Kirchenraumpädagogik
Ein Lern- und Begegnungsort
Zusammenfassung
Für viele Menschen ist die Kirche ein befremdlicher Ort und was in den heiligen Räumlichkeiten geschieht bleibt daher ebenfalls fremd. Vor allem sind die Jugendlichen kaum mit der Kirche als Ort und somit der christlichen Religion vertraut. Ihnen fehlt es wie so häufig an Kenntnissen und Erfahrung.
Aufgrund der heterogenen, multikulturellen Gesellschaft in Deutschland ist es daher ganz besonders erforderlich die jungen Schüler an kulturelle Kontexte der Weltreligionen heranzuführen, um ihnen diese verständlich, greifbar und zugänglich zu machen.
Die Kirchenraumpädagogik soll daher eine Brücke zu den Jugendlichen und der Kirche herstellen. Sie ermöglicht einen interessanten Zugang zu etwas Neuem und Unbekanntem. Dies wird erreicht durch unterschiedliche Herangehensweisen, die methodisch und didaktisch aufgearbeitet werden können. Es geht dabei nicht ums Bekehren.
Vielmehr geht es um das Verstehen und das Kennenlernen, um eine Erfahrung die durch alle Sinne gemacht und aufgenommen werden kann. Kirchenraumpädagogik ermöglicht es den Schülern sich zu orientieren und sich heranzutasten an das Unbekannte. Wichtig ist dabei eine offene innere Einstellung und Haltung, um die Aura der Kirche als einen besonderen Raum wahrzunehmen und zu spüren. ..........
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Kirchenraumpädagogik oder Kirchenpädagogik?
2.2 Die Kirche als ein besonderer Raum
2.3 Entstehungshintergrund der Kirchenraumpädagogik – Ein kurzer Einblick
2.4 Ziele der Kirchenraumpädagogik
3 Durchführungsphasen der Kirchenraumpädagogik – Eine didaktisch- methodische H Herangehensweise
3.1 Organisatorische Vorüberlegungen
3.2 Phase der Eröffnung und der Annährung
3.2.1 Phase des Verweilens und des Entdeckens
3.2.2 Phase der Verdichtung und der Vertiefung
3.2.3 Phase der Rückkehr und der Ablösung
3.3 Systematisierende Leitschritte der vier Phasen
3.4 Mögliche Unterrichtsziele
3.5 Auswahl der Methoden und Sozialformen
3.6 Lebensbezug als Schlüssel zur Interessenweckung
4 Fazit
5 Literatur- und Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Für viele Menschen ist die Kirche ein befremdlicher Ort und was in den heiligen Räumlichkeiten geschieht bleibt daher ebenfalls fremd. Vor allem sind die Jugendlichen kaum mit der Kirche als Ort und somit der christlichen Religion vertraut. Ihnen fehlt es wie so häufig an Kenntnissen und Erfahrung.
Aufgrund der heterogenen, multikulturellen Gesellschaft in Deutschland ist es daher ganz besonders erforderlich die jungen Schüler an kulturelle Kontexte der Weltreligionen heranzuführen, um ihnen diese verständlich, greifbar und zugänglich zu machen.
Die Kirchenraumpädagogik soll daher eine Brücke zu den Jugendlichen und der Kirche herstellen. Sie ermöglicht einen interessanten Zugang zu etwas Neuem und Unbekanntem. Dies wird erreicht durch unterschiedliche Herangehensweisen, die methodisch und didaktisch aufgearbeitet werden können. Es geht dabei nicht ums Bekehren.
Vielmehr geht es um das Verstehen und das Kennenlernen, um eine Erfahrung die durch alle Sinne gemacht und aufgenommen werden kann. Kirchenraumpädagogik ermöglicht es den Schülern sich zu orientieren und sich heranzutasten an das Unbekannte. Wichtig ist dabei eine offene innere Einstellung und Haltung, um die Aura der Kirche als einen besonderen Raum wahrzunehmen und zu spüren.
