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Das nordkoreanische Nuklearprogramm aus der Sicht des Neorealismus

©2010 Seminararbeit 23 Seiten

Zusammenfassung

Am 6. Oktober 2006 schockierte die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) nicht nur seine unmittelbaren Nachbarn, sondern auch die gesamte Welt. Gegen 12 Uhr Ortszeit verkündete das nordkoreanische Staatsradio, dass erfolgreich eine Atombombe gezündet werden konnte (vgl. Fritz 2010: 10). Die Bemühungen Nordkoreas ein eigenes Nuklearprogramm zu initiieren und durchzuführen waren seit Jahrzehnten bekannt und galten als mögliche Abschreckungsmaßnahme des ostasiatischen Staates gegenüber dem unmittelbaren Nachbarn Südkorea und dessen Verbündete Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Dass die DVRK allerdings tatsächlich Nuklearwaffen produzieren und zünden konnte, überraschte einen Großteil der westlichen Welt. Nordkorea schaffte es durch diesen erfolgreichen Nukleartest, sich im exklusiven „Klub“ der Atommächte neben den USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Frankreich und Großbritannien zu etablieren. Doch warum strebte und strebt die DVRK überhaupt nach atomaren Waffensystemen? In dieser Arbeit soll mithilfe der Theorie des Neorealismus versucht werden, diese Fragestellung zu beantworten. Dabei wird als theoretische Grundlage die Konzeption des amerikanischen Politologen Kenneth N. Waltz (1979, 2000) verwendet. Das Kapitel zwei, welches den Neorealismus behandelt, untergliedert sich in zwei weitere Unterpunkte. Diese sollen die für die Theorie des Neorealismus entscheidenden Ebenen – Akteure, Strukturen und Prozesse – näher untersuchen. Im Anschluss an die Darlegung der neorealistischen Theorie nach Waltz (1979), sollen im Kapitel drei die strukturellen Veränderungen nach dem Ende des Kalten Krieges betrachtet werden.
Der empirische Abschnitt befasst sich in den anschließenden Kapiteln vier und fünf mit der historischen Entwicklung des nordkoreanischen Nuklearprogramms sowie mit möglichen Motiven der nordkoreanischen Führung, ein solches Programm durchzuführen. Hierbei werden mögliche Alternativerklärungen aufgeführt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass über die Motive Nordkoreas nur Spekulationen und Vermutungen existieren, da die offiziellen Angaben der nordkoreanischen Führung nicht als vertrauenswürdig angesehen werden können. Abschließend werden im Kapitel sechs die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Darüber hinaus soll in eben diesem Kapitel ein Fazit gezogen werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Theorie des Neorealismus
2.1 Akteure und Strukturen
2.2 Prozesse

3. Der Neorealismus und das Ende des Kalten Krieges

4. Die Entwicklung des nordkoreanischen Nuklearprogramms

5. Motive für das Nuklearprogramm

6. Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 6. Oktober 2006 schockierte die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) nicht nur seine unmittelbaren Nachbarn, sondern auch die gesamte Welt. Gegen 12 Uhr Ortszeit verkündete das nordkoreanische Staatsradio, dass erfolgreich eine Atombombe gezündet werden konnte (vgl. Fritz 2010: 10). Die Bemühungen Nordkoreas ein eigenes Nuklearprogramm zu initiieren und durchzuführen waren seit Jahrzehnten bekannt und galten als mögliche Abschreckungsmaßnahme des ostasiatischen Staates gegenüber dem unmittelbaren Nachbarn Südkorea und dessen Verbündete Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Dass die DVRK allerdings tatsächlich Nuklearwaffen produzieren und zünden konnte, überraschte einen Großteil der westlichen Welt. Nordkorea schaffte es durch diesen erfolgreichen Nukleartest, sich im exklusiven „Klub“ der Atommächte neben den USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Frankreich und Großbritannien zu etablieren. Doch warum strebte und strebt die DVRK überhaupt nach atomaren Waffensystemen? In dieser Arbeit soll mithilfe der Theorie des Neorealismus versucht werden, diese Fragestellung zu beantworten. Dabei wird als theoretische Grundlage die Konzeption des amerikanischen Politologen Kenneth N. Waltz (1979, 2000) verwendet. Das Kapitel zwei, welches den Neorealismus behandelt, untergliedert sich in zwei weitere Unterpunkte. Diese sollen die für die Theorie des Neorealismus entscheidenden Ebenen - Akteure, Strukturen und Prozesse - näher untersuchen. Im Anschluss an die Darlegung der neorealistischen Theorie nach Waltz (1979), sollen im Kapitel drei die strukturellen Veränderungen nach dem Ende des Kalten Krieges betrachtet werden.

