"Denkhüte" (Six Thinking Hats) - Kann diese Gruppentechnik den Unterricht nachhaltig bereichern?
Zusammenfassung
Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. „In Gruppen lernen“
3. Analyse des Modells „Denkhüte“
3.1. Eine eigene Einordnung
3.2. Bezug auf Sanders didaktische Prinzipien
3.3. Die Ausweitung des Modells auf die Erlernung eines neuen Themas
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
1. Einleitung
Menschen sitzen zusammen. Sie bilden einen Kreis, aus dem Farben hervorschimmern. Farben von Hüten auf ihren Köpfen. Es hagelt sich widersprechende Meinungen. Der eine wird lauter, der andere bleibt ruhig und gefasst. Erarbeitung durch Gespräche. Sie bilden eine Gruppe. Sie wirken in einer Gruppe. Sie lernen in einer Gruppe. Doch was ist daran besonders? Besonders ist, dass diese Versammlung von Menschen nie einer Meinung sein wird. Es sogar gar nicht darf. Denn nur so wird gelernt. Das ist der Grundsatz der Methode „Denkhüte“.
Dies ist eine Form des Lernens in Gruppen und eine exzellente Methode, ein Unterrichtsproblem oder eine Thematik zu bearbeiten und abzuschließen. Diese Technik findet sich im Umfeld von vielen Spielen, Methoden und Arbeitstechniken, die in zahlreichen Büchern beschrieben und ausgeleuchtet wurden. Erstaunlicher Weise findet man die Gruppenmethodik der „Denkhüte“, oder auch „Six Thinking Hats“ in kaum einem Buch verzeichnet. Dieses Thema schien bei meiner Literaturrecherche beinahe unausgeleuchtet. Lediglich in einem Buch von Matthias Nöllke konnte ich etwas Genaueres über diese Technik lesen.1 Eine Tatsache, die ich als Fehler ansehe. Diese Methode eignet sich in vielerlei Hinsicht zum Vertiefen eines Themas, zur Ausweitung einer Thematik auf andere und zum Abschluss einer Problematik. Dies unbeobachtet zu lassen, heißt in diesem Fall, eine Fackel zu besitzen, welche einen Raum ausleuchten kann, sich aber zu weigern die Fackel anzuzünden. Entweder, weil man zu unsicher ist und unbedingt auf die neuste Technik der Taschenlampen warten will oder weil man sich weigert das Feuer als Erfindung anzuerkennen. So oder so verbirgt sich hier ungeahntes Potential, dass ich, da es in der Literatur und anderen Bereichen offensichtlich bisher zu mangelhaft betrachtet wurde, im Zuge dieser Arbeit näher veranschaulichen möchte. Zu Beginn wird eine detailliertere Betrachtung der didaktischen Variante „In Gruppen lernen“ vorgenommen, welche auf die spezifische Methode der „Denkhüte“ hinleitet. Dort soll eine genaue Einordnung in verschiedenen Gebieten, wie die Art der Methode und den Grad ihrer Mehrpoligkeit2, vorgenommen werden, sowie ein genauer Bezug zu Sanders didaktischen Prinzipien. Auf diese Weise soll aufgezeigt werden, wie innovativ das Konzept der „Denkhüte“ ist, da es auch die üblichen Probleme des Lernens in Gruppen umgehen kann. Dies soll in dem Versuch gipfeln, ein zusätzliches Konzept darzustellen, welches die einzige immer wieder auftauchende Schwäche der „Denkhüte“ beseitigen soll, nämlich dass sie nicht zum Einstieg in ein Thema geeignet sind, da essentielles Vorwissen für die Anwendung von Nöten ist.3 Mit anderen Worten eine Erweiterung, die bewirken soll, dass man die Denkhüte auch zum Lernen eines neuen Themas einsetzen kann.
2. „In Gruppen lernen“
In diese Formulierung eines Lernweges ist die Methode der „Denkhüte“ eingeordnet. Doch ist dieser Weg wirklich sinnvoll, um im Unterricht eingesetzt zu werden? In der Literatur finden sich unzählige Wege Gruppen, Gruppenarbeit und das Lernen in Gruppen zu definieren, aufzudröseln und zu unterteilen. Aus Platzgründen und der Einfachheit halber, soll dies hier also einfacher gestaltet sein. Dass mehrere Menschen eine Gruppe bilden, wir jedoch erst ab drei Personen von einer Gruppenarbeit sprechen wollen, um diesen Begriff zur Partnerarbeit abzugrenzen, ist schnell gesagt. Auch die Unterscheidung in Klein- und Großgruppen, wie sie in der Literatur gerne vorgenommen wird,4 soll hier nicht genauer ausgeweitet werden, da wir bei nur sechs Akteuren ohne Probleme noch von einer Kleingruppe reden können. Um die eben gestellte Frage allerdings beantworten zu können, ist es vorerst wichtig, den Begriff „Lernen“ genauer zu betrachten.
