Die Entwicklung der Medien nach Gutenberg
Einflussbereiche und Funktionen
Zusammenfassung
Doch erst die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, machte es möglich, den zunehmenden Bedarf an Texten zu befriedigen. Der Buchdruck stellt eine bedeutende Begebenheit in der europäischen Kulturgeschichte dar. Texte aus allen Bereichen des täglichen Lebens konnten nun beliebig oft kopiert und unter den Menschen verbreitet werden. Erst diese Medienrevolution ermöglichte es Reformatoren wie Luther und Johannes Calvin, ihre religiösen Ansichten zu verbreiten – denn die katholische Kirche war trotz ihrer Macht nicht dazu imstande, die immer weiter um sich greifenden neuen Medien mit einer wirkungsvollen Zensuren zu belegen. Die Weiterentwicklungen in den Medien im 15. Jahrhundert stellen somit auch eine Grundlage für die gesellschaftlichen Wandlungen zu dieser Zeit dar, oder steuerten zumindest einen wichtigen Teil zu ihrer Entstehung bei. Neue Kommunikationsstrukturen setzten sich unter der Bevölkerung Europas durch. Doch wie genau veränderten sich die „alten“ Medien mit der Entwicklung des Buchdrucks durch Gutenberg und welche Aufgaben erfüllten die „neuen“ Medien wie Flugblatt, Flugschrift und die Zeitung? Welchen Beitrag leisteten sie zur Reformation, dem Humanismus und dem Frühkapitalismus? Die folgende Arbeit soll die Entwicklung der Medien nach der Medienrevolution näher erläutern und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen näher aufzeigen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Europa im Wandel
3. Johannes Gutenberg
4. Tiefgreifende Veränderungen
4.1 Die Reformation
4.2 Die katholische Kirche und der Buchdruck
5. Pressegeschichte
5. 1 Die Zeitung
5. 2 Flugblatt und Flugschrift
5.3 Das Buch
5.4 Ländliches Medium: der Kalender
6. Der Humanismus
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das 15. Jahrhundert zeichnet sich durch wesentliche Veränderungen im gesellschaftlichen Leben Europas aus: Martin Luther wandelte mit seiner Reformation das religiöse Denken und brachte durch den Protestantismus eine neue Konfession der katholische Kirche hervor.[1] Die Menschen richteten ihren Blick wieder auf die Antike aus und orientierten sich an deren Idealen.[2] Durch die Bauernkriege von 1524 und 1525 sowie dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Mehrheit der Bürger mittellos.[3] Dennoch verbesserte sich die Wirtschaft der Städte im Spätmittelalter rasant, vor allem der Handwerker- und Kaufmannsstand erfuhr hierbei einen raschen Aufschwung. Der Fernhandel dehnte sich weiter aus und machte sich neue Umschlagplätze zugänglich. Es kam zur Veranstaltung von globalen/staatenverbindenden Märkten, auf denen weit ausgreifende Handelsgesellschaften notwendig waren. Diese Entwicklung sorgte dafür, dass das bisher vorhandene Botenwesen, das lediglich auf Teilöffentlichkeiten reduziert war, für die Informationsübermittlung nicht mehr ausreichte. Der Merkantilismus hatte eine wachsende Nachfrage nach fachsprachlichen und literarischen Wissen zur Folge.[4]
Doch erst die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, machte es möglich, den zunehmenden Bedarf an Texten zu befriedigen. Der Buchdruck stellt eine bedeutende Begebenheit in der europäischen Kulturgeschichte dar. Texte aus allen Bereichen des täglichen Lebens konnten nun beliebig oft kopiert und unter den Menschen verbreitet werden. Erst diese Medienrevolution ermöglichte es Reformatoren wie Luther und Johannes Calvin, ihre religiösen Ansichten zu verbreiten – denn die katholische Kirche war trotz ihrer Macht nicht dazu imstande, die immer weiter um sich greifenden neuen Medien mit einer wirkungsvollen Zensuren zu belegen. Die Weiterentwicklungen in den Medien im 15. Jahrhundert stellen somit auch eine Grundlage für die gesellschaftlichen Wandlungen zu dieser Zeit dar, oder steuerten zumindest einen wichtigen Teil zu ihrer Entstehung bei.[5]
Neue Kommunikationsstrukturen setzten sich unter der Bevölkerung Europas durch. Doch wie genau veränderten sich die „alten“ Medien, beispielsweise der Bote oder der Sänger, mit der Entwicklung des Buchdrucks durch Gutenberg und welche Aufgaben erfüllten die „neuen“ Medien wie Flugblatt, Flugschrift und die Zeitung? Welchen Beitrag leisteten sie zur Reformation, dem Humanismus und dem Frühkapitalismus? Die folgende Arbeit soll die Entwicklung der Medien nach der Medienrevolution näher erläutern und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen näher aufzeigen.
