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Die Bedeutung der pädagogischen Beziehung im Nationalsozialismus

©2010 Hausarbeit 21 Seiten

Zusammenfassung

Das heutige Verständnis einer pädagogischen Beziehung kann man weitestgehend umreißen, indem man sich den Erzieher, den Zögling und die Inhalte, welche vermittelt und angeeignet werden in einer Art Dreiecksbeziehung vorstellt. Je nach Art, Wertvorstellungen und Zielen der Erziehung ändern sich die Verhältnisse und Beziehungen zwischen Erzieher und Zögling innerhalb dieses pädagogischen Dreiecks sowie auch die Inhalte variieren und verschiedene Auswirkungen auf Erzieher und Zögling haben können.

Mein Anliegen ist es, in dieser Arbeit die pädagogische Beziehung im Nationalsozialismus zu untersuchen. Hierzu ist es wichtig sich mit der pädagogischen Ideologie des Nationalsozia-lismus auseinanderzusetzen und zu verstehen, welche Bedeutung die pädagogische Beziehung in dieser einnimmt. Ferner soll kontinuierlich der Frage nachgegangen werden, auf welche Ziele und Zwecke die pädagogische Beziehung des Nationalsozialismus gerichtet ist und wel-che Absichten mit ihr verbunden sind. Allerdings muss man gleich zu Beginn feststellen, dass man die eine grundlegende NS-Erziehungstheorie vergebens sucht. „Eine partei- oder staats-offizielle pädagogische Doktrin hat es im Nationalsozialismus nicht gegeben“ (Giesecke 1999, S.9). Hauptsächlich findet man sich ähnelnde pädagogische Ideale, Vorstellungen und Prinzipien, die sich vor allem an der Ideologie Adolf Hitlers orientieren. „Die stetig sprudeln-de Quelle solcher Maximen waren Hitlers Reden und vor allem ‘Mein Kampf’“ (Schrecken-berg 2001, S.17). Daher soll als erstes auf die Erziehungsideologie Adolf Hitlers eingegangen werden, worunter seine Absicht einer idealen NS-Sozialisation sowie seine Volkserziehung im nationalsozialistischen Staat fällt. Anschließend gehen wir auf die beiden Wissenschaftler Ernst Krieck und Alfred Baeumler ein, die in zweiter Reihe sozusagen als Hitlers Sprachrohr fungierten (vgl. Schreckenberg 2001, S.17) und vor allem „…versuchten auf unterschiedli-chen Wegen, dem neuen [nationalsozialistischen, Anm. d. Verf.] Regime nicht nur eine welt-anschaulich passende Erziehungswissenschaft zu offerieren, sondern darüber hinaus auch diese Weltanschauung selbst philosophisch zu legitimieren“ (Giesecke 1999, S.10).

Damit die Umsetzung dieser Ideologien in der Praxis veranschaulicht werden kann muss man einen Blick auf die pädagogische Beziehung in den Erziehungsinstanzen werfen. Hierbei möchte ich auf die drei Instanzen Familie, Schule und Hitlerjugend genauer eingehen.

Leseprobe

Gliederung

1. Einleitung

2. Die Intentionen nationalsozialistischer Erziehungsideologien
2.1 Adolf Hitler
2.1.1 Die ideale NS-Sozialisation
2.1.2 Hitlers Volkserziehung
2.2 Ernst Krieck
2.3 Alfred Baeumler

3. Die Erziehungsinstanzen im NS-Staat
3.1 Die Familie
3.2 Die Schule
3.3 Die Hitlerjugend

4. Schlussbemerkung: Pädagogische Beziehung oder Mittel zum Zweck?

5. Literaturverzeichnis

Anmerkung: Rechtschreibfehler auf Seite 11 „Überindividuellen“ so übernommen aus Eppler 2007, S.169. Eigentlich Kleinschreibung „überindividuellen“.

1. Einleitung

Das heutige Verständnis einer pädagogischen Beziehung kann man weitestgehend umreißen, indem man sich den Erzieher, den Zögling und die Inhalte, welche vermittelt und angeeignet werden in einer Art Dreiecksbeziehung vorstellt. Je nach Art, Wertvorstellungen und Zielen der Erziehung ändern sich die Verhältnisse und Beziehungen zwischen Erzieher und Zögling innerhalb dieses pädagogischen Dreiecks sowie auch die Inhalte variieren und verschiedene Auswirkungen auf Erzieher und Zögling haben können.

