahmen der Unternehmensbewertung.

3. Funktionen und Anlässe einer Unternehmensbewertung

Die angemessene Anwendung von Bewertungsverfahren innerhalb der Unternehmensbewer- tung wird erst durch eine Systematisierung der zahlreichen Bewertungsanlässe unter Berück- sichtigung der jeweiligen Bewertungsfunktionen möglich. Eine eindeutige Zuordnung von Bewertungsfunktionen zu Bewertungsanlässen und vice versa ist grundsätzlich nicht möglich. Jede Bewertungsfunktion kann sich aus unterschiedlichen Bewertungsanlässen ergeben, wie auch die meisten Anlässe eine Bewertung in unterschiedlichen Funktionen bedingen kön- nen.14

3.1 Funktionen einer Unternehmensbewertung

Die Theorie der funktionalen Unternehmensbewertung und die Bewertungspraxis unterschei- den jeweils Hauptfunktionen und Nebenfunktionen, deren Abgrenzung jedoch differiert. Nach der Kölner Funktionenlehre sind die Beratungs-, Vermittlungs- und Argumentationsfunktion als Hauptfunktionen anzusehen. Teile der Literatur bezeichnen nur die Beratungsfunktion und die Vermittlungsfunktion als Hauptfunktionen.15 Als Nebenfunktionen werden insbesondere die Kommunikations-, die Vertragsgestaltungs- sowie die Steuerbemessungsfunktion ge- nannt.16 Diese werden im folgenden aufgrund ihrer spezifischen Aufgabenstellung ausge- klammert.

Im Rahmen der Beratungsfunktion wird für eine am Eigentumswechsel des Bewertungsobjekts interessierte Partei die Grenze ihrer individuellen Konzessionsbereitschaft ermittelt.17 Für die jeweilige Partei bezieht sich die Frage der Konzessionsbereitschaft auf die Bestimmung des für den Eigentumswechsel zu entrichtenden bzw. zu fordernden Höchst- bzw. Mindestpreises, jenseits dessen ein Eigentumswechsel bei rationalem Handeln nicht in Betracht kommt. Diese Preisgrenze bzw. der daraus resultierende relevante Wert ist der sog. Entscheidungswert.18 Entscheidungssubjekte sind dabei regelmäßig Käufer bzw. Verkäufer. Nur wenn der Entscheidungswert des Käufers größer ist als der Entscheidungswert des Verkäufers, ist demgemäß ein Einigungsbereich vorhanden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, daß in Verhandlungen keine der Parteien bereit sein wird, ihren Entscheidungswert mitzuteilen, um die eigene Verhandlungsposition nicht zu schwächen.

Im Rahmen der Vermittlungsfunktion (Konfliktlösungsfunktion)19 soll zwischen mehreren Parteien, deren Interesse bezüglich des zu bewertenden Unternehmens divergieren, vermittelt werden, um eine Einigung über die Bedingungen der Eigentumsänderung zu erleichtern. Zur Konfliktbewältigung bedient man sich eines sachverständigen Dritten, dessen Aufgabe darin besteht, einen für die Parteien akzeptablen und möglichst gerechten Interessenausgleich in Form eines sogenannten „Vermittlungs- oder Schiedsspruchwertes“ herbeizuführen. Zu einem Interessenausgleich kann es nur kommen, wenn der Vermittlungswert im Einigungsbereich zwischen der (niedrigeren) Preisuntergrenze des Verkäufers und der (höheren) Preisobergren- ze des Käufers liegt.20 Der ermittelte Wert, oftmals auch als Schiedswert oder Arbitriumwert bezeichnet, kann in einem verbindlichen Vorschlag bestehen, der von den Kontrahenten ak- zeptiert werden muß, oder in einem Vorschlag, der als Grundlage für die weiteren Verhand- lungen dienen soll.21 Die Zielsetzung der Vermittlungsfunktion besteht primär in einer Kon- fliktlösung, die unter Berücksichtigung der Entscheidungswerte zu einem Kompromiß führt. Innerhalb des Einigungsbereiches sind dabei durch den Vermittler bestimmte, parteiadäquate und von den Parteien möglichst anerkannte Gerechtigkeitsvorstellungen zur Anwendung zu bringen.