Der empirische Abschnitt befasst sich in den anschließenden Kapiteln vier und fünf mit der historischen Entwicklung des nordkoreanischen Nuklearprogramms sowie mit möglichen Motiven der nordkoreanischen Führung, ein solches Programm durchzuführen. Hierbei werden mögliche Alternativerklärungen aufgeführt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass über die Motive Nordkoreas nur Spekulationen und Vermutungen existieren, da die offiziellen Angaben der nordkoreanischen Führung nicht als vertrauenswürdig angesehen werden können. Abschließend werden im Kapitel sechs die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Darüber hinaus soll in eben diesem Kapitel ein Fazit gezogen werden.

2. Die Theorie des Neorealismus

Die Theorie des Neorealismus wurde 1979 maßgeblich vom amerikanischen Politologen Kenneth N. Waltz geprägt und entwickelt. Im Unterschied zu traditionalistischen Herangehensweisen, wie der Theorie des Realismus nach Hans J. Morgenthau (1948), konzentrierte sich Waltz (1979) weniger auf historische Ereignisse und die anthropologische Begründung der Außenpolitik von Staaten (vgl. Waltz 1979: 63). Der Anspruch des Neorealismus lag vielmehr darin, eine allgemein gültige Theorie der internationalen Politik zu entwerfen. Somit ergibt sich die Möglichkeit, allgemeine Bedingungen und Ursachen für die Wiederholung von beispielsweise Kriegen zu erkennen (vgl. Waltz 1979: 69). Eine rein deskriptive Betrachtung der innerstaatlichen Merkmale würde demnach nicht für eine Generalisierung ausreichen (vgl. Waltz 1979: 65). Für eine solche Verallgemeinerung orientiert sich Waltz (1979) zum einen an theoretischen Konzepten der Naturwissenschaften, zum anderen aber auch an mikro- sowie makroökonomischen Theorien der Wirtschaftswissenschaften (vgl. Waltz 1979: 68ff). Diese Ansätze überträgt er nun auf die internationale Politik und generiert so eine Systemtheorie, welche erklären soll, wie die Organisation eines Gebietes als zwingende und anordnende Kraft in Bezug auf die units, die es beinhaltet, handelt. Demnach gibt eine solche Theorie Auskunft über die Kräfte, von welchen die units abhängig sind und beeinflusst werden (vgl. Waltz 1979: 72).

Das internationale System besteht laut Waltz (1979) aus zwei Elementen. Das erste Element wird durch die Akteure beziehungsweise units des Systems dargestellt. Das Zweite bezieht sich auf die Struktur oder auch structure des Systems (vgl. Waltz 1979: 78f). Diese beiden Elemente sollen in den nächsten beiden Unterpunkten getrennt von einander untersucht werden. Im Anschluss daran wird die Wirkung der Strukturen auf die Akteure betrachtet.

2.1 Akteure und Strukturen

Unter Akteuren beziehungsweise units werden laut Neorealismus Staaten verstanden, welche „als einheitliche, bzw. uniforme Akteure“ (Schörnig 2003: 66) angesehen werden. Das „Innenleben“ dieser Staaten spielt für die weitere Formulierung der neorealistischen Theorie allerdings keine weitere Rolle. Demnach kann beispielsweise auch das politische System eines Landes vernachlässigt werden. Somit werden Staaten als nicht zu öffnende „black box“ angesehen, welche in ihrem Kern identisch sind (vgl. Schörnig 2003: 67). Waltz (1979)

spricht in diesem Zusammenhang von unitary actors (vgl. Waltz 1979: 118). Was die Staaten eint, ist das zentrale Bedürfnis, das eigene Überleben zu sichern. Spezifische Interessen von Staaten - wie beispielsweise Umweltschutz - werden demnach vernachlässigt (vgl. Schörnig 2003: 67). Darüber hinaus „orientieren sich [die Akteure] in ihren Entscheidungen an dem Kriterium der Zweck-Mittel-Rationalität“ (Schörnig 2003: 67). Da bezüglich der Aktivitäten anderer Staaten jedoch Unsicherheit herrscht, steht aggressives Verhalten und Expansionsdrang derer „als drohende Möglichkeit im Raum“ (Schörnig 2003: 67f.) und muss in den strategischen Überlegungen zur eigenen Überlebenssicherung bedacht werden. Diese beiden Annahmen gelten aus neorealistischer Betrachtungsweise für alle Staaten.