Mein Anliegen ist es, in dieser Arbeit die pädagogische Beziehung im Nationalsozialismus zu untersuchen. Hierzu ist es wichtig sich mit der pädagogischen Ideologie des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und zu verstehen, welche Bedeutung die pädagogische Beziehung in dieser einnimmt. Ferner soll kontinuierlich der Frage nachgegangen werden, auf welche Ziele und Zwecke die pädagogische Beziehung des Nationalsozialismus gerichtet ist und welche Absichten mit ihr verbunden sind. Allerdings muss man gleich zu Beginn feststellen, dass man die eine grundlegende NS-Erziehungstheorie vergebens sucht. „Eine partei- oder staatsoffizielle pädagogische Doktrin hat es im Nationalsozialismus nicht gegeben“ (Giesecke 1999, S.9). Hauptsächlich findet man sich ähnelnde pädagogische Ideale, Vorstellungen und Prinzipien, die sich vor allem an der Ideologie Adolf Hitlers orientieren. „Die stetig sprudelnde Quelle solcher Maximen waren Hitlers Reden und vor allem ‘Mein Kampf’“ (Schreckenberg 2001, S.17). Daher soll als erstes auf die Erziehungsideologie Adolf Hitlers eingegangen werden, worunter seine Absicht einer idealen NS-Sozialisation sowie seine Volkserziehung im nationalsozialistischen Staat fällt. Anschließend gehen wir auf die beiden Wissenschaftler Ernst Krieck und Alfred Baeumler ein, die in zweiter Reihe sozusagen als Hitlers Sprachrohr fungierten (vgl. Schreckenberg 2001, S.17) und vor allem „…versuchten auf unterschiedlichen Wegen, dem neuen [nationalsozialistischen, Anm. d. Verf.] Regime nicht nur eine weltanschaulich passende Erziehungswissenschaft zu offerieren, sondern darüber hinaus auch diese Weltanschauung selbst philosophisch zu legitimieren“ (Giesecke 1999, S.10).

Damit die Umsetzung dieser Ideologien in der Praxis veranschaulicht werden kann muss man einen Blick auf die pädagogische Beziehung in den Erziehungsinstanzen werfen. Hierbei möchte ich auf die drei Instanzen Familie, Schule und Hitlerjugend genauer eingehen. Zum Schluss soll kritisch reflektiert werden, ob man nach heutiger Auffassung im Nationalsozialismus überhaupt von „pädagogischer“ Beziehung sprechen darf, oder ob es sich um „Unpädagogik“ handelt, welche nur als Mittel zum Zweck der Ideologieverbreitung dient.

2. Die Intentionen nationalsozialistischer Erziehungsideologien

2.1 Adolf Hitler

Zweifellos am prägendsten für die Pädagogik des Nationalsozialismus waren wohl die Erziehungsideale und Vorstellungen des Führers Adolf Hitler persönlich. „Die wichtigste Quelle … ist sein Hauptwerk Mein Kampf. Dazu kommen Fragmente aus Gesprächen, Reden und Monologen“ (Offermanns 2004, S.110). Hitlers Vorstellung von Pädagogik wird aber vor allem „… in den von Hermann Rauschning aufgezeichneten Gesprächen mit Hitler “ (ebd., S.110) ersichtlich. Hier äußert sich Hitler unter anderem: „Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. (…) Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. (…) Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein“ (Rauschning 1940, S.237, zitiert nach Offermanns 2004, S.110). Über diese Aussagen wird bereits ein grundlegendes Erziehungsideal Hitlers ersichtlich, nach welchem Emotionen und Empathie innerhalb der Beziehung zwischen Erzieher und Zögling ausgeschaltet werden sollen um den Zögling zur Härte zu erziehen. Emotionen werden als Gefühlsduselei und Schwäche angesehen und sind damit in Hitlers Erziehungsverständnis fehl am Platz. Welche Absichten und Ziele er damit verfolgt, sehen wir uns später noch genauer an. Werfen wir zunächst einen Blick auf den Aufbau des nationalsozialistischen Erziehungsstaates und Hitlers damit verbundener alles umgreifenden NS-Sozialisation.