Ziel der Argumentationsfunktion ist die Ermittlung eines Unternehmenswertes, der das Erreichen eines bestimmten angestrebten Verhandlungsergebnisses bestmöglich durch argumentative Unterstützung der Verhandlungsposition einer Partei herbeiführen kann. Diese Bewertungen sind in der Bewertungspraxis sehr häufig, obwohl die betriebswirtschaftliche Theorie der Argumentationsfunktion eine relativ geringe Beachtung zukommen läßt. Die Vernachlässigung in der Literatur wird teilweise dadurch begründet, daß kaum allgemeine Regeln für die Bestimmung der Argumentationswerte deduziert werden können.22

Abweichend von der Kölner Funktionenlehre definiert der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer die Funktion des neutralen Gutachters als weitere Hauptfunktion der Unternehmensbewer- tung. Die Unternehmensbewertung vollzieht sich in zwei Phasen. In der sog. Feststellungs- phase erfolgt die Ermittlung eines objektivierten Werts des Unternehmens im Rahmen des bestehenden Unternehmenskonzeptes unter der Prämisse der unveränderten Fortführung des Unternehmens.23 Der auf der Grundlage weitgehend nachprüfbarer Daten ermittelte Wert soll als Basis sowohl für Verhandlungen zwischen den Parteien als auch für deren weitere, sub- jektspezifischen Überlegungen über einen Entscheidungs- oder Arbitriumwert dienen.24 Erst im Rahmen der sog. Verhandlungsphase werden ergänzende z.T. lediglich subjektiv be- stimmbare Erwartungen berücksichtigt. In der Feststellungsphase werden demnach subjektive Ziele und die subjektive Unternehmenspolitik nicht berücksichtigt, was im allgemeinen zu einem relativ niedrigen und damit „käuferfreundlichen“ Unternehmenswert führt.25 Den ob- jektivierten Wert muß jeder Wirtschaftsprüfer in seiner Tätigkeit als Bewertungsgutachter unabhängig von der jeweils ausgeübten Funktion ermitteln; in die zweite Phase werden Wirt- schaftsprüfer dagegen nur ausnahmsweise und auf besonderen Wunsch der Parteien einge- schaltet.26

Einen zusammenfassenden Überblick über die einzelnen Funktionen im Rahmen der Unternehmensbewertungen nach der Kölner Funktionenlehre und der phasenorientierten Funktionenlehre zeigt Abb. 3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Funktionen der Unternehmensbewertung (eigene Erstellung)

Für den weiteren Fortgang dieser Arbeit erfolgt eine Beschränkung auf die Ermittlung von Entscheidungswerten im Rahmen der Beratungsfunktion aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung auch für die anderen Funktionen.

3.2 Anlässe für eine Unternehmensbewertung

Die Anlässe für Unternehmensbewertungen sind zahlreich und vielfältig. Bewertungen kön- nen beispielsweise erforderlich sein in Zusammenhang mit dem Kauf bzw. Verkauf eines Un- ternehmens, im Zuge der Kreditwürdigkeitsprüfung, zur Bestimmung des Abschichtungsgut- habens eines ausscheidenden Gesellschafters, in Zusammenhang mit einer Umgründung des Unternehmens, einer Umwandlung, einer Verschmelzung, einer Einbringung, einer Spaltung etc.27

In der Literatur existieren unterschiedliche Systematisierungsversuche von Anlässen zu Unternehmensbewertungen.28 Im folgenden wird ein zusammengefaßtes Systematisierungsschema zugrunde gelegt, das drei Unterscheidungsebenen verwendet:

- entscheidungsabhängige und entscheidungsunabhängige Anlässe,
- dominierte oder nicht-dominierte Anlässe,
- Anlässe vom Typ des Kaufs / Verkaufs“ oder vom „Typ der Fusi- on“.

