Empowerment – Defizit-Blickwinkel und Problematik der Erlernten Hilflosigkeit
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Empowerment
2.1. Begriffserklärung
2.2. Stolpersteine
2.3. Defizit-Blickwinkel
3. Erlernte Hilflosigkeit
3.1. Begriffserklärung
3.2. „Learned Helplessness-Experiment“
4. Praxisbeispiel
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Hund in Shuttle-Box
Abbildung 2: Theorie Seligmans
Abbildung 3: Kreislauf der Stigmatisierung
1.Einleitung
Die folgende Arbeit befasst sich mit dem Empowerment-Konzept, dessen Ziel es ist, die Defizitfixierung durch eine Orientierung an den Stärken und Kompetenzen des Menschen zu ersetzen. Doch die Umsetzung dieser ressourcenorientierten Arbeitsweise erweist sich in der Praxis als äußerst heikel. Einer der vielen Stolpersteine des Empowerments ist der Defizit-Blickwinkel, der unter der Überschrift 2.3. genauer erläutert wird. Konzentriert man sich zu stark auf die Defizite, ist der Klient schnell entmutigt, verfällt eventuell sogar in die erlernte Hilflosigkeit. Aufgezeigt wird in dieser Arbeit auch diese Problematik, die von Martin Seligman als „Learned Helplessness“ definiert wurde. Ignoriert man die Defizite jedoch vollkommen, fühlt sich der Klient nicht ernst genommen. Wie hält der Sozialarbeiter die Balance auf diesem Drahtseilakt? Folgend auf den theoretischen Part dieser Arbeit wird dieser Fragestellung ein positives Praxisbeispiel zuzuordnen. Dabei stieß man auf das Problem der Stigmatisierung, dass durch die mit Vorurteilen behaftete Gesellschaft zu einem Regress in die Erlernte Hilflosigkeit führen kann. Im Praxisbeispiel wird ebenfalls angeführt, wie ein junger Mann, der an einer rheumatischen Krankheit leidet durch die Unterstützung seiner Familie dieser Hilflosigkeit, die durch professionelle Sozialpädagogen entstanden ist, entfliehen konnte.
2. Empowerment
2.1. Begriffserklärung
Der aus dem Englischen stammende Begriff Empowerment wird übersetzt mit dem Wort Selbstbefähigung. Er entstammt aus dem Milieu der schwarzen Bürgerbewegung in den USA. In den 1990er Jahren wird auch in Deutschland auf das Konzept des Empowerment eingegangen. Die Idee des Empowerments zielt auf die Ermutigung der Menschen zur Entdeckung der eigenen Stärken, um Selbstbestimmung und Lebensautonomie anzueignen. Agiert man nach dem Empowerment- Konzept, wird angestrebt, die vorhandenen Ressourcen der Menschen zu entdecken und zu kräftigen, was bei einer erfolgreichen Problemlösung dringend notwendig ist.
2.2. Stolpersteine
Der Umsetzung des Empowerment-Konzeptes werden jedoch im Alltag der Sozialen Arbeit dreierlei Stolpersteine in den Weg gelegt. Zum ersten sind an dieser Stelle die Intrapersonalen Widerstande zu nennen, wie die sogenannten „sozialen Fertigprodukte“, die den Nutzern von sozialen Institutionen angeboten werden. Durch diese „vorgefertigten Problemlösungspakete“ wird die Passiv-Rolle der Adressaten entgegen dem Sinn des Empowerments verstärkt und verfestigt. Desweiteren können Beziehungswiderstände, genauer gesagt Widerstände auf der Ebene des Arbeitskontraktes zwischen dem Sozialarbeiter und dem Klient aufkommen, da „das Selbstbestimmungsrecht des Adressaten im Horizont der Empowerment-Praxis ein unveräußerliches Gut“1 ist. Das dritte zu benennende Hindernis sind die Institutionellen Widerstände, die sich beispielsweise in der Problemzentrierung bei formalen Verfahren und Prozeduren, wie Erstgesprächen, Sozialanamnesen und Hilfeplangesprächen wiederspiegeln.2 Dieser Stolperstein „Defizit- Blickwinkel“ wird im Folgenden genauer beleuchtet.
2.3. Defizit-Blickwinkel
Das Zusammenwirken individueller defizitärer Merkmale, wie zum Beispiel arbeitslos oder alleinerziehend sein mit kollektiven Merkmalen, wie alt oder Ausländer sein führt zu einem Verlust des Blickes für die brachliegenden Ressourcen und Fähigkeiten, die einzelne Menschen oder Menschengruppen noch ausweisen können. Die Berufung des Sozialarbeiters besteht darin, diese verschütteten und verborgenen Ressourcen ans Licht zu bringen, sie als solche zu würdigen und deren Nützlichkeit für die Lebensgestaltung des Klienten sichtbar werden zu lassen. Gestützt durch den sozialen Arbeiter wird der Klient seine Kompetenzen wieder wahrnehmen und zur Lösung seines Problems einsetzen. Wie Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Andreas Knuf es in seinem Buch „Empowerment in der psychiatrischen Arbeit“ transparent machte, unterscheidet man in zwei Formen von Ressourcen. Zum einen benennt er soziale Kontakte oder materielle Möglichkeiten als äußere Ressourcen. Unter inneren Ressourcen versteht er unterstützende und hilfreiche Fähigkeiten und Eigenschaften des Klienten, wie beispielsweise Interessen, positive Erfahrungen, Sprachkenntnisse und Humor.
Sinn des Empowerments besteht jedoch nicht darin, die Defizite zu verleugnen, denn der Klient ersucht um Hilfe beim Sozialarbeiter aufgrund ihrer Defizite und nicht ihrer Fähigkeiten. Des Klient möchte mit seinen Problemen gesehen werden, wie Andres Knuf in folgendem Beispiel veranschaulicht: „Wer ein »Ich komme morgens nicht aus dem Bett und bin dann den ganzen Tag unzufrieden« umdeutet in »Sie schaffen es, sich gut und lange zu entspannen«, der nimmt das Leid des Klienten nicht ernst“.3 Defizite sind ein wichtiger Teil der ressourcenorientierten Arbeitsweise, doch sie dürfen nicht gewichtiger in die Problemanalyse eingehen, wie die Ressourcen und Fähigkeiten des Klienten, die zur Lösung des Problems erforderlich sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Klient nicht als sogenanntes Mängelwesen zu betrachten ist, sondern verschüttete Fähigkeiten und Ressourcen aufweisen kann, die einer Problemlösung beitragen können.
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1 N. Herringer, Empowerment in der Sozialen Arbeit, 2002, Stuttgart/ Berlin/ Köln, S.198
2 N. Herringer, Empowerment in der Sozialen Arbeit, 2002, Stuttgart/ Berlin/ Köln, S.193-206
3 Andreas Knuf, Empowerment in der psychiatrischen Arbeit, Psychiatrie-Verlag GmbH, Bonn, 2006, S. 17