2. Europa im Wandel
In vielerlei Hinsicht differenziert sich das Europa des 14. und 15. Jahrhunderts von unserem heutigen. Da die Europäer die Erde noch als Scheibe wähnten, weichte ihre Vorstellung der Welt völlig von unserer ab. Die Menschen ernährten sich auch anders, denn einige Grundnahrungsmittel, wie etwa die Kartoffel, kannten sie noch nicht und Gewürze aus fremden Ländern waren für das gemeine Volk unbezahlbar. Dieses besiedelte größtenteils das Land. Nur die fünfzehn bedeutendsten Städte Mitteleuropas zählten eine Bevölkerung von über 10.000. Auch die Religion der katholischen Kirche übte einen erheblichen Einfluss auf die tugendhaften Bürger aus.[6]
Doch damals wie heute verkörperten die Städte den Mittelpunkt von Modernität und Fortschritt. Die Geschäftswelt war auf ihre Finanzen angewiesen und suchte nach neuen Absatzmärkten. Die daraus resultierenden Exkursionsfahrten führten schließlich zur Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 und vertieften zusätzlich den Handel mit weiteren Ländern. Damit kam es zu einer Verschiebung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einflusses von Süd- und Mittel- nach Westeuropa.[7] Der Güteraustausch- und verkehr wurde jedoch bereits im Mittelalter verstärkt. In einigen Fällen wurden noch existierende Verkehrswege und Handelsrouten der Römer wiederbelebt, woraufhin sich der Transfer von Waren verdichtete. Menschen kamen untereinander in Kontakt und verbreiteten Neuigkeiten. An passenden Plätzen, beispielsweise Sammelpunkten und Flussübergängen, fanden Märkte statt und neue Städte wurden erbaut. Diese waren zugleich Brennpunkt beim Austausch von Nachrichten. Auch die Neuigkeiten aus Übersee, etwa die BezwingungKonstantinopels durch die Türken 1453 oder der angebliche Fund des indischen Meeresufers durch Columbus, weckten den Wissensdurst der Menschen. Zusätzlich durch den sich festigenden Güterverkehr und die ansteigenden politischen Begebenheiten, die sich grundlegend auf die bisherige Welt auswirkten, stieg das Verlangen der Menschen nach mehr Aufklärung.[8]
Im Besonderen die Geschäftswelt war nun auch auf den Austausch von Nachrichten angewiesen: Sie musste über die Auswahl der Güter in den anderen Städten Bescheid wissen sowie über die dort herrschende gesellschaftliche Situation. Um passende Angebote darzubieten war es zudem notwendig, das Kaufinteresse genau zu kennen und über die dortigen Gewohnheiten Bescheid zu wissen.[9] Die aus dem vermehrten Handel entstandenen Nachrichtenzentren gewannen gesellschaftlich und kaufmännisch an Einfluss. Sie befriedigten in den Angelpunkten gewisser Gebiete den Drang der Menschen nach mehr Neuigkeiten, sie brachten Nachrichten in Umlauf, waren ein Ort zum Austausch von Nachrichten, waren aber in dem selben Maße auch auf Informationen aus anderen Städten angewiesen.[10]
