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Das mentale Lexikon

Ein Einblick in die Prozesse des lexikalen Gedächtnisses

©2009 Hausarbeit 25 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit widmet sich dem sprachlichen Informationsspeicher des Menschen - dem mentalen Lexikon. Die Grundlage aller sprachlichen Aktivitäten, das sprachliche Wissen, wird in Kapitel zwei unter dem Titel „Woher weiß man, was man spricht“ behandelt, womit eine Basis für die weiteren Erläuterungen zum lexikalen Gedächtnis gelegt wird. Kapitel drei stellt den Versuch dar einen Einblick in die Beschaffenheit, Organisation und Funktion des mentalen Lexikons zu gewähren. Auf Grund der aktuell zahlreichen Theorien zum mentalen Lexikon und infolge des Platzmangels werden in dieser Arbeit ausgesuchte Theorien vorgestellt. Infolgedessen stützen sich die Ausführungen zur Beschaffenheit des mentalen Lexikons, zu den Bedeutungsrepräsentationen und ihrer Struktur auf konnektionistische Theorien. Desweiteren werden Modelle des Zugriffs auf das mentale Lexikon dargelegt, die einen großen Bekanntheitsgrad in der Psycholinguistik besitzen. Die Arbeit soll ein Überblick über und damit ein Verständnis für die kognitiven Prozesse im lexikalen Gedächtnis schaffen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Woher weiß man, was man spricht?

3 Das mentale Lexikon
3.1 Repräsentation von Bedeutungen im mentalen Lexikon
3.1.1 Ein Wort als kognitive lexikalische Einheit
3.1.1.1 Struktur der lexikalischen Einheit im mentalen Lexikon
3.1.2 Das mentale Lexikon als Bedeutungsnetzwerk
3.3 Der Zugriff auf das mentale Lexikon
3.3.1 Modelle der Wahrnehmung von Wörtern
3.3.2 Modelle des Worterkennens

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Sprechen und Verstehen von Sprache scheint auf den ersten Blick einfach zu sein. Den meisten von uns gelingt es mühelos, schnell und effizient. Ein interessanter Beitrag auf der Seite wissenslog.de macht diese Mühelosigkeit deutlich. Ein gewisser Joe Dramiga veröffentlichte im Mai dieses Jahres folgenden Text und bat die Leser diesen trotz zeitweiliger Verwirrung zu lesen:

„Afugrnud enier Sduite an enier Elingshcen Unvirestiät ist es eagl, in wlehcer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen, das enizg wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid. Der Rset knan ttolaer Bölsdinn sien, und du knasnt es torztedm onhe Porbelme lseen. Das ghet dseahlb, wiel wir nchit Bcuhtsbae für Bcuhtsbae enizlen lseen, snodren Wröetr als Gnaezs. „ (http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/die- sankore-schriften/psychologie/2010-05-16/teste-dein-mentales-lexikon)

Der Text ruft ohne Frage Verwirrung und Erstaunen hervor und benennt gleichzeitig die Erklärung für das aufgetretene Phänomen. Wenn wir lesen, dann lesen wir nicht einzelne Buchstaben, sondern ganze Wörter - Wörter, die in unserem sprachlichen Wissensvorrat gespeichert sind. Sprachliches Wissen ermöglicht es uns theoretisch jeden beliebigen Gedanken zu äußern, gleichzeitig erlaubt es uns sprachlich ausgedrücktes Gedankengut der uns umgebenden Menschen zu verstehen. Sprachwissen hält den Menschen die Mittel für die Verständigung über physische sowie unfassbare Dinge bereit. In unserem Langzeitgedächtnis gespeichert wird unser sprachliches Wissen in einem sogenannten mentalen Lexikon verwaltet.

Die vorliegende Arbeit widmet sich dem sprachlichen Informationsspeicher des Menschen - dem mentalen Lexikon. Die Grundlage aller sprachlichen Aktivitäten, das sprachliche Wissen, wird in Kapitel zwei unter dem Titel „Woher weiß man, was man spricht“ behandelt, womit eine Basis für die weiteren Erläuterungen zum lexikalen Gedächtnis gelegt wird. Kapitel drei stellt den Versuch dar einen Einblick in die Beschaffenheit, Organisation und Funktion des mentalen Lexikons zu gewähren. Auf Grund der aktuell zahlreichen Theorien zum mentalen Lexikon und infolge des Platzmangels werden in dieser Arbeit ausgesuchte Theorien vorgestellt. Infolgedessen stützen sich die Ausführungen zur Beschaffenheit des mentalen Lexikons, zu den Bedeutungsrepräsentationen und ihrer Struktur auf konnektionistische Theorien. Desweiteren werden Modelle des Zugriffs auf das mentale Lexikon dargelegt, die einen großen Bekanntheitsgrad in der Psycholinguistik besitzen. Die Arbeit soll ein Überblick über und damit ein Verständnis für die kognitiven Prozesse im lexikalen Gedächtnis schaffen.

