Deutschland, Brasilien und China in der internationalen Klimapolitik
Eine empirische Betrachtung
Zusammenfassung
Bereits seit einiger Zeit hat man dafür theoretische Modelle entwickelt, um das Verhalten der Akteure in den internationalen Beziehungen zu erklären und es auch voraussagen zu können. Dabei unterscheiden sich die theoretischen Modelle in Abhängigkeit vom betreffenden Sektor. So gibt es spezielle theoretische Ansätze für den Bereich der Sicherheit und wiederum andere Theorien für den Bereich der Umwelt- und Klimapolitik.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Entwicklung von drei Staaten zu betrachten, die eine wesentliche Rolle in den Verhandlungen internationaler Klimaabkommen spielen. Anhand dieser drei Akteure soll überprüft werden, ob sich durch deren Verhalten die Theorien der internationalen Beziehungen bestätigen lassen oder widerlegt werden. Bei den betreffenden Staaten handelt es sich um Deutschland, China und Brasilien.
Leseprobe
Inhalt
I. Einleitung
1. Fragestellung und Eingrenzung des Forschungsgegenstandes
2. Forschungsstand
3. Methodik
4. Theoretischer Hintergrund
4.1 Neoinstitutionalismus
4.2 Sozialkonstruktivismus
II. Empirische Betrachtung
1. Veränderung des Weltklimas und dessen Folgen
2. Entwicklung der Klimapolitik seit 1992
3. Das Agieren der klimapolitischen Akteure
3.1 Deutschland
3.1.1 Entwicklung Deutschlands seit 1992
3.1.2 Entwicklung der Klimapolitischen Position
3.1.3 Überprüfung der theoretischen Ansätze am Beispiel Deutschland
3.2 Brasilien
3.2.1 Entwicklung Brasiliens seit 1992
3.2.2 Entwicklung der Klimapolitischen Position
3.2.3 Überprüfung der theoretischen Ansätze am Beispiel Brasilien
3.3 China
3.3.1 Entwicklung Chinas seit 1992
3.3.2 Entwicklung der Klimapolitischen Position
3.3.3 Überprüfung der theoretischen Ansätze am Beispiel China
III. Fazit
1. Ergebnis der Betrachtung
2. Ausblick auf die weitere Entwicklung der internationalen Klimapolitik
IV. Anhang
V. Quellenverzeichnis
I. Einleitung
„Der Klimawandel ist die globale Herausforderung für die Staatengemeinschaft. National wie international müssen wir heute Entscheidungen treffen, damit künftige Generationen nicht nur ausreichend mit Energie und Ressourcen versorgt werden, sondern ihnen ihrerseits die Spielräume zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gestaltung erhalten bleiben.“ (Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen)[1]
Wir leben in einer Welt, die mehr und mehr zusammen wächst. Regionale Entscheidungen von heute können morgen schon Auswirkungen in einem anderen Land oder gar auf einem anderen Kontinent haben. Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion war der Weg nicht nur für weltweites Reisen frei, sondern auch für weltumspannende Handelsbeziehungen und politische Partnerschaften. Das gesamte System Erde baut auf diesen Interdependenzen auf. Betrachtet man diese genauer, befindet man sich im politikwissenschaftlichen Feld der Internationalen Beziehungen.
Doch es sind nicht nur positive Effekte, welche dieses Zusammenwachsen der Welt mit sich bringt. Mit den neuen Handelsmöglichkeiten erlebten viele Staaten einen, ihnen vorher unbekannten, Aufschwung, welchen sie seit dem versuchen, auszureizen. Ein negativer Effekt dessen ist die zunehmende Belastung des Ökosystems Erde, besonders durch die Erhöhung des CO²-Gehaltes in der Luft, welcher einen Klimawandel, den sogenannten Treibhauseffekt, verursacht. Eine steigende Temperatur der Erdoberfläche bringt globale Folgen mit sich, die nur schwer einzuschätzen sind, da die Menschheit noch keine Erfahrungswerte mit dieser Situation sammeln musste. Eine Herausforderung dieser Entwicklung ist der Fakt, dass sich der Klimawandel nicht nur auf das Gebiet der verursachenden Staaten, als welche die Industrieländer zählen, beschränkt. Vom Klimawandel ist jede Nation, jede Regierung, jede Bevölkerung und jedes Lebewesen betroffen. Es ist somit das globalste Problem überhaupt. Das ist der Grund, warum es der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf die Agenda der internationalen Politik geschafft hat und thematisiert wird. Es wurde weltweit der Ruf laut nach einer klimafreundlicheren internationalen Gemeinschaft. Doch diese Forderung stellt die Staaten dieser Gemeinschaft seit jeher vor eine große Herausforderung. Von zentraler Bedeutung sind die Fragen nach Verursachern, Betroffenen und geeigneten Maßnahmen und vor allem nach der Finanzierung der Selbigen.
