Positive Organizational Scholarship und Appreciative Inquiry
Change Management in Unternehmen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Veränderungen in Unternehmen ermöglichen
2.1 Traditionelle Organisationsentwicklung
2.2 Positive Organizational Scholarship
2.2.1 Der Forschungsansatz
2.2.2 Kritik
2.3 Wertschätzende Erkundung
2.3.1 Vorüberlegungen
2.3.2 Die Methode AI
2.3.3 Grundsätze der AI
2.3.4 Ablauf in der Praxis
2.3.5 Kritik
3 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Bei wachsender Umweltdynamik sind Unternehmen mehr denn je darauf angewiesen, flexibel einem permanenten Änderungs- und Effizienzdruck gerecht zu werden. Organisatorische Veränderungen sollten deshalb systematisch angestoßen, durchgeführt und abschlossen werden (Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 2010). Doch mit welchen Ansätzen und Methoden können Unternehmen verändert werden?
Da ich mich besonders für den stärkenorientierten Ansatz aus der modernen Organisationsentwicklung (OE) interessiere, greift diese Seminararbeit den Schwerpunkt auf. Durch meinen Beruf in der Karriereberatung bin ich bereits mit einer effektiven Methode für die individuelle Ebene in Berührung gekommen, der „Engpasskonzentrierten Strategie“ (EKS) zum Ausbau der persönlichen Stärken. Außerdem hatte ich bereits auf einer Abendveranstaltung von der Großgruppenmethode „Appreciative Inquiry“ (AI) gehört, mit der aufgrund der vorhandenen Stärken Veränderungen in Unternehmen vorangetrieben werden.
Im Folgenden setzt sich die Arbeit deshalb mit zwei Konzepten zur stärkenorientierten OE auseinander: dem Forschungsansatz zum Ausbau herausragender Zustände im Unternehmen, „Positive Organizational Scholarship“ (POS), sowie der Methode AI, auf Deutsch u.a. „wertschätzende Erkundung“ genannt.
Zum einen greift die Arbeit den häufigen Vergleich aus der Literatur zur traditionellen OE auf, damit die Vorteile der stärkenorientierten Ansätze deutlich werden.
Zum anderen werden jeweils die beiden Konzepte POS und AI beleuchtet, um sie mit Hilfe der verfügbaren Literatur kennen zu lernen. Dabei sollen kritische Aspekte sowie der Zusammenhang beider Ansätze sichtbar werden.
Ziel ist es, dass mit einer gewissen Basiskompetenz zeitgemäße Veränderungsprozesse gestaltet werden können – sowohl im eigenen Unternehmen, wie auch als externer Berater.
Verzichtet wird daher auf eine ausführlichere Darstellung, wie diese Beiträge theoretisch in die Organisationsforschung eingegliedert sind und sich in unterschiedlichen Organisationsdesigns verwirklichen lassen. Ferner werden keine Handlungsempfehlungen zu konkreten Einzelfällen aufgezeigt, um den begrenzten Rahmen dieser Arbeit einzuhalten.
Entsprechend gliedert sich die Arbeit in folgende Abschnitte:
Zu Beginn wird der Ablauf der traditionellen OE dargestellt, anschließend jeweils die Konzepte und Kritik von POS und AI. In der Schlussbetrachtung werden die vorhergehenden Erkenntnisse für künftige Anwendungen und Forschungen reflektiert sowie der Zusammenhang beider Ansätze festgestellt.
2. Veränderungen in Unternehmen ermöglichen
Im Folgenden werden unterschiedliche Ansätze der OE zur Veränderung in Unternehmen dargestellt: Nach dem traditionellen werden anschließend der moderne POS-Ansatz sowie die ebenfalls stärkenbasierte AI-Methode inklusive ihrer jeweiligen kritischen Aspekte beschrieben.
2.1 Traditionelle Organisationsentwicklung
Gemäß der traditionellen OE wird Organisation als Aufgabe betrachtet, Probleme zu lösen. Unternehmen streben deshalb stets einen „Normalzustand“ ohne Abweichungen an, damit Unsicherheiten vermieden werden. Die Abläufe zur Korrektur sind linear organisiert (Watkins & Stavros, 2009: 169-174):
Im ersten Schritt werden die konkreten Probleme identifiziert: Welche Mängel müssen in der Organisation beseitigt werden, um einen optimalen Zustand zu erreichen? In der Praxis beauftragt das Top-Management externe Berater, die zunächst das Verhalten der Mitarbeiter untersuchen, z.B., wie diese zusammen arbeiten, kommunizieren, Probleme lösen, Konflikte regeln und sich informieren (Bushe & Kassam, 2005).
