Der Autismus und das Asperger-Syndrom bei Kindern
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt dieser Arbeit soll die Gegenüberstellung von frühkindlichem Autismus und dem Asperger-Syndrom stehen. Ich versuche herauszuarbeiten, wie sich autistische Störungen äußern, beziehungsweise wie SozialarbeiterInnen im Umgang mit erkrankten Kindern und Jugendlichen agieren könnten. Die Forschung hat in den letzten Jahren neue Erfahrungen auf dem Gebiet des Autismus gewonnen, aktuelle Ergebnisse werde ich in den einzelnen Kapiteln erklären. Daraus ergeben sich folgende Fragen, welche ich im Verlauf der Hausarbeit erörtern möchte: Welche Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten finden Kinder mit der Diagnose Asperger-Syndrom in der Sozialen Arbeit und wie können diese angewendet werden? Was leistet die Soziale Arbeit in Bezug auf die TEACCH-Methode? Gibt es Unterschiede zwischen dem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionen
2.1 Autismus
2.2 Frühkindlicher Autismus
2.3 Asperger-Autismus
3 Autismus-Spektrum-Störungen und seine Formen
3.1 Frühkindlicher Autismus
3.1.1 Diagnisekriterien nach ICD-10 und DSM-IV
3.1.2 Epidemiologie
3.1.3 Symptomatik
3.1.4 Ätiologie
3.1.5 Diagnostik
3.2 Asperger-Syndrom
3.2.1 Diagnosekriterien nach ICD-10 und DSM-IV
3.2.2 Epidemiologie
3.2.3 Symptomatik
3.2.4 Ätiologie
3.2.5 Diagostik
4 Soziale Probleme von autistischen Kindern
5 Interventionsmöglichkeiten: Sozialkompetenztraining mit Hilfe des TEACCH-Programms
6 Unterschiede zwischen dem frühkindlichen Autismus und dem Aspgerger-Syndrom
7 Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
1 EINLEITUNG
Psychologie, Pädagogik und andere Professionen arbeiten bereits seit einigen Jahren an der Förderung autistischer Menschen, um einer Isolation entgegenzuwirken (Kuhles 2007, 9). Die Arbeit mit behinderten Menschen gewinnt in der Sozialen Arbeit zunehmend an Bedeutung, andererseits besteht ein Mangel an qualifizierten SozialarbeiterInnen, welche mit dem Thema Autismus vertraut sind. Es gibt kaum Literatur, Bedarf an Fachwissen und Förderungen von autistischen Menschen steigt jedoch.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit soll die Gegenüberstellung von frühkindlichem Autismus und dem Asperger-Syndrom stehen. Ich versuche herauszuarbeiten, wie sich autistische Störungen äußern, beziehungsweise wie SozialarbeiterInnen im Umgang mit erkrankten Kindern und Jugendlichen agieren könnten. Die Forschung hat in den letzten Jahren neue Erfahrungen auf dem Gebiet des Autismus gewonnen, aktuelle Ergebnisse werde ich in den einzelnen Kapiteln erklären. Daraus ergeben sich folgende Fragen, welche ich im Verlauf der Hausarbeit erörtern möchte: Welche Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten finden Kinder mit der Diagnose Asperger-Syndrom in der Sozialen Arbeit und wie können diese angewendet werden? Was leistet die Soziale Arbeit in Bezug auf die TEACCH-Methode? Gibt es Unterschiede zwischen dem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom?
Ich beginne mit Definitionen der Begriffe Autismus, frühkindlicher Autismus sowie Asperger-Syndrom. Nach der Beschreibung des Autistischen Spektrums werde ich explizit auf den frühkindlichen Autismus und das Asperger-Syndrom eingehen. Diese Störungsbilder werden nach ihrer Epidemiologie, der Klassifizierung nach ICD-10 und DSM-IV sowie der Ätiologie, Symptomatik und Diagnostik beleuchtet. Im Anschluss wird aufgezeigt, welche sozialen Probleme Menschen mit der Diagnose Autismus haben und wie SozialarbeiterInnen Interventionsmöglichkeiten gestalten können. Abschließend sind Unterschiede zwischen dem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom aufgeführt.
Der frühkindliche Autismus (Kanner-Syndrom) sowie das Asperger-Syndrom werden als „autistische Störungen“ zusammengefasst. „Autismus“ oder „autistische Kinder und Jugendliche“ meinen beide Symptome, es sei denn, ich beziehe mich in einem Kapitel genauer auf ein Syndrom. Ich beende die Hausarbeit mit einer Zusammenfassung und meinem Resümee.