Der Klimawandel stellt ein nie da gewesenes Problem und eine bisher nicht gekannte Herausforderung dar. Das gewünschte Ziel ist allgemein bekannt in der Form, wie es auch der Bundesumweltminister der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Norbert Röttgen, ausgedrückt hat. Die Frage, die sich die Staatengemeinschaft stellen muss, ist jedoch, wie sie dieses Ziel erreichen kann.
1. Fragestellung und Eingrenzung des Forschungsgegenstandes
Wie bereits erwähnt, stellt sich die Frage, wie eine Begrenzung des CO²-Gehaltes und somit der Erderwärmung gewährleistet werden kann. Dafür sind verschiedene Abkommen und Handlungen nötig. Da jedes Land andere Gegebenheiten aufweist-- ob hinsichtlich der politischen und gesellschaftlichen Ordnung, hinsichtlich der wirtschaftlichen Stärke oder der Ausstattung mit Finanzmitteln-- sind auch nicht alle Länder im gleichen Umfang in der Lage, dieser Herausforderung zu begegnen. Dementsprechend sind auch die Forderungen der Staaten unterschiedlich. Es ist ein Fakt, dass die ausgemachten Verursacher der Erderwärmung nicht die vorrangig Betroffenen sind. Hauptsächlich und am schwersten betroffen sind vor allem die Regionen, denen es nicht möglich ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, weil es zu kostenaufwendig ist oder die Nationen auch in der jetzigen Situation mit ungünstigen klimatischen Bedingungen leben müssen wie Wassermangel, hohen Temperaturen und verstärkten Umweltkatastrophen. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Warum gehen einige Nationen immer voran und versuchen, eine klimafreundlichere Politik zu betreiben und Kooperationen einzugehen, während andere Nationen sich immer wieder gegen jegliche Art der Kooperation im Bereich der Klimapolitik sperren?
Bereits seit einiger Zeit hat man dafür theoretische Modelle entwickelt, um das Verhalten der Akteure in den internationalen Beziehungen zu erklären und es auch voraussagen zu können. Dabei unterscheiden sich die theoretischen Modelle in Abhängigkeit vom betreffenden Sektor. So gibt es spezielle theoretische Ansätze für den Bereich der Sicherheit und wiederum andere Theorien für den Bereich der Umwelt- und Klimapolitik.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Entwicklung von drei Staaten zu betrachten, die eine wesentliche Rolle in den Verhandlungen internationaler Klimaabkommen spielen. Anhand dieser drei Akteure soll überprüft werden, ob sich durch deren Verhalten die Theorien der internationalen Beziehungen bestätigen lassen oder widerlegt werden. Bei den betreffenden Staaten handelt es sich um Deutschland, China und Brasilien. Deutschland gilt als eine der weltgrößten Volkswirtschaften und als Industrieland zu den Verursachern des Klimawandels. Als eines der führenden EU-Mitgliedsländer trägt die Bundesregierung auch maßgeblich zu den Entscheidungen der Europäischen Union bei. Trotz des wirtschaftlichen Wachstums, welches die Regierung durch eine klimafreundliche Politik nicht beeinträchtigen will, geht die BRD bei den Klimaverhandlungen als positives Beispiel voran und legt immer wieder ambitionierte Ziele vor, die weltweit als vorbildlich angesehen wird.
