Intertextualität: Michail Bachtin versus Julia Kristeva
Zusammenfassung
Der Terminus Intertextualität entwickelte sich ab 1967 mit Julia Kristevas Aufsatz „Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman“. Ziel meines Essays soll es sein mit Michail Bachtin, als dessen
geistige Erbin man Kristeva betrachtet, die Ursprünge und zugleich die Entwicklung des Intertextualitätsbegriffs bei Kristeva näher zu beleuchten, sowie beide Positionen vergleichend zu analysieren.
Michail Bachtin entwickelte seinen Studien unter dem Titel „Das Wort im Roman“ beginnend um 1920, setzte seine Ausführungen jedoch in den darauf folgenden Jahren fort. Er entwickelte seine Theorie aus Überlegungen zu dem Zusammenhang von Literatur und Gesellschaft. Dabei unterscheidet er die beiden Prinzipien der Monologizität (hochsprachlicher Homogenisierung) und der Dialogizität.
Der von ihm geprägte Terminus der Dialogizität, der für zukünftige Intertextualitätsstudien prägend werden soll, entwickelte sich aus der Suche nach einer klaren Stilistik des Romans. Bisher war die
Auffassung vorherrschend das Romanwort sei ein künstlerisch neutrales Kommunikationsmittel. Doch in Bachtins Überlegungen fußte die Ansicht, dass der Roman als Ganzes viele Stile,
verschiedenartige Reden, sowie Stimmen beinhalte d.h. das Romanwort konstituiere sich aus heterogenen stilistischen Einheiten, die auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen und nach unterschiedlichen stilistischen Gesetzmäßigkeiten folgen. [...]
Leseprobe
Essay I; Michail Bachtin versus Julia Kristeva
Der Terminus Intertextualitat entwickelte sich ab 1967 mit Julia Kristevas Aufsatz „Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman“. Ziel meines Essays soil es sein mit Michail Bachtin, als dessen geistige Erbin man Kristeva betrachtet, die Ursprunge und zugleich die Entwicklung des Intertextualitatsbegriffs bei Kristeva naher zu beleuchten, sowie beide Positionen vergleichend zu analysieren.
Michail Bachtin entwickelte seinen Studien unter dem Titel „Das Wort im Roman“ beginnend um 1920, setzte seine Ausfuhrungenjedoch in den darauf folgenden Jahren fort. Er entwickelte seine Theorie aus Uberlegungen zu dem Zusammenhang von Literatur und Gesellschaft. Dabei unterscheidet er die beiden Prinzipien der Monologizitat (hochsprachlicher Homogenisierung) und der Dialogizitat.
Der von ihm gepragte Terminus der Dialogizitat, der fur zukunftige Intertextualitatsstudien pragend werden soll, entwickelte sich aus der Suche nach einer klaren Stilistik des Romans. Bisher war die Auffassung vorherrschend das Romanwort sei ein kunstlerisch neutrales Kommunikationsmittel. Doch in Bachtins Uberlegungen fufite die Ansicht, dass der Roman als Ganzes viele Stile, verschiedenartige Reden, sowie Stimmen beinhalte d.h. das Romanwort konstituiere sich aus heterogenen stilistischen Einheiten, die auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen und nach unterschiedlichen stilistischen Gesetzmafiigkeiten folgen. Dialogizitat steht fur Rede- und Sprachvielfalt, fur die Akzentuierung der Sprache in Dialekte, Soziolekte und Ideolekte. Die beiden gegenlaufige Tendenzen Monologizitat versus Dialogizitat decken unterschiedliche Gattungen ab. Wahrend sich die Vereinheitlichung eher als Merkmal der Poetik definieren lasst, steht das Wort im Roman fur die Dezentralisierung des Sprachbewusstseins. Der Roman als ein System der Sprachen konstitueriert sich aus der kunstlerisch organisierten Rede-, Sprach-, sowie der individuellen Stimmenvielfalt. Bachtin unterscheidet zwei Hauptstimmen die Erzahler- und der Figurenrede und differenziert zwischen der Gerichtetheit des Wortes auf ein Objekt, oder der Ausrichtung auf ein anderes Wort.
