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Atomisierung oder Basisdemokratie

Das Web 2.0 als Heilsbringer politischer Partizipation in Deutschland?

©2009 Hausarbeit (Hauptseminar) 22 Seiten

Zusammenfassung

In Zeiten politischer Grabenkämpfe um die „Mitte“ der Gesellschaft, deren Gunst die beiden großen Volksparteien durch politische Annäherung an die Wählerschichten der jeweils anderen zu erreichen versuchen lässt sich eine zunehmende Loslösung von ideologischen Fundamenten sowie die Tendenz zur Besetzung politischer Themen aus rein wahltaktischen Beweggründen beobachten. Ein solches System der rationalen, Stimmen-maximierenden Parteien zeigt dabei Parallelen zur Demokratietheorie Anthony Downs’. Dabei weist im Speziellen dessen „paradox of voting“ unter Annahme einer ebensolchen Kosten/Nutzen-Abwägung seitens der Bürger auf eine zu erwartende Wahlbeteiligung von null Prozent hin. Praktisch ist selbige in der Bundesrepublik seit den 70er Jahren rückläufig und erreichte bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag im Jahr 2005 mit 77,7% ihren historischen Tiefststand. Zur Beseitigung des sich hieraus ergebenden, für einen Verfassungsstaat dessen Selbstverständnis nach nicht tragbaren Legitimationsdefizits ist man sich dabei über Parteigrenzen hinweg einig und postuliert die Förderung politischer Partizipation breiter Gesellschaftsschichten. Zu beachten ist dabei, dass ebendieses Konzept weit über die Ausübung des aktiven Stimmrechts hinausgeht und sich dabei in beispielsweise „autonomen“ Kreisen sogar im bewussten Fernbleiben vom Wahllokal äußern kann. Vielmehr stehen dabei engere Einbindung der Bürger in den politischen Prozess sowie die Stärkung von Bürgerinitiativen im Fokus.

Die vorliegende Arbeit soll dabei die Rolle des Internets, insbesondere des Phänomens „Web 2.0“, als möglichen Katalysator politischer Partizipation in Deutschland examinieren. Hierzu sollen zunächst anhand verschiedener Theorien die Möglichkeiten digitaler Partizipation, gleichzeitig aber auch die Gefahr eines gesamtgesellschaftlichen Bruchs zwischen „On- und Offlinern“ (Digital Divide) aufgezeigt werden. In einem dann zweiten Schritt solle der digitale status quo der Bundesrepublik anhand empirischer Studien überprüft werden, um im Folgenden zu einer wirklichkeitsgetreuen Beurteilung des Partizipation-fördernden Charakters des Mediums Internet zu gelangen.

Leseprobe

Gliederung

1. Einleitung

2. Theoretischer Zugang
2.1. Politische Partizipation
2.2. DasWeb2.0
2.3. E-Democracy, E-Government & Digitale Demokratie
2.4. Net-Empowerment & Reinforcementthese
2.5. Theorie des Digital Divide

3. Empirische Untersuchung
3.1 Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2008
3.1.1. Methodik
3.1.2. Studienergebnisse
3.2. Emmer, Seifert&Vowe 2006

4. Fazit

5. Bibliographie

1. Einleitung

In Zeiten politischer Grabenkampfe um die der Gesellschaft, deren

Gunst die beiden großen Volksparteien durch politische Annaherung an die Wahlerschichten der jeweils anderen zu erreichen versuchen lasst sich eine zunehmende Loslosung von ideologischen Fundamenten sowie die Tendenz zur Besetzung politischer Themen aus rein wahltaktischen Beweggrunden beobachten. Ein solches System der rationalen, Stimmen-maximierenden Parteien zeigt dabei Parallelen zur Demokratietheorie Anthony Downs'. Da- bei weist im Speziellen dessen „paradox of voting" unter Annahme einer ebensolchen Kosten/Nutzen-Abwagung seitens der Burger auf eine zu er- wartende Wahlbeteiligung von null Prozent hin. Praktisch ist selbige in der Bundesrepublik seit den 70er Jahren rucklaufig und erreichte bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag im Jahr 2005 mit 77,7% ihren historischen Tiefststand. Zur Beseitigung des sich hieraus ergebenden, fur einen Verfas- sungsstaat dessen Selbstverstandnis nach nicht tragbaren Legitimationsde- fizits ist man sich dabei uber Parteigrenzen hinweg einig und postuliert die Forderung politischer Partizipation breiter Gesellschaftsschichten. Zu be- achten ist dabei, dass ebendieses Konzept weit uber die Ausubung des akti- ven Stimmrechts hinausgeht und sich dabei in beispielsweise „autonomen“ Kreisen sogar im bewussten Fernbleiben vom Wahllokal außern kann. Viel- mehr stehen dabei engere Einbindung der Burger in den politischen Prozess sowie die Starkungvon Burgerinitiativen im Fokus.

