Bezugsgruppen der Investor Relations
Charakteristika, Kommunikationsbedürfnisse und Anforderungen an die Finanzkommunikation
Zusammenfassung
Da die Bezugsgruppen von börsennotierten Unternehmen unterschiedliche Informationsbedürfnisse und Kommunikationsverhalten aufweisen, würde eine unstrukturierte Informationsflut ihre Wirkung verfehlen. Darum ist es die Aufgabe von Investor Relations, Informationen bezugsgruppengerecht aufzubereiten.
In der Arbeit werden die Besonderheiten der wichtigsten externen Bezugsgruppen in der Finanzkommunikation dargestellt. Dazu werden zunächst die zentralen Begriffe dieser Arbeit erläutert und definiert, um im Anschluss die wichtigsten externen Bezugsgruppen der Finanzkommunikation, deren unterschiedliche Charakteristika, Informations- und Kommunikationsbedürfnisse, sowie die daraus resultierenden unterschiedlichen Anforderungen an Investor Relations darzustellen.
Im abschließenden dritten Kapitel wird erläutert, wie trotz dieser unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse eine einheitliche Finanzkommunikation mit den Bezugsgruppen realisiert werden kann.
Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Ziel, Abgrenzung und Aufbau der Arbeit
1.2. Begriffe und Definitionen
1.2.1. Investor Relations
1.2.2. Bezugsgruppen
2. Bezugsgruppen der Investor Relations
2.1. Investoren
2.1.1. Institutionelle Investoren
2.1.2. Private Investoren
2.2. Multiplikatoren
2.2.1. Analysten
2.2.2. Journalisten
3. Equity Story
1. Einleitung
Die Kommunikationsintensität an Finanzmärkten ist aufgrund des öffentlichen Charakters von Börsen qualitativ und quantitativ anders geartet als an Gütermärkten. Finanzmärkte sind sehr transparent und Aushandlungsprozesse, die an der Börse stattfinden, sind hochkommunikativ. Gleichzeitig hat man es dort mit einem imaginären Verhandlungspartner zu tun, den man nicht kennt, sieht oder hört. Der Aktienmarkt ist daher ein gutes Beispiel, wie in weitgehend virtueller Kommunikation und vielfach ohne real berechenbare Gegengrößen Wertsteigerungen und –verluste allein auf Grund von Erwartungen, Fantasie, Einschätzungen oder gar Launen entstehen.[1] Bereits Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ergab eine Studie in den USA, dass rund 40 Prozent des Kurswertes einer Aktie von der Kommunikation abhängen können. Dieser Wert dürfte heute noch weit höher liegen, weil die Kommunikation auf den Finanzmärkten durch die weltweite Vernetzung inzwischen so transparent ist, dass alle Marktteilnehmer, zumindest theoretisch, den gleichen Informationsstand haben.[2] Da die Bezugsgruppen von börsennotierten Unternehmen jedoch unterschiedliche Informationsbedürfnisse und Kommunikationsverhalten aufweisen, würde eine unstrukturierte Informationsflut ihre Wirkung verfehlen. Darum ist es die Aufgabe von Investor Relations, Informationen bezugsgruppengerecht aufzubereiten.[3]
1.1. Ziel, Abgrenzung und Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit werden die Besonderheiten der wichtigsten externen Bezugsgruppen in der Finanzkommunikation dargestellt. Unternehmensinterne Bezugsgruppen sind hingegen nicht Bestandteil der Arbeit, ebenso nicht die Beziehungen zu Fremdkapitalgebern (Creditor Relations). Die Arbeit hat folgenden Aufbau: Zunächst werden die zentralen Begriffe dieser Arbeit erläutert und definiert, um im Anschluss die wichtigsten externen Bezugsgruppen der Finanzkommunikation, deren unterschiedliche Charakteristika, Informations- und Kommunikationsbedürfnisse, sowie die daraus resultierenden unterschiedlichen Anforderungen an Investor Relations darzustellen. Im abschließenden dritten Kapitel wird erläutert, wie trotz dieser unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse eine einheitliche Finanzkommunikation mit den Bezugsgruppen realisiert werden kann.