2.1.1 Die ideale NS-Sozialisation

In einer Rede von 1938 beschreibt Hitler wie seine Vorstellung eines totalitären Erziehungsstaates aussieht (vgl. Giesecke 1999, S.19): Die Jugend soll von Anfang an nichts anderes lernen als deutsch zu denken und zu handeln. Mit zehn Jahren sollen die Jungen in die erste NS-Organisation, das Jungvolk eintreten, vier Jahre später in die Hitlerjugend und wieder vier Jahre später in die Partei, die Arbeitsfront, die SA oder die SS. Sollten sie danach immer noch keine ganzen Nationalsozialisten geworden sein, kommen sie zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht und danach wieder zurück in die SA oder SS „… und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben“ (Fest 1980, S.311f., zitiert nach Giesecke 1999, S.19). „Hier geht es zunächst nur um Hitlers Absicht, um das Ziel, nämlich um den möglichst lückenlosen Erziehungsstaat“ (Giesecke 1999, S.20) „… und zentrale Bedeutung [in diesem Kreislauf der NS-Sozialisation, Anm. d. Verf.] hatte der Gesichtspunkt der totalen Erfassung des (jungen) Menschen, die ihn nie aus ihren Fängen ließ“ (Schreckenberg 2001, S.17). Diese idealtypische NS-Sozialisation, auch als „Bilderbuch-Sozialisation“ (Giesecke 1999, S.30) bezeichnet, soll alle Lebensbereiche durchdringen, zum Zwecke, dass die nationalsozialistische Denkart bereits mit der Muttermilch aufgesogen wird (vgl. ebd., S.20) und einem sein ganzes Leben lang anerzogen wird, so dass es kein Entkommen mehr aus dem totalitären NS-Erziehungsstaat gibt und man bis an sein Lebensende nach den Maximen des nationalsozialistischen Staates handelt.

Die pädagogische Beziehung ist hierbei auf kein Ende hin angelegt. Der Mensch ist im NS-Staat bis zu seinem Tod immer auch ein Zögling, der sich möglichst viel nationalsozialistisches Gedankengut aneignen soll und egal, welcher NS-Organisation er angehört, immer der Obrigkeit des Regimes unterworfen ist. Für eine freie und individuelle Entwicklung des Zöglings bleibt somit kein Platz, da sich alle dieselben Inhalte in Form der NS-Ideologie aneignen müssen. Hitler rechtfertigt dies mit seiner Aussage: „Wenn man den Menschen ihre individuelle Freiheit lasse, so benehmen sie sich wie die Affen“ (Kanz, S.324, zitiert nach Schreckenberg 2001, S.17). Was nun aber die Inhalte der nationalsozialistischen Erziehung nach Hitler darstellen und welche Erziehungsziele durch den totalitären Erziehungsstaat angestrebt werden, soll im Folgenden klargestellt werden.

2.1.2 Hitlers Volkserziehung

Gleich vorweg genommen kann man das primäre Ziel der Volkserziehung Adolf Hitlers benennen, nämlich die Erhaltung des deutschen völkischen Staates durch die Reinheit der Rasse.

„Der völkische Staat ‘hat die Rasse in den Mittelpunkt des allgemeinen Lebens zu setzen. Er hat für ihre Reinerhaltung zu sorgen. Er hat das Kind zum kostbarsten Gut eines Volkes zu erklären. Er muß dafür Sorge tragen, daß nur, wer gesund ist, Kinder zeugt; daß es nur eine Schande gibt: bei eigener Krankheit und eigenen Mängeln dennoch Kinder in die Welt zu setzen, doch eine höchste Ehre: darauf zu verzichten. Umgekehrt aber muß es als verwerflich gelten: gesunde Kinder der Nation vorzuenthalten’“ (Hitler 1936, S.446f., zitiert nach Giesecke 1999, S.23).

So beschreibt Hitler in „Mein Kampf“ seine Vorstellung darüber, dass nur die Starken und Gesunden ein Recht darauf haben, Kinder zu bekommen und somit für den Fortbestand des Volkes zu sorgen. Auf diese Weise soll die deutsche Rasse rein und veredelt werden. Hitler spricht sich auch klar gegen die Erhaltung „unwerten“ Lebens aus. Hinzu kommt noch, dass Hitler anderen Rassen, außer den deutschen Ariern, das Recht auf Erziehung und Bildung abspricht. Diese seien sowieso nicht bildsam und es ähnle der Tierdressur, würde man versuchen, sie zu bilden.

