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Lobbyismus in den USA und der Bundesrepublik Deutschland

Eine vergleichende Darstellung

©2010 Hausarbeit 24 Seiten

Zusammenfassung

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es in der Bundesrepublik Deutschland eine Entwicklung in Richtung einer sich immer stärker spezialisierenden Gesellschaft, eine Art „Individualisierung“. Dies spiegelt sich auch in einer Pluralisierung der gesellschaftlichen Interessen wieder. Der Staat muss diesbezüglich regulierend eingreifen und stößt in immer mehr Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft mit regulatorischen Aktivitäten vor.1 Auf Grund der Vielfalt der Interessen ist es von immenser Bedeutung, dass diese durch eine Art Transformationsstadion, welches die Interessen sammelt und aggregiert, an die politischen Akteure übermittelt werden. Diese Aufgaben liegen in der Hand der Interessenvertretungen und Verbände.
Ziel dieser Arbeit ist es in vergleichender Weise den Lobbyismus in der Bundesrepublik Deutschland und den USA in seinen wichtigsten Aspekten vorzustellen. Zunächst wird im folgenden Abschnitt die Entwicklung des Lobbyismus und seiner (teilweise traditionellen, zumindest in Deutschland) Basis, den Verbänden, eingegangen um im Anschluss das methodische Vorgehen der Lobbyisten sowie deren Adressaten in Abschnitt 2 vorzustellen. Der darauf folgende Teil widmet sich den vorhandenen Regulations- und Kontrollrahmen, sowie der rechtlichen Eingliederung in das jeweilige politische System. Der Abschnitt 4 legt den Fokus auf die Akzeptanz des Lobbyismus in der Öffentlichkeit. In den verschiedenen Abschnitten werden jeweils beide Länder betrachtet. Die sich dabei herauskristallisierenden wesentlichen Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten werden zum Abschluss dieser Arbeit nochmals zusammenfassend abgebildet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Lobbyismus in den USA und Deutschland
1.1 Entwicklung des Verbandswesens und des Lobbyismus
1.2 Methoden und Adressaten des Lobbyismus
1.3 Rechtliche Einbindung und der Regulations- bzw. Kontrollrahmen
1.4 Akzeptanz in der Gesellschaft

2 Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Länder

Literatur

Einleitung

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es in der Bundesrepublik Deutschland eine Entwicklung in Richtung einer sich immer stärker spezialisierenden Gesellschaft, eine Art „ Individualisierung “. Dies spiegelt sich auch in einer Pluralisierung der gesellschaftlichen Interessen wieder. Der Staat muss diesbezüglich regulierend eingreifen und stößt in immer mehr Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft mit regulatorischen Aktivitäten vor.[1] Auf Grund der Vielfalt der Interessen ist es von immenser Bedeutung, dass diese durch eine Art Transformationsstadion, welches die Interessen sammelt und aggregiert, an die politischen Akteure übermittelt werden. Diese Aufgaben liegen in der Hand der Interessenvertretungen und Verbände.[2]

Die Arbeit von Interessenorganisationen und Verbänden wird unter dem Begriff „Lobbyismus“ zusammengefasst. Ursprünglich stammt die Begrifflichkeit vom englischen Wort „Lobby“ ab und bezeichnet die Vorhalle des Parlamentes bis wohin Nichtmitglieder des Parlamentes Zugang hatten.[3] Grundsätzlich unterscheidet man Beschaffungs-Lobbyismus[4] und Gesetzes-Lobbyismus, wobei explizit letzteres eine starke Wirkung auf das politische System ausübt und sich daher im Folgenden auf diesen Typ beschränkt wird.[5] Allerdings sind es, wie sich zeigen wird, nicht nur Verbände und Interessengruppen, die in diesem Bereich tätig sind.