Im Vergleich dazu zählt die Volksrepublik China noch immer nicht zu den Industrieländern, obwohl die Chinesen in absehbarer Zeit die USA an der Spitze der Weltwirtschaft ablösen werden und bereits jetzt der weltweit größte CO²-Eminent sind. Für die chinesische Regierung hat das wirtschaftliche Wachstum absolute Priorität. Trotz dessen hat inzwischen auch China Verhandlungsbereitschaft bezüglich des Weltklimaproblems signalisiert, wobei es natürlich interessant ist, zu betrachten, wie es zu diesem vermeintlichen Umdenken kommt. Als dritte Nation wird das wirtschaftliche Aushängeschild Südamerikas betrachtet, Brasilien. Aufgrund der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde Brasilien lange Zeit im Kreis der Wirtschaftsmächte nicht ernst genommen. Durch die Klimapolitik auf der Agenda der internationalen Politik spielt Brasilien inzwischen aber eine wichtige Rolle. Obwohl Brasilien nicht zu den Industrieländern zählt, zeigt sich das Land im Bereich der Klimapolitik kooperationsbereit und erlebt einen wirtschaftlichen Aufschwung. Dazu kommt, dass Brasilien mit dem Amazonasgebiet die weltgrößte Klimasenke inne hat. Auch hier ist es wichtig, zu betrachten was die brasilianische Regierung antreibt, eine klimafreundliche Politik anzustreben.
Im Rahmen dieser Arbeit soll nicht vorhergesagt werden, wie die Handlungen der internationalen Akteure in der Zukunft aussehen werden. Es wird hierbei der Versuch gemacht, die bestehenden normativen Aussagen zum Feld der internationalen Beziehungen zu hinterfragen, sie gegebenenfalls anhand des Verhaltens der gewählten Staaten zu bestätigen oder sie zu widerlegen.
2. Forschungsstand
Die internationale Klimapolitik ist Gegenstand vieler Forschungen. Das Weltklima verändert sich täglich und nahezu genauso häufig verändert sich auch die Lage der internationalen Klimapolitik. In gebündelter Form erhält man aktuelle Forschungsstände regelmäßig über das International Panel on Climate Change, einen wissenschaftlichen Bereich der Vereinten Nationen, welcher die regionalen Forschungen bündelt und in regelmäßigen Abständen präsentiert. Diese Forschungen beschäftigen sich vorrangig damit, wie sich das Klima bisher entwickelt hat und versuchen vorherzusagen, wie die Entwicklung in Zukunft voranschreiten wird, um Handlungsempfehlungen für die Staatengemeinschaft zu erstellen. Auch im Bereich der Theorien internationaler Beziehungen findet man vielfältige Literatur, in der versucht wird, das Handeln staatlicher Akteure auf ein theoretisches Fundament zu stellen, um das Handeln bestimmter politischer Akteure voraussagen zu können. Für diese Arbeit wird die Aufsatzsammlung „Theorien der Internationalen Beziehungen“, herausgegeben von Siegfried Schieder und Manuela Spindler in Kombination mit dem Buch „Theorien der internationalen Beziehungen kompakt“ von Günther Auth, die theoretische Basis für die Betrachtung liefern. Beide Bücher liefern einen guten Überblick über die theoretischen Ansätze bezüglich der internationalen Beziehungen. Es lässt sich im Bereich der Theorien feststellen, dass dieses Feld weitgehend erschlossen ist, auch wenn diese Theorien stetig weiterentwickelt und erneuert werden.
Sucht man jedoch nach Literatur, in der das Agieren staatlicher Akteure auf der Ebene der internationalen Klimapolitik beschrieben wird, so wird die Auswahl wesentlich kleiner. Die Politik befindet sich im stetigen Wandel um sich externen Einflüssen und neuen Gegebenheiten anzupassen. Es findet sich überwiegend Literatur zum Kyoto-Protokoll und den Einstellungen der Akteure zur Klimapolitik um die Jahrtausendwende. Jedoch hat die Weltfinanzkrise das Verhalten der betroffenen Akteure grundlegend verändert. Akteure, welche noch vor drei Jahren immense finanzielle Mittel in den Klimaschutz gesteckt und ambitionierte Vorhaben vorgelegt haben, setzten nun ihre Prioritäten neu. Die Stabilisierung der Staatshaushalte und der Wirtschaft haben den Vorrang vor Klima- und Umweltschutz. Dadurch verlieren viele Vorhersagen bezüglich des Verhaltens der Akteure weitgehend an Bedeutung, da diese Krise nur von wenigen vorhergesehen wurde. Da die Finanzkrise noch sehr zeitnah zurückliegt, ist es schwer, Literatur in diese Arbeit mit einzubeziehen, welche die veränderten Einstellungen mitberücksichtigt. Im Hinblick auf das Agieren der BRD stellen die Archive der Bundesregierung mit ihren Publikationen und Entscheidungen eine ergiebige Wissensquelle dar, welche auch im Rahmen dieser Arbeit genutzt wird.