Im zweiten Schritt werden die „harten“ Fakten nach Kategorien ausgewertet und an den Auftraggeber berichtet. Auf dieser Grundlage werden die Ursachen diagnostiziert.
Das Top-Management und die externen Berater analysieren im dritten Schritt die möglichen Lösungen. Die Ziele werden „mechanisch“ für den – aus ihrer Sicht – optimalen Zustand des Unternehmens festgelegt.
Im vierten Schritt werden Empfehlungen für die einzelnen Bereiche des Unternehmens vorgeschlagen. Anhand detailierter Planungen wird festgehalten, wer für welche Aufgabe bis wann zuständig ist, um die genau definierten Ziele zu erreichen.
Im letzten Schritt wird die Planung umgesetzt. Die Berater haben die Aufgabe, für eine veränderungsfreundliche Atmosphäre in der Organisation zu sorgen. So sinkt der Widerstand gegenüber Veränderungen, wenn den Mitarbeitern die Planung durchdacht und vertrauenswürdig erscheint (Mayhew, 2006).
Metaphorisch können zur Weiterentwicklung der Organisation die einzelnen problematischen Bereiche aus dem Ganzen herausgenommen und überarbeitet werden. Daher sieht die traditionelle OE nur „einen idealen Weg“. Um die entsprechenden Abläufe sicherzustellen, bestimmen Regeln und Vorgaben das „richtige“ Verhalten im Unternehmen. Die Mitarbeiter sind herausgefordert, die Standardwerte zu erreichen.
Es wird geschätzt, dass mindestens 80 Prozent der traditionell durchgeführten Veränderungen durch Consultingfirmen misslingen, weil die Umsetzung kaum vorhersehbar ist und die zahlreichen Hindernisse viel Zeit benötigen (Zackrison & Freedman, 2003). Aufgrund der immer schneller voranschreitenden Veränderungen und der zunehmenden Komplexität auf der Welt, ist daher davon auszugehen, dass künftig statt der traditionellen Problemlösung flexiblere Methoden benötigt werden (Cooperrider, 2009; Watkins & Stavros, 2009: 180).
2.2 Positive Organizational Scholarship
In diesem Abschnitt werden die zur Veränderung eines Unternehmens notwendigen Kenntnisse des POS-Ansatzes vorgestellt. Anschließend wird auf kritische Aspekte eingegangen, die bei einem Einsatz berücksichtigt werden sollten.
2.2.1 Der Forschungsansatz
Die Abkürzung POS beschreibt eine Forschungsrichtung der modernen OE, die positive Phänomene zur Erreichung von Höchstleistungen in Organisationen untersucht (Bright & Cameron, 2009):
Der Ansatz entstand 2001 an der Universität von Michigan. Als Grundlage diente die „Positive Psychologie“, u.a. vertreten durch Seligman, der das optimale menschliche Funktionieren untersuchte (Ringlstetter, Kaiser, Müller-Seitz, 2006).
Während die traditionelle OE problemorientiert vorgeht, sieht der POS-Ansatz vor, die vorhandenen Stärken weiter auszubauen. Das hat einerseits positive Auswirkungen auf individueller Ebene. Beispielsweise zeigen sich Glückgefühle und dreimal mehr positive Kommentare gegenüber anderen Mitarbeitern als negative, während das Verhältnis in traditionell organisierten Unternehmen ausgewogen ist (Losada & Heaphy, 2004). Zum Anderen entsteht auf organisationaler Ebene emergente[1] Energie. Die positiven Phänomene aus beiden Bereichen können zur Höchstleistung von Organisationen führen (Ringlstetter et al., 2006).
Da diese positiven Phänomene jedoch nicht notwendigerweise durch die gleichen Faktoren bestimmt werden, wie die negativen, erforscht der POS-Ansatz u.a. die Fragen (Ringlstetter et al., 2006):
- Wie häufig kommen Höchstleistungen in Organisationen vor?
