Psychologische Analyse der innerbetrieblichen Mediation anhand eines konkreten Fallbeispiels
Zusammenfassung
Das Ziel ist faire, durch den Mediationsvertrag verbindliche und zukunftsorientierte Lösung des Konflikts der allen Beteiligten.
Die Fairness resultiert aus dem Streben der Mediation, solche Lösungen zu finden, die allen Konfliktparteien nützen. Dies kann man als win-win Lösungen bezeichnen.
Der Mediator ist nicht für die Lösung eigenverantwortlich. Nur die Parteien selbst treten als Spezialisten ihres Konflikts auf.
Der Mediator selbst dient als Katalysator im Konfliktbestrebung.
In der Mediation geht es darum, die Tiefenstruktur des Konflikts zu ergründen um eine nachhaltige Konfliktlösung zu ermöglichen.
Somit ergibt sicht für die Parteien die Chance, gerade durch neuerworbene kommunikative Kompetenzen und neue Erkenntnisse bezüglich der Konfliktdynamik aus dem Konflikt gestärkt hervorzugehen.
Auf einem konkreten Fallbeispiel im Rahmen des innerbetrieblichen Konflikts zwischen Chef und Mitarbeiter wird analysiert, wie die Parteien, die auch in der Zukunft gemeinsamen betrieblichen Weg bestreiten, mit Hilfe des Mediators, der sich aktiv aus dem psychologischen Repertoire der Parteien bedient, die Tiefenstruktur des Konflikts ergründen und nachhaltige Konfliktlösung erreichen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Konflikt zwischen Chef und Mitarbeiter im Betrieb anhand eines Fallbeispiels
3 Der soziale Konflikt
3.1 Das Verhältnis von Tiefen- und Oberflächenstruktur eines Konflikts
3.2 Die Rolle der Macht in Konflikt
4 Das Verhältnis von Positionen und Interessen in einem sozialen Konflikt
4.1 Die W-Fragen als Information über die widersprechende Position
4.2 Mögliche Hypothesen über die Interessen
5 Mediation als ein außergerichtliches Verfahren
5.1 Mythen in der Mediation
5.1.1 Gebot der Neutralität des Mediators
5.1.2 Gebot der Eigeninteressenorientierung
5.1.3 Gebot der Sachlichkeit
5.1.4 Gebot zur methodischen und inhaltlichen Zurückhaltung des Mediators
5.1.5 Gebot der Zukunftsorientierung
6 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Mediation ist außergerichtliches Verfahren und inzwischen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen, im familiären, öffentlichen, betrieblichen, politischen, ökonomischen und internationalen Bereich, vertreten.
Das Ziel ist faire, durch den Mediationsvertrag verbindliche und zukunftsorientierte Lösung des Konflikts der allen Beteiligten.
Die Fairness resultiert aus dem Streben der Mediation, solche Lösungen zu finden, die allen Konfliktparteien nützen. Dies kann man als win-win Lösungen bezeichnen.
Der Mediator ist nicht für die Lösung eigenverantwortlich. Nur die Parteien selbst treten als Spezialisten ihres Konflikts auf.
Der Mediator selbst dient als Katalysator im Konfliktbestrebung.
In der Mediation geht es darum, die Tiefenstruktur des Konflikts zu ergründen um eine nachhaltige Konfliktlösung zu ermöglichen.
Somit ergibt sicht für die Parteien die Chance, gerade durch neuerworbene kommunikative Kompetenzen und neue Erkenntnisse bezüglich der Konfliktdynamik aus dem Konflikt gestärkt hervorzugehen.
Auf einem konkreten Fallbeispiel im Rahmen des innerbetrieblichen Konflikts zwischen Chef und Mitarbeiter wird analysiert, wie die Parteien, die auch in der Zukunft gemeinsamen betrieblichen Weg bestreiten, mit Hilfe des Mediators, der sich aktiv aus dem psychologischen Repertoire der Parteien bedient, die Tiefenstruktur des Konflikts ergründen und nachhaltige Konfliktlösung erreichen.