HAUPTTEIL
2 Definition
Im zweiten Abschnitt werde ich die Begriffe Autismus, frühkindlicher Autismus sowie den Asperger-Autismus beschreiben.
2.1 Autismus
Autismus stammt aus dem griechischen und meint „autos“ (zu deutsch: selbst) und „ismos“ (zu deutsch: Zustand oder Orientierung). Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler führte den Begriff erstmals 1911 ein. Er beschreibt den Autismus „als ein Grundsymptom der Schizophrenie“, welches die Zurückgezogenheit in die innere Gedankenwelt des an ihr erkrankten Menschen sowie den mangelnden Kontakt zu Mitmenschen meint. (Remschmidt 2000, 9)
2.2 Frühkindlicher Autismus
Der amerikanische Psychiater Leo Kanner beschrieb 1943 in dem Buch „Autistische Störungen des affektiven Kanals“ elf Kinder mit autistischen Störungsbildern. Der Begriff „autistisch“ war zur damaligen Zeit noch nicht eindeutig beschrieben, da er bisher unter „Rückzug in die Phantasiewelt“ von Bleuler definiert wurde und Menschen mit Schizophrenie bezeichnete. Heute ist bekannt, dass nicht nur elf (die Kerngruppe bestand aus acht Jungen und drei Mädchen), sondern etwa 15 – 40 von 10.000 Kindern – überwiegend Jungen – betroffen sind (Carstensen 2009, 13).
Der Begriff „Autismus“ wandelte sich. Leo Kanner beschrieb Kinder, die von Geburt an oder in ihren ersten Lebensjahren in einem Zustand der inneren Zurückgezogenheit leben. Personen mit Schizophrenie, wie Bleuler AutistInnen beschrieb, zogen sich aktiv in ihr Inneres zurück. Diese Definitionen unterschieden sich grundlegend. Die Bezeichnung des Störungsbildes von Kanner setzte sich in der heutigen Literatur durch. Seine Untersuchungen zum frühkindlichen Autismus (oder Kanner-Syndrom) erlangten internationale Anerkennung und gestalteten sich als Basis für weitere Forschungen (Carstensen 2009, 15).
2.3 Asperger-Autismus
Etwa zur gleichen Zeit, 1944, nahm der österreichische Kinderarzt Hans Asperger – unabhängig von Kanner – den Begriff „Autismus“ auf. Asperger untersuchte eine Gruppe von Kindern, welche intelligent, aber sehr in sich gekehrt wirkten und Probleme mit der sozialen Anpassung hatten. Er beschrieb das Krankheitsbild als eine „autistische Psychopathie“, welche auch die leichteren Fälle des Autismus einschloss. Diese Kinder verhielten sich, laut Asperger, gesellig, oftmals ungeschickt sowie sprachlich gewandt und verfügten über hoch entwickelte Spezialinteressen.
Die Forschungen und Aufzeichnungen von Asperger fanden kaum internationales Interesse. Gründe waren eventuell die Zerrissenheit des Zweiten Weltkrieges oder der Fakt, dass er seine Ergebnisse lediglich auf Deutsch veröffentlichte. In den 1980er Jahren führte die britische Psychiaterin Lorna Wing Aspergers Forschungen weiter und definierte die „leichteren Fälle“ als Asperger-Syndrom (Wing 1981 in Kusch, Petermann 2001, 115-129). Nun fand das Syndrom weltweites Gehör.
3 Autismus-Spektrum-Störung und seine Formen
Unter diesem Begriff werden der frühkindliche Autismus, das Asperger-Syndrom und der atypische Autismus zusammengefasst. Gemeinsamkeiten innerhalb des Spektrums sind: eingeschränkte soziale Interaktion, eingeschränkte Kommunikation sowie sich wiederholende Verhaltensmuster.
Das Kanner-Syndrom ist die bekannteste und verbreitetste Form des Autismus, während das Asperger-Syndrom, eine „milde“ Form des Autismus (und die am höchsten funktionelle), weniger erforscht ist. Diese beiden Syndrome bilden den Mittelpunkt dieses Kapitels. Den High-functioning-Autism, eine Sonderform des frühkindlichen Autismus, sowie den atypischen Autismus sind nicht Bestandteil der Hausarbeit.
