Dietrich Kurz und sein Konzept der Handlungsfähigkeit im Sport
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Handlungsfähigkeit im Sport
2.1 Der Sinn sportlicher Situationen
2.2 Die sechs Motivkomplexe
2.3 Zwischenbilanz
2.4 Von den Sinnrichtungen zur Handlungsfähigkeit
2.5 Mehrperspektivität am Beispiel der Leichtathletik
3 Kritischer Kommentar
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Konzept der Handlungsfähigkeit im Sport von Dietrich Kurz. Zu Beginn stelle ich den Ausgangspunkt seiner Überlegungen dar, die Entwicklung von sechs Motivkomplexen bzw. Sinnrichtungen, unter denen Sport seiner Ansicht nach betrieben werden kann. Diese leiten über zur Idee der Handlungsfähigkeit und der Forderung nach einem mehrperspektivischen Sportunterricht. Den Abschluß bildet ein Kommentar meinerseits, in dem problematische Punkte kritisch beleuchtet und diskutiert werden.
2 Handlungsfähigkeit im Sport
2.1 Der Sinn sportlicher Situationen
Ausgangspunkt für Kurz‘ Überlegungen ist seine Annahme, daß menschliches Handeln stets als „sinngeleitetes und sinnbedürftiges Tun“ begriffen wird (Balz, 1992, S. 14). Das ist so verstehen, daß der Mensch danach bestrebt ist, seinem Handeln Bedeutung zu verleihen bzw. er motivierter ist, Aufgaben zu erfüllen, wenn er für sich einen Wert in ihnen erkennen kann. Kurz (1979) geht davon aus, daß dieser Grundsatz auch auf Sport übertragbar ist und in sportlichen Handlungen unterschiedliche Sinnorientierungen gefunden werden können, unter denen sie ausgeführt werden. Dabei ist das Handeln unter jeder dieser Sinnperspektiven als pädagogisch wertvoll begründbar. Aufgabe ist es, die jeweiligen Orientierungen erfahrbar zu machen und ihren pädagogischen Wert zu erschließen. Es sei aber falsch, so Kurz, nun zwei Idealtypen des Sports gegenüberzustellen; keinesfalls solle man den Spitzen- bzw. Leistungssport als sinnarme Antithese des pädagogisch wertvollen Sports begreifen. Er setzt sich stattdessen für eine differenziertere Sicht ein und identifiziert eine Vielzahl unterschiedlicher Ausrichtungen besonders des informellen Sports, die alle unter unterschiedlichen Sinnorientierungen betrieben werden. Dazu zählt er u.a. den Freizeitsport, Breitensport, Volkssport und Erwachsenensport. Als Motivkomplexe, in denen der Sporttreibende selbst den Sinn seines Handelns erkennen kann, schlägt Kurz Sinnrichtungen vor. Diese stellen sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buches Elemente des Schulsports: Grundlagen einer pragmatischen Fachdidaktik im Jahr 1979 noch als der Versuch einer Zusammenfassung ähnlicher Ansätze mit teilweise unterschiedlicher Ausrichtung und Begrifflichkeit dar und werden von ihm erst in späteren Schriften explizit in den Kontext eines mehrperspektivischen Sportunterrichts gestellt (vgl. z.B. Kurz, 1995). Da diese Motivkomplexe jedoch bereits inhaltlich und numerisch mit den späteren Sinnrichtungen übereinstimmen, sollen sie hier noch einmal vorgestellt werden.
2.2 Die sechs Motivkomplexe
1. Motiv: Leistung, Präsentation, Selbstdarstellung, Selbstbewährung
Dieses erste ist für Kurz das zentrale Motiv im Sport (wohlgemerkt nicht im Schulsport). Leistung wird von ihm definiert als eine Handlung, die nach festen Kriterien als gut zu bewerten ist. Kriterien können sein Zeitminimierung, Treffermaximierung, Gestaltoptimierung, aber auch Distanzmaximierung, Lastmaximierung oder Positionserzwingung. Überaus deutlich läßt sich aus ihnen auf die international verbreiteten Sportarten schließen, von denen Kurz bei seinem didaktischen Ansatz stets augeht. Laut Kurz werden Einzelaktionen oft nach anderen Kriterien bewertet (z.B. der Sprung beim Basketball) und sind theoretisch auch andere Kriterien möglich (vgl. Guinness Buch der Rekorde); solche definieren aber nicht den speziellen Charakter einer Sportart, die durch ihre individuellen Rahmenbedingungen, die Wettkampfregeln, gekennzeichnet ist. Teilweise sind Alternativen möglich. Beispielsweise kann der Aufforderungscharakter der Umgebung beim Bergsteigen etwa die Aufgabe stellen oder bedingen. Auch der Erwerb eines Handlungsmusters zum Erwerb von Fertigkeiten ist denkbar. Allerdings läßt sich hier kein Maßstab anlegen, die Leistung ist somit nicht meßbar.
Sport ohne Leistungsorientierung, so Kurz, stellt somit die Ausnahme dar, denn Handlungen, die nicht als Leistung gemeint sind oder interpretiert werden können, sind kein Sport. Sport ist nach Kurz somit immer ‚Leistungssport‘, wenngleich seine Definition dieses Begriffes deutlich von dem abweicht, was allgemein unter Leistungssport verstanden wird.
2. Motiv: Ausdruck, Ästhetik, Gestaltung, Darstellung, Expression
Dieses Motiv unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den anderen Kriterien, da die Beurteilung des Gesamtverlaufs einer Bewegung nach bestimmten Gesichtspunkten erfolgt. Sportliche Handlungen können auf ihr äußerliches Erscheinungsbild hin ausgeführt werden, auch wenn Alternativen unter Umständen zweckmäßiger wären. Als Beispiel führt Kurz den Fallrückzieher im Fußball an, der, weil zweifellos spektakulär, stets mit einem Sonderapplaus bedacht wird, obwohl er selten zum (Tor-)Erfolg führt. Wird der Ausdruck mit einer Leistungsbeurteilung verknüpft, wie es beispielsweise im Eiskunstlauf der Fall ist, so führt dies oft zu Diskussionen.[1] Die Idee „Ausdruck als Leistung“ ist somit zwar geläufig, findet im nicht-institutionalisierten Sport aber keine Anwendung.
3. Motiv: Eindruck, Exploration, Sensation, „vertigo“
Dieses dritte Motiv wird oft als eine Art Antithese zum Leistungsmotiv verstanden, da hier davon ausgegangen wird, daß der Vollzug der Bewegung selbst Reize enthält, die Spaß machen, weshalb eine Bewertung durch andere nicht notwendig ist. Der Reiz „kann in den Empfindungen liegen, die ich an meinem Körper selbst mache“ (Kurz, 1979, S. 96). Diese Eindrücke sind eher gefühlsmäßig getönt als kognitiv – dann wären sie „Erfahrungen“ (ebd.). Das Motiv gewinnt an Bedeutung, je weiter sich Bewegungen von bekannten Alltagsbewegungen entfernen. Es bezieht sich primär auf den eigenen Körper und nicht auf Objekte. Als extremes Gegenbeispiel nennt Kurz den Schießsport.
[...]
[1] Inzwischen hat es dort bekanntlich Änderungen im Wertungssystem gegeben, um den Vorwurf der Subjektivität zu entkräften.