Unterschiede bestehen lediglich in den Machtmitteln, den so genannten capabilities, welche Staaten besitzen. Eine genaue Berechnung oder Ermittlung dieser Machtmittel wird von Waltz (1979) allerdings nicht geliefert. Es reicht jedoch nicht aus, ausschließlich die militärischen Kapazitäten eines Staates zu berücksichtigen. Genauso essenziell sind beispielsweise ökonomische und soziale Faktoren, welche der staatlichen Macht zugeordnet werden können.

Neben Staaten gibt es im Neorealismus weitere Akteure, wie NGOs, Konzerne und internationale Organisationen (vgl. Schörnig 2003: 68). In der theoretischen Betrachtung des Neorealismus können diese Akteure jedoch vernachlässigt werden, „da sie keinen Einfluss auf diejenigen Prozesse ausüben, die in einer neorealistischen Perspektive maßgeblich die internationale Politik bestimmen“ (Schörnig 2003: 68).

Wie bereits oben erwähnt wurde, wird die Struktur im Neorealismus unabhängig von den Akteuren untersucht. Die Struktur hat hierbei „einen eigenständigen kausalen Einfluss auf die Akteure“ (Schörnig 2003: 68), was zur Folge hat, „dass sich die Akteure in bestimmten Situationen […] ähnlich verhalten“ (ebd.). Grundsätzlich ist die structure definiert durch die Ordnung der beinhalteten Teile. Nur wenn diese Ordnung verändert wird, kann von structural change gesprochen werden. Sowohl die Struktur als auch die Teile der Struktur beziehen sich aufeinander, sind allerdings nicht identisch. Die Struktur als solche ist nicht seh- oder erkennbar, weshalb laut Waltz (1979) eine Abstrahierung eben dieser erfolgen muss. Hierfür nutzt Waltz (1979) drei Elemente:

(1) Das Ordnungsprinzip der Bestandteile der Struktur,
(2) Der Charakter beziehungsweise die Eigenschaften der units und deren funktionale Differenzierung sowie
(3) Die Ressourcen- beziehungsweise Machtverteilung zwischen den units (vgl. Waltz 1979: 82).

(1) Bezüglich des Ordnungsprinzips lässt sich festhalten, dass zwei Möglichkeiten der Ordnung von Einheiten existieren. Die erste Möglichkeit besteht in einer hierarchischen Ordnung der units, welche sich vor allem dadurch auszeichnet, dass übergeordnete Instanzen mit Sanktionsgewalt, die den Schutz der einzelnen Einheiten garantieren, vorhanden sind. Eine solche Ordnungsform ist grundsätzlich in Staaten mit ausgeprägter Bürokratie vorhanden. Hierbei bestehen Verhältnisse der Super- und Subordination (vgl. Waltz 1979: 81). Im Gegensatz dazu zeichnet sich das internationale System durch Dezentralität und Anarchie aus. Anarchie bedeutet in diesem Zusammenhang die Abwesenheit von Über- und Unterordnungsverhältnissen sowie Instanzen mit Sanktionsgewalt (vgl. Waltz 1979: 88). Aufgrund dieser Anarchie existiert keine Sicherheit bezüglich des Überlebens der einzelnen units. Waltz (1979) spricht in diesem Zusammenhang von einem Selbsthilfesystem. Die Einheiten müssen demnach selbst für den Erhalt ihrer Existenz sorgen und können sich nicht auf die Unterstützung anderer Einheiten verlassen. Die Sicherung des eigenen Überlebens wird somit zur wichtigsten Aufgabe der units (vgl. Waltz 1979: 91). Da aufgrund der Anarchie also keine Garantien für die Einhaltung von Verpflichtungen bestehen, gehen Staaten keine kooperativen Bindungen ein. Unter welchen Bedingungen allerdings trotzdem Kooperation möglich sein könnte, soll im anschließenden Unterpunkt, welcher die Prozesse näher untersucht, geklärt werden.