3.1 Frühkindlicher Autismus
Im folgenden Abschnitt werde ich den frühkindlichen Autismus nach den Klassifikationsinstrumenten, der Epidemiologie, Symptomatik, Ätiologie sowie nach seiner Diagnostik beschreiben.
3.1.1 Diagnosekriterien nach ICD-10 und DSM-IV
Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter
Gesundheitsprobleme (ICD, englisch: International Classification of Diseases and Related Health Problems) ist das elementare und weltweit anerkannte Diagnoseklassifikationsinstrument der Medizin und wird von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) herausgegeben. Diese internationale Einteilung und Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsproblemen ist für verschiedene Arbeitsfelder von Bedeutung. Für SozialarbeiterInnen meint dies eine Vereinfachung des Dialoges zwischen verschiedenen Professionen.
Die Aktuelle Ausgabe des ICD wird als ICD-10 gekennzeichnet. Autismus wird dort als „tief greifende Entwicklungsstörung“ definiert und unter dem Schlüssel F84 verzeichnet. Der frühkindliche Autismus führt den Schlüssel F84.0 (Wiesbrock 2005,12).
Das DSM-IV (englisch: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; deutsch: Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) ist ein Klassifikationsinstrument der American Psychiatric Association (Amerikanische Psychiatrische Vereinigung). Dieses Instrument wurde erstellt, um eine Diagnose und die Heilung von Krankheiten zu erleichtern. Das DSM-IV ist ein Ersatz und/oder eine Ergänzung für die jeweiligen Passagen im ICD-10 und macht, im Gegensatz zum ICD-10, geschlechterspezifische Unterschiede (Wiesbrock 2005, 12).
Werden Kriterien des frühkindlichen Autismus nach ICD-10 und DSM-IV zusammengefasst, sind folgende Gemeinsamkeiten zu erkennen: qualitative Abweichung in der sozialen Interaktion; qualitative Abweichungen im Kommunikationsmuster und ein begrenztes, stereotypes und sich wiederholendes Repertoire an Interessen und Aktivitäten (Steindal 2002 in Kuhles 2007, 13).„Tiefgreifende Entwicklungsstörungen“ beschreibt die Beeinträchtigung in den oben genannten Punkten. Abweichungen des Verhaltens und der Entwicklung der Betroffenen können unterschiedlich verlaufen und in ihrer Ausprägung stark variieren. Jedoch erfüllt nicht jedes Kind die klassischen Kriterien für den frühkindlichen Autismus. Um diese vom Asperger-Syndrom zu unterscheiden, stützen sich Professionelle auf die diagnostischen Merkmale des ICD-10.
3.1.2 Epidemiologie
Früher wurde angenommen, dass Autismus-Spektrum-Störungen sehr selten vorkommen. Aktuelle Untersuchungen zeigen deutlich höhere Prävalenzraten (Fombonne; Tidmarsh 2003 in http://aerzteblatt.pdf 2009, 60). Viele Studien behandeln den frühkindlichen Autismus, Untersuchungsergebnisse zu Asperger sowie zum atypischen Autismus sind seltener. Bis vor wenigen Jahren galt, dass bei einem Viertel aller AutistInnen eine geistige Behinderung vorliege, so zeigen aktuelle Studien, dass dies nicht zutrifft (Tidmarsh 2003 in http://aerzteblatt.pdf 2007, 875). Das Geschlechterverhältnis (männlich:weiblich) liegt bei 3:1. Die Häufigkeit des gesamten autistischen Spektrums wird mit 60 - 65 auf 10.000 Schulkinder beziffert. Beim frühkindlichen Autismus beträgt die Rate 11 - 18 / 10.000 Kinder. Diese Daten variieren von Studie zu Studie und die Ergebnisse von erwachsenen AutistInnen liegen noch nicht empirisch bestätigt vor. Autistische Störungen bei Mädchen gehen oft einher mit schwerer geistiger Retardierung (Kusch; Petermann 2001 in Kuhles 2005, 49).
Nationale und internationale Untersuchungen ergaben, dass Autismus in allen sozialen Schichten zu finden ist, in höheren sozialen Schichten ist der frühkindliche Autismus jedoch überrepräsentiert (Kuhles 2007, 23). Kanner beschrieb bereits 1943, dass die Eltern autistischer Kinder meist Akademiker seien. Bisher ist dies nicht eindeutig bewiesen. Autismus ist kein kulturspezifisches Störungsbild (Janetzke 1993, 35).
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