Geschichtliche und Traditionen haben Spuren beispielsweise im Bauwerk selbst, in der Kunst oder in der Musik hinterlassen. Diese Spuren können von Schülern gemeinsam oder einzeln entdeckt werden. Dabei wird der Kirchenraum zu einem Ort des Erlebens in dem über die übliche Form des Unterrichts hinausgegangen wird. Den Schülern wird eine neue und verlockende Lernchance angeboten denn „Kirchenraumpädagogik nimmt Elemente von Liturgie und Feier (Stille, Klänge, Rufe, Gesänge, Texte, etc.) auf und ermöglicht Jugendlichen, Handlungsformen des Glaubens (beten, schweigen, singen, segnen etc.) auszuprobieren und auf ihre Tragfähigkeit für sie selbst zu überprüfen.“[1]
Zunächst wird in folgenden Abschnitten die Kirchenraumpädagogik aus einer theoretischen Position betrachtet. Als erstes erfolgt eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten der Kirchenraumpädagogik und der Kirchenpädagogik zueinander. Im weiteren Verlauf werden die Fragen nach der Herkunft der Kirchenraumpädagogik geklärt, wobei der Verfasser dabei auf die Stellung der Kirche als ein besonderer „Raum“ eingehen wird. Des Weiteren werden die Ziele der Kirchenraumpädagogik vorgestellt, bevor es zur didaktisch- methodischen Aufbereitung der einzelnen Phasen der Kirchenraumpädagogik kommt.
Bevor die Phasen durch Beispiele dargestellt werden, sollen die organisatorischen Vorüberlegungen für die Umsetzung der einzelnen Phasen in Vordergrund treten. Im nachfolgenden Abschnitt werden die einzelnen Phasen unter der Betrachtung von bestimmten Leitschritten beleuchtet, um unter dieser Berücksichtigung mögliche Unterrichtsziele ableiten zu können.
Angesprochen werden in den nächsten Abschnitten die Methoden und Sozialformen, die in der Kirchenraumpädagogik Verwendung finden sowie die Wichtigkeit des Lebensbezugs als eine Lernvoraussetzung für die Schüler.
Zuletzt folgt im Abschnitt 5 das Fazit, in dem der Verfasser sich zur Kirchenraumpädagogik positioniert und persönliche Anregungen und Vorschläge bereitstellt, um die Kirchenraumpädagogik im Kontext der Schule praktischer auszubauen.
Der Verfasser stützt sich überwiegend auf die Literatur von Katja Boehme: Kirchenräume erschließen, Sigrid Glockzin-Bever: Was der Kirchenraum lehrt und auf Internetquellen die im Quellen- und Literaturverzeichnis angegeben sind.
Zuletzt muss der Verfasser anmerken, dass er bei der Ansprache der Schülerinnen und Schüler auf die männliche Form zurückgreift, jedoch wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verfasser sich auch an die weiblichen Leser richtet.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Kirchenraumpädagogik oder Kirchenpädagogik?
In der Literatur finden sich häufig eine synonyme Verwendung der Begriffe Kirchenraumpädagogik und Kirchenpädagogik. Der Begriff der Kirchenraumpädagogik wird oft auf den Begriff der Kirchenpädagogik verkürzt, findet jedoch im gleichen Kontext an Verwendung und an Bedeutung.
Der Verfasser bevorzugt jedoch den Begriff der Kirchenraumpädagogik, da der Begriff der Kirchenpädagogik zu stark abstrahiert werden kann. Unter Kirchenpädagogik kann sowohl die Kirche als architektonisches Gebäude als auch Kirche als Gemeinschaft der Christen verstanden werden. Um daher Missverständnissen zu umgehen wird nachfolgend von Kirchenraumpädagogik gesprochen.
2.2 Die Kirche als ein besonderer Raum
Die Menschen haben schon immer Lebensräume erschlossen und haben diese nach ihren Bedürfnissen ausgestaltet. Seit der Globalisierung und der immer mehr wachsenden Industrialisierung und Mobilisierung sehnt sich der Mensch nach besonderen spirituellen Räumen, wo er mit sich im Einklang ist, sich auf sein Inneres besinnt und dem Alltag entfliehen kann.
Der Raum als solches steht daher nicht allein für die Kirche als architektonisches Bauwerk, sondern soll vielmehr die Möglichkeit bereitstellen, der Kirche im Sinne der christlichen Gemeinde und auch sich selbst nähern zu kommen.[2] „Der Raum wird als Zeichen für Erfahrungen wahrgenommen, die inneren Raum schaffen für Symbole der Transzendenz.“[3] Daher kann Kirche als Raum von Begegnungen, als Raum der Geschichte oder als Raum der Kunst und der Musik betrachtet werden.[4]
Jeder kann daher selbst entscheiden, welchen Raum er für sich entdecken möchte oder auf sich einwirken lassen möchte. Das erfordert jedoch auch eine innere Einstellung, die es ermöglicht sich den unterschiedlichen Räumen zu öffnen.
