Text und Musik: Die Funktion der Musik und die Darstellung Wolfgang Amadeus Mozarts in der Novelle von Eduard Mörikes "Mozart auf der Reise nach Prag"
Zusammenfassung
In dieser Ausarbeitung wird der Versuch unternommen, die Funktion von Musik und die Rolle, welche sie in der Novelle spielt, zu erforschen. Zudem versuche ich die Darstellung von Wolfgang Amadeus Mozart hinsichtlich unterschiedlicher Elemente zu diskutieren. [...]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Text und Musik
2. Eduard Mörike „Mozart auf der Reise nach Prag“
3. Die Darstellung des Komponisten: Sensibilität für Natur,
Bescheidenheit, Geselligkeit, Verschwendung und Melancholie
3.1 Sensibilität für Natur
3.2 Bescheidenheit
3.3 Geselligkeit
3.4 Verschwendung
3.5 Melancholie
4. Die Darstellung Konstanze Mozarts
5. „Don Giovanni“ – Inspiration und Komposition des Hochzeitsliedes und der Todesszene
Das Hochzeitslied
Die Kirchhofszene
6. Die Bedeutung der Kirchhofszene aus „Don Giovanni“ für die Darstellung des Komponisten
7. Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
1. Text und Musik
Die „wechselseitige Erhellung der Künste“[1] besteht zwischen der Literatur und anderen Künsten seit Jahrhunderten. Dieses Korrespondenzverhältnis in künstlerischen Werken ist vor allem zwischen Literatur, der Musik und der Malerei zu beobachten.
Zwischen den „zwei geheiligten Giganten“[2], Literatur und Musik , ist eine Vielfalt von Verbindungen zu entdecken. Paul Scher nennt in seinem Handbuch „Literatur und Musik“ drei Hauptforschungsbereiche, in die Beziehungen von Musik und Dichtung eingeordnet werden:[3] Scher spricht zum einen von der Symbiose von einem literarischen Text und Musik, zum anderen von der Literatur in der Musik sowie von der Musik in der Literatur.[4] Der erste Hauptbereich setzt voraus, dass beide Künste, Literatur und Musik, im gleichen Hauptwerk auftreten. Es handelt sich also um eine Kombination von literarischem Text und Ton, die am Beispiel von einer Oper, einem Lied und einem Oratorium dargestellt werden kann. Von der Literatur in der Musik spricht man am Beispiel von Musikwerken, denen man einen literarischen Charakter geben möchte. Es sind vor allem Musikstücke, die durch Literatur inspiriert wurden, z.B. Liszts Faust- Symphonie. Der dritte Bereich der Forschung, Musik in der Literatur, beschäftigt sich nur mit dem Text. Die Versuche, das Musikalische in der Dichtung zu erreichen, können nur durch literarische Mittel erfolgen:[5]
„Das eigentlich Musikalische ist in diesen Werken einfach nicht vorhanden und kann auch durch sprachliche Mittel und literarische Techniken nur impliziert, evoziert, imitiert oder sonst mittelbar approximiert werden.“[6]
Obwohl Scher mehrere Beispiele der Beziehungen zwischen Dichtung und Musik in den drei Forschungsbereichen gibt, betont er, dass es eine Vielfalt von Berührungspunkten zwischen den beiden Künsten gibt, die man nicht in strengen Kategorien festhalten kann.[7]
Diese Ausarbeitung beschäftigt sich mit der Wechselwirkung zwischen Text und Musik, die außerhalb der drei erläuterten Forschungsbereiche steht. Die Einwirkung von Musik auf ein Prosawerk manifestiert sich in der Novelle von Eduard Mörike „Mozart auf der Reise nach Prag“ in der dichterischen Behandlung von Mozarts Musik. Eduard Mörike ist gelungen, Musik in einem literarischen Text zu gestalteten. „Musik, Sprechen über Musik, Ringen um Musik, Vorführen von Musik, Wirkung der Musik durchziehen als Leitschiene diese Musikernovelle.“[8]
In dieser Ausarbeitung wird der Versuch unternommen, die Funktion von Musik und die Rolle, welche sie in der Novelle spielt, zu erforschen. Zudem versuche ich die Darstellung von Wolfgang Amadeus Mozart hinsichtlich unterschiedlicher Elemente zu diskutieren.
2. Die Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ von Eduard Mörike
Diese Novelle hat Benno von Wiese als „die vollendetste Künstlernovelle, die wir bis heute in Deutschland besitzen“[9] beschrieben, erzählt von einem Tag aus dem Leben Wolfgang Amadeus Mozarts. In der Erzählung reist das Ehepaar Mozart von Wien nach Prag, damit der Komponist dort die Aufführung seiner Oper „Don Giovanni“ vorbereiten und leiten kann.