2 Der Konflikt zwischen Chef und Mitarbeiter im Betrieb als Fallbeispiel
Christian B. ist 26 Jahre alt und arbeitet als einer von 20 Elektroinstallateuren bei EMO GmbH. Er ist gut qualifiziert, auch die ihm übertragenen Projekte erledigt er zur Zufriedenheit seiner unmittelbaren Vorgesetzten. Seine komplette Freizeit verlebt er in einem Sportverein, wo er als Trainer für Kinder und Jugendliche und als Wettkampbetreuer ehrenamtlich tätig ist.
Trotz qualitativ guter Arbeit gilt Christian in seiner Firma als Außenseiter.
Auch mit seinem Chef gerät er immer wieder aneinander, weil dieser von seinen Angestellten fordert, dass sie auch außerhalb der Arbeitszeit für die Firma zur Verfügung stehen sollen. So finden Dienstbesprechungen außerhalb der eigentlichen Dienstzeiten statt. Des Weiteren fordert er von Christian, bereits eine Stunde vor Schichtbeginn anwesend zu sein, damit er genug Zeit hat, das Dienstfahrzeug zu reinigen und mit Arbeitsmaterialen zu bestücken.
Christian B. lehnte diese Forderungen jedes Mal ab und verweist auf seine Freizeit, die er gestalten könne, wie er möchte. Zeit, so sagt er dem Chef, die nicht bezahlt werde, ist Freizeit.
Der Chef wiederum ist der Ansicht, dass die Besprechungen nur der Organisation der eigentlichen Arbeit dienten. Dienstbesprechungen seien für ihn nichts anderes als Mittel zum Zweck. Er vergleicht sie mit täglichen An- und Abreise zum Arbeitsplatz, die auch nicht zur Dienstzeit gehörten, somit nicht bezahlt werden müssten und trotzdem notwendig seien.
Als der Chef der Firma wieder einmal eine Dienstbesprechung außerhalb der Arbeitszeiten abhalten will, sagt Christian ab und verweist auf einen wichtigen Termin. Er fordert den Chef auf, er solle solche Besprechungen während der bezahlten Arbeitszeit abhalten. Der Chef wird ungehalten und befiehlt die Anwesenheit aller Mitarbeiter. Christian erscheint nicht.
Das Verhältnis zwischen Christian und dem Chef verschlechtert sich stetig. Wegen kleinster Versäumnisse wird Christian vor versammelter Belegschaft getadelt, auch wenn die Anschuldigungen z.T. unbegründet und unbewiesen sind. Davon unbeeindruckt bleibt er weiterhin den Besprechungen außerhalb der Arbeitszeit fern.
Einige Zeit vergeht und Christian muss ein neues Projekt konzipieren. Er soll zu einem bestimmten Termin die benötigte Arbeitszeit, die Materialien und die Personalstärke für dieses Projekt kalkulieren und seine Berechnung dann dem Chef vorlegen. In der Regel ist es unter den Projektleitern nicht unüblich, dass solche Kalkulationen ein paar Tage zu spät abgeliefert werden. Als sich die angeforderte Kalkulation von Christian jedoch um einen Tag verspätet, kommt es zum Eklat. Der Chef bestellt Christian in sein Büro und erteilt ihm in ungewöhnlich schroffer Art einen schriftlichen Verweis – wegen Nichterledigung der ihm übertragenen Aufgaben. Die Folge dieses Versäumnisses sei, so erklärt der Chef, ein verloren gegangener Auftrag. Christian möchte über die Notwendigkeit eines Verweises verhandeln und weist diesen zunächst zurück. Bei dieser Unterredung sind auch andere Projektleiter zugegen, die im Spalier hinter dem Chef positioniert sind.
3 Der soziale Konflikt
Seit vielen Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit dem Thema des Konflikts. Deren Interpretationen sind jedoch sehr unterschiedlich. Auch wenn von außen betrachtend viele Einzelheiten in einem Konflikt gleichartig erscheinen, sind die Ursachen fast immer verschieden.