1.2. Begriffe und Definitionen
Im folgenden Abschnitt werden die beiden zentralen Begriffe dieser Arbeit, Investor Relations und Bezugsgruppen, erläutert und definiert.
1.2.1. Investor Relations
Investor Relations (IR) sind als finanzmarktbezogener Teilbereich der Unternehmenskommunikation eine relativ junge Fachdisziplin.[4] Das „Copyright“ des Begriffs Investor Relations liegt laut Dürr beim US-Konzern General Electric, der 1953 ein Kommunikationsprogramm für private Investoren mit dem Titel „Investor Relations“ aufsetzte.[5] In der deutschen Sprache wird häufig das Wort Finanzkommunikation als Synonym für Investor Relations verwendet.[6] Trotz zahlreicher Einzeluntersuchungen ist das Wissen über Investor Relations weder in der Praxis noch in der Wissenschaft bislang ausreichend systematisch erfasst. Daher kursieren in der Literatur auch zahlreiche Definitionen, die teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen wiederspiegeln.[7] Eine in der Literatur häufig zitierte (weite) Definition der Investor Relations stammt von Dürr. Er beschrieb 1995 die Investor Relations als „all jene Maßnahmen eines Unternehmens ..., die es zur Pflege seiner Beziehung zu Aktionären, Investoren, Finanzfachleuten und ähnlichen Bezugsgruppen einsetzt“[8].
Mittlerweile hat sich ein umfassenderes Verständnis von IR herausgebildet, das über die reine Aktienmarktkommunikation hinaus geht. Nach der Definition des Berufsverbandes Deutscher Investor Relations Verband (DIRK) ist Investor Relations „… eine Managementaufgabe mit dem strategischen Ziel, in der Öffentlichkeit und insbesondere am Finanzmarkt eine möglichst realistische Wahrnehmung des Unternehmens zu erreichen. Mit einer effizienten Investor Relations soll auch das Ziel, die Kapitalkosten zu optimieren, verfolgt werden. Im Fokus der Aktivitäten steht vor allem, die Erwartungen des Kapitalmarktes mit den tatsächlichen und wahrscheinlichen Entwicklungen des Unternehmens in Einklang zu bringen. Dieses Ziel wird durch den kontinuierlichen Dialog über die langfristigen Perspektiven des Unternehmens … und zeitnahe zuverlässige Informationen über die laufende Geschäftsentwicklung erreicht…“[9].
1.2.2. Bezugsgruppen
Im Umfeld von Unternehmen gibt es Personen und Gruppen, die entscheidend dafür sind, dass ein Unternehmen seine Ziele erreicht. Diese Menschen und Institutionen haben unterschiedliche Erwartungen und Wünsche an die Kommunikation und stehen in unterschiedlicher Weise in einer Beziehung zum Unternehmen, weshalb sie als Bezugsgruppen der Unternehmenskommunikation bezeichnet werden. Häufig wird für sie allerdings auch noch der Begriff Zielgruppe verwendet. Dieser Begriff stammt aus der Marketinglehre, speziell aus der Werbewirtschaft.[10] Zielgruppen der Kommunikation werden von Bruhn definiert als „..die mittels des Einsatzes des kommunikationspolitischen Instrumentariums anzusprechenden Adressaten (Rezipienten) der Unternehmenskommunikation“[11]. Der Begriff der Zielgruppe spiegelt jedoch den Kommunikationsprozess nur unzulänglich wider, weil er von Kommunikation als Technik ausgeht, die einseitig Informationen auf ein Publikum zielt. Zeitgemäßer ist es stattdessen, Kommunikation als Gestaltung von Beziehungen zwischen Menschen zu verstehen.[12] Deshalb wird in dieser Arbeit der Begriff Bezugsgruppen verwendet.
2. Bezugsgruppen der Investor Relations
Die Gesamtheit der Bezugsgruppen der IR-Arbeit wird als Financial Community bezeichnet.[13] Im engeren Sinne handelt es sich dabei um institutionelle Investoren, Analysten und Finanzjournalisten, im weiteren Sinne auch um Privatanleger und sämtliche Personen, die sich mittelbar beruflich mit der Börse beschäftigen.[14] Im Folgenden werden diese Bezugsgruppen, unterteilt nach Investoren und Multiplikatoren, dargestellt.