Die vorliegende Arbeit soll dabei die Rolle des Internets, insbesondere des Phanomens „Web 2.0", als moglichen Katalysator politischer Partizipation in Deutschland examinieren. Hierzu sollen zunachst anhand verschiedener Theorien die Moglichkeiten digitaler Partizipation, gleichzeitig aber auch die Gefahr eines gesamtgesellschaftlichen Bruchs zwischen „0n- und Offlinernß (Digital Divide) aufgezeigt werden. In einem dann zweiten Schritt solle der digitale status quo der Bundesrepublik anhand empirischer Studien uber- pruft werden, um im Folgenden zu einer wirklichkeitsgetreuen Beurteilung des Partizipation-fordernden Charakters des Mediums Internet zu gelangen.

2. Theoretischer Zugang

Im folgenden Abschnitt soll zunachst eine kurze Einfuhrung in den Begriff der politischen Partizipation sowie eine Fixierung des Web 2.0 erfolgen. Im Anschluss sollen drei verschiedene Konzepte der Ausgestaltung elektroni- scher Burgerbeteiligung (E-Democracy, E-Government & Digitale Demokra- tie) vorgestellt sowie drei Thesen zum Einfluss des Internets erlautert wer¬den.

2.1. Politische Partizipation

Wie schon zuvor erwahnt ist die Teilnahme an Wahlen lediglich ein Phano- typ politischer Partizipation, da diese nur in Abstanden von meist mehreren Jahren punktuell den Willen des Volkes abbilden, wohingegen das demokra- tische Prinzip das kontinuierliche Mitwirken des Souverans am politischen Prozess verlangt. Zu diesem Zwecke ist die Einrichtung eines Reprasentativ- systems keineswegs ausreichend sondern bedarf selbst der stetigen Partizi¬pation und Kontrolle durch den Burger, da dieser auch durch die Bestellung von Vertretern nie die eigene Souveranitat zu veraußern vermag.

Eine mogliche Definition des Begriffs der Partizipation liefert Birch:

„Political participation is participation in the process of governmenet, and the ca¬se for political participation is essentially a case for substantial numbers of priva¬te citizens (as distinct from public officials or elected politicans) to play a part in the prrocess by which political leaders are chosen and/ or government policies are shaped and implemented.ß

-Anthony H. Birch

Zu beachten ist, dass die berufliche Beteiligung Politikern wie Verwal- tungsmitgliedern nicht als Partizipation im eigentlichen Sinne zu verstehen ist.

Die beiden logistischen, die Partizipation am politischen Prozess beschran- kenden Faktoren sind Zeit und Raum. Beide sind dem Charakter des menschlichen Lebens nach knappe Guter und stehen in nur begrenztem Ma- fte zur Verfugung, weshalb ihr Einsatz sich an subjektiven Praferenzen ori- entiert. So lieft sich schon zu Zeiten der attischen Demokratie beobachten, dass trotz 40.000 bis 50.000 Berechtigter im Schnitt nur rund 6.000 Burger den Sitzungen der Ekklesia, dem obersten Souveran Athens beiwohnten . In Ermangelung von Hinweisen, die auf ein mit Gewalt erzwungenes Fernblei- ben bzw. Nicht-Parizipieren der ubrigen Burger hindeuten ist auch heute noch davon auszugehen, dass es v.A. die primar verfolgte Befriedigung an- derer grundlegender, sich aus individuellen Personlichkeitsstrukturen ge- nerierende Bedurfnisse ist, welche dafur sorgt, dass die Grenzkosten der Partizipation (Zeit & Uberwindung des Raums in Relation zum erwarteten Einflussgewinn) entscheidender Faktor der individuellen Mitwirkungsbe- reitschaft sind. Auf dieser Basis ergibt sich unter der Pramisse eines fixen Aufwands nicht-partizipatorischer Aktivitaten der logische Schluss, dass po- litische Mitwirkungsbereitschaft auf zwei Weisen gesteigert werden kann:

- Senkung des zeitlichen / raumlichen Aufwands zur Partizipation
- Starkung des Bewusstseins, effektiver, teleologisch partizipieren zu konnen

In dieser Arbeit soil dabei geklart werden, inwiefern die technischen Neue- rungen des Internets durch Senkung der Grenzkosten der Partizipation zu einer effektiven Steigerung basisdemokratischer Partizipation in Deutsch¬land gefuhrt haben.