Lückerts zentrale These in seinem Werk, „Der Mensch, das konfliktträchtige Wesen“ behauptet, dass der Mensch deshalb ein konfliktträchtiges Wesen sei, weil er Bewusstsein habe und das Bewusstsein ein Produkt der Konflikte sei.[1]
Allerorts wo Menschen zusammen leben, arbeiten oder ihre Freizeit genießen, kommt es zu Auseinandersetzungen wenn das Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen oder Vorstellen des Einzelnen in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Bevor wir als Menschen überhaupt Denken, Fühlen und uns etwas vorstellen können, müssen wir die gegebenen Tatsachen wahrnehmen.
Humberto Maturana, chilenischer Biologe und sein Kollege Varela gehen davon aus, dass von uns wahrgenommene Welt ist “nicht die Welt (...), sondern eine Welt, die wir mit anderen hervorbringen“ sei.[2] Für Maturana und Varela gibt es damit keine objektive Welterkenntnis.
Der junge Mitarbeiter aus dem Fallbeispiel hat außer seiner Arbeit auch eine andere Leidenschaft. Da er sehr sportlich ist, verbringt er einen Großteil seiner Freizeit in einem Sportverein. Seit seiner Kindheit treibt er Sport und das hat ihn geprägt. Mit der Arbeit im Sportverein möchte er den Jugendlichen seine Erfahrung weitergeben. Dies macht er, indem er Kinder und Jugendliche trainiert und gleichzeitig als Wettkampfbetreuer ehrenamtlich tätig ist.
Gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und der Wertewandel in der Gesellschaft verändern die Erwartungen der Mitarbeiter an ihre Arbeit.
Der Wunsch nach Autonomie, Entfaltung und Sinn kollidieren so häufig mit Arbeitstrukturen, die durch Disziplin und Dirigismus geprägt sind.
Mitarbeiterführung durch Vorgesetzten bedeutet immer auch die Beeinflussung des Verhaltens und der Einstellung von einzelnen Mitarbeitern. Gleichzeitig wird so auch die Interaktion in und zwischen innenbetrieblichen Systemen beeinflusst. Hierdurch wird die gemeinsame Erreichung der vorgegebenen Ziele bezweckt. Die Vorgesetzten nehmen ihre Führungsaufgabe jedoch unterschiedlich wahr und somit ist auch deren Verhalten oder Führungsstil unterschiedlich. Ein Führungsstil wird dabei als autoritär bezeichnet, wenn der Vorgesetzte alleine entscheidet, diktiert und bestimmt, wie die vorgegebenen Ziele erreicht werden sollen.[3]
Unter einem autoritären Führungsstil fühlen sich die Mitarbeiter oftmals bei der Realisierung ihres Denkens, Vorstellens, Wahrnehmens, Fühlens und Wollens beeinträchtigt.
Die Dienstbesprechungen außerhalb der Arbeitszeiten in dem Fallbeispiel dienen nur der Organisation der eigentlichen Arbeit und sind daher Mittel zum Zweck. Dieser Umstand wird von den beiden Parteien jedoch unterschiedlich wahrgenommen. Sobald es zur Beeinträchtigung der Wahrnehmung kommt, können sich zwei unterschiedliche Realitäten entwickeln.
Lückerts präziseste Definition des Konflikts beschreibt den Konfliktbegriff als Rollenkonflikt. Er geht davon aus, dass das soziale Verhalten von Gruppen oder Individuen von Rollenbeziehungen und nicht von persönlichen Eigenschaften abhängt.
Gerade auf dem Arbeitsplatz kommt aufgrund von unzureichender Übereinstimmung zwischen der Selbsteinschätzung des Rollenträgers bezüglich seiner Rolle und den Erwartungen anderer zum solchen Rollenkonflikten.[4]
Mangelhafte Kommunikation ist unter anderem dafür verantwortlich, wie einzelne Personen eine Störung des Wahrnehmens empfinden. Wenn
neben den auftretenden Differenzen auch dabei auftretender Stress nicht konstruktiv bewältigt werden kann, spricht man dann von einem sozialen Konflikt.[5]
Durch einen Konflikt werden Wahrnehmungen verzehrt, Beobachtungen einseitig interpretiert und es wird nur das wahrgenommen, was bereits bestehende Vorurteile bestätigt.