Es war daher notwendig, neue Kommunikationsstrukturen durchzusetzen. Dadurch entstand der Handels- und Kaufmannsbrief. Zudem mussten jedoch die zur Bezahlung unhandlichen Gold- und Silberbarren sowie die wuchtigen Münzen erneuert werden.[11] Eine bedeutende Entwicklung für die Veränderungen im Güterverkehr stellt infolgedessen die Entstehung der Papiermacherei in Italien dar, die sich über Italien, Frankreich und Spanien ihren Weg nach Deutschland bahnte und damit das teure Pergament ablöste. Ab 1390 waren bei Nürnberg und Ravensburg die ersten Papiermühlen zu finden, schon bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts hatte sich diese noch geringe Zahl auf insgesamt 190 deutsche Papiermühlen erhöht.[12] Für den Druck war jetzt ein kostengünstiges Material gefunden worden und etwa 1398 entwickelte sich auch der Holzschnitt in Europa, zusätzlich wurde der Blockdruck Ende des 14. Jahrhunderts in vielen Ländern populär.[13] Das Papiergeld erleichterte fortan den Handel. Stempel wurden in gewünschter Größe aus Holz und Metall erzeugt und nutzten damit der Duplizierung von Einzelblättern, die in großer Auflage verbreitet wurden. Doch der damit verbundene Arbeitsaufwand war für die Buchproduktion nicht rentabel.[14]
Einen wichtigen Beitrag zur Weiterbildung der deutschen Sprache leistete zum Einen die Papierherstellung und zum Anderen die Entwicklung und Ausbreitung der Drucktechnik mit beweglichen Lettern durch Gutenberg seit etwa 1450.[15] Durch diese Erfindung kam es zu einer tiefgreifenden Verbesserung im Herstellungsverlauf von einfachen Texten bis hin zu komplexen Büchern. Ob Gutenberg sich über die weitreichenden Auswirkungen seiner Entwicklung bewusst war lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls entfalteten sich gänzliche neue Buchformen aus seiner als bloßer Handschriftenkopie gedachten Drucktechnik.[16] Zwar nutzte die Kirche den Druck mit beweglichen Lettern zuerst, doch hauptsächlich der Humanismus war dazu in der Lage, den geistigen Aufstieg des Buchdrucks zu fördern. Darüber hinaus erkannten die Reformatoren den Nutzen des neuen Mediums des gedruckten Buchs, indessen die katholische Kirche sich vergeblich bemühte, mithilfe der Zensur das reformatorische und für sie ketzerische Gedankengut zu verbieten.