Bedienen wir uns einer möglichst kurzen Definition des Begriffs „lernen“ von Hella Dahmer: „Lern […] erfolgt […] absichtlich und führt zu Verhaltensänderungen, die erkennbar gemacht werden können.“5 Diese Definition ist deswegen so hilfreich, weil sie in der hier geführten Betrachtung und im Umfeld des Politikunterrichts, wo Lernen immer vorsätzlich geschehen soll, eine große Vielfalt an verwendbaren Gegenständen zulässt, wobei sie jedoch nicht als allgemeingültig angesehen werden sollte. Dies wird allein schon wichtig, wenn man sich den von Volker Reinhardt herausgegebenen dritten Band der Reihe „Basiswissen politischer Bildung“ betrachtet, in dem der Begriff Lernen in viele, unterschiedliche Felder unterteilt wird. Wir finden hier demokratisches, politisches, ökonomisches, soziales, emotionales, moralisches, rechtliches, geographisches, historisches, naturwisschaftlich-politisches Lernen und die Friedenserziehung.6 Diese einzelnen Felder auszuleuchten wäre hier zu umfangreich und unnötig, da all diese Lernfelder von Gruppen durchgeführt werden können und politisch signifikant sind. Auf die politikdidaktische Bedeutung bezogen lässt sich dadurch jedoch feststellen, dass die Gruppenarbeit offenbar keine Einschränkungen hat. Unabhängig davon, ob sie immer der effektivste Weg ist, lässt sich sagen, dass sie auf so gut wie jedes Lerngebiet des Politikunterrichts angewendet werden kann.
Doch sollte man die eben angesprochene Frage nach der Effizienz nicht vernachlässigen. Denn schließlich haben didaktische Methoden den Sinn, die Lernleistung der Schüler zu optimieren. Ernst Meyer setzt die Entscheidung, ob die Bildung in Gruppen effektiv ist für das Lernen in Abhängigkeit des Aufgabentypus und der von diesem Typ ausgelösten Denkvorgänge. Er sieht die Gruppenarbeit als effizientes Mittel zur Bearbeitung von Analysen, Konstruktionen wie zum Beispiel szenische Darstellungen, Planungen, Auswertungen und am wichtigsten in diesem Zusammenhang: Training. Wichtig deswegen, weil Training auf die Verbesserung oder Aneignung einer bestimmten Fähigkeit hinarbeitet und somit als gleichbedeutend mit Lernen angesehen werden kann. In Gruppen zu lernen wird also von Meyer sogar als effektiver angesehen, als das Lernen in Einzelarbeit.7
Sich zum Lernen in Gruppen zu organisieren ist deshalb so sinnvoll, weil dadurch auch „sprachungewandte und -scheue Kinder zumindest überhaupt einmal zu sprachlichen Äußerungen gelangen und ihre eigenen Gedanken zum Ausdruck bringen können“.8 Weiterhin legt Meyer dar, dass die Fähigkeit des Überprüfens und Beurteilens nicht ausgebildet werden kann in einem andauernd vom Lehrer dominierten Unterricht, da dort die eigenen Interessen der Lernenden untergehen. Nur durch eigenständiges Denken und Beurteilen anderer Meinungen können sich Positionen und Gegenpositionen entwickeln. Demnach sind produktives Denken und kreative Lösungen ausschließlich Ergebnisse von Ideenaustausch und wechselseitiger Kontrolle. Das Letzte, was die Gruppenarbeit leistet, ist die Möglichkeit zur wechselseitigen Identifikation und zum Aufbau der Sensibilität für andere9 und in diesem Zuge wohl eine der wichtigsten Eigenschaften eines Schülers überhaupt, welche in heutigen Schulklassen nur noch sehr schwer zu finden ist: das gegenseitige Zuhören und aufeinander Reagieren. Durch seine notwendige ständige Kommunikation unter den Schülern steigert er das Demokratieverständnis eines jeden Schülers und trainiert die Anwendung dieses Grundpfeilers unserer Politik, dies ist einer der Hauptgründe, welcher die Schüler auf den späteren „Ernst des Lebens“ vorbereitet.10 Somit lässt sich die gestellte Frage, nach dem tatsächlichen Nutzen der Gruppenarbeit, positiv beantworten. Gruppenarbeit ist nicht nur sinnvoll, sondern nach Meyer sogar notwendig. Andere sehen den Gruppenunterricht als die Grundlage zur Entwicklung einer Persönlichkeit, da die Persönlichkeit des einzelnen Individuums selbstverständlich in kleinen Gruppen wesentlich besser zur Geltung kommt, als in der Masse eines Klassenraumes, weil wir uns in einer Masse lediglich fremden Gewohnheiten anpassen und die Leichtigkeit keine Individualität zu entwickeln dankbar annehmen. Gleichzeitig soll sich jedoch auch der Gedanke zu einer Gemeinschaft entwickeln, da sich gegenseitiges Verstehen und Verantwortung sowie Zusammenarbeit nur im Kontakt mit anderen Menschen erlernen lassen.11 Wichtige Argumente, da man jeder Methode, welche keine Einzelarbeit ist, den Vorwurf machen könnte, dass sie die Individualisierung blockiert und gerade bei der Gruppenarbeit, das]s sich einige Schüler die Stärke der anderen Schüler ausnutzen und im Endeffekt nichts dabei lernen oder ihre Stimme durch die Dominanz einzelner untergeht. Die Gruppen könnten Zeit verschwenden oder weit vom Thema abweichen. Wohlmöglich könnte die Gruppe an sich auch zu keiner gemeinsamen Zusammenarbeit finden.12 Eben für solche Fälle bedarf es einer Autoritätsperson, die auf derartige Vorkommnisse entsprechend zu reagieren weiß und die Beteiligung jedes Schülers garantiert.