2 Woher weiß man, was man spricht?

Sprecher nehmen völlig selbstverständlich Bezug auf gemeinsames Weltwissen, genauer gesagt, sie setzten dieses voraus. Eine erfolgreiche Kommunikationssituation bedingt, dass sowohl der Sprecher als auch der Zuhörer das ihm zur Verfügung stehende Wissen problemlos nutzt. Sprechen und Verstehen sind zwei höhere geistige Tätigkeiten bzw. kognitive Prozesse, die für ihren Vollzug kognitive Strukturen benötigen. In diesem Fall ist von zwei bestimmten Strukturen die Rede: dem deklarativen und prozeduralen Wissen.[1] Deklaratives Wissen beschreibt das Faktenwissen, Wissen, dass sich etwas auf eine bestimmte Art und Weise verhält. Es wird aktiviert durch den Einsatz von allgemeinen interpretativen Prozeduren. Prozedurales Wissen hingegen ist in den Vollzug eines Prozesses eingebettet und benötigt somit keine vermittelnden Prozesse. Während deklaratives Wissen verbal übermittelt wird, entwickelt sich das prozedurale Wissen durch die Umsetzung von Prozessen. Man benötigt die Kenntnis und das Kombinationswissen einer Sprache, muss also über ein komplexes System von linguistischen Regeln und über Wissen von der Welt bzw. Weltwissen verfügen (vgl. WETTLER 1980: 2). Kurz gesagt, basiert die Kommunikation auf einem Wie- und Was-Wissen, welches voneinander abhängt.

Prozedurales Wissen (Wie-Wissen) stellt den obligatorischen Wissensbestand einer Sprachproduktion dar: alle universalen und einzelsprachlichen Prinzipien, die die elementare Einschränkung für die Zusammensetzung von sprachlichen Einheiten festlegen. Darunter fällt beispielsweise das Wissen über die Einnahme oder den Wechsel der Sprecherrolle, welche Verhaltensdeterminanten sind, die auf soziale Konventionen zurückzuführen sind. Das problematische des prozeduralen Wissens liegt in den unausgesprochenen Regeln, die anders als bei Regeln der Zeichensetzung und Großschreibung nicht explizit ausformuliert sind, sondern im Laufe der Sozialisation unbewusst verinnerlicht werden. Eine präzise Identifizierung eines solchen unausgesprochenen Regelwerkes erweist sich daher als äußerst schwierig und lässt einen schematisierten Wissensprozess vermuten. (vgl. FOPPA 1994: 96)

Ein störungsfreies Gespräch, das das Verstehen gleichermaßen einbezieht, wie das Sprechen, basiert auf der Inklusion von individuellen und kollektiven deklarativen Wissensbeständen sowie Kombinationswissen einer Sprache. HERMANN/HOPPE-GRAFF halten diesbezüglich folgende Erkenntnis fest:

„Wenn jemand in einer Kommunikationssituation Äußerungen produziert, so geschieht das auf der Grundlage von gespeicherten (deklarativen) Wissensbeständen, die sich auf die Welt , die Wirklichkeit beziehen - so wie der Sprachproduzent die Wirklichkeit versteht … Derart berichtet man über dasjenige, was man erlebt oder erfahren hat; man erzählt so, wie man über die Welt - selbst über eine fiktive Welt - zu denken gelernt hat; man beantwortet Fragen auf der Basis seines Wissens; man fragt sogar so, wie man die Dinge versteht … Neben diese Art, beim Sprechen und Schreiben Weltwissen zu verwenden, tritt eine andere Art der Wissensnutzung: Wissen über das Funktionieren des menschlichen Zusammenlebens, über die Bewältigung von kommunikativen Aufgaben und Problemen, über soziale Konventionen, über Eigentümlichkeiten von (Klassen von) Partnern und dergleichen bestimmen bereits mit, (a) ob man überhaupt in einer Kommunikationssituation Äußerungen produziert und (b) auf welche Aspekte oder Komponenten des genannten Weltwissens man sich dabei bezieht.“ (HERMANN/HOPPE-GRAFF 1989, zitiert in FOPPA 1994: 94)