In der Literatur besteht eine Fülle an Definitionen des Begriffes Lobbyismus.[6] Er wird als „[…] die systematische und kontinuierliche Einflussnahme von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen oder auch kulturellen Interessen auf den politischen Entscheidungsprozess“ angesehen.[7] Da sich hinter diesem Begriff die Arbeit der Interessengruppen und Verbände verbirgt, ist es nicht verwunderlich, dass sich deren Definitionen sehr stark ähneln. Denn als Verbände werden „[…] Organisationen [angesehen], die Einfluss auf politische Entscheidungen suchen, um die Ziele des Verbandes (politische, wirtschaftliche oder soziale) durchzusetzen.“ [8] Allerdings wird aus diesen Definitionen nicht ersichtlich, dass auch von Seiten der Politik der Kontakt zu den Lobbyisten gesucht wird. In Anbetracht dessen kann man Lobbyismus als eine Art wechselseitige Tauschbeziehung zwischen Politik und Interessengruppen, in der in erster Linie die Informationsvermittlung und –übertragung im Vordergrund stehen, verstehen. In den letzten Jahren ist eine Pluralisierung der lobbyistischen Aktivitäten in Deutschland zu verzeichnen, begründet durch die wachsende Themengeschwindigkeit und einer massenmedial geprägten Gesellschaft, sowie allgemeinen strukturellen Unsicherheiten der politischen Institutionen, allerdings noch nicht in dem Umfang, wie es im „Heimatland“ des Lobbyismus, den USA, der Fall ist. Dennoch sind ähnliche Entwicklungen zu erkennen.[9]

Ziel dieser Arbeit ist es in vergleichender Weise den Lobbyismus in der Bundesrepublik Deutschland und den USA in seinen wichtigsten Aspekten vorzustellen. Zunächst wird im folgenden Abschnitt die Entwicklung des Lobbyismus und seiner (teilweise traditionellen, zumindest in Deutschland) Basis, den Verbänden, eingegangen um im Anschluss das methodische Vorgehen der Lobbyisten sowie deren Adressaten in Abschnitt 2 vorzustellen. Der darauf folgende Teil widmet sich den vorhandenen Regulations- und Kontrollrahmen, sowie der rechtlichen Eingliederung in das jeweilige politische System. Der Abschnitt 4 legt den Fokus auf die Akzeptanz des Lobbyismus in der Öffentlichkeit. In den verschiedenen Abschnitten werden jeweils beide Länder betrachtet. Die sich dabei herauskristallisierenden wesentlichen Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten werden zum Abschluss dieser Arbeit nochmals zusammenfassend abgebildet.

1 Lobbyismus in den USA und Deutschland

1.1 Entwicklung des Verbandswesens und des Lobbyismus

Die USA zählt als Mutterland des Lobbyismus und der (pluralistischen) Interessenorganisationen. Die Vielfalt in der amerikanischen Verbandslandschaft ist Ausdruck dieser Pionierstellung. Dabei hat sich dessen Entwicklung völlig anders als in Europa bzw. Deutschland vollzogen, denn im Gegensatz zu diesen gab es ganz andere historische und herrschaftsstrukturelle Voraussetzungen.[10]

In den USA wurden Staat und Gesellschaft schon immer als zwei nicht voneinander trennbaren Einheiten angesehen bzw. der Staat nicht als eine über allem stehende Macht verstanden. Somit bestand von Beginn an ein großer Anreiz des gesellschaftlichen Mitwirkens im politischen System. Zusätzlich unterstütze eine weitgehende Gewerbefreiheit, ein kapitalistisches Marktsystem und nur wenige staatliche Eingriffe die frühzeitige Etablierung eine große Zahl an Vereinigungen, um ähnliche Interessen oder individuelle Ziele zu verfolgen. Dadurch entwickelte sich bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts eine Verbandslandschaft, die sich durch eine regionale und dezentrale Struktur kennzeichnet. Schon die Anzahl und Vielfalt der Interessenverbände deuten den pluralistischen Charakter des amerikanischen Gemeinwesens an. Bezugnehmend auf die Encyclopedia of Associations ging man 2001 von rund 22.000 nationalen Interessenverbänden und –gruppen aus.[11] Diese starke Fragmentierung des amerikanischen Verbandswesens wird schließlich auch durch das präsidentielle Regierungssystem entscheidend geprägt.[12]

Ein Hauptmerkmal ist die ausgeprägte Konkurrenz zwischen den Organisationen um Mitglieder, welche die gleichen gesellschaftlichen Interessen vertreten. Spitzenverbände, wie sie in Deutschland bestehen, gibt es beinahe überhaupt nicht. Es gibt zwar Bundesverbände, aber diese sind keine übergeordneten Organisationen von Landes- oder Regionalverbänden, sondern eine eigene autonome Einheit.[13]