- Was sind die Folgen der Höchstleistungen?
- Welche organisatorischen Normen, Werte und Erfahrungen spielen eine Rolle?
- Wie werden Voraussetzungen zur gegenseitigen Befruchtung geschaffen?
Bei Veränderungen in Unternehmen sollte daher berücksichtigt werden, in welchem Zustand (Bright & Cameron, 2009) sich das Unternehmen befindet (Abbildung 1):
Liegt eine negative Abweichung vom Normalzustand vor, kennzeichnet das Unternehmen im Extremfall ein „dysfunktionaler Zustand“: Die Mitarbeiter sind häufig krank, arbeiten ineffizient und ineffektiv, so dass das Unternehmen keine Gewinne erzielt. Aufgrund der Fehleranfälligkeit und der problematischen Qualität entwickelt sich ein ungünstiges Betriebsklima mit erheblich belasteten Beziehungen untereinander. Die Organisation erkennt, dass eine Veränderung erforderlich ist. Es liegt eine „Defizit“-Orientierung vor. Deshalb wird zur Lösung daran gearbeitet, das Unternehmen zu stabilisieren oder weitere Probleme zu vermeiden, um Standardwerte zu erreichen.
Das Gegenteil zeigt sich bei einer positiven Abweichung vom Normalzustand, wenn eine „Reichtum“-Orientierung vorliegt: Die Mitarbeiter sind gesund und fühlen sich äußerst wohl bei ihrer Arbeit. Die positiven Gefühle überwiegen die negativen (Fredrickson & Levenson, 1998). Die Leistungen der Mitarbeiter sind höchst effizient und effektiv, die Qualität ist einwandfrei. Da die Organisation vorbildlich funktioniert, arbeiten die Mitarbeiter zusammen und gehen wertschätzend miteinander um. Das Unternehmen ergreift ständig die Chance, Veränderungen vorzunehmen, um einen „außergewöhnlichen Zustand“ beizubehalten. Als Maßnahmen werden die Stärken ausgebaut und positive Phänomene genutzt. Das Erreichen von Standardwerten wird dagegen vermieden.
Die Möglichkeiten des außergewöhnlichen Zustandes finden in der traditionellen OE keine Beachtung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die unterschiedlichen Zustände von Organisationen und die Veränderungsbestrebungen in Unternehmen (Quelle: In Anlehnung an Bright & Cameron[2], 2009: 400)
2.2.2 Kritik
Warum werden die Möglichkeiten des außergewöhnlichen Zustandes eher selten von Unternehmen erwogen? Gemäß Bright und Cameron (2009) scheuen viele Unternehmen die Unsicherheit einer extremen Abweichung. Sie streben lieber nach Stabilität, Regelmäßigkeiten und Vorhersagbarkeit (Willke, 2006: 16).
Darüber hinaus lassen sich weitere Kritikpunkte am POS-Ansatz finden (Ringlstetter et al., 2006):
Zum einen ist die Kausalität diverser Phänomene noch nicht geklärt. Beispielsweise ist fraglich, ob positive Emotionen der Grund für Produktivitätszuwächse sind oder eine Steigerung der Kreativität. Zudem könnten die Ursache und Wirkung umgekehrt funktionieren.
Des Weiteren besteht Unklarheit darüber, inwiefern sich die Erkenntnisse über die positiven Aspekte aus einer engen zwischenmenschlichen Beziehung im privaten Bereich auf den organisationalen Kontext übertragen lassen.
Und letztlich lässt sich auch die Annahme, dass glückliche Mitarbeiter produktiver arbeiten und somit den Unternehmenserfolg fördern, nicht uneingeschränkt unterstützen.
[...]
[1] Das ist ein Begriff aus der Systemtheorie, der die neuen Eigenschaften eines Systems beschreibt, die sich nicht mit den Eigenschaften seiner Elemente erklären lassen (Willke, 2006: 247).
[2] Die Abbildung von Bright & Cameron (2009) bezieht sich auf eine ähnliche Darstellung bei Bright (2005). Eine noch ausführlichere Darstellung findet sich bei Bright, Cooperrider & Galloway (2006).