„Von Zeit zu Zeit wird in Illustriertenblättern dem deutschen Spießer vor Augen geführt, daß da und dort zum ersten Mal ein Neger Advokat, Lehrer, gar Pastor, ja Heldentenor oder dergleichen geworden ist. (…) Es dämmert dieser verkommenen bürgerlichen Welt nicht auf, daß es sich hier wahrhaftig um eine Sünde an jeder Vernunft handelt; daß es ein verbrecherischer Wahnwitz ist, einen geborenen Halbaffen so lange zu dressieren, bis man glaubt, aus ihm einen Advokaten gemacht zu haben, während Millionen Angehörige der höchsten Kulturrasse in vollkommen unwürdigen Stellungen verbleiben müssen; daß es eine Versündigung am Willen des ewigen Schöpfers ist, wenn man Hunderttausende und Hunderttausende seiner begabtesten Wesen im heutigen proletarischen Sumpf verkommen lässt, während man Hottentotten und Zulukaffern zu geistigen Berufen hinaufdressiert. Denn um eine Dressur handelt es sich dabei, genauso wie bei der des Pudels, und nicht um eine wissenschaftliche ‘Ausbildung’. Die gleiche Mühe und Sorgfalt auf Intelligenzrassen angewendet, würde jeden Einzelnen tausendmal eher zu gleichen Leistungen befähigen“ (Hitler 1936, S.478, zitiert nach Giesecke 1999, S.26f.).

Hitler sieht somit in dem Versuch der Bildung anderer Rassen nur eine Verschwendung von Ressourcen, welche für sein deutsches und arisches Volk genutzt werden sollten. Auf gleiche Weise werden auch Juden und Sozialisten, welche als Feinde des Volkes gelten, von der Bildung ausgeschlossen. Betrachtet man hier wieder die pädagogische Beziehung, stellt man fest, dass nur bestimmte, ausgewählte Zöglinge überhaupt Zugang zu Erziehung und Bildung haben und nach Hitlers Ideal der gesamte völkische Staat die Rolle des Erziehers einnehmen soll. Überhaupt bekommt der Begriff des Volkes einen hohen Stellenwert im Nationalsozialismus und dessen Pädagogik. Genau deswegen spricht man auch von der Volks erziehung Hitlers. Das Volk hat die Pflicht geeignetes „Menschenmaterial“ (die rassisch reinen Zöglinge) zu „produzieren“, bereit zu stellen und in den Dienst der Allgemeinheit des völkischen Staates zu stellen (vgl. Offermanns 2004, S.110). Anschließend geht es darum, den jungen Zögling zu einem wertvollen Glied für die Volksgemeinschaft zu erziehen, wobei sich nicht an den Individualitäten und den Bedürfnissen des Zöglings selbst orientiert wird: „Das Erziehungskonzept Hitlers und seiner Nachbeter war nicht auf das Kind und seine zu entwickelnden individuellen Fähigkeiten und Begabungen ausgerichtet, schon gar nicht auf seine personale Würde, sondern auf das Volk, in welches sich der junge Mensch einzuordnen und dessen Zwecken er sich gehorsam unterzuordnen hatte (Schlagwort: ‘Du bist nichts, dein Volk ist alles!’)“ (Schreckenberg 2001, S.17).

Im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit, in welcher Bildung sich hauptsächlich auf die Aneignung von fachlichem und wissenschaftlichem Wissen bezieht und auch die frühe Erziehung des Kindes sich schon darauf richtet, seinen Verstand so weit wie möglich zu schulen und ihm Wissen zu vermitteln, lagen die Erziehungs- und Bildungsziele Hitlers in einer anderen Dimension. Wie er in „Mein Kampf“ beschreibt, richtet sich Hitlers nationalsozialistische Volkserziehung primär, vor allem anderen, auf die körperliche Erziehung, als Zweites dann auf die Charaktererziehung und erst zuletzt auf die Verstandesbildung und Aneignung von Fachwissen, wie sie uns heutzutage aus allen Bildungsinstitutionen bekannt ist.

„Der völkische Staat hat … seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung“ (Hitler 1936, S.452, zitiert nach Giesecke 1999, S.24).

Besonders in Hinblick auf die Charaktererziehung klingen Hitlers Aussagen hier geradezu idealtypisch, als wolle er doch willensstarke, mündige Menschen erziehen, welche Eigenverantwortung übernehmen könnten. Dieser Eindruck täuscht jedoch maßlos. Charakter und Wille des Zöglings sollen formbar gemacht werden und Mädchen wie Jungen sollen charakterlich so manipuliert werden, dass sie die NS-Ideologie als ihren eigenen Willen ansehen und mit ihrem ganzen Wissen und Gewissen für etwas Fremdbestimmtes einstehen und daran glauben, ohne sich eine eigene Meinung darüber zu bilden. „Ziel ist der folgsame und regierbare Mensch, der dankbar Befehle empfängt und sie ausführt, anstatt sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“ (Offermanns 2004, S.112). Genau darum stellt Hitler die Verstandesbildung und Wissensvermittlung soweit hinten an. Dies kommt auch in den Gesprächen Hitlers noch einmal klar zum Ausdruck: „Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend“ (Rauschning 1940, S.237, zitiert nach Offermanns 2004, S.110).