Als übergeordnetes Kriterium für die Einteilung der Anlässe dient das Kriterium der Ent- scheidungsabhängigkeit.29 Entscheidungsabhängige Bewertungsanlässe liegen grundsätzlich dann vor, wenn eine Änderung der Eigentumsverhältnisse beabsichtigt wird.30 Bei entschei- dungsunabhängigen Anlässen ist die Intention einer Änderung der Eigentumsverhältnisse nicht unmittelbar erkennbar. Diese Kategorie umfaßt neben Bewertungen in Zusammenhang mit der Substanzbesteuerung, einer Kreditwürdigkeitsprüfung31 oder Sanierungsmaßnahmen, insbesondere auch Bewertungen, die vom Management im Rahmen einer „Wertsteigerungs- analyse“ zur Ermittlung der Auswirkungen einzelner Geschäftsstrategien auf den „Sharehol- der Value“ vorgenommen werden.32

Die Heterogenität der entscheidungsabhängigen Anlässe sowie die Tatsache, daß dieses Klas- sifikationskriterium selbst nur geringe Differenzierungskraft entfaltet, bedingt in Anlehnung an Matschke eine weitere Klassifizierung in nicht-dominierte und dominierte Bewertungssitu- ationen sowie Bewertungssituationen vom „Typ des Kaufs / Verkaufs“ und vom „Typ der Fusion“.33

Bei nicht-dominierten Bewertungsanlässen kann keine der Parteien alleine, d.h. ohne Zu- stimmung der anderen Partei, eine Änderung der Eigentumsverhältnisse durchsetzen. In diese Kategorie fällt der klassische Anlaß für eine Unternehmensbewertung: der Kauf / Verkauf eines Unternehmens bzw. von Unternehmensanteilen. Der potentielle Käufer / Verkäufer wird dem Eigentumswechsel nur zustimmen, wenn er sich dadurch eine Verbesserung seiner öko- nomischen Situation verspricht.34 Dagegen ist bei dominierten Bewertungsanlässen eine der konfligierenden Parteien in der Lage, die Änderung der Eigentumsverhältnisse am Unterneh- men auch gegen den erklärten Willen der anderen Partei durchzusetzen. Eine solche einseitig erzwungene Veränderung der Eigentumsverhältnisse ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft durch Kündigung aus der Gesellschaft ausscheidet und die übrigen Gesellschafter die Gesell- schaft fortführen.

Bei Bewertungsanlässen vom „Typ des Kaufs / Verkaufs“ streben die Parteien eine Änderung der Eigentumsverhältnisse in der Form an, daß eine Partei ihr Eigentum an dem Bewertungsobjekt aufgibt und dafür von der anderen Partei eine Gegenleistung, meist in Form eines Barpreises, erhält. Im Falle von Bewertungsanlässen vom „Typ der Fusion“ werden mehrere Subsysteme zu einer neuen Einheit vereinigt, wobei die Eigentümer der zu vereinigenden Subsysteme zu Eigentümern der neuen Einheit werden. Die Gegenleistung wird durch Gewährung von Anteilen an dem neu entstehenden Objekt erbracht.35

In Anlehnung an die erörterten Kategorien ergeben sich die in Abb. 4 dargestellten Anlässe für Unternehmensbewertungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Anlässe für Unternehmensbewertungen (in Anlehnung an Drukarczyk, Jochen, Unternehmensbewertung, S. 89)

[...]


1 Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter, Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis, S.325.

2 Vgl. Globus Infografik GmbH, Statistische Angaben der Vereinten Nationen, 18. Januar 1999, Va-5342.

3 Vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus, Unternehmensbewertung - eine praxisorientierte Einführung, S.6.

4 Bewertungssubjekt, d.h. Käufer, Kreditgeber, Aktionär usw.

5 Vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus, Unternehmensbewertung - eine praxisorientierte Einführung, S.8.