Dennoch waren am Anfang des 16. Jahrhunderts die meisten Europäer des Lesens und Schreibens nicht fähig, im deutschsprachigen Gebiet waren etwa 3 bis 4 Prozent der Bürger Alphabeten. Die Frauen machten dabei weniger als ein Prozent aus. In England konnten rund 9 Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen lesen und schrieben. Die mündliche Kommunikation überwiegte. Während des 16. Jahrhunderts und den darauffolgenden Jahrzehnten setzte sich dann an vielen Orten die Alphabetisierung durch: Im Jahre 1587 konnten bereits 14 Prozent der Jugendlichen in Venedig am Schulunterricht teilnehmen, zwar wurden mit einem Prozent immer noch kaum Mädchen im Lesen und Schreiben gebildet, doch mit dem Buchdruck kam ein Bildungswesen auf, das sich bald in ganz Europa ausbreitete und tiefgreifende Veränderungen mit sich brachte.[17]
3. Johannes Gutenberg
Die Erfindung Gutenbergs ermöglichte die massenhafte Vervielfältigung von Texten. Dadurch konnte wesentlich mehr publiziert werden, als es bisher allein durch Schreiberhand möglich gewesen war. Eigentlich wollte Gutenberg mit seiner neuen Drucktechnik die alten Schreibmedien nicht ersetzen, sondern ein kunstvolles und detailgetreues Abbild der klassischen Handschriften erschaffen.[18] Daher konstruierte er auch seine Druckbuchstaben aus der Handschrift, die zur damaligen Zeit für sakrale Abfassungen verwendet wurde. Dennoch wurde der Druck mit beweglichen Lettern in kurzer Zeit überall in Europa bekannt. Schon 1459 erreichte die neue Technik Bamberg und Straßburg. Hier kam es nur sechs Jahre später zur Publizierung der ersten deutschsprachigen Bibel. Die deutschen Drucker ließen sich 1464 in Rom sowie 1469 in Venedig und 1470 in Paris nieder. Die Anzahl der Standorte von Druckereien stieg stetig an: Gab es 1470 in Europa nur 17 Druckorte hatte sich ihre Menge bis 1480 mit 121 mehr als verfünffacht. Zehn Jahre später existierten schon 201 in Europa. Im Jahre 1500 befanden sich 62 der insgesamt 252 Druckorte imHeiligen Römischen Reich.[19] In den rund sechzig deutschen Städten waren inzwischen allein 300 Druckereien zu finden.[20]
Die Erneuerung im Bereich der Drucktechnik sorgte nicht nur dafür, dass Texte leichter zur kopieren waren, sondern sich auch schneller mit ihren Botschaften unter den Menschen ausbreiten konnten. Die schriftlichen Neuigkeiten gewannen damit an Bedeutung.[21] Sowohl quantitative als auch qualitative Texte bahnten sich ihren Weg und trugen zur Bildung der Menschen bei. Dennoch glaubte etwa Conrad Celtis an eine „geistige Verspätung Deutschlands“[22] im Vergleich zu anderen Ländern. In seiner Ode III, 9 macht der Erzhumanist klar, in welcher Weise für ihn dieser Rückstand an Wissen aufzuholen sei: nämlich durch den Druck mit beweglichen Lettern. Dieser bewirke das Offerieren von Texten der Antike in Anthologien und Editionen, deren Wissen sich die Menschen damit frei verinnerlichen könnten. Zudem könnten durch den Buchdruck erschwingliche Textausgaben publiziert werden sowie internationale und nationale Handschriftenschätze gerettet werden. Zuletzt sorge er für eine sichere universitäre Bildung und Wissenschaft.[23]
Dass es zwar zu einer Verbreitung des Drucks mit beweglichen Lettern in ganz Europa kam, es zusätzlich jedoch im Jahre 1511 nun auch durchführbar war in griechischer und hebräischer Weise zu setzen und kopieren verdeutlichte Vadian mit seinem Gedicht Wohlverdientes Lob der Buchdruckerkunst. Vadian macht hierin auch auf die Verflechtung von Technik- und Geistesgeschichte aufmerksam. Erst die neue Technik und der daraus resultierende massenhafte Abdruck von Texten bringt das Wissen unten der Menschen, das Licht der Bildung „lumen scientiae“.[24] Am Ende des 18. und vor allem im darauf folgenden 19. Jahrhunderts breiteten sich die aus der Drucktechnik entstandenen „neuen“ Medien rasant aus: Unzählig viele Zeitschriften und weitere Massenliteratur wurden unter das Volk gebracht. Damit vergrößerte sich die Anzahl der lese- und schreibfähigen Bürger noch zusätzlichen.[25]