Ein Konflikt wird als kommunikatives Geschehen begründet. Durch Kommunikation entsteht ein Konflikt, durch sie wird er ausgetragen und auch durch sie beendet. Demnach gibt es keinen Konflikt ohne eine Form der Kommunikation.[6]
Als der Chef der Firma im Fallbeispiel wieder einmal eine Dienstbesprechung außerhalb der Arbeitszeiten abhalten will sagt der Mitarbeiter die Teilnahme ab und verweist auf einen wichtigen Termin.
Jeder Mensch, der sich in seinen Bedürfnissen eingeschränkt und unterdrückt fühlt, rebelliert gegen die ihn unterdrückende Autorität. So auch in dem Fallbeispiel.
Der junge Mitarbeiter macht deutlich, dass er mit den Besprechungen außer der Arbeitszeit nicht einverstanden ist, da sie ihn in seinen Bedürfnissen einschränken und unterdrücken.
Sein Vorgesetzter wiederum rebelliert gegen die Untergrabung seiner Autorität durch Unterlassen seiner Forderungen nach einer Besprechung innerhalb der Arbeitszeit.
Sowohl der Mitarbeiter als auch der Chef selbst sehen sich im Recht. Hierdurch manifestiert sich der Konflikt zwischen den beiden Parteien.
Ob es neben diesem Umstand weitere Anliegen gibt, die hinter dem Konflikt stehen könnten, ist nicht bekannt. Als Reaktion der beiden Parteien auf die Anliegen des jeweils anderen, wird die feindselige Haltung des einen durch eine feindselige Haltung des anderen beantwortet.
Dreitzel schreibt hierzu: „Das Prinzip, das in Konfliktinteraktion waltet, ist das Gegenseitigkeit und Vergeltung. Die Konfliktinteraktion ist wechselseitiges „Handeln für“: der negative Akt des einen „verursacht, begründet und legitimiert“ den negativen Akt des anderen: der Konflikt ist Tausch und gegenseitige Vergeltung „mit negativen Vorzeichen.“
Dreitzel fügt gleichzeitig hinzu, dass das was einen Konflikt als Akt der wechselseitigen Handlungen in Gang setzt, ein reziproker Ansporn zu einer gegenseitigorientierten Vergeltung sei.[7]
In dem Beispiel wird der Mitarbeiter wegen kleinster Versäumnisse vor der gesamten Belegschaft getadelt, wobei die Anschuldigungen als unbegründet und unbewiesen beschrieben sind.
Durch die entstehenden Kränkungen, Verleumdungen und die Versuche den Mitarbeiter aus der eigenen Gruppe auszuschließen reagiert dieser empört, enttäuscht, verletzt und verbittert. Als weitere Reaktion auf diese Kränkung bleibt der Mitarbeiter weiterhin den Besprechungen außerhalb der Arbeitszeit fern.
Der Konflikt zwischen den Parteien eskaliert, als der Mitarbeiter eine Kalkulation für ein neues Projekt einen Tag später als vereinbart abgibt.
Daraufhin erhält er von seinem Vorgesetzten einen schriftlichen Verweis wegen Nichterledigung der ihm übertragenen Aufgaben.
Der Mitarbeiter möchte daraufhin über die Notwendigkeit des Verweises verhandeln, aber der Chef weist dies zurück.
Nur wenn man versucht wird, die Welt des Gegenübers in eine gemeinsame Welt zu integrieren kann ein Konflikt gelöst werden. Maturana/Varela nennen diesen Akt die „Liebe“ im Sinne des „Annehmens einer anderen Person.“[8]
[...]
[1] Sohn, W., Der soziale Konflikt als ethisches Problem,S.40
[2] Maturana/Varela, Baum der Erkenntnis in Friedl, Das gebuchte Paradies... S.179
[3] Hennecke, M., Das Ingenieurwissen, S. M-12
[4] Sohn,Der soziale Konflikt als ethisches Problem, S.41
[5] Glasl, Konfliktmanagement in: Aufhagen, Angewandte Sozialpsychologie,S.123
[6] Messmer, Der soziale Konflikt,S.5
[7] Hartmann Tyrell: Soziale und gesellschaftliche Differenzierung,2008, S.33
[8] Hartmann Tyrell: Soziale und gesellschaftliche Differenzierung,S.79