„Ich glaube, das ist ein wirklicher Durchbruch, den wir hier schaffen[...]“
Mit diesen Worten verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 03.07.2006 in Berlin die Eckpunkte der Gesundheitsreform, auf die sich die Regierungsparteien aus SPD, CDU und CSU zuvor in zähen Verhandlungen geeinigt hatten. Auch die damals amtierende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte sich euphorisch:
"Mit der Gesundheitsreform werden wir Strukturen im System aufbrechen.“
Die Kritik war allerdings auch nicht zu überhören. Bei den Krankenkassen und der Opposition im Bundestag, bei
Ärztevereinigungen bis hin zu Pharmaunternehmen wurde der Vorstoß eher negativ bewertet. Selbst aus den Reihen der Regierungsparteien wurde verstärkt Kritik geäußert. So beschwerte sich beispielsweise der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in einem Spiegel-Interview: „Ich war nie überzeugt.“ Desweiteren bezeichnete er den Gesundheits-
fonds, den zentralen Kern der Reform, als „überflüssig“.
Obwohl ein Gesetz selten schon bei seiner Entstehung dermaßen kritisiert wurde, beschloss der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) am 2. Februar 2007, dem daraufhin auch der Bundesrat am 16. Februar 2007 zustimmte. Die meisten Änderungen des GKV-WSG traten am 01.04.2007 in Kraft, der Gesundheitsfonds wurde 2009 eingeführt.
Natürlich ist die Gesundheitspolitik ein nicht enden wollender Zankapfel, bei dem die „Reform nach der Reform“ mittlerweile keinen Ausnahmefall mehr darstellt. Auch die derzeitige Debatte, angestoßen durch den jetzigen Gesundheitsminister Phillip Rösler (FDP), um die Einführung einer sogenannten Kopfpauschale, birgt ebenfalls
enormen politischen Sprengstoff.
Ziel dieser Arbeit ist es, das Zustandekommen der Gesundheitsreform 2007 im Hinblick auf die Durchsetzung der verschiedenen Interessen der Beteiligten zu untersuchen.
Dabei wird es weniger um Inhalte der Reform an sich, sondern um Prozesse, Institutionen und Akteure gehen, die einen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess deutlich machen konnten.
Diese Arbeit wird die auftretenden Machtkonstellationen anhand der sogenannten Vetospielertheorie von George Tsebelis beleuchten, die im ersten Teil kurz vorgestellt wird. Dabei soll auch geklärt werden, inwiefern dieser theoretische Ansatz Stärken und
Schwächen bei der empirischen Anwendung offenbart.
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung
B Reformen in der Großen Koalition 2005-2009: Die Gesundheitsre- form 2007 - Ein Fallbeispiel anhand der Vetospielertheorie
I. Grundlagen zur empirischen Analyse
I.1 Die Vetospielertheorie nach George Tsebelis und ihre Erweiterung
I.2 Die politische Ausgangslage 2007 - Diskussion und Meinungsfindung in der Großen Koalition
II. Vetospieler im politischen System der BRD
III. Akteure und Interessen der Gesundheitsreform 2007 und ihr Einfluss (Vetomacht) auf den Gesetzgebungsprozess und die Anwendbarkeit der Vetospielertheorie
III.1 Das Bundesministerium für Gesundheit
III.2 Die Bundesländer
III.3 Konflikte in der Großen Koalition (SPD vs CDU/ CSU) und innerhalb der Koalitionspartner
III.4 Kurzer Überblick der „Sonstigen Vetospieler“ - Verbände, Interessengruppen und die Opposition im Bundestag
C Zusammenfassung und Ausblick
D Literaturverzeichnis