4. Tiefgreifende Veränderungen
Die grundlegenden Einfluss Gutenbergs auf die Medien und Menschen lässt sich nicht genau darlegen. Fakt ist jedoch, dass seine Erfindung die kulturelle und maschinelle Herstellung völlig neu gestaltete. [26] Den Druck der Bibel leitete er etwa 1452 in die Wege, das Werk war dann im Herbst zwei Jahre später vollendet.[27] Mit der revolutionierenden Drucktechnik begann nun auch das Zeitalter der massenhaften Produktion von Büchern. Diese stellten nicht nur die gegenwärtige Nachfrage zufrieden, sondern steigerten die Nachfrage noch zusätzlich. Die Grenzen zwischen den Gebildeten und Ungebildeten wurden immer schärfer. Um sich noch weiter vom einfachen Bürger und dem analphabetischen Adel zu distanzieren wurde das Buch zu einer Art „Markenzeichen“ unter den Gelehrten erhoben. Die Kirche bestimmte nun nicht mehr die Anfertigung von Büchern.[28] Diese wurden inzwischen in den Fernhandelsplätzen hergestellt und waren nicht länger auf die Bischofssitze angewiesen. Damit auch Bürger, die im Lesen nur in geringem Maße bewandert waren, die Aussage der Texte begreifen konnten, wurden passende Abbildungen eingefügt.[29]
Die Buchproduktion schöpfte dann in der Flugschriftenliteratur der Reformation und des Bauernkriegs sein volles Potenzial aus. Nachgefragt wurden jetzt jedoch keine Erzeugnisse des klassischen Altertums und des Mittelalters mehr, sondern Schriftgut mit politischen und reformatorischen Inhalt. Schleichend aber stetig nahmen deutschsprachige Werke den Platz der lateinischsprachigen Bücher ein. Auch die „Allgemeinverständlichkeit“ unter dem Volk nahm durch die Aufnahme von örtlichen Begebenheiten in den Büchern zu.[30]
Bereits im 15. Jahrhundert nahm die Publikation von gedruckter Literatur größere Ausmaße an: Bücher, Kalender sowie amtliche Ausgaben für etwa die Kirche, Städte und Höfe wurden unter das Volk gebracht. Flugschriften, Flugblätter und die Neue Zeitungen wurden erst nach der Revolutionierung des Drucks hergestellt.[31] Das politische Flugblatt stellt neben dem Brief sowie der Flugschrift, dem Kalender und der Zeitung eines der bedeutendsten Medien dieses Zeitraums dar. Anfangs wurden mit dem Brief noch einfache handgeschriebene Nachrichten versendet, später kam es dann unter der Kirche zur Entwicklung des Ablassbriefs. Im gläubigen und kirchlichen Raum spielte auch die Flugschrift eine entscheidende Rolle. Unter dem gemeinen Volk auf dem Land verbreite sich dahingegen der Kalender sehr rasch. Diese „neuen“ Medien ersetzen die bis dahin benötigten Menschenmedien, die für die Vergnügungen unter den Bürgern sowie die Einprägung von Nachrichten und deren Verbreitung notwendig gewesen waren. Auch den Aufgaben der Repräsentation, der Autorität und der Demonstration waren die neuen Medien in verbesserter Form gewachsen.[32]