2.1. Investoren
Investoren bilden die Eigentümerseite der Financial Community, welche wiederum in institutionelle und private Investoren unterteilt wird.
2.1.1. Institutionelle Investoren
Bei den institutionellen Investoren (auch „Buy-Side“ genannt), handelt es sich in der Regel um professionelle Großanleger wie Versicherungen, Banken und Investmentfonds.[15] Professionelle Anleger haben für Investor Relations eine große Bedeutung, weil sie als zahlenmäßig kleinste Gruppe über das höchste Anlagevermögen je Entscheider verfügen. Rund 75 Prozent des Aktienhandels an den deutschen Börsenplätzen gehen von ihnen aus.[16] Ihre Handlungen können darüber hinaus aber auch eine Signalwirkung für andere Investoren haben, insbesondere für Privatanleger.[17]
Das Ziel institutioneller Investoren ist es, eine möglichst hohe Rendite bei gleichzeitig vertretbarem Risiko zu erzielen. Aufgrund einer international verschärften Wettbewerbssituation stehen vor allem Fondsmanager unter einem starken Performancedruck. Ihre Orientierung an der Leistung einer Aktie ist deshalb sehr hoch, während ihr zeitlicher Anlagehorizont eher begrenzt ist.[18]
Investmententscheidungen werden bei institutionellen Investoren meist in Teams und auf Basis umfassender Unternehmensanalysen, sowie rational nachvollziehbarer Bewertungskriterien getroffen. Die Entscheidung, in welche Einzeltitel investiert wird, hängt also ganz wesentlich von Informationen ab.[19] Institutionelle Anleger erwarten deshalb sehr zeitnahe und detaillierte Informationen über das Umfeld, die Besonderheiten und die Zukunftsaussichten von börsennotierten Unternehmen. Dabei gilt ihr besonderes Interesse den Zielen und der strategischen Ausrichtung dieser Unternehmen.[20]
Institutionelle Investoren suchen häufig den direkten Kontakt zu Unternehmen. In persönlichen Gesprächen möchte der Investor dabei einen Eindruck von der Kompetenz des Managements gewinnen. Große Investoren wollen darum das Management mindestens ein- bis zweimal im Jahr persönlich sprechen.[21] Insbesondere bei außergewöhnlichen Unternehmensveränderungen wie Börsengang, großen Übernahmen oder der Entwicklung neuer Geschäftsfelder bietet sich das Abhalten von Investorenkonferenzen an, die aus Effizienzgründen auch nacheinander in Form von Roadshows veranstaltet werden können. Dabei stellt sich das Unternehmen institutionellen Anlegern in bedeutenden nationalen und internationalen Finanzzentren vor.[22] Wichtige Mittel der nicht-persönlichen Kommunikation mit institutionellen Investoren sind das Internet, Geschäfts- und Zwischenberichte, Pressemitteilungen und -mappen, sowie Factbooks.[23]
2.1.2. Private Investoren
Die privaten Investoren stellen die zahlenmäßig größte Gruppe dar, verfügen jedoch über das geringste Anlagekapital je Adressat. Die mit der großen Anzahl verbundene Heterogenität macht die Kommunikation mit den privaten Investoren für Unternehmen sehr arbeits-, zeit- und kostenintensiv, zumal ihnen die Privataktionäre aufgrund der in Deutschland vorherrschenden Inhaberaktien namentlich meist nicht bekannt sind.[24]
Durch ihre Heterogenität zeigen Privatanleger ein anderes Verhalten als die unter Performancedruck stehenden institutionellen Investoren. Während letztere eher wie eine homogene Gruppe agieren und dadurch in ihren Anlageentscheidungen ähnliche Tendenzen aufweisen, ist dies bei Privatanlegern nicht der Fall. Unterschiedliche Ansichten und Verhaltensweisen heben sich hier in ihrer Wirkungsweise zum Teil gegenseitig auf. Auch die Bereitschaft, sich mit einem Unternehmen zu identifizieren, ist bei den privaten Investoren viel stärker ausgeprägt. Sie sind dadurch grundsätzlich langfristiger orientiert und loyaler eingestellt. Die breite Streuung, verbunden mit der Bereitschaft, Aktien länger zu halten, kann sich in Zeiten volatiler Aktienmärkte stabilisierend auf die Kursentwicklung auswirken.[25]