Um bei der Vielfalt der pluralistischen Erscheinungsformen einen Überblick zu behalten, empfiehlt sich eine Grobgliederung in ökonomisch orientierte Verbände und jenen ohne ökonomische Interessen. Zu den wirtschaftlich orientierten lassen sich Wirtschafts- und Unternehmensverbände, Gewerkschaften, Agrarorganisationen und Standes- und Berufsverbände zählen. Sie werden als „traditionelle“ Verbandsformen angesehen. Die Interessen der Unternehmen und Wirtschaft werden in sehr differenzierter Form verfolgt, beispielsweise über Bundesverbände (u.a. durch die National Association of Manufacturers), aber in der Regel haben alle Großunternehmen in der Hauptstadt eigene Büros oder lassen sich durch Anwaltskanzleien vertreten.[14] So ist festzustellen, dass „ die amerikanischen Unternehmen […] in der Regel eine untergeordnete, geradezu individualistische Interessenpolitik“ betreiben.[15]

Neue Typen, die kein ökonomisches, sondern nur öffentliches Interesse verfolgen sind u.a. die public interest groups, welche vermehrt seit den 60er Jahren entstanden. Diese vertreten häufig die als „[…] latent bezeichneten Interessen […] und [unterscheiden] sich dadurch von der Vertretung partikularer, in der Regel ökonomischer Interessen.“ [16] Sie werden auch als moderne Gemeinwohlgruppen verstanden, die starke Einflusschancen auf den politischen Entscheidungsprozess haben, begründet durch hohe Mitgliederzahlen, bessere Techniken der politischen Druckausübung und stärkerer Finanzkraft.[17]

Kombiniert wird diese schon sehr fragmentierte Struktur der Verbände durch eine Vielzahl an Lobbyisten, die freiberuflich das Interesse anderer vertreten, wodurch in den letzten Jahrzehnten eine Mischform aus verbandlichem und unternehmerischem Lobbyismus in Amerika entstanden ist, der kaum zu überschauen ist.[18]

In Deutschland hatte sich bereits sehr früh das gesellschaftliche Interesse in verbandsähnlichen Zusammenschlüssen gebündelt, bspw. in Form von Zünften und Gilden. Aber erst im Verlauf der Industrialisierung, ab der zweiten Hälfte des 19. Jh., entwickelte sich ein breites Spektrum an organisierten Interessenvertretungen. In den folgenden Jahrzehnten kam es zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Interessengruppen, die mit einer steigenden Verbindung zu politischen Parteien verbunden war und schließlich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ihren Höhepunkt fand. Nach dem Krieg wurde eine solch starke Verflechtung nie wieder erreicht.[19]

Auf Basis dessen hat sich in Deutschland im Vergleich zu den USA ein deutlich hierarchischeres Verbandswesen entwickelt. Es gibt eine klare Arbeitsteilung zwischen lokalen, regionalen und nationalen Verbänden.[20] Für einen besseren Überblick empfiehlt sich auch hier eine kurze Grobgliederung, wofür eine Typisierung nach Art der zu vertretenden Interessen die beste Basis darstellt: Man differenziert demnach in die Interessenorganisationen des Wirtschafts- und Arbeitsbereiches, die Verbände im sozialen Bereich, Freizeitvereinigungen sowie Ideelle Vereinigungen.[21] Die wirtschaftlichen Verbände sind die häufigste Verbandsform in Deutschland und werden wiederum in weitere Unterverbandstypen gegliedert, u.a. die Arbeitnehmerverbände, Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen oder Berufsverbände.[22] Unter dem Typus „Verbände im sozialen Bereich“ werden alle Organisationen die außerhalb der Arbeitswelt materielles Interesse vertreten. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese aber sehr instabil und haben nur eine kleine Mitgliederzahl. Die Freizeitvereinigungen haben hinsichtlich des Lobbyismus keine Bedeutung. Ideelle Vereinigungen haben ähnlich wie Freizeitvereinigungen nur partiell den Charakter einer Interessengruppe, u.a. die Religionsgemeinschaften, dessen Einfluss aber auf Grund schwindender Mitgliederzahlen immer weiter zurückgeht. Aber auch die Umweltverbände fallen in diese Typisierung, deren Einfluss in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen ist.[23]

In Deutschland ist ab Ende der 60er Jahre eine stetige Entwicklung weg vom klassischen Vertretungsmonopol der Verbände zu beobachten. Verbände gelten zwar als Prototypen der Interessenvertretung, allerdings besitzen sie keine Monopolstellung.[24] Der Lobbyismus hat sich ständig erweitert und neue Formen sind hinzugekommen. Dabei ist es äußerst schwierig die Lobbyaktivitäten in Deutschland zu beziffern, man geht schätzungsweise von 4.500 tätigen Interessenvertretern nur in Berlin aus. Die im deutschen Bundestag geführte „Lobby-Liste“ enthält ca. 1.900 verschiedene Verbände. Zu den neuen Formen zählen Anwaltskanzleien, klassische Unternehmensberatungen, neu entstandene Agenturen für „ Public Affairs “ und freie Berater, die eine Art kommerziellen Lobbyisten betreiben.[25] Das hat einerseits einen Machtverlust der klassischen Großverbände zur Folge, aber führt andererseits auch zu einer Pluralisierung im Lobby-Bereich. Dieser Bereich steckt im Vergleich zu den USA aber noch in den „Kinderschuhen“, wird aber in den nächsten Jahren immer weiter an Bedeutung gewinnen.[26]