Auch in Bezug auf das Verhalten Chinas lässt sich viel durch die Anfragen an die Bundesregierung erkennen. Da der wirtschaftliche Aufschwung in der Volksrepublik bereits früh erkannt wurde, rückte China auch schnell in das Blickfeld der Wissenschaft. Im Rahmen dieser Arbeit wird grundlegend der „Länderbericht China“, herausgegeben durch M. Fischer und D. Lackner genutzt, da dieser im Wesentlichen die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in China darlegt. Da dieses Buch aus dem Jahr 2007 stammt und die Situation seit der Finanzkrise demzufolge nicht berücksichtigt, liefern die Weltbank und der Internationale Währungsfond (IMF) die aktuellen Daten. Es wird im Rahmen dieser Arbeit darauf verzichtet, mit Daten der nationalen statistischen Institute zu arbeiten, da diese in einigen Fällen nicht so verlässlich sind, wie die Daten einer weitestgehend unabhängigen Institution.
Problematisch wird die Recherche, wenn es um die Position Brasiliens geht. Brasilien fand lange Zeit keinen Anschluss an die Spitzenreiter in der Weltwirtschaft und rückte erst durch die Klimapolitik auf die Ebene der wichtigen Akteure. Demzufolge findet sich auch nur wenig Literatur, welche sich mit dem klimapolitischen Verhalten Brasiliens beschäftigt. Aus diesem Grund wird hier der Bericht eines Journalisten genutzt, welcher seit über zehn Jahren als Auslandskorrespondent für mehrere renommierte Wirtschaftsmagazine tätig ist. In seinem Buch „Wirtschaftsmacht Brasilien. Der grüne Riese erwacht“ nimmt Alexander Busch Stellung zur Entwicklung in Brasilien in den letzten 15 Jahren. Er betrachtet neben der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung auch den wirtschaftlichen Aufschwung und die Lage des Staates vor, während und nach der weltweiten Finanzkrise. Das Verhalten auf der Bühne der internationalen Klimapolitik sowie die zukünftigen Möglichkeiten werden betrachtet. Auch in Bezug auf Brasilien werden, wie bei China, aktuelle Daten aus den Datenbanken des IMF und des Weltbank in die Betrachtung einfließen.
Einen ähnlichen Versuch wie in dieser Arbeit, nämlich das Verhalten staatlicher Akteure in der internationalen Klimapolitik normativ zu erklären, unternimmt hingegen Christoph Mayr in seinem Buch „Erklärungshilfen zur Entwicklung der internationalen Klimapolitik. Spieltheorie und Public Choice Theorie“. Jedoch soll es wie bereits erwähnt nicht das Ziel dieser Arbeit sein, das Verhalten der Akteure über die theoretischen Ansätze zu erklären, sondern den bereits vorhandenen Theorien das Verhalten des Akteurs zuzuordnen und gegebenenfalls den jeweiligen Ansatz zu bestätigen oder zu widerlegen.
3. Methodik
Die Beantwortung der oben aufgeworfenen Fragen wird im Rahmen von drei Fallstudien erfolgen. Diesen werden zwei verschiedene Theorien zugrunde gelegt, die es anhand der Fallstudien zu überprüfen gilt. Beide theoretischen Ansätze legen dar, wie sich ein Akteur in einem bestimmten Umfeld unter bestimmten Gegebenheiten verhält. Es ist für diese Überprüfung daher eine unabhängige Variable von Nöten, welche das aktuelle Umfeld darstellt. Diese Variable stellt in erster Linie das reale Bruttoinlandprodukt des jeweiligen Staates dar. Das reale BIP ist deshalb wesentlicher Bestandteil der Variable, weil sich daran erkennen lässt, ob ein Staat über die Jahre mehr oder weniger Güter produziert hat.[2] Es lässt sich also das wirtschaftliche Wachstum an dieser Variable erkennen und diese wird häufig als Grund dafür angeführt, dass ein Staat sich einer klimafreundlicheren Politik versperrt. Weitere unabhängige Variablen werden die CO²-Emissionen des Staates, der Anteil von Exporten am BIP, die Staatsverschuldung und die Arbeitslosenquote, die Investitionen ausländischer Unternehmen und die Aktivität von NGOs sein.
