Einfluss der Bindung in der Kindheit auf die Stabilität der Partnerschaft
Überblick über empirische Befunde
Zusammenfassung
Bindung gehört zu den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen wie Essen und Trinken. Schon in der frühen Kindheit ist die Bindung, vor allem zu Bezugspersonen sehr wichtig, da somit dem Kind Nähe und Geborgenheit gegeben wird.
Auch im Erwachsenenalter spielt Bindung eine wichtige Rolle. Bindungserfahrungen, die in der Kindheit gesammelt wurden, fließen in das Bindungsverhalten mit ein und man zeigt einen entsprechenden Bindungsstil vor allem gegenüber seinem Partner.
Bowlby (1973), Begründer der Bindungstheorie, war einer der ersten, die versuchten, dieses Verhalten theoretisch zu erklären. Seine Erkenntnisse werden im 2. Kapitel näher vorgestellt.
Die Überlegungen, die Bowlby anstellte, wurden dann zunächst auf Kinder empirisch nachgewiesen (Ainsworth et al. 1978) und dann in der einer der ersten Untersuchungen von Hazan und Shaver (1987) auf Partnerschaften übertragen.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über theoretische Erkenntnisse zum Bindungsverhalten sowie zahlreichen empirischen Studien, die sich vor allem mit Bindungsverhalten in Zusammenhang mit der Zufriedenheit und Stabilität in der Partnerschaft untersuchten.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Bindungstheorie von Bowlby
2.2 Innere Arbeitsmodelle
2.3 Bindungsstile bei Kindern
2.4 Bindungsstile bei Erwachsenen
2.5 Stabilität der Bindungsstile
2.6 Bindung in romantischen Beziehungen
3. Bindungsstile und Partnerschaftsstabilität
3.1 Bindungsstile und Beziehungszufriedenheit
3.2 Bindungsstile und Commitment
3.3 Bindung und gestörte Paarbeziehung
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Sie liebten sich beide, doch keiner wollt es dem andern gestehn´; Sie sahen sich an so feindlich, und wollten vor Liebe vergehen“ (Heinrich Heine 1997, S. 190).
Bindung gehört zu den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen wie Essen und Trinken. Schon in der frühen Kindheit ist die Bindung, vor allem zu Bezugspersonen sehr wichtig, da somit dem Kind Nähe und Geborgenheit gegeben wird.
Auch im Erwachsenenalter spielt Bindung eine wichtige Rolle. Bindungserfahrungen, die in der Kindheit gesammelt wurden, fließen in das Bindungsverhalten mit ein und man zeigt einen entsprechenden Bindungsstil vor allem gegenüber seinem Partner. Bowlby (1973), Begründer der Bindungstheorie, war einer der ersten, die versuchten, dieses Verhalten theoretisch zu erklären. Seine Erkenntnisse werden im 2. Kapitel näher vorgestellt. Die Überlegungen, die Bowlby anstellte, wurden dann zunächst auf Kinder empirisch nachgewiesen (Ainsworth et al. 1978) und dann in der einer der ersten Untersuchungen von Hazan und Shaver (1987) auf Partnerschaften übertragen.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über theoretische Erkenntnisse zum Bindungsverhalten sowie zahlreichen empirischen Studien, die sich vor allem mit Bindungsverhalten in Zusammenhang mit der Zufriedenheit und Stabilität in der Partnerschaft untersuchten.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Bindungstheorie von Bowlby
Bindung wird nicht nur in Eltern-Kind-Beziehungen, sondern auch bei Säugetieren und einigen Vogelarten beobachtet.
John C. Bowlby gilt als Begründer der Bindungstheorie. Er befasste sich zunächst primär mit der Bindung zwischen Kleinkindern und ihren Bezugspersonen. Seine Theorie entstammt der psychoanalytischen Tradition, dass heißt es wird die Erfahrung in der frühen Kindheit für das spätere Verhalten und Erleben im Erwachsenenalter betont. Inzwischen wendet man diese Theorie auch bei Paarbeziehungen an.
Bindungsverhalten ist ein zentraler Begriff der Bindungstheorie. Dies bedeutet, dass Kinder in bestimmten Situationen, in denen sie Angst, Stress oder Kummer empfinden, ein Verhalten zeigen, in dem sie Nähe zur Mutter sicherstellen wollen. Im Normalfall reagiert die Mutter in dieser Situation mit Fürsorgeverhalten, wodurch das Kind wieder beruhigt wird. Zusammenfassend kann Bindungsverhalten auch definiert werden als: „(...) attachement is the stable tendency of an individual to seek und maintain proximity to und contact with one or a few specific individuals who provide the subjective potential for physiological and/or psychological safety und security“ (Berman und Sperling 1994, S.8).
Aufgrund von Erfahrungen mit ihren primären Bezugspersonen entwickeln Menschen innere Arbeitsmodelle, die auch als „kognitiv-affektiv-motivationale“ Schemata von Beziehungen bezeichnet werden können und reale Erfahrungen des Menschens speichern (Berman und Sperling 1994, S.8). Eine genauere Beschreibung erfolgt im nächsten Kapitel. Bowlby hat sich bei der Entwicklung seiner Theorie auf folgende zentrale Prämissen berufen (Bowlby 1973, S.225):
1. Bindungs- und Explorationsbedürfnisse sind angeboren und von vitaler Bedeutung für Menschen jeden Alters.
2. Beziehungs- oder Bindungserfahrungen werden internalisisert und so zu zentralen Bestandteilen der (Beziehungs-)Persönlichkeit.