Weltwissen kann man demnach als unbegrenzte Informationsbestände verstehen, die perpetuierlich aufgenommen, gespeichert und somit zur weiteren Inanspruchnahme verfügbar gemacht werden. Das deklarative Wissen (Was-Wissen) stellt das Wissen von der Welt und das Wissen über das Funktionieren der Welt dar und somit auch das Kombinationswissen Dietrich bezeichnet dieses Kombinationswissen auch als mentale Grammatik:

„Die mentale Grammatik umfasst nach allgemeiner Annahme Prinzipien für (a) die Kombination von Konzepten zu komplexeren semantischen Gebilden, Bedeutungsstrukturen genannt, (b) von syntaktischen Einheiten zu komplexen syntaktischen Gebilden wie Phrasen und Sätzen, (c) von einfachen lexikalischen Einheiten zu komplexeren, also Wortformen und neuen Wörtern, und (d) von lautlichen Einheiten zu komplexeren wie phonologischen Phrasen und der intonatorischen Einheit der Äußerung.“( DIETRICH 2007: 28)

Desweiteren wird das Was-Wissen, das in einer Kommunikationssituation zum Einsatz kommt in das individual stock of knowledge und das social stock of knowledge unterteilt. Ersteres wird beschrieben als ein Spezialwissen einer Person, welches von wenigen anderen geteilt wird und auf Grund dieser Asymmetrie Gesprächsvoraussetzungen schaffen und Anlass und Motor des Dialogs sind. Ein Gespräch findet jedoch nicht nur auf asymmetrischer Basis statt, sondern setzt auch ein gewisses gemeinsames Wissen voraus. In diesem Fall spricht man von dem social stock of knowledge, welches ein gesellschaftlich vergegenständlichtes und aufgestelltes Reservoir an Bedeutungen ist, welches als ein individuelles System zur Orientierung und individuellen Handlung fungieren kann. (vgl. FOPPA 1994: 100) In anderen Worten ist es ein gemeinsames Welt- und Wirklichkeitswissen, das sich in der Sprache wiederspiegelt, welches es ermöglicht sich zu verständigen. Im Großen und Ganzen ist somit lediglich das gemeinsame Welt- und Wirklichkeitswissen eine Kommunikationsvoraussetzung und nicht etwa das individuelle Spezialwissen.

Selbstverständlich wird während eines Gesprächs nicht all das deklarative und prozedurale Sprachwissen der Gesprächsteilnehmer benötigt, denn es werden stets aus dem verfügbaren eigenen Wissensbestand die Informationen entnommen, die in einer vorherrschenden Situation als wesentlich und sinnvoll erscheinen. Dergestalt fokussiert der Sprecher bestimmte Bewusstseinsinhalte, die sich auf einen gewünschten Sachverhalt konzentrieren und lenkt somit das Thema der Konversation. Eine solche Aufmerksamkeitssteuerung hat zur Folge, dass der individuelle Wissens -und Erfahrungsschatz nicht in jeder Kommunikationssequenz vollständig ausgeschöpft wird. Aufgrund dessen muss man davon ausgehen, dass die von einer Person gemachten Ausführungen wenigstens den minimalen Wissensinhalt repräsentieren. Denn ein sprachliches Produkt bzw. die „Performanz“ lässt keine Rückschlüsse auf die Kompetenz zu. Das Gesagte ist also nicht in allen Fällen identisch mit dem Gewußten. (vgl. FOPPA 1994: 97)

Die Kenntnis von sprachlichem Wissen bildet eine Voraussetzung für die Erklärung des sprachlichen Verhaltens, welches uns als eine unbewusste syntaktische Struktur dazu befähigt korrekte Sätze zu sprechen und zu schreiben. Die auf das Subjekt eintreffenden Reize bzw. Informationen werden nicht passiv in Wissen verarbeitet, vielmehr spielen die bereits bestehenden Wissensinhalte eine aktive Rolle bei der Auswahl der Reize, welche vom kognitiven System verarbeitet werden, und bei deren Integration in größere Sinnzusammenhänge. Wie müssen diese Strukturen und Prozesse organisiert sein und beschrieben werden, um einen möglichst breiten Leistungsabschnitt erklären zu können?

