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Inobhutnahme von Kindern nach § 42 SGB VIII und § 1666 BGB

Probate Hilfsmöglichkeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen oder unangemessener Eingriff in die familiäre Privatsphäre?

©2009 Hausarbeit 18 Seiten

Zusammenfassung

Die Sichtweise, dass es sich bei Inobhutnahmen meist um einen unangemesse-nen Eingriff in die Privatsphäre von Familien handelt, ist weit verbreitet. Mit dieser Meinung geht vermutlich oft die Annahme einher, dass Kinder grundsätzlich bei ihren Eltern am besten aufgehoben seien da diese besser als alle anderen auf deren Bedürfnisse eingehen können. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Jugendämter in ihnen bereits bekannten Familien eine massive Kindeswohlge-fährdung durch die Erziehungsberechtigten nicht erkannt und daher auch nicht in Form einer Inobhutnahme eingegriffen haben, was sich - nachdem es zu starken Misshandlungen und teilweise gar zum Tod der betroffenen Kinder kam - als fatale Fehlentscheidung erwies. Angesichts solch dramatischer Fälle ist der o.a. Denk-ansatz zu hinterfragen. So vertreten andererseits viele die Meinung dass ein un-angemessenes Vertrauen in die Fähigkeiten der Eltern in der Kinder- und Jugend-hilfe völlig unangebracht sei und lieber zu früh als zu spät eingegriffen werden soll-te, sobald es ausreichend Anzeichen gibt die dies rechtfertigen, im Hinblick darauf, dass die Sicherung des Kindeswohls absolute Priorität hat. Daraus ergibt sich die Frage „Handelt es sich bei der Inobhutnahme nach §1666 BGB und § 42 SGB VIII um eine probate Hilfsmöglichkeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen oder um einen unangemessenen Eingriff in die familiäre Privatsphäre?“, welcher ich in dieser Hausarbeit nachgehen werde. Hierzu definiere ich zunächst den Begriff der „Inobhutnahme“ und erläutere die wichtigsten Rahmenbedingungen und Vorraus-setzungen. Anschließend gehe ich auf die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Inobhutnahme sowie auf Kritik an dieser Maßnahme ein.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Rahmenbedingungen der „Inobhutnahme“ nach § 42 SGB VIII

3. Voraussetzungen für eine „Inobhutnahme“ nach § 42 II SGB VIII
3.1 Inobhutnahme auf Wunsch des Minderjährigen, § 42 I 1 Nr. 1 SGB VIII
3.2 Inobhutnahme bei dringender Gefahr für das Kindeswohl, § 42 I 1 Nr. 2 SGB VIII und § 1666 I BGB
3.3 Unbegleitete ausländische Minderjährige, § 42 I 1 Nr. 3 SGB VIII

4. Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von „Inobhutnahmen“ nach § 42 I SGB VIII

5. Kritik an der Maßnahme „Inobhutnahme“ nach § 42 I SGB VIII

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Sichtweise, dass es sich bei Inobhutnahmen meist um einen unangemessenen Eingriff in die Privatsphäre von Familien handelt, ist weit verbreitet. Mit dieser Meinung geht vermutlich oft die Annahme einher, dass Kinder grundsätzlich bei ihren Eltern am besten aufgehoben seien da diese besser als alle anderen auf deren Bedürfnisse eingehen können. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Jugendämter in ihnen bereits bekannten Familien eine massive Kindeswohlgefährdung durch die Erziehungsberechtigten nicht erkannt und daher auch nicht in Form einer Inobhutnahme eingegriffen haben, was sich - nachdem es zu starken Misshandlungen und teilweise gar zum Tod der betroffenen Kinder kam - als fatale Fehlentscheidungen erwies. Angesichts solch dramatischer Fälle ist der o.a. Denkansatz zu hinterfragen. So vertreten andererseits viele die Meinung dass ein unangemessenes Vertrauen in die Fähigkeiten der Eltern in der Kinder- und Jugendhilfe völlig unangebracht sei und lieber zu früh als zu spät eingegriffen werden sollte, sobald es ausreichend Anzeichen gibt die dies rechtfertigen, im Hinblick darauf, dass die Sicherung des Kindeswohls absolute Priorität hat. Daraus ergibt sich die Frage „Handelt es sich bei der Inobhutnahme nach §1666 BGB und § 42 SGB VIII um eine probate Hilfsmöglichkeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen oder um einen unangemessenen Eingriff in die familiäre Privatsphäre?“, welcher ich in dieser Hausarbeit nachgehen werde. Hierzu definiere ich zunächst den Begriff der „Inobhutnahme“ und erläutere die wichtigsten Rahmenbedingungen und Vorraussetzungen. Anschließend gehe ich auf die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Inobhutnahme sowie auf Kritik an dieser Maßnahme ein.