2.2. Das Web 2.0

Der Begriff des Web 2.0 wurde erstmal im Winter 2003 einer breiten Offent- lichkeit publik gemacht, als die US-amerikanische IT-Fachzeitschrift CIO Magazin in ihrer Dezemberausgabe („Fast Forward 2010 - The Fate of IT) einen Artikel Eric Knorrs veroffentlichte, in dem dieser auf die zunehmende Tendenz zum Outsourcing von Inhalten hinwies:

„But for new integration projects, Web services is already becoming one of the first solutions IT considers. And that acceptance dovetails nicely with boundless enthu¬siasm for outsircing, which increasingly uses Web services as ist modus operandi. This is nothing less than the start of [...] Web 2.0, where the Web becomes a univer¬sal, standards-based integration platform.

-Eric Knorr

Bei den von Knorr genannten Web Services handelt es sich um (meist ko- stenlos) im Internet angebotene Dienstleistungen, die es dem User anhand eines standardisierten Protokolls ermoglichen, zum Einen Informationen abzurufen, gleichzeitig aber auch eigene Inhalte im Rahmen einer standardi- sierten Online-Plattform bereit zu stellen. Die sich daraus konstituierende Dynamik des Angebots eines Dienstes zeichnet sich dadurch aus, dass ein immenser Teil des Inhalts nicht mehr vom Eigentumer oder Webmaster aufbereitet und zur Verfugung gestellt sondern in die Hande privater Nutzer ausgelagert wird (Stichwort: user-generated content). Der grundlegende Unterschied zum bisherigen (spater Web 1.0 getauften), in Relation stati- scherem Internet besteht in der Auflosung der Trennung zwischen Anbie- tern und Konsumenten von Informationen und einem damit verbundenen Aufbrechen hierarchischen Strukturen. Anzumerken ist, dass das Web 2.0 sich dabei keineswegs neuen Technologien bedient sondern vielmehr be- reits bestehende Moglichkeiten der individuellen Partizipation in standardi- sierter Form bundelt und auf einer zentralen Plattform mit deutlich verein- fachtem Zugang anbietet. So war es privaten Nutzern schon Mitte der 90er Jahre ohne großen Aufwand moglich, das Netz mit eigenen Inhalten zu fuh- len, erforderte hierfur jedoch grundlegende Einsicht in die Technologie und Struktur des Internets, wie beispielsweise HTML, FTP, TCP/IP oder Domain- registrierung. Im Rahmen des Web 2.0 reduzieren sich die technischen An- forderungen an den Nutzer meist auf einen simplen, in das Plattformange- bot eingebauten Upload-Vorgang, wahrend die technische Integration durch den Web Service erfolgt.

Die konzeptuelle Umsetzung kann dabei in verschiedener Form erfolgen. Eine umfassende, jedoch nicht abschließende Aufzahlung der wichtigsten Dienstleistungen umfasst dabei:

- Blogs (z.B. wordpress.com, blogger.com)
- Videoportale (youtube.com, myvideo.de)
- Soziale Netzwerke (facebook.com, twitter.com)
- Podcast Netzwerke (iTunes, podcast.com)
- Wiki Datenbanken (Wikipedia.com, WikiAnswers.com)

Auch Konzepte wie Newsgroups (allen Voran das Usenet) oder Foren sind dem Wesen nach dem Web 2.0 zuzurechnen, erlebten ihre Etablierung im Netz jedoch schon in den Anfangen des Internets. Gleichzeitig finden sich seit Mitte der 90er Jahre schon Wikis im Netz und auch Blogs sind ihrem Erscheinungsbild nach in ihrem Layout standardisierte Homepages.

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Details

Seiten
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783640885800
ISBN (Paperback)
9783640885411
DOI
10.3239/9783640885800
Dateigröße
695 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau – Lehrstuhl für Polititkwissenschaft
Erscheinungsdatum
2011 (April)
Note
1,0
Schlagworte
Deutschland Internet Partizipation Web 2.0 Web2.0 Online Basisdemokratie Politische Partizipation Blogs
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Titel: Atomisierung oder Basisdemokratie