(2) Das zweite Strukturmerkmal berücksichtigt die funktionale Differenzierung beziehungsweise den Charakter der units. Nur wenn eine „Arbeitsteilung“ zwischen Staaten existiert, liegt eine funktionale Differenzierung vor. Arbeitsteilung bedeutet, dass Staaten unterschiedliche Aufgaben und Funktionen übernehmen und ausführen (vgl. Schörnig 2003:69). Ein empirisches Beispiel für eine funktionale Differenzierung wäre die Union der Sozialistischen Sowjet Republiken (UdSSR). In diesem Staat war die Wirtschaft so organisiert, dass zum Beispiel „Usbekistan von Getreide aus Kasachstan […], die russische Textilindustrie von der usbekischen Baumwolle, die Ukraine von importierten Erdöl und Erdgas, und die Industrie in Lettland vom Import aller Rohstoffe“ (Simon 1993: 110) abhängig war. Im internationalen System gibt es eine derartige Arbeitsteilung - aufgrund der bereits erwähnten und dominierenden Anarchie - jedoch nicht. Die Anarchie zwingt Staaten dazu, sich um ihre eigenen Präferenzen - nämlich die Sicherung des Überlebens - zu kümmern (vgl. Schörnig 2003: 69).

(3) Das dritte Element ist die Ressourcen- beziehungsweise Machtverteilung zwischen den units (distribution of capabilities) oder auch einfacher ausgedrückt, „die Machrelation der einzelnen Staaten zueinander“ (Schörnig 2003: 70). Diese capabilities sind Attribute der einzelnen units (vgl. Waltz 1979: 98). Die Verteilung der capabilities hingegen ist kein Attribut der units, sondern eine Eigenschaft der Struktur des Systems. Nach Waltz (1979) sind drei Machtverteilungen denkbar. Zum Ersten kann das internationale System unipolar (es existiert ein Hegemon oder ein besonders mächtiger Staat), zum zweiten bipolar (es existieren zwei besonders mächtige Staaten) und zum dritten multipolar (es existieren mehr als zwei besonders mächtige Staaten) strukturiert sein (vgl. Schörnig 2003: 70).

Wie sich nun die oben geschilderte Struktur auf die einzelnen Staaten (Akteure) auswirkt, soll im nächsten Unterpunkt geklärt werden.

2.2 Prozesse

Die vorangegangenen Unterpunkte haben bereits verdeutlicht, dass die Anarchie des internationalen Systems die einzelnen Akteure dazu veranlasst, sich selbstständig um die Sicherung des eigenen Überlebens zu kümmern. Dieses Selbsthilfesystem ist weiterhin dafür verantwortlich, dass Staaten sich nicht auf andere Akteure verlassen können und somit grundsätzlich keine Kooperationen mit anderen Staaten eingehen würden. Die Sicherheit eines Akteurs ist darüber hinaus nur garantiert, „wenn im internationalen System ein Machtgleichgewicht existiert“ (Schörnig 2003: 70). Nur wenn ein solches Machtgleichgewicht vorherrscht, ist es für keinen Staat empfehlenswert, andere Staaten anzugreifen, ohne dabei eine Niederlage zu riskieren. Dementsprechend müssen Machtungleichgewichte kompensiert werden, da bei einer drohenden Überlegenheit des Gegners das eigene Überleben nicht mehr gesichert werden könnte. Diese Prozesse des Machtausgleichs werden allgemein als balancing bezeichnet (vgl. Schörnig 2003: 70). Eine solche Balancing-Politik ist zwar nicht zwingend notwendig, aber wahrscheinlich (vgl. Schörnig 2003: 71). Aus dieser Annahme folgt, „dass es für einen Staat von besonderer Bedeutung ist, permanent seine Machtmittel mit denen der anderen Akteure zu vergleichen und kontinuierlich die eigene Position im internationalen System zu bestimmen“ (Schörnig 2003: 71). Machverschiebungen sind grundsätzlich möglich und werden in der Regel durch Aufrüstung oder Bündnisbildung ausbalanciert. Existiert beispielsweise ein besonders mächtiger Akteur, so ist es wahrscheinlich, „dass andere Staaten nicht unilateral mit diesem Staat in Konkurrenz treten werden (z.B. durch Aufrüstung), sondern über die Bildung einer Allianz versuchen würden, die Balance wiederherzustellen (Schörnig 2003: 71). Demnach besteht die erste Möglichkeit der Kooperation von Staaten im Versuch des Machtausgleichs, um die mögliche Bedrohung durch einen besonders mächtigen Staat zu minimieren. Eine weitere Kooperationsmöglichkeit besteht darin, dass dieser besonders mächtige Staat - also der Hegemon - andere Staaten zur funktionalen Differenzierung zwingt. Hierbei handelt es sich um die so genannte hegemonial induzierte Kooperation. Bei dieser Kooperationsform würde der Hegemon einen Großteil der Kosten und der Schutzfunktionen übernehmen, um Anreize für andere Staaten zu schaffen, sich an der Kooperation zu beteiligen (vgl. Schörnig 2003: 73).