2.3 Entstehungshintergrund der Kirchenraumpädagogik – Ein kurzer Einblick
Erste Ansätze der Kirchenraumpädagogik sind seit den 80er Jahren bekannt und wurden aus den Erfahrungen in der Museumspädagogik und der Religionspädagogik entwickelt.[5] Entstanden ist Kirchenraumpädagogik aus der Intention die Menschen aus ihrer „spirituellen Armut“[6] der industriellen und modernen Gesellschaft herauszuführen.
Vor allem sollten die Jugendlichen als die nächste Generation die christlichen Werte, Rituale und Symbole vermittelt bekommen.
Der Begriff der Kirchenpädagogik selbst wurde 1991 auf der ersten Jahrestagung des bundesweiten kirchenpädagogischen Arbeitskreises eingeführt und 2001 gründete sich aus dem Arbeitskreis der Bundesverband Kirchenpädagogik.[7]
2.4 Ziele der Kirchenraumpädagogik
Der Bundesverband der Kirchenpädagogik formuliert in Thesen folgende acht Ziele die mit der Kirchenraumpädagogik einhergehen: Das Erschließen der Kirchenräume bringt „Mensch und Kirchenraum in Beziehung“[8] zueinander und ermöglicht „raum- und erfahrungsbezogenes Arbeiten“.[9] Es werden dabei „Zugänge zu religiösen Erfahrungen“[10] eröffnet und das „a[!]rbeiten in methodischer Vielfalt.“[11] Die Kirchenraumpädagogik „braucht Zeit, wirkt nach außen [und, d. Verf.] (…) nach innen [und, d. Verf.] ist eine langfristige Investition in die kommende Generation.“[12]
Näher erläutert bedeutet dies, dass die Architektur und Ausgestaltung der Kirchenräume die christlichen Traditionen bewahren und an die Vorerfahrungen und Empfindungen der Schüler anknüpfen. Somit sind „Kirchenräume (…) Ort, Gegenstand und Medium der Kirchenpädagogik.“[13] Sie sollen von den Schülern mit allen Sinnen erlebt werden.
Dabei werden unterschiedliche Übungen ausgearbeitet, um den Kirchenraum „im Durchschreiten, Ertasten, Empfinden“[14] zu erkunden und zu spüren.
Vor allem kann die ganz besondere Atmosphäre und Aura der Kirchenräume die Pforten zu „verschütteten religiösen Erfahrungen und Sehnsüchten“[15] wecken. Um diese Wirkung zu erzielen werden „ästhetische, (…) körperbezogene, musikalische und meditative (…) Methoden“[16] aufgegriffen. Beachtet werden bei der Auswahl der Methoden die Bedingungsanalyse sowie die inneren und äußeren Rahmenbedingungen, um der Zielgruppe gerecht werden zu können.
Dabei bedarf es an „einer Verlangsamung, um Wahrnehmungsprozessen Raum zu geben“[17], um dem Alltag entfliehen zu können.
Die Inhalte der Kirchenraumpädagogik können fächerübergreifend eingesetzt werden, denn diese knüpfen an „Geschichts-, Sachkunde-, Kunst-, Politik-, Latein- und Musikunterricht“[18] an.
Die Schulen haben die Möglichkeit den Unterricht an einen außerschulischen Lernort zu verlagern, um Impulse aus allen Bereichen ineinander einfließen zu lassen.
3 Durchführungsphasen der Kirchenraumpädagogik – Eine didaktisch- methodische Herangehensweise
Der Kirchenraum ist ein sakraler Raum und sollte mit den Schülern unter dem Gesichtspunkt einer bestimmten Intention betreten werden. Erforderlich ist daher eine gründliche Planung und Vorbereitung. Jeder Schritt sollte im Voraus didaktisch und methodisch aufgearbeitet und überlegt werden, um die gewünschte Wirkung bei den Schülern zu erzielen.