Der historische Mozart ist tatsächlich in Begleitung seiner Ehefrau am 01. Oktober 1787 von Wien aufgebrochen und am 04. Oktober in Prag angekommen. Der Rahmen der Novelle ist also authentisch und entspricht der Biographie des Künstlers. Die Gegebenheiten jedoch, die in der Novelle geschildert werden, sind fiktiv:
„Meine Aufgabe bei dieser Erzählung war, ein kleines Charaktergemälde Mozarts (das erste seiner Art soviel ich weiß) aufzustellen, wobei mit Zugrundelegung frei erfundener Situationen vorzüglich die heitere Seite zu lebendiger concentrirter Anschauung gebracht werden sollte (...).“[10]
Eduard Mörike hat sich also zum Ziel gesetzt, aus dem erfundenen Stoff, das wahre Bild des Komponisten zu schaffen. Obwohl die Novelle nur einen einzigen Tag aus dem Leben Mozarts schildert, werden in die Geschichte kleine Rückblicke und Anekdoten eingebaut, um Charaktereigenschaften und Gegebenheiten aus dem alltäglichen Leben des Musikers zu erläutern. „So erzählt der Text vom ganzen Mozart und interpretiert ihn als paradigmatische Existenz des modernen Künstlers.“[11] Die Novelle beschreibt zudem einer der Höhepunkte aus der Biographie des Komponisten, dessen meistergültige Musik zu seinen Lebzeiten kaum anerkannt wurde. Die Prager Premiere von „Don Giovanni“ war nämlich ein großer Erfolg und fand unter der Leitung des Künstlers am 29. Oktober 1787 in Prag statt. Obwohl vor der Reise nach Prag ein Teil dieser weltberühmten Oper schon verfasst war, hat der Komponist die „Don Giovanni“-Ouvertüre laut Legende erst unmittelbar von der Premiere niedergeschrieben und zwar in der Nacht vor der Generalprobe.[12] Die Darstellung des Künstlers während seines erfolgreichen Schaffensperiode, setzt biographisches Vorwissen des Lesers über Mozart voraus und beeinflusst die Lektüre der Erzählung. Eduard Mörike erwartet zudem, dass seine Leserschaft Mozart verehrt und bezeichnet ihn als „Gegenstand der Bewunderung“[13] und „Meister“.[14] Der Dichter stellt Mozart in den Mittelpunkt, nicht nur wegen der persönlichen Begeisterung für die Musik des Komponisten. Mozart war für Mörike „ein Sinnbild des Künstlertums“[15] und an seinem Beispiel stellt der Dichter allgemeine Behauptungen über die Schöpfer, die Gegensätze ihres Charakters und ihre Unvereinbarkeit mit den bürgerlichen Normen fest:
„Mozart war in erster Linie für Mörike eine ihm selbst unmittelbar verwandte Natur, ein Spiegelbild der schönsten Möglichkeiten und verborgensten Gefahren des Dichters, (...).“[16]
3. Die Darstellung des Komponisten: Sensibilität für Natur, Bescheidenheit, Geselligkeit, Verschwendung und Melancholie
3.1. Sensibilität für Natur
Die Darstellung des Künstlers in der Novelle ist von verschiedenen Aspekten seiner Persönlichkeit geprägt. Zu Beginn der Erzählung lernt der Leser den Komponisten kennen, der „wohlgelaunt“[17] leichte und witzige Gespräche mit seiner Frau führt und sich für die Natur begeistert. Mozart wird als ein Mensch dargestellt, dessen Charakter Sensibilität für die Schönheit der Landschaft auszeichnet:
„Gott, welche Herrlichkeit! « rief er, an den hohen Stämmen hinaufblickend, aus: » man ist als wie in einer Kirche! Mir deucht, ich war niemals in einem Wald und besinne mich jetzt erst, was es doch heißt, ein ganzes Volk von Bäumen beieinander! Keine Menschenhand hat sie gepflanzt, sind alle selbst gekommen und stehen so, nur eben, weil es lustig ist, beisammen, wohnen und wirtschaften.“[18]
Mozart weiß verschiedene Aspekte der Natur zu schätzen und, obwohl er viel von der Welt gesehen hat, ist er von der Pracht eines gewöhnlichen Waldes begeistert:
„Siehst du, mit jungen Jahren fuhr ich doch in halb Europa hin und her, habe die Alpen gesehn und das Meer, das Größeste und Schönste, was erschaffen ist: jetzt steht von ungefähr der Gimpel in einem ordinären Tannenwald an der böhmischen Grenze, verwundert und verzückt, daß solches Wesen irgend existiert (...).“[19]
3.2. Bescheidenheit
Zu Beginn der Erzählung wird zudem die „Gewöhnlichkeit“ des Künstlers angedeutet, der als ein bescheidener Mensch dargestellt wird. Mozart spricht von eigner Unerfahrenheit und sein Künstlertum sieht nicht als eine Eigenschaft, die ihn unter anderen Menschen besonders macht:
[...]
[1] Weisstein, S. 184
[2] Scher, S. 9
[3] Vgl. Scher, S. 10f.
[4] ebd., S. 11
[5] ebd., S. 13
[6] ebd., S. 12
[7] ebd., S. 12f.
[8] Eggebrecht, S. 301f.
[9] Wiese (1956), S. 235-236
[10] Mörike (2000) S. 205. Das Zitat entstammt einem Brief Mörikes an Karl Mayer vom 21.5.1855, auch in: Luserke-Jaqui, S. 114
[11] Braungart, S. 137
[12] Vgl. Kreutzer, S. 104
[13] Mörike (1994), S. 21
[14] ebd., S. 18
[15] Wiese (1956), S. 235f.
[16] ebd., S. 235
[17] Mörike (1994), S. 14
[18] ebd., S. 18
[19] ebd., S. 18