Darüber hinaus wird auch der Energieverbrauch der Staaten betrachtet. Dabei werden sowohl der Gesamtenergieverbrauch als auch die Anteile, welche durch Energieimporte und fossile Energieträger abgedeckt werden, betrachtet. Das hat hierbei den Hintergrund, dass der Sektor Energieproduktion und dabei natürlich auch die Anteile, welche durch fossile Brennstoffe wie Kohle oder Öl erzeugt werden, in vielen Staaten für den Großteil der CO² Emissionen verantwortlich sind. Darüber hinaus benötigt eine wachsende Wirtschaft viel Energie, so dass Energiesicherheit eine wesentliche Rolle spielt. Aus diesem Grund wird also der Importanteil betrachtet, um nachzuprüfen, ob es schlicht weg der Energiemangel ist, der eine Kooperation in der Klimapolitik bedingt.
Die Höhe der Investitionen aus dem Ausland und der Anteil des Exports wird hingegen betrachtet um heraus zu finden, wie weit der betreffende Staat in die Weltwirtschaft eingebunden wird und in welchem Umfang bereits internationale Beziehungen unterhalten werden.
Die Arbeitslosenquote und die Staatsverschuldung nehmen seit jeher massiven Einfluss darauf, wie die Finanz- und Wirtschaftspolitik eines Staates ausgestaltet wird. Aus diesem Grund sind auch diese beiden Faktoren von großer Bedeutung für die geplanten Fallstudien. Darüber hinaus lässt sich von der Arbeitslosenquote auch ableiten, wie es der Gesellschaft des jeweiligen Staates geht. Eine aufgrund hoher Arbeitslosenzahlen unzufriedene Gesellschaft wird beispielsweise kaum gutheißen, wenn die Regierung statt in Wirtschaft, in die Umwelt investiert.
Die CO²-Emissionen seit 1992 werden betrachtet, weil sie dafür entscheidend sind, wie hoch die Kosten einer klimafreundlicheren Politik sind und als letze unabhängige Variablen kommen die erhaltenen Finanztransfers hinzu, welche natürlich dabei helfen, die Kosten der Klimapolitik zu externalisieren.
Als letzte Variable folgt die Aktivität der NGOs, durch die sich erkennen lässt, wie groß die Bemühungen sind, die jeweilige Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren.
Diese Variablen werden rückwirkend von 1992 bis 2009 betrachtet um ein genaues Portrait der jeweiligen Gegebenheiten des Staates zu erstellen. Das Jahr 1992 wurde aus dem Grund gewählt, da die Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 als Grundstein und Beginn der internationalen Klimapolitik gilt. Neben der Entwicklung der einzelnen Staaten an sich, wird die Entwicklung der internationalen Klimapolitik selbst seit 1992 kurz betrachtet und es erfolgt auch ein kurzer Abriss über die möglichen Folgen des Klimawandels. Die oben genannten Faktoren nehmen maßgeblich Einfluss darauf, wie sich der jeweilige Staat im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen verhält und wie sich seine Position entwickelt. Die abhängige Variable ist somit die jeweilige Position des Akteurs in der internationalen Klimapolitik. Als Schwierigkeit erweist sich bei dieser Vorgehensweise der Fakt, dass auch andere Faktoren Einfluss auf die klimapolitische Haltung haben. Beispielsweise zwischenstaatliche Konflikte und gesellschaftliche Probleme, welche in dieser Arbeit nicht hinreichend beleuchtet werden können und nur im Ansatz betrachtet werden. Trotz dessen werden aus den beiden Theorien jeweils zwei Hypothesen erarbeitet, welche es zu überprüfen gilt. Jeder Staat wird erst auf eine Theorie mit Hilfe der abhängigen und unabhängigen Variablen überprüft. Selbst, wenn diese sich als nicht zutreffend erweist, wird auch der zweite Theorieansatz hinzugezogen und auf seine Wirksamkeit überprüft. Am Ende wird ein Fazit für alle drei Staaten gezogen, in dem dann abschließend aufgezeigt werden soll, welche Theorie eher auf das Verhalten der Akteure in der internationalen Klimapolitik zutrifft. Danach soll der Versucht gemacht werden, die zukünftige Position und weitere Entwicklung der internationalen Klimapolitik herzuleiten aufgrund der bisher gemachten Erfahrung.