3 Das mentale Lexikon

Unter einem Lexikon versteht man ein gedrucktes Verzeichnis von Wörtern. In der Linguistik ist das mentale Lexikon ein Modell des sprachlichen Wortschatzes und in der Psycholinguistik bezeichnet man damit einen sprachlichen Wissensbestand im Langzeitgedächtnis, in dem die Wörter einer Sprache mental repräsentiert sind. Es verbindet die spezifischen Sinneseindrücke bzw. die motorischen Prozesse mit den mental repräsentierten Wissensstrukturen. Es ist bekannt, dass bei der Sprachverarbeitung neben der lexikalischen Bedeutung auch notwendiges Weltwissen aktiviert wird. In diesem Sinne kann man das mentale Lexikon auch als eine Schnittstelle zwischen dem sprachlichen und konzeptuellen System verstehen (vgl. RAUPACH 1997: 25) Sprechen ist ein Nach-Außen- Bringen, ein Externalisieren von gedanklichen Tatbeständen oder Zusammenhängen mit Hilfe von sprachlichen Werkzeugen. In anderen Worten ist Sprechen ein In-Worte-Fassen von gedanklichen Tatbeständen. Man geht davon aus, dass ein Sprecher einen außersprachlichen Sachverhalt nicht unmittelbar, sondern in einer gedanklichen Form einem anderen übermitteln kann. Eine verbale Äußerung basiert auf einer zweistufigen Konzeptualisierung. Während der ersten Stufe werden bestimmte Merkmale, die eine außersprachliche Realität beschreiben, zu einem Begriff zusammengefasst. Diese Konzepte sind einem Sprecher einer Sprache vorgegeben, sie werden mit der Muttersprache erlernt und im mentalen Lexikon gespeichert, sodass sie automatisch aktiviert werden, wenn wir sprechen oder lesen.[2] Der zweite Schritt besteht aus der Äußerung, zwecks dieser der Sprecher einzelne Konzepte zu einer Aussage zusammenfügt. (vgl. MÖHLE 1997: 40)

3.1 Repräsentation von Bedeutungen im mentalen Lexikon

Sprache ist allgegenwertig und erlaubt es uns Erfahrungen, Gedanken, Wünsche etc. zu teilen, aus diesem Grund müssen Wortbedeutungen sich an unseren mentalen Repräsentationen von Objekten, Aktivitäten, Eigenschaften etc. in der Welt orientieren. Kinder lernen eine Sprache mit einem bereits bestehenden Weltwissen, was wiederum bedeutet, dass Wortbedeutungen ihren Ursprung im konzeptuellen Wissen haben. ZIMMER (2006) betrachtet die „menschliche Kognition als Vorgänge in einer gedanklichen Innenwelt (mind), der eine Außenwelt gegenübersteht.“ (vgl. S. 326) Wir nehmen die Außenwelt wahr und legen mental kognitive Repräsentationen an. Da mentale Prozesse eng mit neuronalen Prozessen verbunden sind, spricht man von mentalen Repräsentationen, wenn man in irgendeiner Form über die repräsentierte Gegebenheit und deren Relation Auskunft geben kann. Eine Auskunft findet meist in sprachlicher Form statt, was darauf hinweist, dass mentale Repräsentationen eng mit dem so genannten deklarativen Wissen verbunden sind. (vgl. ZIMMER 2006: 328) Es wird angenommen, dass das konzeptuelle System für die Kategorisierung der Welt verantwortlich ist, semantische Repräsentationen im mentalen Lexikon jedoch als getrennt davon angesehen werden sollten. Wortbedeutungen und Konzepte sind offensichtlich eng miteinander verbunden, sodass wenn wir semantische Repräsentationen abrufen wir gleichzeitig konzeptuelle Informationen aktivieren. (vgl. VIGLIOCCO/ VINSON 2007: 195) Doch wie soll man sich das Erscheinungsbild einer semantischen Repräsentation von Wörtern im Gedächtnis von Menschen vorstellen? Zur Beantwortung dieser Frage muss berücksichtigt werden, dass sich diese Arbeit auf die Bedeutung von einzelnen Wörtern und nicht auf die Repräsentation und Verarbeitung von größeren Einheiten, wie Sätze oder längere Texte bezieht.