Variablen, die hier dennoch nicht vernachlässigt werden dürfen, sind, dass der Unterricht natürlich nicht nur aus Gruppenarbeit bestehen kann, sondern der jeweiligen Situation entsprechend genutzt oder vermieden werden sollte. Außerdem ist das Verhalten und die soziale Herkunft der einzelnen Schüler ein elementarer Faktor. Unterschiedliche Herkunft bedeutet unterschiedliche Motivation und unterschiedliche Bereitschaft sich am Lernprozess zu beteiligen.13 Wenn der Schüler in diesem Fall ganz auf sich allein gestellt ist, könnte er durchaus an der Aufgabe des Lernens zerbrechen, versagen und aufgeben. In diesem Fall braucht es eine leitende dominante Hand, um dem Schüler den richtigen Weg zu weisen und ihn auf diesem Weg zu halten.
[...]
1 Vgl. Nöllke, Matthias: Kreativitätstechniken. Mit professionellen Methoden gewohnte Denkpfade verlassen, Planegg 2002, Seite 36 f.
2 Vgl. Gudjons, Herbert / Teske, Rita / Winkel, Rainer (Hrsg.): Unterrichtsmethoden. Grundlegung und Beispiele, Hamburg 1991.
3 Vgl. Nöllke, Matthias: Kreativitätstechniken. Mit professionellen Methoden gewohnte Denkpfade verlassen, Planegg 2002, Seite 36 f. & http://de.wikipedia.org/wiki/Denkhüte_von_de_Bono 03.08.2009.
4 Vgl. z.B. Meyer, Ernst: Das Modell Gruppendidaktik, in Einführung in die Praxis der schulischen Gruppenarbeit, hrsg. von Börje Forsberg und Ernst Meyer, Darmstadt 1976, S. 66-80. & Fuhr, Reinhard: Soziales Lernen, innere Differenzierung, Kleingruppenunterricht. Modelle zur Überwindung herkömmlicher Unterrichtskonzepte, Braunschweig 1977. & Witthaus, Udo: Open Space. Eine Methode zur Selbststeuerung von Lernprozessen in Großgruppen. Wissenschaft - Praxis - Dialog Berufliche Bildung Band 9, Bielefeld 2000.
5 Vgl. Dahmer, Hella: Effektives Lernen - Anleitung zu Selbststudium, Gruppenarbeit und Examensvorbereitung, Stuttgart 1991, Seite 9.
6 Vgl. Reinhardt, Volker (Hrsg.): Inhaltsfelder der Politischen Bildung. Basiswissen politische Bildung. Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht Band 3, hrsg. v. Dirk Lange und Volker Reinhardt, Baltmannsweiler 2007.
7 Vgl. Meyer, Ernst: Das Modell Gruppendidaktik, in Einführung in die Praxis der schulischen Gruppenarbeit, hrsg. von Börje Forsberg und Ernst Meyer, Darmstadt 1976, S. 66-80, Seite 70 f.
8 Ebenda, Seite 77 f.
9 Vgl. Ebenda, Seite 78 f.
10 Vgl. Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. Übungsbausteine für den Unterricht, Basel 2005, Seite 34-45.
11 Vgl. Fuhrich, Hermann / Gick, Georg: Der Gruppenunterricht. Theorie - Praxis, Ansbach 1954.
12 Vgl. Dahmer, Hella: Effektives Lernen - Anleitung zu Selbststudium, Gruppenarbeit und Examensvorbereitung, Stuttgart 1991, Seite 72.
13 Vgl. Meyer, Ernst: Gruppenarbeit und Konfliktprobleme, in: Einführung in die Praxis der schulischen Gruppenarbeit, hrsg. von Börje Forsberg und Ernst Meyer, Damrstadt 1976, S. 122-125, Seite 122.