4. Theoretischer Hintergrund
Die Basis dieser Betrachtung stellen die Theorien der internationalen Beziehungen dar. Jedoch wäre es falsch, zu erwarten, dass diese eindeutig, abgeschlossen und zutreffend sind. Das Politikfeld der internationalen Beziehungen befindet sich in einer ständigen Weiterentwicklung. Jeden Tag kommt es zu Entscheidungen, welche das Verhalten der politischen Akteure verändert, weil diese sich gezwungen sehen, sich neuen Gegebenheiten und externen Einflüssen anzupassen. Genauso wie das Verhalten und die Einstellung der internationalen Akteure sind auch die Theorien immer vom historischen, gesellschaftlichen und politischen Umfeld abhängig und müssen auch im Zusammenhang mit diesen betrachtet werden.[3]
So gab es lange Zeit die Theorien, die sich zu Zeiten des Kalten Krieges mit einem Mächtegleichgewicht beschäftigten. Nach dem Zerfall der UdSSR musste ein Umdenken erfolgen, zumal die USA als einzige sogenannte Supermacht übrig blieb. Was darauf folgte, war der Gedanke einer befriedeten Welt, was spätestens seit dem 9. September 2001 und dem beginnenden Kampf gegen den Terrorismus wieder überdacht wurde. Auch dieses Umdenken in der Politik schlug sich in den Weiterentwicklungen der Theorien wieder. Aktuell treten neue wirtschaftliche und politische Kräfte an, welche den Status einer Supermacht für sich beanspruchen. Einige Beispiele hierfür sind Indien und China. Auch diese Neuerung wird bei der Fortsetzung der theoretischen Ansätze Beachtung finden. So müssen politikwissenschaftliche Theorien immer in Zusammenhang mit dem historischen und politischen Kontext der Zeit betrachtet werden.[4]
Dazu kommt noch die Problematik, dass sich politikwissenschaftliche Theorien nicht immer klar von anderen wissenschaftlichen Theorien abgrenzen lassen wie beispielsweise von der Philosophie oder Anthropologie, da viele Theorien zum Beispiel von einem bestimmten Menschenbild ausgehen.[5]
Grundlage für diese Betrachtung werden somit zwei verhältnismäßig aktuelle theoretische Ansätze sein, welche zum Beispiel den Zusammenbruch des globalen Systems der Supermächte berücksichtigt und auch die zunehmende Globalisierung mit den einhergehenden Interdependenzen zwischen den Akteuren. Die beiden Ansätze werden jeweils unterschiedlichen Theorieschulen zugerechnet. Zum Einen der Neoinstitutionalismus der Institutionalistischen Theorieschule und zum Anderen der Sozialkonstruktivismus, welcher der Idealistischen Theorieschule zuzurechnen ist. Diese beiden Theorien sollen im Anschluss zuerst betrachtet und erklärt werden um später anhand der Fallstudien zu testen, ob diese sich bestätigen lassen, oder widerlegt werden und wo genau die Schwachpunkte zu finden sind.
