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Nähe und Distanz in der professionellen pädagogischen Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen

Ein Theorie-Praxis-Transfer im Rahmen eines universitären Praktikums an einer Hauptschule

©2010 Hausarbeit 17 Seiten

Zusammenfassung

Nähe und Distanz stellen eine elementare Problematik in der professionellen pädagogischen Arbeit dar. In der hier vorliegenden Arbeit soll die Thematik anhand einer qualitativen Fallanalyse im Rahmen eines Praktikums an einer Hauptschule veranschaulicht werden. Zu diesem Zweck wird der Fall zunächst in seinen Grundzügen skizziert um anschließend einen Theorie-Praxis-Transfer vor diesem Hintergrund zu durchzuführen.
Der theoretische Rahmen der Arbeit besteht zunächst aus einer allgemeinen Darstellung der Nähe-und-Distanz-Problematik, welche als Basis für die darauf folgenden Ausführungen dienen wird. Für den Theorie-Praxis-Transfer werden zwei verschiedene theoretische Ansätze zu der Thematik verwendet. Zum einen der theoretische Ansatz der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit und zum anderen die psychoanalytische Pädagogik. Diese beiden Ansätze bieten zwei sehr unterschiedliche, sich jedoch ergänzende, Betrachtungsweisen von Nähe und Distanz. Die psychoanalytische Pädagogik ist im Rahmen dieser Arbeit als hoch interpretativ zu betrachten.
In dem letzten Teil der Arbeit werden Handlungsalternativen schlussgefolgert, welche auf den theoretischen Erkenntnissen und dem Theorie-Praxis-Transfer basieren. Der Ausblick bezieht sich auf präventive Maßnahmen und bietet Ansätze für bereits praktizierende PädagogInnen.
Diese Arbeit soll exemplarisch für mögliche Probleme in der Beziehung zwischen PädagogInnen und KlientInnen sensibilisieren und auf oft als trivial deklarierte Aspekte und ihrer Bedeutung in der pädagogischen Arbeit hinweisen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Falldarstellung und Fokussierung
2.1 Schilderung des Falls
2.1.1 Schulischer Alltag
2.1.2 Hintergrundinformationen
2.1.3 Soziografische Darstellung
2.2 Fokussierung

3. Verknüpfung von Fall und wissenschaftlichen Theorien
3.1 Nähe und Distanz als Problematik der pädagogischen Profession
3.2 Nähe und Distanz in der lebensweltorientierten sozialen Arbeit
3.3 Nähe und Distanz in der psychoanalytischen Pädagogik
3.4 Interpretationen der Beziehungen von Jan Meier zu professionell handelnden Personen auf theoretischer Basis
3.4.1 Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
3.4.2 Psychoanalytische Pädagogik

4.Ausblick

5.Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nähe und Distanz stellen eine elementare Problematik in der professionellen pädagogischen Arbeit dar. In der hier vorliegenden Arbeit soll die Thematik anhand einer qualitativen Fallanalyse im Rahmen eines Praktikums an einer Hauptschule veranschaulicht werden. Zu diesem Zweck wird der Fall zunächst in seinen Grundzügen skizziert um anschließend einen Theorie-Praxis-Transfer vor diesem Hintergrund zu durchzuführen.

Der theoretische Rahmen der Arbeit besteht zunächst aus einer allgemeinen Darstellung der Nähe-und-Distanz-Problematik, welche als Basis für die darauf folgenden Ausführungen dienen wird. Für den Theorie-Praxis-Transfer werden zwei verschiedene theoretische Ansätze zu der Thematik verwendet. Zum einen der theoretische Ansatz der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit und zum anderen die psychoanalytische Pädagogik. Diese beiden Ansätze bieten zwei sehr unterschiedliche, sich jedoch ergänzende, Betrachtungsweisen von Nähe und Distanz. Die psychoanalytische Pädagogik ist im Rahmen dieser Arbeit als hoch interpretativ zu betrachten.

In dem letzten Teil der Arbeit werden Handlungsalternativen schlussgefolgert, welche auf den theoretischen Erkenntnissen und dem Theorie-Praxis-Transfer basieren. Der Ausblick bezieht sich auf präventive Maßnahmen und bietet Ansätze für bereits praktizierende PädagogInnen.

Diese Arbeit soll exemplarisch für mögliche Probleme in der Beziehung zwischen PädagogInnen und KlientInnen sensibilisieren und auf oft als trivial deklarierte Aspekte und ihrer Bedeutung in der pädagogischen Arbeit hinweisen.