Auf was will Adolf Hitler nun aber mit dieser Erziehung hinaus, beziehungsweise welche Art von Menschen soll aus seiner Erziehungsideologie hervorgehen? Dafür gibt es genau zwei Antworten, für jedes Geschlecht eine. Der Junge soll zu einem Mann mit kerngesundem Körper heranwachsen, der sich durch blinden Gehorsam auszeichnet und Befehle befolgt um für sein Vaterland zu kämpfen. Kurz gesagt ist der ideale deutsche Mann des Nationalsozialismus ein Soldat „… und die Jungen sollen ‘zu stahlharten soldatischen Männern heranwachsen’“ (Führerdienst Niedersachsen 1944, S.13, zitiert nach Schreckenberg 2001, S.17f.). Der Soldat wird hier sozusagen zum Idealbild des deutschen Mannes und steht für Härte, Treue, Opferwilligkeit und Verschwiegenheit (vgl. Giesecke 1999, S.25). Dabei repräsentiert der Soldat das optimale Glied des Volkes und ist ein Typus ohne jegliche Individualität – letztendlich genau das, was Hitler wollte, nämlich keine individuellen Zöglinge, sondern eine breite Masse, die dem Idealtypus entspricht. Der Einzelne soll sich dieser Masse unterordnen und nicht davon abweichen, worin sich erneut der Leitgedanke „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ widerspiegelt. Analog hierzu findet man beim Mädchen „…den Typus der ‘kommenden Mutter’…“ (Schreckenberg 2001, S.17). Die ideale deutsche Frau sollte nicht als gleichberechtigte Partnerin des Mannes angesehen werden, sondern hatte nach Hitlers Idealvorstellung nur die eine biologische Aufgabe, wieder Männer zur Welt zu bringen, wodurch sich eine starke Missachtung der Würde der Frau darstellt (vgl. Offermanns 2004, S.112). Wie stark sich dieses ideologische Idealbild der Frau verbreitete, zeigt sich auch am „Bund Deutscher Mädel“ (BDM), in welchem Mädchen von 10 bis 18 Jahren organisiert waren. „Im Volksmund erhielt der BDM … dann auch höhnische Beinamen wie ‘Bald deutsche Mutter’ oder ‘Bedarfsartikel deutscher Männer’“ (vgl. Grube/Richter 1982, S.116, zitiert nach Offermanns 2004, S.112). In Hitlers Erziehungstheorie soll der weibliche Zögling in Würde verachtender Weise, also nur dahin erzogen werden, als kommende Mutter für den Fortbestand des deutschen Volkes zu sorgen.

Der letzte wichtige Punkt, den das Erziehungskonzept Hitlers beinhaltet, bezieht sich darauf, dass innerhalb des deutschen Volkes alle – natürlich nur die, die auch rassistisch als Deutsche angesehen werden – gleich sind. Jeder Deutsche, egal welchen Standes und welcher sozialen Schicht er angehört, soll dieselbe Erziehung und Bildung erfahren. Jedem deutschen Zögling, ob Bauern- oder Beamtenkind, soll es somit ermöglicht werden, die gleichen Chancen und Möglichkeiten als wichtiges Glied des Volkes wahrzunehmen und später dem jeweiligen Idealtypus zu entsprechen. Hitler spricht damit allen Deutschen die nötige Begabung zu, solange sie nur die gleiche Erziehung und Bildung erhalten, steht ihnen für eine erfolgreiche NS-Karriere nichts im Wege.

„Ein Bauernjunge kann weit mehr Talente besitzen als das Kind von Eltern aus einer seit vielen Generationen gehobenen Lebensstellung, wenn er auch im allgemeinen Wissen dem Bürgerkind nachsteht. Dessen größeres Wissen hat aber an sich mit größerem oder geringerem Talent gar nichts zu tun, sondern wurzelt in der wesentlich größeren Fülle von Eindrücken, die das Kind infolge seiner vielseitigeren Erziehung und reicheren Lebensumgebung ununterbrochen erhält. Würde der talentierte Bauernknabe von klein auf ebenfalls in solcher Umgebung herangewachsen sein, so wäre seine geistige Leistungsfähigkeit eine ganz andere“ (Hitler 1936, S.477, zitiert nach Giesecke 1999, S.22).

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Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783640865871
ISBN (Paperback)
9783640866069
DOI
10.3239/9783640865871
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2011 (März)
Note
1,0
Schlagworte
Pädagogik Nationalsozialismus Pädagogische Beziehung NS Bedeutung Erziehung
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Titel: Die Bedeutung der pädagogischen Beziehung im Nationalsozialismus