Einige Sammelbezeichnungen haben sich bezüglich der verschiedenen Arten an Drucken integriert: Akzidenzdrucke, Wiegendrucke und Frühdrucke. Der Akzidenzdruck, auch Gelegenheitsdruck genannt, kennzeichnet nichtperiodische Druckwerke mit einer begrenzten Länge. Ein Beispiel stellt Gutenbergs Türkenkalender von 1455 dar. Die Ausdrücke „Wiegendruck“ und „Frühdruck“ erklären sich mit ihrer zeitlichen Einordnung.[33] „Wiegendruck“ bezeichnet Ausführungen, die vor 1500 in den Druck kamen, „Frühdrucke“ sind solche, die während 1500 und 1550 entstanden. Diese Gliederung wurde zwar nach Belieben durchgeführt, ist dahingegen jedoch wesentlich präziser als die Bezeichnungen „Einblattdrucke“, Flugblätter, Flugschriften und „Neue Zeitungen“. Obgleich diese unterschiedlich gestaltet waren, verschiedene Themen behandelten und damit voneinander abweichende Aufgaben erfüllten, sind sie nicht genau voneinander abzugrenzen.[34]
Die alten Medien veränderten sich im ausgehenden Mittelalter, entwickelten sich weiter oder wurden durch die neuen Medien ersetzt. Zu Zeiten der Renaissance kam es zum Ende der klassischen Menschenmedien Frau, Fest, Tanz und Theater. Das mittelalterliche Heiligenfest fand nun zu ganz anderen Zwecken statt: Es wurde zu einer gewöhnlichen Belustigung der Bürger herabgestuft oder diente den Herrschenden und dem Volk zur Selbstdarstellung. Der Tanz wurde zur bloßen Kunst. Im Renaissance-Theater suchten die Bürger aller Herkunft nach Vergnügen und Zeitvertreib. Um sich von den Laienspielern des Gelehrtentheaters zu distanzieren wurde das Berufsschauspielertum eingeführt.[35] Selbst Skulpturen stellten nun weltliche Herrschaft dar und nutzten den Kunstförderern und Gönnern zur ihrer bloßen Glorifizierung. Hatte der Lehrer als Medium bisher noch als Vermittler gedient und den Lehrstoff gespeichert konnten die normierten Schulbücher der Schulmeister diese Aufgaben wesentlich effektiver und ohne Informationsverlust ausführen.[36] Die protestantische Schule wollte zudem auch das gemeine Volk erreichen, das bisher von der Bildung ausgenommen gewesen war. Es kam zur Verbeamtung des Berufsstands des Schulmeisters und es kam zur Entwicklung des deutschen Volksschulwesens. Die allgemeine Schulpflicht wurde dann im Jahre 1717 eingeführt.[37]
Michael Giesecke spricht in seiner Studie Der Buchdruck in der Frühen Neuzeit von einer neuen Form des Empfängers, der in den neuen Medien eine größere Rolle spielt. Immerhin wird dieser in zunehmenden Maßen in den medialen Ablauf und den Informationskreislauf integriert. Für Giesecke stellt die Buchkultur der Frühen Neuzeit ein mehrteiliges informationsverarbeitendes System dar. In diesem sind die neuen technologischen Erfindungen eingebettet und auch der Handel hat sich damit zu einem Netzwerk entwickelt, in dem der Informationsaustausch eine für den Erfolg bedeutende Rolle spielt.[38]
Indem der Buchdruck die bisherige Handschrift ablöste kam es auch zu einschneidenden Wandlungen im literarischen Verkehr. Wurde die Handschrift noch auf Bestellung für einen ganz bestimmten und meist kleinen Rezipientenkreis aus Adligen und Gelehrten gefertigt war das gedruckte Buch dazu in der Lage, nahezu endlose und dabei unbekannte Leserschaft zu erreichen. Der Buchdruck sorgte jedoch auch dafür, dass die Ausführungen eines Textes geradezu standardisiert wurden. Dies war bei der Handschrift nicht der Fall, da sich hier jede neue Abschrift von den vorherigen unterscheidet. Auch die Nachfrage nach bestimmten Texten veränderte sich durch die Technik Gutenbergs grundlegend. Der private Buchbesitz nahm stetig zu, dabei nahm der Bedarf an geistlichen Werken sowie Standardwerken für den gebildeten Kreis weiter ab. Eine Vielzahl von Literatur des Kleinschriftentums löste ihren Status ab.[39]
Beharrlich steigerte sich nach der Revolutionierung der Drucktechnik die Menge der volkssprachlichen Drucke. Lag der Anteil der lateinischen im Vergleich zu den deutschen Drucken um 1500 noch bei 20:1 und um 1524 bei 3:1, waren bereits 1570 nur noch 70 Prozent aller Publikationen in der lateinischen Sprache verfasst worden. Im Jahre 1681 hatten die volkssprachlichen Titel erstmalig in der deutschen Druckgeschichte die Oberhand gewonnen. Hier sei allerdings anzumerken, dass in diese Daten nicht die Auflagenhöhe noch einkalkuliert ist und zudem die Flugschriften und Einblattdrucke als bibliographische Größe einbezogen wurden.[40]