2. Definition und Rahmenbedingungen der „Inobhutnahme“ nach § 42 SGB VIII

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um die vorläufige Unterbringung eines Minderjährigen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform, sofern einer der in 3. beschriebenen Fälle eingetreten ist (§ 42 I 2 SGB VIII).

Geeignete Personen können beispielsweise Bereitschaftspflegefamilien oder Privatpersonen welche dem Kind oder Jugendliche nahe stehen (z.B. Nachbarn oder Verwandte) sein. (Lakies, 1997, S. 21) Bei der Auswahl einer geeigneten Person ist sicherzustellen, dass diese angemessen auf die spezifische Bedürfnislage die sich durch die Krisensituation in der sich der Minderjährige befindet ergibt, eingehen kann und dass das Kind oder der Jugendliche vor der Gefährdung die zur Inobhutnahme geführt hat, tatsächlich geschützt ist. Möglich ist auch eine Unterbringung bei dem nicht sorge- aber umgangsberechtigten Elternteil. (Trenczek, 2008, S. 214)

Einrichtungen im Sinne des § 42 I 2 SGB VIII müssen orts- oder gebäudegebunden sein und unter der Verantwortung eines Trägers stehen. Dazu gehören beispielsweise spezielle Einrichtungen für Krisensituationen wie Kinder- und Jugendnotdienste, Jugendschutzstellen oder geeignete Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie andere jugendrechtliche Einrichtungen mit speziellen Inobhutnahme-Plätzen. Vorraussetzung ist, dass diese nach ihrer Organisationsform sowie nach ihrer personellen und sächlichen Ausstattung den speziellen Anforderungen der Inobhutnahme genügen und bedarfsgerecht, also rund um die Uhr zur Verfügung stehen. (Lakies, 1997, S. 22)

Mit dem Begriff der „sonstigen betreuten Wohnform“ bezieht sich der § 42 I 2 SGB VIII in erster Linie auf betreute Jugendwohngemeinschaften und Jugendwohngruppen sowie auf betreute Einzelwohnmöglichkeiten. (Lakies, 1997, S. 22)

Grundsätzlich werden alle drei Unterbringungsmöglichkeiten vom Gesetz gleichwertig nebeneinander gestellt. Im Einzelfall ist unter den rechtlich vorgegebenen und tatsächlich vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die dem Wohl des Minderjährigen in seiner gegenwärtigen Lage am meisten entspricht. (Lakies, 1997, S. 25) Dabei sind auch die (potentiellen) Wünsche der Betroffenen und ihrer Eltern zu berücksichtigen. Die Entscheidung für eine bestimmte Unterbringungsart liegt im Ermessen des Jugendamtes. (Trenczek, 2008, S. 213)

Eine Inobhutnahme kann stattfinden indem der Minderjährige aus der Familie herausgenommen wird, z.B. indem er von zu Hause abgeholt und in eine geeignete Einrichtung bzw. zu einer geeigneten Person gebracht wird. Es handelt sich ebenfalls um eine Inobhutnahme wenn beschlossen wird, dass der Aufenthalt eines Minderjährigen bei einer betreuenden Person oder in einer Einrichtung in der er sich bereits befindet, fortgesetzt werden soll (Inobhutnahme am sicheren Ort), weil eine Beendigung des Aufenthalts zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde oder der Minderjährige sich weigert, zu den sorgeberechtigten Personen zurückzukehren. (Trenczek, 2008, S. 193)

Bei einer Inobhutnahme handelt es sich um eine vorübergehende, kurzfristige Maßnahme, welche in akuten Familienkrisen angewendet wird. Daher ist im Gesetz von einer „vorläufigen Unterbringung“ die Rede. Im Rahmen der Inobhutnahme sind die Perspektiven des betroffenen Minderjährigen abzuklären, hiervon ist die Dauer der Maßnahme abhängig. Grundsätzlich gilt: Sie sollte so kurz wie möglich und so lange wie nötig andauern. (Lakies, 1997, S. 23) Während der Inobhutnahme sollten wenn möglich Bestandteile des normalen Alltags des Minderjährigen bestehen bleiben (z.B. Besuch des gewohnten Kindergartens oder Kontakt zu Freunden). (Trenczek, 2008, S. 69) Umfang und Intensität der sozialpädagogischen Betreuung, Beratung und Hilfestellung sind vom individuellen Bedarf des Betroffenen abhängig. Diesen gilt es festzustellen und ggf. passende Angebote einzuleiten, mit dem Ziel, die Notlage des betroffenen Kindes oder Jugendlichen zu beheben. Eine Inobhutnahme ist also keine Dauerunterbringung eines Minderjährigen. Stellt sich jedoch heraus, dass diese oder eine andere erzieherische Hilfe erforderlich ist, muss mit entsprechenden Einrichtungen und Stellen vereinbart werden, dass diese längerfristig die erzieherische Unterstützung übernehmen. In diesem Fall gelten die §§ 27 ff. SGB VIII, welche die Hilfen zur Erziehung regeln, um die es sich bei einer Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII nicht handelt. (Lakies, 1997, S. 23)