Aufgrund der Überschaubarkeit von bipolaren Systemen, scheinen diese weniger kriegs- und konfliktanfällig als uni- oder multipolare Systeme. Ein empirisches Beispiel hierfür wäre der Kalte Krieg. In diesem Konflikt standen sich von 1947-1991 die beiden Großmächte1 USA und UdSSR gegenüber und bestimmten die Geschehnisse sowie die Entwicklung der Welt. Hierfür von besonderer Bedeutung ist die Existenz von Nuklearwaffen auf beiden Seiten (vgl. Schörnig 2003: 72). Nicht nur die enorme Vernichtungskraft solcher Waffen, sondern auch die Zweitschlagfähigkeit beider Staaten erzeugte ein Machtgleichgewicht, „in dem ein offensiver kriegerischer Akt keinem der Akteure genutzt hätte“ (Schörnig 2003: 72).

Multipolare Systeme sind demgegenüber jedoch weitaus unübersichtlicher, weshalb die Wahrscheinlichkeit für kriegerische Auseinandersetzungen ansteigt. Unübersichtlicher bedeutet, dass Fehleinschätzungen bezüglich der Machtkapazitäten - vor allem im militärischen Bereich - grundsätzlich eher möglich sind, als in bipolaren Systemen. Somit könnten Staaten, im Irrglauben darüber einen Krieg für sich entscheiden zu können, eher dazu verleitet werden, einen anderen Staat anzugreifen (vgl. Schörnig 2003: 72).

Im Unterschied dazu stellt in unipolaren Systemen der „Hegemon für alle anderen Staaten eine klar greifbare Bedrohung dar, so dass gemäß des Balancing-Imperativs Bündnisse als Gegenpole geschmiedet werden“ (Schörnig 2003: 72). Diese Bündnisbildungen liegen jedoch nicht im Interesse des Hegemons, weshalb die Wahrscheinlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen steigen könnte (vgl. Schörnig 2003: 72).

[...]


1 Im Vergleich zu anderen Staaten verfügen Großmächte über deutlich überlegene Machtressourcen, welche sich hauptsächlich in militärischen Ressourcen äußern. Grundsätzlich kann zwischen zwei Großmachttypen - offensive und defensive Großmacht unterschieden werden. Eine offensive Großmacht ist dazu in der Lage, im gesamten System militärischen Einfluss auszuüben. Eine defensive Großmacht hingegen, kann eigenständig gegen andere Einzelstaaten militärisch bestehen. Darüber hinaus ist der Großmachtstatus mit dem Besitz von Nuklearwaffen verbunden. Um das Defensivkriterium zu erfüllen, benötigt es einer nuklearen Zweitschlagfähigkeit, welche dann gegeben ist, wenn ein Staat auch nach einem nuklearen Angriff noch so wirksam zurückschlagen kann, dass kein anderer Staat einen Angriff wagen würde (vgl. Schimmelfennig 2008: 74)

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783640768240
ISBN (Paperback)
9783640768684
DOI
10.3239/9783640768240
Dateigröße
408 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Potsdam – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2010 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
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Titel: Das nordkoreanische Nuklearprogramm aus der Sicht des Neorealismus