Ein spannender und motivierender Zugang ist daher gleich zu Beginn erforderlich, um keinen Eindruck eines normalen Klassenausfluges zu vermitteln, sondern den Eindruck einer spannenden Entdeckungsreise. Schon der Weg zur Kirche sollte keinem Zufall überlassen werden, denn meistens verbergen sich auch auf dem Weg zum Kircheneingang geschichtliche und religiöse Symbole, die nur darauf warten entdeckt zu werden. Diese werden im Alltag häufig übersehen und sind daher einem nicht bewusst.
Es ist wichtig, dass die Kirchenraumpädagogik nicht mit einer Kirchenführung verwechselt wird. Aus diesem Grund werden in der Kirchenraumpädagogik vier Phasen der Durchführung unterschieden, die ineinander fließend übergehen.
Welche Phasen die Kirchenraumpädagogik bereitstellt, um einen systematisierten Zugang zu den Kirchenräumen herzustellen und zu ermöglichen sollen daher in den nachfolgenden Abschnitten an Beispielen dargestellt werden.
3.1 Organisatorische Vorüberlegungen
Bevor die vier Phasen erläutert werden muss zuerst auf die organisatorischen Rahmenbedingungen eingegangen werden, da diese für die Umsetzung der vier Phasen voraussetzend sind.
Vor dem Kirchenbesuch mit der Klasse müssen organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Somit sind vor dem Kirchenbesuch die Wetterlage und auch die Jahreszeit zu berücksichtigen. Im Regen wäre es sehr ungünstig die Schüler die Kirche von außen entdecken zu lassen.
Aufgrund des längeren Aufenthalts in der Kirche ist die Berücksichtigung der baulichen Mindestanforderungen im Winter sehr wichtig. Eine funktionierende Heizung und funktionierende Sanitäranlagen sind daher ein Muss, denn häufig frieren die Rohre in sehr alten Kirchen zu, wenn denn diese überhaupt da sind.
Ebenfalls wäre es sinnvoll sich zu erkundigen, zu welcher Tageszeit ein schöner Lichteifall gegeben ist.[19] Daher ist eine Kontaktaufnahme mit einem Vertreter der jeweiligen Kirche sehr ratsam um Vorsorge zu treffen und auch inhaltliche Informationen falls diese nicht bekannt sind zusammenzutragen.
Am Ende könnte der Vertreter der Kirche zu einer gemeinsamen Reflexion und Gespräch zur Verfügung stehen, um den Schülern die Möglichkeit zu geben Fragen zu stellen und sich auszutauschen.
Um Beschädigungen bei Wertgegenständen zu verhindern müssen z.B. Untersetzer für Kerzen organisiert werden oder Tischdecken. Das alles erfordert wie bereits erwähnt Absprachen, denn eventuell hat die Kirche solche Gegenstände schon vor Ort.
Der große Schwerpunkt bei der selbstständigen Kirchenerkundung ist es zu gewährleisten, dass die Schüler möglichst alle ihre Sinne benutzen. Somit ist eine gute Ausrüstung wichtig.
Es müssen Taschenlampen vorhanden sein, damit die Schüler in dunklen Ecken Verborgenes ausleuchten können. Kerzen oder Laternen wären dazu eine Alternative.
[...]
[1] Hinderer, o. J., S. 27.
[2] Vgl. Boehme, in: Rendle, 2007, S. 230.
[3] Glockzin-Bever, o. J., S. 14.
[4] Vgl. Glockzin-Bever, o. J., S. 16f.
[5] Vgl. Boehme, in: Rendle, 2007, S. 230f.
[6] Boehme, in: Rendle, 2007, S. 230f.
[7] Vgl. Boehme, in: Rendle, 2007, S. 231.
[8] Bundesverband Kirchenpädagogik e. V. Online im WWW unter URL: http://www.bvkirchenpaedagogik.de/ [Letzter Zugriff: 15.03.2011].
[9] Ebenda.
[10] Ebenda.
[11] Ebenda.
[12] Ebenda.
[13] Ebenda.
[14] Ebenda.
[15] Bundesverband Kirchenpädagogik e. V. Online im WWW unter URL: http://www.bvkirchenpaedagogik.de/ [Letzter Zugriff: 15.03.2011].
[16] Ebenda.
[17] Ebenda.
[18] Ebenda.
[19] Vgl. Boehme, in: Rendle, 2007, S. 236.