4.1 Die Reformation
Im Zeitraum von 1400 bis 1700 stellen das Aufkommen des Kapitalismus sowie die Reformation die signifikantesten Geschehnisse dar.[41] Es dauerte etwa ein Jahrhundert, bis sich die nun im Buch beruhende neue Lebensweise wesentlich von der bisherigen, die auf den handschriftlichen Werken der Schreiber beruhte, differenzierte. Aufgrund dieser chronologischen Verschleppung ist es nicht möglich, die exakte Bedeutung des Mediums Buchdruck auf die gesellschaftliche Strömung der Reformation zu ermitteln. Fest steht jedoch, dass die Ausbreitung dieses neuen Gedankenguts ohne den Buchdruck nicht in der erforderlichen Zeit möglich gewesen wäre.[42]
Anhand der Reformation lässt sich damit prägnant verdeutlichen, welche bedeutende Rolle die Medien für die Kultur und Gesellschaft einnehmen. Exakt sieben Medien waren dabei für die Reformation und Gegenreformation entscheidend, wobei hier nur einige davon näher behandelt werden. Zum einen die Menschenmedien Prediger, Sänger und das Theater. Sie blühten während dieser Zeitströmung noch einmal auf.[43] Dabei waren sie jedoch den Druckmedien unterstellt und auch auf sie angewiesen, um letztlich völlig in ihnen unterzugehen. Durch Luther und die Protestanten gewann der Prediger anfangs an Bedeutung. Die Predigt stellte nun den Schwerpunkt der Messe dar. Das Fundament bildete hierbei die Bibel, die damit die mit Willkür ausgewählten Inhalte der katholischen Kirche verdrängte. Thematische Inhalte des protestantischen Gottesdienstes stellten etwa eine Reform der Besitzverhältnisse dar. Auch der Kapitalismus, die Leibeigenschaft und der Kriegsdienst wurden beklagt. Irdisches stand somit im Zentrum. Selbstverständlich konnte der protestantische Prediger, der seine Aussagen unkompliziert und anschaulich formulierte, aufgrund der Schriftauslegung nicht ohne das Medium Buch auskommen. Der Sänger als Medium kam dann in der Messe mit dem volkssprachlichen Laiengesang wieder auf. Luther bürgerte ihn als wesentliches christliches Versatzstück ein. Dabei nutzte der reformatorische Sänger Gesangsbücher als auch einzelne gedruckte Blätter. Die Aufgaben der Speicherung und Weitergabe von Informationen wechselten damit vom Menschen auf das neue Druckmedium.[44]
Im Gegensatz zur Gegenreformation verwendete die Reformation aber nicht die Menschenmedien zur Verbreitung ihrer Botschaft, sondern sah auch die Vorteile der neuen Druckmedien. Neben dem Brief, dem Flugblatt und dem Buch kam dabei insbesondere die Flugschrift zum Einsatz. Unter den Protestanten lebten die frühkirchlichen Apostelbriefe wieder auf.[45] Flugblätter mit Illustrationen dienten während der Reformation zur Manipulation der religiösen Denkweisen und erhöhten ihre Aussagekraft mit Kontroversen sowie gezielter Beeinflussung und Überredungskunst. Dabei stieg das Flugblatt von frühen Einblattdrucken, zum Beispiel solchen von Sebastian Brant, auf zu den bekannten Schmähbildern Hans Sachs. Sie trugen zum größten Teil zum Amüsement der Bürger bei und bedienten sich dabei des Witzes, Sarkasmuses, Zynismus und der Geringschätzung. Dabei schreckten die Autoren auch vor intensiven sowie boshaften und offensiven Äußerungen nicht zurück. Die Flugblätter wollten die Meinungen des Volkes berichtigen und Skandale aufdecken. Ein Favorit dieser Angriffe waren der Papst und der Klerus.
