Der Magische Realismus bei Miguel Angel Asturias
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die europäische Avantgardebewegung
3 Der Ursprung des Surrealismus
4 Der Surrealismus in Lateinamerika
5 Der Magische Realismus
6 Das neue Selbstwertgefühl Lateinamerikas
7 Miguel Ángel Asturias und sein Schaffen
7.1 Asturias und der Surrealismus
7.2 Asturias Werk “Leyendas de Guatemala”
7.2.1 Analyse zum Werk „Leyendas de Guatemala“
7.3 Asturias Werk “El Señor Presidente
7.3.1 Analyse zum Werk „El Señor Presidente“
7.4 Vergleich zu den Analysen
8 Schlusswort
9 Quellen
„Wir Lateinamerikaner fühlen die Dinge
und erst danach denken wir sie,
und die Europäer denken die Dinge
und fühlen sie danach.“[1]
1 Einleitung
Die Avantgarde in der lateinamerikanischen Literatur entfaltete sich erst in den letzten Jahrzehnten. Seit den siebziger Jahren versucht die Forschung ein Profil der Avantgarde Südamerikas herauszuarbeiten, mit dem Schwerpunkt auf die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts.[2]
In den vierziger Jahren setzte das „neue Schreiben“ ein, die Nueva Novela, die zwei Jahrzehnte später zur „Boom-Literatur“ wurde. Die Neuerungen handelten von städtischen Lebensformen, existentiellen Fragestellungen und einer individuellen Weltsicht. Viele Innovationen gingen auf bekannte, moderne Techniken zurück. Europäische Strömungen, wie der Dadaismus und der Surrealismus, beeinflussten die lateinamerikanischen Avantgarde-bewegungen nachhaltig. Mitunter flossen Fragestellungen über die Existenz des Lebens, die Selbstfindung und auch die Absurdität in die literarischen Texte ein. Eine Richtung, die sich in Lateinamerika herausgebildet hatte, war die These der „wunderbaren Wirklichkeit“ von Alejo Carpentier, oder dem „Magischen Realismus“ von Miguel Ángel Asturias.[3] Diese Neuerungen waren Ausdruck einer entscheidenden Entwicklung in Südamerika.[4]
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung des „Magischen Realismus“ durch den Schriftsteller Miguel Ángel Asturias und der literaturgeschichtlichen Bedeutung dieses Begriffs. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls auf die lateinamerikanische Literatur im Allgemeinen Bezug genommen, da diese Darstellungsform nicht nur einen entscheidenden Einfluss auf die literarische Welt genommen hatte, sondern sich auch als spezifisches kulturelles Denkmal herausbildete und außerhalb der hispanoamerikanischen Grenzen nach außen getragen wurde.
Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Themenkomplex beschäftigt sich mit der Entwicklung des „Magischen Realismus“. Eingangs wird der Einfluss der europäischen Avantgardebewegungen skizziert und speziell der französische Surrealismus näher betrachtet. Der nächste Abschnitt geht auf den Surrealismus in Lateinamerika ein, um damit einen Übergang zum „Magischen Realismus“ einzuleiten. In diesem Zusammenhang werden zwei wichtige Autoren kurz vorgestellt. Bei dem einen handelt es sich um Alejo Carpentier und beim zweiten um Miguel Ángel Asturias. Der letzte Punkt dieses Themenkomplexes behandelt die Auffassung Lateinamerikas über das neue literarische Schaffen.
Der zweite Teil der Arbeit setzt sich speziell mit dem Autor Miguel Ángel Asturias auseinander. Dabei wird zuerst auf sein Leben und die Entwicklung zum „Magischen Realismus“ eingegangen und die Elemente seiner Schreibweise näher beschrieben. Im nächsten Abschnitt werden zwei Werken von Miguel Ángel Asturias vorgestellt, die Leyendas de Guatemala (1930) und der Roman El Señor Presidente (1920) . Beide Werke werden kurz erläutert und im nächsten Schritt näher analysiert. Diese Untersuchung wird unter dem Gesichtspunkt des „Magischen Realismus“ beleuchtet, indem aus beiden Erzählungen Bespiele dazu herangezogen werden. Der Schwerpunkt in dieser Analyse liegt auf den Leyendas de Guatemala, die als Musterbeispiel für den „Magischen Realismus“ gelten. Der letzte Punkt der Arbeit zieht einen Vergleich der beiden Analysen heran, um die Ergebnisse beider Werke im Zusammenhang zu betrachten und damit die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten des „Magischen Realismus“ aufuzeigen.