4.1 Neoinstitutionalismus
Der neoinstitutionalistische Ansatz entwickelte sich zur Zeit des Kalten Krieges aus den realistischen Theorien. Wie auch diese Theorien geht der Neoinstitutionalismus von einem anarchischen Mächteverhältnis zwischen den staatlichen Akteuren aus. Die schwankende Vormachtstellung der USA in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts führte jedoch dazu, dass bei dieser neuen Theorie internationale Kooperation auch möglich ist, ohne dass es eine Hegemonialmacht gibt, welche diese durchsetzt.[6]
Beim Realismus steht das Sicherheitsdilemma im Vordergrund. Der Neoinstitutionalismus sieht andere wesentliche Punkte wie die Wirtschaft ganz oben auf der politischen Agenda. Es wird nicht davon ausgegangen, dass, wie beim Realismus, Machtgewinne für den einen Akteur automatisch Verluste für den Kooperationspartner bedeuten. Das Gegenteil ist hier der Fall, denn laut neoinstitutionalistischer Ansicht ist eine Kooperation möglich, welche alle Akteure in ihrer Position besser stellt, als wenn Sie der Kooperation fern bleiben. Es ist also möglich die Ergebnisse zu teilen. Jedoch ist auch dieser theoretische Ansatz davon geprägt, dass ein gegenseitiges Misstrauen vorliegt, so dass jeder Akteur davon ausgeht, dass der Kooperationspartner aufgrund eigener Vorteile die Zusammenarbeit beendet.[7]
Diese Sicherheit wird beim Neoinstitutionalismus durch die Bildung so genannter internationaler Regime gewährleistet, welche definiert werden als:
„freiwillige internationale Zusammenarbeit, bei der sich Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren herausbilden, an denen sich die Erwartungen internationaler Akteure auf einem bestimmten Gebiet der internationalen Beziehungen ausrichten.“[8] Diese Regime sind zwar keine übergeordnete Macht und müssen auch keine Institution im formalen Sinne mit einer Satzung oder einem Sekretariat sein, sondern beschreiben einfach nur den Rahmen, innerhalb dessen die Akteure agieren, so dass ihr Agieren vorausschaubar wird, die Sicherheit der Kooperation erhöht und das gegenseitige Misstrauen verringert werden.[9]
Kernprinzip bei der Bildung internationaler Regime in der Klimapolitik ist hierbei das Gefangenendilemma. Dieses Dilemma ist dadurch gekennzeichnet, dass beide Akteure im Endeffekt ein schlechtes Ergebnis erzielen, wenn sie nicht kooperieren. Wenn beide Akteure, in diesem Fall Staaten, die Möglichkeit haben zum Einen ihre CO² Emissionen zu reduzieren und zum Anderen die Emissionen nicht zu reduzieren erhalten sie verschiedene Ergebnisse.
Eine hohe Reduzierung ist mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden, eine niedrige oder keine Reduzierung dementsprechend mit geringeren Kosten. Das Gemeinschaftsziel ist eine Begrenzung des globalen Temperaturanstieges. Das Dilemma besteht darin, wenn beide Staaten nur ihren eigenen Vorteil sehen. Dann Reduzieren beide Akteure ihre Emissionen nicht und das Ergebnis ist ein Verfehlen des Gemeinschaftszieles. Dies stellt beide Staaten somit schlechter als in einer Kooperation. Wenn nur ein Staat seine Emissionen reduziert und sein Kooperationspartner es ihm nicht gleich tut, weil dieser nur rational denkt und kostengünstig zum Ziel kommen möchte, wirkt sich das ebenfalls so aus, dass das Gemeinschaftsziel nicht erreicht wird. Der rational handelnde Akteur wird ebenfalls durch den Treibhauseffekt geschädigt. Im Idealfall reduzieren beide Akteure ihre Emissionen. Dadurch wird das Gemeinschaftsziel erreicht und die Kosten des Einzelnen lassen sich durch die Kooperation senken. Dieser Idealfall wird als Pareto-Optimum bezeichnet.[10]
Die nötige Sicherheit dafür, dass nicht ein Akteur zum eigenen Vorteil aus der Kooperation aussteigt, gewährleistet die Überlegung, dass der Akteur zwar kurzfristig Gewinne macht, aber seine eigene Position schwächt, wenn es um zukünftige internationale Partnerschaften in anderen Bereichen geht. Dies stellt nämlich eine Sonderrolle dar, wie sie nur in den internationalen Beziehungen möglich ist. Wenn auf nationaler Ebene Koalitionspartner einer Regierung aus einer Kooperation aussteigt, ist es alle vier Jahre möglich, die Kooperationspartner zu wechseln und die Regierung neu zusammen zu setzen. Auf internationaler Ebene gestaltet sich dies weitaus schwieriger, da Staaten und Regierungen miteinander kooperieren und unabhängig davon, ob auf nationaler Ebene neue Akteure die Regie übernehmen, bleibt der Staat der Gleiche. Das zeigt sich auch bei den internationalen Verhandlungen besonders in der Klimapolitik. Jede Delegation möchte der eigenen Bevölkerung Erfolge präsentieren um natürlich die eigenen Basis auf nationaler Ebene zu behalten.[11] Dies möchte aber jeder Staat und keine Regierung ist nach neoinstitutionalistischer Denkweise bereit, Verluste hinzunehmen. Daher ist es schwierig, einen gemeinsamen Konsens zu finden.