3. Innere Arbeitsmodelle von Bindung entwickeln sich in Kindheit und Jugendalter und tendieren dazu, konstant zu bleiben, sind aber auch noch später veränderbar.
4. Innere Arbeitsmodelle prägen die Erwartungen an und das Verhalten in Beziehungen (z.B. in Partnerschaften, gegenüber Kindern) im Sinne selbsterfüllender Prophezeiungen bzw. eines (wohltätigen oder auch ungesunden) Wiederholungszwangs.
5. Psychische Gesundheit ist eng verwandt mit Bindungssicherheit und Beziehungsqualität. Menschen, deren Bedürfnisse nach emotionaler Sicherheit und nach stabilen Beziehungen in der Kindheit (einigermaßen) erfüllt wurden, sind weniger anfällig für chronische Ängste, sozial kompetenter und psychisch stabiler. Es gelingt ihnen einigermaßen gut, sowohl ihre Bindungs- als auch ihre Explorationsbedürfnisse zu leben.
Hospitalisierung (Spitz, 1945) ist ein weiterer wichtiger Begriff der Bindungstheorie. Er bezeichnet die dauerhafte „Loslösung“ von einer Bezugsperson, beispielsweise wenn ein Kind in ein Heim gegeben wird. Hier tritt eine Lösung der Bindung auf. Die Bezugspersonen wechseln dauerhaft und es wird keine feste Bindung zu einer bestimmten Person aufgebaut. Auch Paarbeziehungen weisen ein Bindungsverhalten auf. Nach Shaver, Hazan & Bradshaw (1988) wird die Paarbeziehung als Integration von Bindungsverhalten, Fürsorgeverhalten und Sexualität charakterisiert.
2.2 Innere Arbeitsmodelle
Die inneren Arbeitsmodelle spielen eine zentrale Rolle in der Bindungstheorie von Bowlby. Durch Erfahrungen und Erlebnisse, die ein Kind mit ihrer Bezugsperson gemacht hat, werden in den inneren Arbeitsmodellen (inner working model) verarbeitet und gespeichert. Das hat zur Folge, dass späteres Denken und Verhalten durch die gemachten Erfahrungen beeinflusst wird. Daraus könnte man auch schließen, dass Bindungserfahrungen eine wichtige Rolle in späteren Beziehungen mit Partnern spielt.
Erfahrungen, die in der Kindheit gemacht wurden, beeinflussen sowohl das Selbst- als auch das Fremdbild. Ein Kind lernt aus den Reaktionen der Bindungsfiguren wie akzeptabel, liebenswert oder Kompetent es ist (Bowlby, 1976).
In der Theorie geht man davon aus, dass das Selbst- und Fremdbild über die Zeit hin stabil sein werden (Bierhoff, 1999).
2.3 Bindungsstile bei Kindern
Um heraus zu bekommen wie unterschiedlich Kinder in verschiedenen Situationen in Bezug auf ihre Mütter reagieren, entwickelten Ainsworth (1978) und ihre Mitarbeiter die so genannte „Fremde Situation“. Mit diesem Experiment wollte man herausfinden, wie Kinder in verschiedenen Testsituationen auf ihre Bezugspersonen reagieren. Die Kinder, die an diesem Experiment teilnahmen, waren zum Messzeitpunkt ein Jahr alt.
In diesem Experiment wurde eine Abfolge von jeweils drei minütigen Episoden erstellt. Die Episoden wurden so entwickelt, dass das Kind zu Beginn des Experiments mit der Mutter allein im Testraum war (Episode 1), danach ein Fremder hinzukommt (Episode 2) und die Mutter dann den Raum verlässt (Episode 3). Die Mutter kehrt danach wieder zurück und der Fremde verlässt den Raum (Episode 4). Im Anschluss verlässt wiederum die Mutter den Raum (Episode 5), danach kehrt der Fremde zurück (Episode 6). Als letztes kehrt die Mutter zurück und der Fremde verlässt erneut den Raum (Episode 7).
Man ging davon aus, dass die „Fremde Situation“ für ein Kind in diesem Alter eine durchaus anspruchsvolle Situation darstellt. Anhand der Ergebnisse fand man heraus, dass Kinder unterschiedlich auf das wiederkehren ihrer Mutter reagieren. Man konnte die Kinder in drei verschiedene Gruppen unterteilen, was den Bindungsstilen gegenüber ihrer Bezugsperson entspricht.
Die erste Gruppe waren die Kinder, die einen sicheren Bindungsstil (66%) aufwiesen. Diese Kinder zeichneten sich dadurch aus, dass sie in der Testsituation zwar eine Stressreaktion aufzeigten, aber ließen sich durch die Mutter wieder schnell beruhigen und suchten Kontakt zu ihr.
Eine zweite Gruppe von Kindern wurde dem unsicher-ambivalenten Bindungsstil (12%) zugeschrieben. Bei diesen Kindern war auffällig, dass sie während der Trennung zur Mutter zwar trauerten, aber bei Rückkehr der Mutter ein ambivalentes Verhalten aufzeigten. Dies zeigte sich dadurch, dass sie zum einen Nähe aber zum anderen auch Ärger suchten.
Die dritte und letzte Gruppe zeigte einen unsicher-vermeidenden Bindungsstil (22%). Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder während der Trennung keine offenen Stressreaktionen aufzeigten und nach Ende dieser auch Nähe und Interaktion zur Mutter vermieden.
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