6 Münstermann, Hans, Wert und Bewertung der Unternehmung, S.21.

7 Die Kölner Funktionenlehre besteht in der entscheidungsorientierten Fundierung der Auswahl von Wertermitt- lungsalternativen nach Maßgabe des Zielplanes und des Entscheidungsfeldes des Bewerters. Der Zielplan be- zieht sich auf dessen Arten-, Höhen-, Sicherheits- und Zeitpräferenz; das Entscheidungsfeld besteht aus dem Aktionsraum (= Menge aller Bewertungsverfahren) sowie aus den bei der Entscheidung relevanten, vom Bewer- ter aber nicht beeinflußbaren Umweltbedingungen (z.B. Verfügbarkeit von Marktdaten). Vgl. ausführlich Sie- ben, Günter, Der Entscheidungswert in der Funktionenlehre der Unternehmensbewertung, in: BFuP, 1976, S.491-504.

8 Vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus, Unternehmensbewertung - eine praxisorientierte Einführung, S.9.

9 Vgl. Moxter, Adolf, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S.8.

10 Vgl. Moxter, Adolf, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 9.

11 Vgl. Alvano, Wolfgang, Unternehmensbewertung auf der Grundlage der Unternehmensplanung, S. 36.

12 Vgl. Peemöller, Volker H., Aufgaben und Anlässe der Unternehmensbewertung, in: Handbuch der Unternehmensbewertung, 1984, S. 6.

13 Vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus, Unternehmensbewertung - eine praxisorientierte Einführung, S.10.

14 Vgl. Piltz, Detlev J., Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S.15.

15 Vgl. Chmielewicz, Klaus, Handwörterbuch des Rechnungswesens, Sp.1979.

16 Vgl. Born, Karl, Unternehmensanalyse und Unternehmensbewertung, S.44.

17 Vgl. Eichmann, Karsten, Marketingorientierte Unternehmensbewertung, S.45.

18 Vgl. Wittmann, Waldemar, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Sp.4316.

19 Vgl. Helling, Nico U., Strategieorientierte Unternehmensbewertung, S. 143.

20 Vgl. Coenenberg, Adolf G., Entscheidungsorientierte Unternehmensbewertung und Ertragsschwäche, in: BFuP, 1984, S.497.

21 Vgl. Matschke, Manfred J., Unternehmensbewertung in dominierten Konfliktsituationen am Beispiel der Bestimmung der angemessenen Barabfindung für den ausgeschlossenen oder ausscheidungsberechtigten Minderheits-Kapitalgesellschafter, in: BFuP, 1981, S.116.

22 Vgl. Eichmann, Karsten, Marketingorientierte Unternehmensbewertung, S.48.

23 Vgl. Peemöller, Volker H., Aufgaben und Anlässe der Unternehmensbewertung, in: Handbuch der Unternehmensbewertung, 1984, S.6.

24 Vgl. Wittmann, Waldemar, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Sp.4320.

25 Vgl. IDW, Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992, Handbuch für Rechnungslegung, Prüfung und Beratung, S.7.

26 Vgl. IDW, Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992, Handbuch für Rechnungslegung, Prüfung und Beratung, S.5.

27 Vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus, Unternehmensbewertung - eine praxisorientierte Einführung, S.13.

28 Vgl. Münstermann, Hans, Wert und Bewertung der Unternehmung, S.1.

29 Vgl. Künnemann, Martin, Objektivierte Unternehmensbewertung, S.56.

30 Vgl. Chmielewicz, Klaus, Handwörterbuch des Rechnungswesens, Sp.1978.

31 Vgl. Born, Karl, Unternehmensanalyse und Unternehmensbewertung, S.18.

32 Vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus, Unternehmensbewertung - eine praxisorientierte Einführung, S.13.

33 Vgl. Matschke, Manfred J., Funktionale Unternehmensbewertung, S.31.

34 Vgl. Drukarczyk, Jochen, Unternehmensbewertung, S.90.

35 Vgl. Matschke, Manfred J., Der Entscheidungswert der Unternehmung, S.31.

Details

Seiten
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783640697687
ISBN (Paperback)
9783640697779
DOI
10.3239/9783640697687
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg, früher: Berufsakademie Ravensburg
Erscheinungsdatum
2010 (September)
Note
1,7
Schlagworte
Bewertungsverfahren Rahmen Unternehmensbewertung Thema Unternehmensbewertung
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