Bereits 1960 und 1970 ergaben Beobachtungen psycholinguistischer Untersuchungen, dass unterschiedliche Theorien zur mentalen Repräsentation von Wortbedeutungen existieren. Auf der einen Seite existierten die Theorien, die annahmen, dass Wortbedeutungen zerlegbar in Unterschiedliche Merkmale seien, und dass semantische Gleichheit unter anderem durch die Überlappungen von Eigenschaften entstehen. Auf der anderen Seite sprach man von Wortbedeutungen als ganzheitliche Einheiten und war interessiert an der Art der Beziehungen, die unter den einzelnen Bedeutungen herrschten. (vgl. VIGLIOCCO/ VINSON 2007:198) Im Falle der ersten Theorie könnte der Inhalt eines Wortes mental als strukturiertes Ensemble von Bedeutungsmerkmalen vertreten sein, sodass die Bedeutung als eine, durch hierarchisch angeordnete semantische Komponenten definierte, Struktur gespeichert ist. In der Psycholinguistik wird diese Theorie, die einen erkennbaren Bezug zur Komponentensemantik zeigt als Dekompositionsannahme bezeichnet. (vgl. DIETRICH 2002: 36) Im Gegensatz dazu herrscht die Annahme, in der der Inhalt eines Wortes nicht komponentiell wiedergegeben ist, sondern den Wortinhalt vielmehr als elementar betrachtet und „die Verschiedenheit des Inhaltes eines Wortes von dem eines anderen sei lediglich ein Unterschied in dem Muster von Relationen des einen Wortes zu seinen Nachbarn gegenüber dem Verknüpfungsmuster des anderen Wortes.“ (DIETRICH 2002: 36)

Da Experimente bezüglich der Realität der zwei Hypothesen keine eindeutigen Gegenbeweise erbracht haben, zählt die nicht-dekompositionelle, holistische Vorstellung der Bedeutungsrepräsentation als die bisher herrschende Theorie. (vgl. DIETRICH 2002: 37)

In der holistischen bzw. ganzheitlichen Repräsentationsannahme wird die Wortbedeutung mit dem Ausdruck des lexikalen Konzeptes gleichgesetzt. Diese Sichtweise geht von einer mentalen Repräsentation für jede einzelne Begebenheit in der Welt, das in einer Sprache lexikalsiert werden kann, aus, das auf eine einzigartige und abstrakte Art in dem konzeptuellen System eines Sprechers dargestellt ist. Repräsentationen können in einigen Fällen angeboren sein oder durch Assoziationen unter verschiedenen Eigenschaften erlernt werden. Die Tatsache, dass bestimmte Konzepte durch Assoziationen erlernt werden können, widerlegt die nichtzerlegbare Natur der erwachsenen Repräsentationen nicht: es wird davon ausgegangen, dass konzeptuelle Prozesse von erwachsenen Sprechern keine Abfrage von Merkmalsbestandteilen beinhalten, sondern dass sich die angesammelten Merkmale während des Sprachenerwerbs zu einem einzigen, nicht zerlegbaren lexikalen Konzept entwickeln. (vgl. ROELOFS 1997: )

Die ersten holistischen Theorien wurden im Rahmen der semantischen Netzwerke ausgearbeitet, in denen verschiedene Worte als Knoten repräsentiert wurden und semantische Beziehungen durch Verbindungen zwischen den Knoten dargestellt wurden. Aus dieser Sicht wird die Bedeutung eines Wortes durch die Verbindungen, das es zu anderen Wörtern hat, definiert. Eine Mehrzahl von alternativen Netzwerkmodellen wurde entwickelt, die sich alle an diesem Grundprinzip des Netzwerks orientieren.

[...]


[1] Diese Unterscheidung geht auf J.R.Andersons Language, Memory and Thought zurück und wird seither mit Diskussionen über Lernersprache und Spracherwerbsproblemen in Verbindung gebracht.

[2] Zu vergleichen ist Begriff, der einer Konzeptualisierung entsprungen ist mit dem Saussureschen „concept“, also der Inhaltsseite des Wortes.

Details

Seiten
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783640837281
ISBN (Paperback)
9783640837649
DOI
10.3239/9783640837281
Dateigröße
729 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena – Philosophisches Institut
Erscheinungsdatum
2011 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
lexikon einblick prozesse gedächtnisses
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Titel: Das mentale Lexikon