Heinz Zahrnt: „Stammt Gott vom Menschen ab?“ – Analyse und Erörterung unter Berücksichtigung der religionskritischen Thesen Feuerbachs und Marx’
Religion und Religionskritik des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Leseprobe
Religion und Religionskritik des 19. Jahrhunderts
Heinz Zahrnt
„Stammt Gott vom Menschen ab?“
Analyse und Erörterung
unter Berücksichtigung der religionskritischen Thesen Feuerbachs und Marx’ von
Tim Blume
Der Verfasser des Textes „Stammt Gott vom Menschen ab?“, Heinz Zahrnt, ist der An- sicht, dass eine menschliche Gottesrede nicht ohne Projektionen auskommen kann. Sei- ner Aussage nach schließe vor allem die biblische Offenbarung zum Teil menschliche Projektionen ein. Diese Projektionen haben dem Verfasser zufolge sowohl eine subjekti- ve, als auch eine objektive Seite. Um sich auf die von Jesus vertretene Sache einzulassen, seien diese beiden Seiten notwendig, ohne sie könne keine Offenbarung stattfinden.
Der Verfasser gibt an, dass die göttliche Offenbarung von jedem Menschen anders auf- genommen wird („secundum hominem recipientem“; gemäß dem Menschen, der sie auf- nimmt). Die Grenze zwischen Reflexion und Projektion sei nicht klar zu ziehen, so Zahrnt weiter. Projektionen seien dabei auch nicht als atheistischer, das heißt von Gott ferner Vorwurf anzusehen, vielmehr weise - aus psychologischer Sicht gesehen - jeder Gottesglaube Projektionsgehalte auf. Jeder Mensch habe ein anderes Bild von Gott und auch sowohl die wahrgenommene Wirklichkeit als auch die Wirklichkeit Gottes würden von Mensch zu Mensch unterschiedlich empfunden, Zahrnt nennt es „die Färbung durch den Blick des Menschen“. Zahrnt fürchtet sich nicht primär vor einer übermäßigen, son- dern vielmehr vor einer zurückhaltenden bis gar nicht mehr vorhandenen Projektion. Doch, so betont er, müsse man sich der Gefahr bewusst sein, dass sich übermäßige menschliche Vorstellungen vor Gott zu stellen drohten und damit den Blick auf Gott ver- stellten.
Ludwig Feuerbach (1804-1872) und Karl Marx (1818-1883) stellten ähnliche, jedoch zum Teil unterschiedliche Thesen zur Religionskritik auf.
So bezeichnet Feuerbach den Gottesglauben als „Glückseligkeitstrieb“. Gott sei selig und der Mensch glaube nur an ihn um selber selig zu werden bzw. zu sein. Um die Ziele seines Glaubens zu erreichen - beispielsweise ein glückliches, seliges, vollkommenes und unsterbliches Wesen zu werden, so wie es Gott ist -, glaubt der Mensch an eine Religion, dieser Ansicht ist Feuerbach. Dieser Gottesglaube des Menschen könne die Glückseligkeitstriebe der Menschen befriedigen.
Die Menschen der damaligen Gesellschaft hätten ihr Elend akzeptiert und könnten sich damit abfinden, um jedoch später ein glückliches Leben nach dem Tod (Paradiesvorstellung) zu führen, projizierten sie das Gute in den Himmel.
Seiner Aussage ist die Theologie (Lehre vom Gott) nicht anderes als die Anthropologie (Lehre vom Menschen), der oberste praktische Grundsatz seine Lehre lautet „Homo homini deus est.“, das heißt der Mensch ist sein eigener Gott.
Auch Marx ist der Ansicht, dass der Mensch selbst die Religion „macht“, das heißt ver- körpert. Seiner Aussage zufolge ist es jedoch vor allem der Staat, der die Religion produ- ziert. Marx sieht die Religion als Trost- und Rechtfertigungsgrund an und bezeichnet sie als „Opium des Volkes“. Hiermit bringt er deutlich zum Ausdruck, dass die Religion die Menschen in der damaligen Zeit regelrecht betäubte (Dieses Phänomen kann wohlge- merkt heutzutage auch noch beobachtet werden.). Für ihn ist die Religion verlorenes Selbstbewusstsein und der „Seufzer der bedrängten Kreatur“, der Traum von der Erlö- sung aus dem bestehenden Elend. Marx will die Blase des sogenannten Himmelreiches zerplatzen lassen, damit die unglücklichen Arbeiter sehen können, dass auch sie glück- lich werden können, dazu müsse es zu einer Revolution kommen. Er bezeichnet das Menschenbild allgemein als zu optimistisch.
Die Religionskritik stellt Religion und Religiosität mitsamt ihren Konzepten und Aussa- gen in Frage. Zu bekannten Vertreten der Religionskritik gehörten die bereits genannten Herren Feuerbach und Marx. Diese Religionskritiker wollten vor allem die armen und benachteiligten aber dennoch hart arbeitenden Fabrikarbeiter der damaligen Zeit dazu bewegen, nicht nur auf die vorgebeteten Texte der Vorarbeiter zu vertrauen und an sie
zu glauben, sondern die Augen zu öffnen und zu erkennen, dass - unter „Zuhilfenahme“ einer Revolution - eine Änderung durchaus möglich ist. Das Himmelreich könne auch auf Erden, bei den Arbeitern, und nicht nur im Himmel sein, so Marx. Dabei ist die Religionskritik jedoch kein Beweis gegen eine Gottheit, sondern nur eine Götzenkritik. Die große Chance der Religionskritik bestünde darin, eben diesen Menschen die Augen zu öffnen und sie zum Umdenken zu bewegen, es ist dabei jedoch fraglich, ob die Aussa- gen und Thesen Feuerbachs und Marx’ sowie der anderen Religionskritikern des 19. Jahrhunderts überhaupt zu den Fabrikarbeitern hätten vordringen können. Dazu hätten diese nämlich in der Lage sein müssen, sich die herausgegebenen Werke der Kritiker zu kaufen (Kostenfaktor) und zu lesen (Analphabetismus); ob viele der Arbeiter dazu fähig waren, ist fraglich. Demnach war die Religionskritik doch eher auf höher gebildete Per- sonenkreise beschränkt, die mit den durchaus schwierig zu verstehenden Aussagen der Kritiker umgehen konnten.
Ob die Projektionstheorie einen wissenschaftlichen Atheismus begründen kann, bleibt anzuzweifeln. Nach Aussage von Feuerbach und Marx begründet ein Traum keine Wirk- lichkeit, was aber nicht beweist, dass die Wirklichkeit nicht unabhängig vom Traum existiert. Ob ein Mensch an einen bzw. den Gott glaubt, hängt von der jeweiligen Person ab, Wünsche in den Himmel projizieren kann ein Atheist dennoch, unabhängig von der Religion. Der Streit um die Existenz eines Gottes ist meiner Meinung nach überflüssig, vielmehr sollte jeder den Glauben oder den Nicht-Glauben (Atheismus) eines anderen akzeptieren und respektieren. Zudem definiert jeder Mensch den Begriff „Gott“ anders, das heißt jeder Mensch projiziert unter Umständen andere Idealvorstellungen in den Himmel. Auf Grund der Vielfältigkeit des Begriffes „Projektionstheorie“ und der damit verbundenen Problematik komme ich zum Schluss, dass die Projektionstheorie schluss- endlich keinen wissenschaftlichen Atheismus begründen kann.
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