Einer der neusten Trends sind die Interessenvertretungen einzelner Großunternehmen, welche durch eigene Büros in Berlin einen direkten Kontakt zur Regierungspolitik und den Ministerien pflegen. Die unternehmerischen Interessen werden immer individueller. Dieser Fakt wird durch die Verbände mit ihrer Pflicht und dem Zwang zur Vertretung der Interessen aller Mitglieder nicht mehr ausreichend gewährleistet. Im Gegensatz zu den Verbänden sind sie dadurch flexibler und arbeiten nicht selten deutlich effizienter, auch weil die teilweise langwierigen Verhandlungsrunden mit den Verbandsmitgliedern fehlen.[27]

Es zeichnet sich eine zunehmende Heterogenität der Interessendurchsetzung ab. Diese neuen Akteure und Lobbyformen machen die Lobbying-Landschaft unübersichtlicher, da gerade diese sich durch eine hohe Intransparenz ihrer Arbeit kennzeichnen.[28]

[...]


[1] Lösche (2007), S. 99

[2] Rudzio (2003), S. 71

[3] ebd., S. 90

[4] Wehrmann (2007), S. 38: Dieser Typ des Lobbyismus zielt auf die Beschaffung von öffentlichen Aufträgen und spielt, bezieht man es auf das Potential politischer Einflussnahmen, keine große Rolle. U.a. ist es vor allem im Bereich der Verteidigungsaufträge immer wieder zu finden.

[5] Wehrmann (2007), S. 38

[6] u.a. Kleinfeld et al. (2007), S. 10; Lösche (2007), S. 61

[7] Alemann / Eckert (2006), S. 4

[8] Oldopp (2005), S. 135

[9] Heinze (2009), S. 7f u. 10; Lösche (2007), S. 99

[10] Jäger / Welz (1995), S. 298; Lösche (2007), S. 93; Sebaldt (2007), S. 92

[11] Oldopp (2005), S. 135

[12] Jäger / Welz (1995), S. 297ff; Sebaldt (2007), S. 104

[13] Lösche (2007), S. 93; Sebaldt (2007), S. 101ff

[14] Jäger / Welz (1995), S. 300; Oldopp (2005), S. 136

[15] Hartmann (2000), S. 154 in: Oldopp (2005), S. 136

[16] Brinkmann (1984), S. 37 in: Jäger / Welz (1995), S. 303

[17] Jäger / Welz (1995), S. 299f u. 303; Oldopp (2005), S. 137f

[18] Sebaldt (2007), S. 102f

[19] Rudzio (2003), S. 69f

[20] Sebaldt (2007), S. 103

[21] Rudzio (2003), S. 74: Der Autor bezieht sich dabei im wesentliche auf eine Untergliederung nach Ellwein (1974), S. 470ff.

[22] Rudzio (2003), S. 74

[23] ebd., S. 78ff

[24] Alemann / Eckert (2006), S. 4f; Wehrmann (2007), S. 41

[25] Wehrmann (2007), S. 40 u. 42f

[26] Alemann / Eckert (2006), S. 4f; Heinze (2009), S. 10; Lösche (2007), S. 63f u. 65; Wehrmann (2007), S. 40 u. 42f

[27] Wehrmann (2007), S. 41

[28] Heinze (2009), S. 8

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783640886838
ISBN (Paperback)
9783640886647
DOI
10.3239/9783640886838
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – Institut für Anglistik und Amerikanistik
Erscheinungsdatum
2011 (April)
Note
1,3
Schlagworte
Verbände Lobbyismus Lobby Deutschland Bundesrepublik USA Darstellung Einflussnahme politisch Verbandswesen Typisierung Lobby-Liste Public Affairs Methoden Adressaten grassroots-Lobbying rechtliche Einbiindung Regulation Kontrolle Schattenwirtschaft
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Titel: Lobbyismus in den USA und der Bundesrepublik Deutschland