Konkret wird die Dialogizitat des Romanwortes wenn sich Figuren- und Autorenrede uberlagern, womit zwei Bedeutungsebenen koexistieren. Das zweistimmige Wort entsteht, welches zugleich zwei Intentionen ausdruckt: direkt - das Anliegen des Erzahlers; indirekt - der Autor, der gebrochen durch den Erzahler spricht d.h. ,,Das zweistimmige Wort ist stets im Innern dialogisiert.“1. Die Zweistimmigkeit aufiert sich in der Prosa mittels der Verfremdung, Parodie Ironie oder auch in[1] polemischen Anklangen. Die fremde Rede und die erzahlte Rede werden oft nachgeafft, aufierdem auch oft nicht deutlich von der Autorenrede abgegrenzt d.h. der humoristische Stil beruht auf der Spaltung der allgemeinen Sprache: „Das Wort lebt gleichsam auf der Grenze zwischen seinem eigenen und demfremden Horizont.“[2]. Die ursprunglich sprachliche Bedeutung einer Auberung wird vor dem allgemeinen Hintergrund der Sprache verstanden, ein aktueller Sinn ergibt sich allerdings vor dem Hintergrund anderer Aussagen uber dasselbe Thema, sowie der Wortumgebung.[3] Deutlich wird das Bachtin von einer Einstellung auf den Rezipienten ausgeht, somit kennzeichnet er ein dialogisches Verhaltnis zwischen Sprecher- und Horerhorizont im Sinne des „antwortende[n] Verstehen[s] “[4]. Alle Worter und Formen sind mit Intentionen besetzt und Bachtin konstatiert: ,,Das Wort der Sprache ist ein halbfremdes Wort. Es wirdzum 'eigenen', wenn der Sprecher es mit seiner Intention [besetzt].“[5].
Unter der Uberschrift „Der sprechende Mensch im Roman “ behauptet Bachtin, dass der Autor keine einheitliche Sprache kennt, sondern der Roman sprechender Menschen bedarf die, die ideologischen Worte in eine bestimmte Sprache transportieren unter Beachtung des historischen Kontextes, denn eine bestimmte Sprache steht immer auch fur eine spezifische Weltanschauung.
Der Sprecher ist das Spezifizierendejedes Romans undjede Sprache ist voll von vorangegangenen und zukunftigen Sprachen und eroffnet somit den kulturhistorischen Horizont. Wir erkennen somit die eigene Sprache/ den eigenen Horizont in einer fremden Sprache/ einem fremden Horizont. Zusammenfassend lasst sich festhalten: Jeder Roman ist ein Hybrid mit dem Ziel ein kunstlerisches Bild der Sprache zu schaffen.
Julia Kristeva greift Bachtins Dialogizitatskonzept auf, verandert diesesjedoch grundlegend, indem sie explizitere Terminologien einfuhrt und Intertextualitat zu einem Konzept einer umfassenden Textwissenschaft entwickelt.
Kristeva definiert Intertextualitat so: „Jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf,jeder Text ist Apsorption und Transformation eines anderen Textes. An die Stelle des Begriffs der Intersubjektivitat tritt der Begriff der Intertextualitat, und die poetische Sprache lasst sich zumindest als eine doppelte lesen.“[6]. Neu ist zunachst die fehlende Differenzierung in monologische und polylogische Texte, denn Intertextualitat sei ein Merkmaljedes Textes. Kein Schriftstuck ist nach Kristeva selbstgenugend, sondern entwickle sich vielmehr aus Zitaten, als Kreuzungspunkte mit anderen Texten. Fruhere Texte, in denen man eine Beeinflussung nachweisen konnte, galten als minderwertig , doch mit dem Intertextualitatskonzept wird es moglich textubergreifende Abschnitte wertneutral zu prasentieren.
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[1] Bachtin, S.213
[2] Bachtin, S.176
[3] Bachtin, S.17
[4] Bachtin, S. 173
[5] Bachtin, S. 185
[6] Kristeva, S.348