Während der Inobhutnahme hat das Jugendamt gemeinsam mit dem Minderjährigen die Situation, welche zur Inobhutnahme geführt hat, zu klären und ihm Möglichkeiten der Unterstützung aufzuzeigen. Des Weiteren muss man ihm ermöglichen eine Vertrauensperson zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes zu sorgen. Es darf alle Rechtshandlungen vornehmen, die nötig sind, um das Wohl des Kindes oder Jugendlichen sicherzustellen. Dabei ist der mutmaßliche Wille des Personensorge- oder Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Zum Wohl des Kindes müssen auch der notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sichergestellt werden. (§ 42 II SGB VIII)

Eine wichtige Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den Eltern des Minderjährigen. Je intensiver und besser der Kontakt zu den Eltern ist, umso unwahrscheinlicher sind Widerstände, Widersprüche und Verschließungen ihrerseits und umso größer sind Akzeptanz und Hilfsbereitschaft sowohl während der Kriseninterventionsmaßnahme als auch im Bezug auf ggf. erforderliche Anschlusshilfen. (Trenczek, 2008, S. 68)

Bei einer Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII handelt es sich niemals um eine bloße Unterkunftsgewährung. Wie der Begriff schon ausdrückt geht es vielmehr um Fürsorge, denn Obhut umschreibt ein allgemeines Schutzverhältnis. Eine Inobhutnahme umfasst daher immer auch eine sozialpädagogische Betreuung und Hilfestellung, sowie die Pflicht aller Beteiligten, für das Wohl der in Obhut genommenen Person zu sorgen. Der Auftrag einer Inobhutnahme umfasst damit die Sicherstellung der materiellen Versorgung (Essen, Schlafen, Körperpflege), die Ermöglichung von Entlastung für das Kind oder den Jugendlichen indem Sicherheit, Ruhe und Zeit geboten werden sowie die Gewährleistung von emotionaler Zuwendung durch umfassende sozialpädagogische Betreuung, mit dem Ziel, der emotionalen Stabilisierung und der Aufzeigung von Handlungsperspektiven. (Lakies, 1997, S. 24 f.)

Wird ein Minderjähriger in Obhut genommen weil er darum bittet oder weil dringende Gefahr für sein Wohl besteht, ist das Jugendamt verpflichtet die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme in Kenntnis zu setzen und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. (§ 42 III 1 SGB VIII) Stimmen diese der Inobhutnahme zu, ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe zu veranlassen. (§ 42 III 5 SGB VIII) Wenn diese der Inobhutnahme jedoch widersprechen, ist ihnen das Kind oder der Jugendliche unverzüglich zu übergeben, sofern der Einschätzung des Jugendamtes nach keine Gefährdung des Kindeswohls besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind die Gefährdung abzuwenden. (§ 42 III 2 Nr. 1 SGB VIII) Kann dies nicht gewährleistet werden oder sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, hat das Jugendamt unverzüglich eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen. (§ 42 III 2 Nr. 2 und 3 SGB VIII) Ist dies jedoch nicht rechtzeitig möglich ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, das Kind ohne Zustimmung der Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder eines Familiengerichts, in Obhut zu nehmen. (§ 42 I 1 Nr. 2 b) SGB VIII)

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Details

Seiten
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783640729487
ISBN (Paperback)
9783640730001
DOI
10.3239/9783640729487
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Bremen
Erscheinungsdatum
2010 (Oktober)
Note
2,3
Schlagworte
Recht Kinder- und Jugendhilferecht Jugendhilferecht FamilienRecht Gesetze zum Schutz und zur Förderung des Lebens mit Kindern Jugendamt Hilfemaßnahmen Hilfsmaßnahmen Kindeswohlgefährdung Kindeswohl Familiengericht Sorgerecht Sorgerechtsentzug Familäre Gewalt Kinderschutz Kinderschutzeinsätze Pflegefamilie Kinderheim
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