2 Die europäische Avantgardebewegung
Die Avantgardebewegung war zuerst eine „positive“ Reaktion auf die neuen Erfindungen und technischen Entwicklungen von Transport- und Medienwesen zum Ende des 19. und zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Dieser Fortschritt veranlasste Künstler nach neuen Ausdrucksformen zu suchen und die Realität, so wie sie war, in Frage zu stellen.[5]
Es bildeten sich unterschiedliche Bewegungen innerhalb der Kunst heraus, die in den Grundideen eine Gemeinsamkeit aufwiesen, nämlich die Abkehr von den vorherrschenden Verhältnissen. Sie forderten den Einsatz für eine neue Welt, einen „neuen Menschen“ und schließlich auch für eine neue Kunst. Es ging dabei weniger, um die Übernahme von bestimmten Inhalten, oder Ausdrucksformen, sondern vielmehr nach dem Drang der Erneuerung.[6]
Die Künstler entwickelten dabei bestimmte Ausdrucksformen innerhalb der unterschiedlichen Kunstströmungen. Der Dadaismus, der sich während des Ersten Weltkrieges gründete, strebte eine „kulturelle Generalreinigung“ an. Die Künstler erklärten die vorherrschende Kunst und Literatur als tot, da sie durch ihre Darstellungsweise der Wirklichkeit mitunter zum Krieg beigetragen hätte. Der Künstler lehnte jede Art von traditioneller Kunst ab, da die Welt nichts Nachahmenswertes besaß. Der Surrealismus, der sich nach dem Dadaismus entwickelte, strebte nach einem neuen menschlichen Selbstverständnis. Er wollte die unterdrückten Bereiche des Menschen, die durch seine Rationalität verdeckt werden, an die Oberfläche führen. Das Unbewusste und der Traum, die spontanes und ungelenktes Handeln bestimmen, wurden zu zentralen Themen der Künstler. Nach Meinung der Surrealisten spiegelt das Unbewusste den „poetischen Urzustand“ des Menschen wider. Der Autor lässt in seinem Werk eine neue Welt entstehen, eine so genannte „unbewusste Wirklichkeit“.
Die Literatur hatte damit die Aufgabe, die Realität in Frage zu stellen, indem die Künstler den gewohnten Sprachgebrauch störten, ihn verfremdeten, demontierten und letztlich damit zerstörten.[7]
3 Der Ursprung des Surrealismus
Zu Beginn seiner Entstehung war der Surrealismus als Reaktion auf den Dadaismus zu verstehen. Die Künstler suchten eine neue Definition von Literatur und eine neue Bestimmung des Verhältnisses von Kunst und Gesellschaft. Die Literatur sollte neue Aufgaben erfüllen, indem sie praktisch und politisch und damit Bestandteil des Lebens wurde.[8]
In Frankreich formierte sich eine Gruppe von Persönlichkeiten um den Schriftsteller André Breton, die sich alle als Surrealisten bezeichneten. Im Jahre 1924 erschien die Zeitschrift La Révolution Surréaliste. Zeitgleich schrieb André Breton das Manifeste du Surréalisme, mit der er eine Definition des Begriffs lieferte und das theoretische Fundament eines anderen Schreibens festlegte.[9]
André Breton galt seitdem als französischer Repräsentant des Surrealismus. Er entwarf die écriture automatique, in der er eine Erneuerung der Sprache unter Ausschaltung einer Ordnung des Verstandes als Ausdrucksmöglichkeit entwickelte. Einen großen Einfluss übte die Psychoanalyse von Sigmund Freud aus, der durch Traumdeutungen versuchte, in das Unbewusste des Menschen zu stoßen, um damit eine nicht zugängliche Welt zu erkunden und eine Veränderung der Lebenswelt hervorzurufen. Der Surrealismus wendet sich von der traditionellen Kunst ab und gestaltet eine eigene, neue Logik der Sprache, in der die Kunst und das Leben miteinander verbunden werden sollten.[10] Die Künstler setzten eine Art von Traumprotokollen an, in der sie assoziatives Schreiben übten, das aus dem Unterbewussten zum Vorschein kam.[11]
4 Der Surrealismus in Lateinamerika
Lateinamerika orientierte sich an diesen Neuerungen aus Europa. Die Intellektuellen des Landes nahmen nicht nur an der abendländischen Kultur teil, sondern fühlten sich dieser auch zugehörig. Viele hispanoamerikanische Autoren, die zur Avantgarde zählen, lebten zeitweise
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[1] Links, Christoph (Hrsg.) (1992): Lateinamerikanische Literatur im 20. Jahrhundert. Autoren, Werke, Strömungen. Berlin: Peter Lang, S. 15.
[2] Rössner, Michael (1995): Lateinamerikanische Literaturgeschichte. Stuttgart; Weimar: Metzler, S. 236-237.
[3] Ertler (2002): Kleine Geschichte des lateinamerikanischen Romans. Tübingen: Günter Narr, S. 159-160.
[4] Strausfeld, Mechtild (Hrsg.) (1983): Lateinamerikanische Literatur. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 10.
[5] Dill, Hans-Otto (1999): Geschichte der lateinamerikanischen Literatur im Überblick. Stuttgart: Philipp Reclam. S. 248.
[6] Rössner (1995): Lateinamerikanische Literaturgeschichte. S. 237-238.
[7] Ebd . S. 237-238.
[8] Teschke, Henning (1998): Französische Literatur des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Ernst Klett, S. 31-32.
[9] Ebd. S. 31-32.
[10] Stenzel, Hartmut (2001): Einführung in die spanische Literaturwissenschaft. Stuttgart: Metzler, S. 182.
[11] Dill (1999): Geschichte der lateinamerikanischen Literatur im Überblick. S. 248.