2. Falldarstellung und Fokussierung

Während verschiedener Betreuungssituationen an einer Hauptschule erwies sich ein Schüler und die mit ihm verbundenen Problematiken als besonders auffällig. Aus Datenschutzgründen möchte ich diesen Jungen im weiteren Verlauf Jan Meier nennen. Zunächst möchte ich den Alltag mit Jan kurz darstellen und seine Lebenssituation skizzieren, um eine Grundlage für die folgende Interpretation zu schaffen. Daran anschließend werde ich seine Beziehungen im institutionellen Rahmen der Schule fokussieren und diese Problematik genauer erläutern. Auf diese Darstellung aufbauend möchte ich wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich professioneller Beziehungen hinzuziehen. Das Hauptaugenmerk soll an dieser Stelle der Nähe und Distanz zwischen Pädagogen und Klienten gelten. Anhand von einzelnen Beziehungen von Jan Meier möchte ich die Theorie mit der erlebten Praxis verknüpfen. Abschließend werde ich mögliche Handlungsalternativen für die pädagogische Arbeit schlussfolgern.

2.1 Schilderung des Falls „Jan Meier“

2.1.1 Schulischer Alltag

Während meines Praktikums betreute ich in erster Linie eine siebte Klasse, welche zu diesem Zeitpunkt auch von Jan Meier besucht wurde. Bereits in den ersten Tagen wurde ich durch seine Verhaltensauffälligkeiten auf den Jungen aufmerksam. An meinem ersten Praktikumstag teilte Jan seiner Lehrerin wie selbstverständlich mit, dass er die Schule am nächsten Tag aufgrund eines Gerichtstermins nicht besuchen könne. Im weiteren Verlauf stellte ich fest, dass der Junge mit seinen Freunden häufig in kriminelle Angelegenheiten verwickelt war.

Während der Unterrichtszeiten war Jan sehr unkonzentriert und wirkte unausgeschlafen. Teilweise legt er seinen Kopf auf den Tisch und war nicht mehr ansprechbar. Aufgaben hat er meist nur unter persönlicher Zuwendung erledigt. Seine kognitiven Fähigkeiten waren für die meisten Aufgaben ausreichend, kamen jedoch durch den Mangel an Konzentrationsfähigkeit selten zum Tragen. Jan war in der Regel schnell abgelenkt, führte Gespräche mit seinen MitschülerInnen oder schaute aus dem Fenster.

Jan ist jedoch auch häufig durch Wutanfälle aufgefallen. Massive Beleidigungen und leichte körperliche Übergriffe im Rahmen der Schulzeit waren fast täglich zu beobachten. Er reagierte sehr emotional in Konfliktsituationen und fühlte sich schnell angegriffen. In kleinere Konflikte steigerte er sich oftmals herein und benötigte einige Zeit um sich wieder zu beruhigen. Sein Freundeskreis innerhalb der Schule bestand aus ebenfalls verhaltensauffälligen Schülern. Mit einem seiner gleichaltrigen Freunde kam der 13-jährige Jan häufig auf einem Motorroller ohne Helm zur Schule oder wurde auf dem Schulgelände beim Rauchen erwischt. Mit seinen Freunden aus der Schule verbringt er auch einen großen Teil seiner Freizeit.

Jan war sehr mitteilungsbedürftig und erzählte MitschülerInnen und einigen Lehrkräften unaufgefordert von privaten Ereignissen. Auch mir, als Praktikantin, berichtete er sehr offen aus seinem Privatleben. So erfuhr ich, dass er an den Wochenenden regelmäßig mit seinen Freunden Alkohol konsumierte und Zigaretten rauchte. Im Jahr 2009 wurde er wegen einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert.

Durch meine Beobachtungen und meinem Interesse an diesem Fall eröffnete mit der Diplom-Sozialarbeiter der Hauptschule an einem Beratungsgespräch zwischen ihm und Frau Meier teilzunehmen. Diese wurde aufgrund von erneuten Störungen seitens ihres Sohnes im Unterricht in die Schule geladen.

Während dieses Gespräches wirkte Frau Meier sehr einsichtig und betonte die bereits erfolgte Verbesserung seines Verhaltens. Sie sicherte dem Sozialarbeiter zu, sich den schulischen Problemen ihres Sohnes intensiver zu widmen. Der Gesprächsverlauf wirkte auf mich Erfolg versprechend. Im Anschluss an die Beratung teilte mir der Sozialarbeiter jedoch mit, dass sich Frau Meier in der Vergangenheit als pseudo-kooperativ erwies.

Bezüglich meines Interesses an einer Fallanalyse erhielt ich Informationen zum familiären Hintergrund und der vergangenen Kooperation von Familie Meier mit der Hauptschule.