[...]
[1] Vgl.: Werner Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, Göttingen 2006, S. 120.
[2] Vgl.: Stephan Füssel: Gutenberg-Forschung: Kulturwissenschaftliche Aspekte des frühen Buchdrucks. In: Von Gutenberg zum Internet, hg. von Sabine Wefers, Frankfurt am Main 1997, S. 24.
[3] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 121.
[4] Vgl.: Frédéric Hartweg: Die Rolle des Buchdrucks für die frühneuhochdeutsche Sprachgeschichte. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Band 2.2, hg. von Werner Besch, Oskar Reichmann und Stefan Sonderegger, Berlin/New York 1985, S. 1416.
[5] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 122.
[6] Vgl.: Rudolf Stöber: Deutsche Pressegeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. überarbeitete Auflage; Konstanz 2005, S. 15.
[7] Vgl.: Ebd., S. 15.
[8] Vgl.: Ebd., S. 16.
[9] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 126f.
[10] Vgl.: Stöber: Deutsche Pressegeschichte, S. 17.
[11] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 127.
[12] Vgl.: Ebd., S. 164.
[13] Vgl.: Ebd., S. 121.
[14] Vgl.: Hans-Joachim Griep: Geschichte des Lesens. Von den Anfängen bis Gutenberg, Darmstadt 2005, S. 211.
[15] Vgl.: Thorsten Roel>
[16] Vgl.: Füssel: Gutenberg-Forschung, S. 15.
[17] Vgl.: Griep: Geschichte des Lesens, S. 220f.
[18] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 165.
[19] Vgl.: Griep: Geschichte des Lesens, S. 216.
[20] Vgl.: Elisabeth L. Eisenstein: Die Druckerpresse: Kulturrevolution im frühen modernen Europa, Wien 1997, S. 12-17.
[21] Vgl.: Roel>
[22] Vgl.: Füssel: Gutenberg-Forschung, S. 26.
[23] Vgl.: Ebd., S. 26.
[24] Vgl.: Ebd., S. 30.
[25] Vgl.: Roel>
[26] Vgl.: Stöber: Deutsche Pressegeschichte, S. 22.
[27] Vgl.: Ebd., S. 25.
[28] Vgl.: Griep: Geschichte des Lesens, S. 217.
[29] Vgl.: Ebd., S. 219.
[30] Vgl.: Hartweg: Die Rolle des Buchdrucks für die frühneuhochdeutsche Sprachgeschichte, S. 1418.
[31] Vgl.: Stöber: Deutsche Pressegeschichte, S. 34.
[32] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 123.
[33] Vgl.: Stöber: Deutsche Pressegeschichte, S. 34.
[34] Vgl.: Ebd., S. 35.
[35] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 125.
[36] Vgl.: Ebd., S. 130.
[37] Vgl.: Ebd., S. 131.
[38] Vgl.: Füssel: Gutenberg-Forschung, S. 19.
[39] Vgl.: Hartweg: Die Rolle des Buchdrucks für die frühneuhochdeutsche Sprachgeschichte, S. 1418.
[40] Vgl.: Ebd., S. 1420.
[41] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 143.
[42] Vgl.: Hans-Joachim Ziegeler/Nikolaus Wegmann: Schrift-Medien: Handschrift/Druckschrift, Buchdruck. In: Einführung in die Medienkulturwissenschaft, hg. von Liebrand, Schneider, Bohnekamp und Frahm, Münster 2005, S. 168.
[43] Vgl.: Faulstich: Mediengeschichte von den Anfängen bis 1700, S. 143.
[44] Vgl.: Ebd., S. 144.
[45] Vgl.: Ebd., S. 15.