Private Anleger treffen ihre Anlageentscheidungen häufig nicht nach komplexen analytischen Modellen. Vielmehr spielen bei ihnen oft eher unrationelle Kriterien, wie eine besondere Verbundenheit zum jeweiligen Unternehmen, eine große Rolle. Derart überzeugte Anleger können auch als Multiplikatoren bei Freunden und Bekannten wirken.[26]
Bei der Kommunikation mit privaten Investoren steht die mediale Kommunikation im Vordergrund, also im Wesentlichen Printmedien, Funk, Fernsehen und das Internet. Grundsätzlich ist der Informationsbedarf des Privatanlegers mit dem aller anderen Marktteilnehmer identisch. Bei der Kommunikation mit privaten Anlegern ist allerdings zu beachten, dass ihr Kenntnisstand meist nicht dem der professionellen Kapitalmarktteilnehmer entspricht. Auch die Auseinandersetzung mit dem Zahlenwerk und Geschäftsmodell geht häufig nicht so weit wie bei institutionellen Investoren. Besonders wichtig ist für Privatanleger deshalb eine verständliche Darstellung des Geschäftsmodells und des Marktes. Dazu kann beispielsweise eine Kurzversion des Geschäftsberichtes dienen, die sich durch die Vermeidung von Fachbegriffen speziell an Privatanleger wendet. Auch die Aufbereitung von Informationen durch neutrale Stellen kann hilfreich sein, weshalb Medienberichte und Börsenzeitschriften wichtige Informationsquellen für Privatanleger darstellen. Ein Pressespiegel auf der Unternehmens-Website kann ebenfalls Stimmen und Einschätzungen von neutraler Seite dokumentieren.[27] Weitere wichtige Instrumente der nicht-persönlichen Kommunikation mit privaten Investoren sind Aktionärsbriefe und -zeitschriften, Finanz- und Imageanzeigen, sowie Radio- und TV-Spots.[28]
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[1] Vgl. Piwinger, M. (2009), S. 13, 23.
[2] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2000), S. 32; Piwinger, M. (2009), S. 14.
[3] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2009), S. 47.
[4] Vgl. Piwinger, M. (2009), S. 16.
[5] Vgl. Dürr, M. (1995), S. 2.
[6] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2009), S. 35.
[7] Vgl. Piwinger, M. (2009), S. 15f.
[8] Dürr, M. (1995), S. 1.
[9] DIRK (2008), o.S.
[10] Vgl. Herbst, D. (2003), S. 29; Mast, C. (2002), S.104.
[11] Bruhn, M. (2005), S. 5.
[12] Vgl. Herbst. D. (2003), S. 29f; Mast, C. (2002), S. 106.
[13] Vgl. Wendling, M. (2005), S. 45.
[14] Vgl. Schumacher, C. et al. (2001), S. 13.
[15] Vgl. Nix, P. (2000), S. 39.
[16] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2009), S. 49f; Wendling, M. ( 2005), S. 46.
[17] Vgl. Herbst, D. (2003), S. 288.
[18] Vgl. Herbst, D. (2003), S. 288; Humbert, C. (2000), S. 325.
[19] Vgl. Nix, P. (2000), S. 38.
[20] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2009), S. 50.
[21] Vgl. Nix, P. (2000), S. 40; Schumacher, C. et al. (2001), S. 66f.
[22] Vgl. Schmidt, H. (2000), S. 57.
[23] Vgl. Peters, J. (2000), S. 67ff.
[24] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2009), S. 48.
[25] Vgl. Hocker, U. (2009), S. 469; Kirchhoff, K.R. (2009), S. 49, Nix, P. (2000), S. 41f.
[26] Vgl. Nix, P. (2000), S. 41f ; Schumacher, C. et al. (2001), S. 55f.
[27] Vgl. Schmidt, H. (2000), S. 52; Vollbrecht, O. (2004), S. 297f.
[28] Vgl. Kirchhoff, K.R. (2009), S. 55ff.