Die Gewinne der Gemeinschaft müssen also dementsprechend so verteilt werden, dass alle beteiligten Akteure durch die Kooperation besser gestellt werden, als wenn sie dieser Kooperation fern bleiben würden. Ist dies nicht der Fall, kommt die Kooperation nicht zustande. Diese Thesen werden wir im weiteren Verlauf dieser Betrachtung überprüfen.
4.2 Sozialkonstruktivismus
Nach dem Ende des Kalten Krieges entwickelte sich eine völlig neue theoretische Sichtweise auf die internationalen Beziehungen. Alexander Wendt, ein Professor für internationale Beziehungen an der Ohio State University, legte die Ansicht dar, dass das Verhalten der politischen Akteure nicht aufgrund von biologischen Naturgesetzen erklärbar sei. Nach seiner Auffassung besteht zwar genauso wie bei Vertretern des Realismus und des Institutionalismus ein anarchisches Mächtegefüge, welches aber nicht naturgegeben ist, sondern ein Ergebnis gegenseitiger Handlungen und Wahrnehmungen ist.[12] Staaten senden laut der konstruktivistischen Sichtweise durch Ihr Handeln Signale aus welche andere Staaten interpretieren und den jeweiligen Akteur entweder als Freund, Rivalen oder fein interpretieren. Je nach Interpretation erwächst der Wunsch zu Verteidigung oder Kooperation.[13] Nach Wendts Auffassung ist es nicht vorhersehbar, wie sich ein Mensch verhält, ob er gut oder böse ist, ob er nach Machterweiterung strebt oder nicht. Sondern der Mensch und somit auch die politischen Akteure auf internationaler Ebene passen sich nur ihrem sozialen Umfeld an. Das Verhalten der Akteure wird somit durch das Umfeld erst konstruiert. Bei dieser Theorie des Sozialkonstruktivismus wird davon ausgegangen, dass der Mensch sich an Normen und Werten orientiert, welche er aus seinem Umfeld erfährt.[14]
Durch diese Normen- und Werteorientierung der Bevölkerung erfährt auch die Regierung in demokratischen Staaten ihre Ausrichtung. Wenn sich die Einwohner eines Staates nicht von Nachbarstaaten bedroht fühlen, ergibt sich auch für die Regierung kein Sicherheitsdilemma, da die Regierung von der Bevölkerung durch die Wahlen zum Handeln legitimiert wird. Im Gegensatz zu dieser theoretischen Annahme sieht es jedoch in der Praxis so aus, dass die Ausrichtung der Politik immer durch die staatlichen Eliten geprägt wird, was somit immer einen sehr langen Wandlungsprozess bedeutet, bevor sich neue Normen und Werte in diesen Kreisen durchsetzen.[15]
[...]
[1] Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen in seiner Eröffnungsrede der Carbon Expo in Köln am 26.05.2010, siehe: http://www.bmu.de/reden/bundesumweltminister_dr_norbert_roettgen/ doc/46061. php.
[2] Mankiw: 2001, S. 529.
[3] Schieder/ Spindler 2006, S. 9 ff.
[4] Schieder/ Spindler 2006, S. 10 f.
[5] Schieder/ Spindler 2006, S. 10.
[6] Zangl 2006: S. 121f.
[7] Hartmann 2009: S. 48f.
[8] siehe: Adam 2007: S. 297.
[9] Adam 2007: S. 297f.
[10] Zangl 2006: S. 125ff.
[11] Hartmann 2009: S. 50 f.
[12] Ulbert 2006: S. 418ff.
[13] Auth 2008: S. 124.
[14] Lemke 2007: S. 43ff.
[15] Adam 2007: S. 230ff.