2.1.2 Hintergrundinformationen

Jan lebt zusammen mit seinen Eltern und drei seiner vier Geschwister in einer Wohnung in Essen. Ein Bruder ist ein paar Jahre jünger als er selbst, ein Bruder und zwei Schwestern sind älter. Seine beiden Schwestern, beide etwas älter als 18 Jahre haben bereits Kinder. Eine Schwester lebt mit ihrem Kind und ihrem aktuellen Partner in der Wohnung der Familie. Seine andere Schwester wohnt mit dem Kind gemeinsam mit dem Kindsvater in einer separaten Wohnung in Essen. Jans Vater ist als Friedhofsgärtner tätig und wurde von ihm und seinen Geschwistern, welche dieselbe Hauptschule besuchten, noch nie erwähnt. Der Vater stand noch nie in Kontakt zu der Schule. Nach Aussagen der Mutter ist in Bezug auf den Vater alles in Ordnung, er arbeite viel und habe wenig Zeit für die Familie. Jan und sein älterer Bruder haben über einen längeren Zeitraum engen Kontakt zu einem älteren Mann aus der Nachbarschaft der Familie Meier gehabt. Die beiden Jungen besuchten den Nachbarn regelmäßig, mit dem Wissen ihrer Mutter über diese Besuche. Nach Aussagen des Sozialarbeiters bestand im Hinblick auf diese Beziehung einer dringender Tatverdacht auf sexuellen Missbrauch des Mannes gegenüber den beiden Jungen.

Im Bezug auf seine Verhaltensweisen im schulischen und privaten Rahmen konnten einige meiner Beobachtungen durch die Informationen des Schulsozialarbeiters bestätigt werden. Er beschrieb Jan als sozialverhaltensauffällig. Er sei leicht reizbar, unkontrolliert, uneinsichtig und könne Konflikte nicht angemessen austragen. Die Akzeptanz durch seine Mitschüler sei ihm sehr wichtig und er verhalte sich ihnen gegenüber sehr loyal. Bei Gerichtsterminen log er teilweise, um Freunde zu schützen. Er berichte täglich laut in der Klasse über die neusten, teils kriminellen, Ereignisse in seiner Clique. Andererseits äußert er gegenüber Lehrkräften, dass er unter dem schlechten Einfluss seiner Freunde leide und er sich aufgrund dieses schlechten Umgangs auch schulisch nicht bessern könnte.

Hauptansprechpartner für die Schule war Jans Mutter. Sie erschien in der Regel zu Beratungsgesprächen, zu denen sie gebeten wurde. Sie entschuldigte ihren Sohn grundsätzlich für das Fehlen in der Schule, auch nachträglich. Auch ihrer Meinung nach sei ausschließlich der schlechte Umgang mit den Freunden schuld an Jans Problemen in der Schule. Ihrem Sohn gegenüber sei die Mutter nicht durchsetzungsfähig. Angeordneten Hausarrest habe er nicht eingehalten. Nach Aussagen der Mutter ist das Familienleben positiv, sie kümmere sich gut um ihre Kinder und Enkelkinder. Wenn Jan unter Schlafproblemen leidet, komme er nachts zu ihr ins Bett.

Frau Meier lehnte jede Hilfe seitens der Schule und des Jugendamtes ab. Einen angeordneten Termin beim Gesundheitsamt für eine Untersuchung auf psychische Störungen ihres Sohnes nahm sie zwar wahr, lehnte dort jedoch jegliche Untersuchungen ab und plädierte auf einen guten Rückhalt in der Familie und die Problematik des schlechten Umgangs in der Schule.

Nach Ende meines Praktikums ist Familie Meier umgezogen, um einen Schulwechsel für Jan zu ermöglichen und ihn von seinem schlechten Umgang zu trennen. Jan wurde jedoch nach dem Umzug regelmäßig mit seinen ehemaligen Mitschülern auf dem Schulgelände der Hauptschule gesehen.

2.1.3 Soziografische Darstellung

An dieser Stelle möchte ich Jans wichtigsten Beziehungen in soziografischer Form darstellen, um die bisherigen Beschreibungen in vereinfachter Form zu veranschaulichen.

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Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783640836154
ISBN (Paperback)
9783640836352
DOI
10.3239/9783640836154
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2011 (Februar)
Schlagworte
Nähe Distanz professionelle Arbeit Professionalität Jugendarbeit Nähe-Distanz-Balance Nähe-Distanz-Dynamik psychoanalystische Pädagogik Lebensweltorientierte Soziale Arbeit verhaltensauffällige Jugendliche
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Titel: Nähe und Distanz in der professionellen pädagogischen Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen